gerechtigkeit,
die
;
-Ø/–
.
Eng vernetztes Bedeutungsfeld mit teilweise sehr offenen Übergängen zwischen den einzelnen Ansätzen; 1-3 eher auf
gerechtigkeit
als metaphysische, 4-11 eher auf weltimmanente
gerechtigkeit
bezogen; vgl. generell .
1.
›Gerechtigkeit als eine vor allem in Gott, aber auch im Rechtssystem, in der sozialen Ordnung wie im Denken, Fühlen und Handeln von Menschen existente abstrakte Qualität, der eine hintergründige, von konkreteren Einzelregelungen unabhängige Existenz (vgl. dazu die Syntagmen mit
gerechigkeit
im Subj.) zugeschrieben wird‹; inhaltlich bezieht sich das Wort in dieser Verwendung auf die Tugend, das Gleichgewicht, das abwägende Maß, die Verhältnismäßigkeit göttlichen und menschlichen, darunter richterlichen Handelns, in einer weiteren Fächerung auf die dieser Tugend zugrundeliegende Weisheit und die ihr folgende Liebe, Barmherzigkeit, Gnade, in einzelnen Belegen auf je bestimmte Fazetten des gesamten Spektrums von in sich ruhender, gottgegründeter, den Menschen Glück und soziale Sicherheit bietender Ordnung. Man vgl. für die Bedeutungsamplitude die Angabe bedeutungsverwandter bzw. dem Orientierungsfeld zugehöriger Ausdrücke, die Gegensatzwörter sowie die fließenden Übergänge zu anderen Bedeutungsansätzen.
Gehäuft Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Zur Sache:
LThK
1956, 4, 711
 - 718;
Lex. d. Mal.
4, 1304-1307
.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  1234,  1, , , ,
1
 1,  234,  5, leben (
das
) 2,  1,
1
 13,  1,  3,  12,  2, ,  1, , (mehrfach); vgl. I, 1.
Gegensätze:
 1,  1,  1,  1,  1,  3, (
das
1, .
Syntagmen:
g. behalten / finden / lieben / minnen / sehen / suchen / verkaufen / wirken, jm. g. mitteilen, die tugend die g. in sich begreifen
;
die g
. (Subj.)
erblinden / erleschen / henken / reinigen / weichen, ächtung / not leiden
,
offenbar werden
, (
etw
.)
sprechen, sich js. unterwinden, Christo vorgehen, in jm. sein, durch jn. wirken, das unrecht zuschanden machen, die sünde strafen, gleiche wage halten, ein wasser der gnade, ein kleid gottes sein
;
j. die g. sein
;
der g
. (Gen.obj.)
nicht achten
;
der g
. (Dat.obj.)
nachfolgen, beistand tun, neid tragen
;
zu g. neigen, mit g. richten, verdümet werden, den rat mit g. zieren, durch die g., um der g. willen leiden, sich wieder die g. aufbäumen, in der g. stehen, jm. not zu der g. sein
;
die g. gottes
(vielfach);
der baum / liebhaber / spiegel / schaz / weg, die form / gestalt / klagrede / sonne / wage / liebe, das insiegel / palas der g
.;
durst nach der g., gebrechen an g., Christus mit seiner g.
;
die götliche / ewige / strenge g
.;
frau g
.

Belegblock:

Matthaei, Minner. I, (Hs.
15. Jh.
):
wann Gerechtikeit diz gesprach, | Mazze man dar treten sach | zu dem juͤngen ritter.
Luther, WA (
1526
):
sondern gerechtigkeit wird komen und offenbar werden und das unrecht zu schanden machen.
Ebd. (
1544
):
wenn ich zuvor dieses Heubtgut hab meiner seligkeit, nemlich Christum mit seiner gerechtigkeit, der meine suͤnd und Tod uberwindet.
Ebd. (
1543
):
das leben und gerechtigkeit sollen wider bracht werdeñ. Und das sol thun Des Weibes same.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
580, 2347
(
Magdeb.
1608
):
Biß das Gottes Gerechtigkeit / | Die Suͤnd auch strafft zu seiner zeit.
Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Bi der wisheite stet | Der sterne vrowe gerechtikeit, | Wen iz vor alle tugende treit | Daz der richter si gerecht | Ober herre, dirnen und knecht | Mit so glichem gewichte.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
swer dâ minnet die gerehticheit, des underwindet sich diu gerehticheit und wirt begriffen von der gerehticheit, und er ist diu gerehticheit.
Ebd.
3, 105, 3
:
Swer underscheit verstât von gerehticheit und von gerehtem, der verstât allez, daz ich sage.
Ders., Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Stüendest dû in gerehticheit gebildet alleine und geborn, wærlîche, dich enmöhte als wênic iht leidic gemachen als diu gerehticheit got selben.
Der reine mensche minnet alle reinicheit, der gerehte minnet und neiget ze gerehticheit.
sælic sint, die dâ lîdent durch die gerehticheit.
Bömer, Pilgerf. träum. Mönch (
rhfrk.
,
um 1405
):
Frauwe Gerechtikeit, die fylerynne | Mit der dugende krafft und smyedynne.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
59, 37
(
omd.
,
1487
):
so eins [...] dem andern seine bezalúng thút Jn keiner andern meÿnung. den das er dem andern gebe was es ÿm schuldigk. Als dan ist es ein wergk der gerechtickeitt vnd magk der mensch da mitt vordÿnen.
Neumann, Rothe. Keuschh.
1549
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
di reine unbeflechte wissheit | di ist ein forme der gerechtikeit | ein spegel zu eime heiligen leben.
Schönbach, Adt. Pred. (
osächs.
,
1. H. 14. Jh.
):
Die gerechticheit ist daz man gote tu̇ sin recht und dem ebencristen sin recht.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
26, 1
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
Mittin in der stat ist eyn pallas, das heyst das pallas der gerechtikeit.
Asmussen, Buch d. 7 Grade
487
(
nobd.
, Hs.
A. 15. Jh.
):
dein gerehtikait tail den mit, | die dich gnoden niht enpiten.
Dinklage, Frk. Bauernweist.
19, 40
(
nobd.
,
1466
):
nachdem ich obgerurter notarien (!) von dem obgenanten herrn dechant, der gerechtigkeit beistande zu thun, [...], ersucht worden bin.
Rupprich, Dürer (
nobd.
,
1521
):
so wirstu mit ihm [Christo] regiren und richten mit gerechtigkeit, die nitt weißlich gehandelt haben.
Sachs (
Nürnb.
1550
):
Ein klagred der untergetretten fraw Gerechtikeit. Wer hie vürge, fraw oder man, | Der schaw mich, fraw Ghrechtikait, an, | Wie mir mein augen sint geplent.
Harsdoerffer. Trichter (
Nürnb.
1653
):
Die Gerechtigkeit ist edel / alt / beehrt / heilig / heilsam / unbeweglich / himlisch / maͤchtig / hasset die Geschenke / haͤlt jedem gleiche Waage / hoͤrt beeder Theilen Sage.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
Ouch sol dis lieht lúchten in die sittelichen tugende, also ist wisheit, gerechtikeit und stercke und messikeit.
Ebd. (
1359
):
,Suͦchent zem ersten das rich Gotz und sine gerechtekeit, und úch werdent alle ding zuͦ geworfen‘.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 337
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Cristus ist eine sunne der gerehtikeit vnd oͮch der barmehertzikeit.
Ebd.
1, 391
:
sv́ hattent ein frilich abe keren von gotte, [...], vnd hattent ein zvͦ keren zvͦ den creaturen. Vnd sú werdent mit gerehtekeit verduͤmet.
Roloff, Brant. Tsp. Widm.
25
(
Straßb.
1554
):
das nemlich die Tugendt / welche in sich begrifft die gerechtigkeit / fürsichtigkeit / den glauben / die warheit / standthafftigkeit / rc. nichts mer gelten will.
Behrend, Spangenb. Anbindbr. (
Straßb.
1611
):
Gott Wolle auch in dieser Stadt | Den Ehrsamen und weisen Raht / | Mit Gerechtigkeit und Weissheit zieren.
Steer, Schol. Gnadenl.
1, 52
(
noschweiz.
,
15. Jh.
):
Gnaͮd ist ain bild der warheit vnd ain jnsigel der gerechtikait.
Warnock, Pred. Paulis
5, 212
(
önalem.
,
1490
/
4
):
xxx geschlecht der menschen, die also die wag der grechtikait fälschent, und daz sint als glichsner.
Ebd.
8, 138
:
es spricht der wirdig doctor, Christus, die sunn der gerechikait, ist also gütig und milt, wo er ain lär, geschikt fass vindet, da mag er nit fürgon, er mag es nit gelassen, er muͦss sin gnad darin giessen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Geraͤchtigkeit (die) Die einem yeden das jm gehoͤrt zuͦspricht vnd gibt.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
337, 8
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
daz in allen gotlichen werken funden wirt erbermede unde gerehtikeit.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs.
um 1474
):
Gehorsamkeyt ist tod, | gerechtigkeyt leyt not, | nichts stet in rechter ordenung.
Alles geschriben recht hat gebrechen an gerechtigkeyt.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
v. 1536
):
dann die krechtigkait die hanck, die gotzforcht was hingeworfen.
Wackernell, H. v. Montfort (
soobd.
, Hs.
A. 15. Jh.
):
tet er es aber umb gâb od guot, | zwâr der hât ein bösen muot: | der verkoft die grechtikeit.
Klein, Oswald
111, 15
(
oobd.
,
1436
):
ain kindlin unversert | von lieb und durch gerechtikait | sich gab der marter swert.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
1573
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
so sind si nicht weys vnd achten nicht der gerechtichait in iren werchen, wann si sehen den willen gotes nicht an, der ain regel ist guter werich.
Matthaei, a. a. O. I, ; ;
ders., Eckharts Trakt. ;
Bömer, a. a. O. ; ;
Jahr, H. v. Mügeln
1455
;
Strauch, Par. anime int.
10, 24
;
Neumann, a. a. O.
3510
;
Schönbach, a. a. O. ;
Kehrein, Kath. Gesangb. ; ;
Pyritz, Minneburg
1463
;
3128
;
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
9, 43
;
17, 42
;
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
185
;
189
;
191
;
Rupprich, a. a. O. ;
Eichler, a. a. O.
1, 480
;
Grundmann u. a., A. v. Roes
194, 15
;
Warnock, a. a. O.
12, 20
;
Roloff, a. a. O. Widm.
31
;
176
;
Koller, Ref. Siegmunds ; ; ; ;
Ruh, Bonaventura
343, 17
;
Bauer, Geiler. Pred.
80, 5
;
Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio
193, 184
;
Ders., H. v. Langenstein. Untersch.
88, 43
;
117, 36
;
Klein, a. a. O.
112, 41
;
117, 59
;
Baptist-Hlawatsch, a. a. O., S. 
265
f.
Vgl. ferner s. v.  1, ,  18,  2,  5,  5,  4, ,  1,  2, (V.) 7,  2.
2.
›Gott als die Gerechtigkeit‹; damit tropisch aufs engste verbunden: ›in der Erlösungstat Christi dem im Glauben stehenden Menschen als Gnadengabe geschenkte Rechtfertigung; Freiheit des Menschen von eigener Sündhaftigkeit‹; anschließbar an 1 in der Nuance ,Liebe, Barmherzigkeit, Gnade‘.
Meist Texte der Mystik und der lutherschen Reformation.
Bedeutungsverwandte:
,  2.
Syntagmen:
g. haben, im glauben anheben, got die g. dem glauben zurechnen, das sacrament die g.
(
nicht
)
bringen
;
die g
. (Subj.)
nicht untergehen, jm. eigen sein, die sünde verschlücken, grösser als die sünde sein
;
got die g. sein, die g. got, der glaube, gnade sein
;
in der gerechtigkeit überbildet / eingebildet sein, jn. in die g. fürbringen, in der g. erfinden, jn. aus sünde in g. rücken, jm. Christum zur g. auferwecken / machen, Christus jm. zur g. auferstehen, die schuld
(des Menschen)
mit g. bezalen, gnade durch die g. herschen, durch den glauben zur g. kommen
;
die ewige / götliche g
.;
die g. Christi, des glauben
;
die eigenschaft der g., knechte der g., der fels / son der g.
[für Christus].

Belegblock:

Luther, WA (
1517
):
der heylig der also steet nit auff seyner heylickeyt, sundern auff dem felsz deiner gerechtickeit, die Christus ist.
Ebd. (
1521
):
sie ausz der gewalt des teuffels der sund, des tods, der hell zuerloszen und in die gerechtickeit, in ewigs leben und selickeit furtzubringen.
Ebd. (
1521
):
,justicia est fides‘, die gerechtickeit ist der glaub unnd durch den glauben.
Ebd. (
1521
):
das darumb nott sey, der gotlichen gerechtickeyt gnug tzu thun mit eygene werck odder mit ablaß.
Ebd. (
1519
):
auch hat nyemant keyn tugent noch gerechtigkeit dan der, dem du dein heiligkeit, dein gerechtikeit gibest.
das also die sünd vonn der gerchtigkait verschlücket werden.
Was die rechte ware gerechtigkeit sey. Was ist nu die gerechtigkeit die hye der herre meynet?
Darumb ist die gerechtigkeit nichts anders dann der glaub und gottes genad, durch wellche uns gott frum und gerecht macht.
Darumb mus es ia ein gros gewaltig ding umb den glauben sein, das soliche guter mein eigen sein sollen und sein gerechtikeit mein eigen.
Ebd. (
1544
):
auff das ich [Paulus] erfunden wuͤrde in der gerechtigkeit, so Gott dem Glauben durch Christi willen zu rechnet.
Ebd. (
1530
):
Unter der selbigen Sunde die Christo war auffgelegt, war verborgen ein ewige gerechtickeit, die beisset sich nu mit er Zeitlichen Sunde. So rade nu, wer gewinnen wird und ynn der flammen untergehen? Das ist gewis, das die gerechtickeit Christi nicht kan untergehen noch verdampt werden, denn es ist eine ewige gerechtickeit.
Ebd. (
1543
):
von der Ewigen gerechtigkeit die Messia in die welt bracht, uns von sunden erloͤset und gerecht gemacht hat.
Ders. Hl. Schrifft.
Röm. 5, 21
(
Wittenb.
1545
):
gleich wie die Sünde geherrschet hat zu dem Tode / Also auch herrsche die Gnade durch die gerechtigkeit
[
Mentel
1466:
das recht
]
zum ewigen leben / durch Jhesum Christ
. Dazu Marg. (1532):
also ist Christus gerechtigkeit vnser eige͂ worden.
Ebd.
Röm. 6, 18
:
nu ir frey worden seid von der Sünde / seid jr knechte worden der Gerechtigkeit
[
Mentel
1466:
des rechts
].
Pfefferl, Weigel. Ges.
26, 22
(
Hamburg
1646
):
vnd sollen gleüben das Sacrament wircke vergebung der Sünden, vnd bringe die Gerechtigkeit, so doch allein der glaube oder Christus die vergebung der Sünden wurcketen.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
daz ist ein gereht mensche, der in die gerehticheit îngebildet und übergebildet ist.
dar umbe ist der gerehte glîch gote, wan got ist diu gerehticheit. Und dar umbe: swer in der gerehticheit ist, der ist in gote und ist got.
dar umbe sô nemet die gerehticheit nâch dem, und si gerehticheit ist, wan alsô nemet ir sie nâch dem, und sie got ist.
Ders., Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Ein sôgetân mensche, gotes sun, guot der güete sun, gereht sun der gerehticheit, [...] ir geborn sun hât daz selbe eine wesen, daz diu gerehticheit hât und ist. und tritet in alle die eigenschaft der gerehticheit und der wârheit.
Aber gereht lûter, wan daz niht geschaffen noch gemachet vater enhât und got und gerehticheit al ein ist und gerehticheit aleine sîn vater ist.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Bautzen
1567
):
Der Christum sein ewig wort, | Vns macht zur gerechtigkeit.
Gille u. a., M. Beheim
69, 41
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Durch des glauben gerechtikeit | an vorcht ir ainer all pein leit.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
167, 10
(
Nürnb.
1548
):
Heiland / der ist starck genug / das er vns [...] auß den sünden inn gerechtigkeyt rucken kan.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 307
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
hie mitte ist er gestorben vnd hat vnser schulde bezalt mit gerehtikeit.
Warnock, Pred. Paulis
1, 24
(
önalem.
,
1490
/
4
):
also söllint ir fürbas úwri gelyder erbietten ze dienen der gerechtikait in der hailgung.
Mathesius, Passionale ; ; ;
Reichmann, a. a. O.
251, 30
;
252, 17
;
27
;
Warnke, Wb. Müntzer.
1993, 152
.
Vgl. ferner s. v.  8.
3.
›mit der Qualität ,Gerechtigkeit’ (s. 1) übereinstimmende oder auf persönlichem Rechtsempfinden beruhende Gesinnung des Menschen‹; dazu in fließendem Übergang metonymisch: ›der Gerechtigkeitsidee entsprechendes Verhalten, Tun‹; (vereinzelt:) ›aus Gerechtigkeit vollzogene gute Werke‹; Verkehrungen der
gerechtigkeit
im hier beschriebenen Sinne werden durch bewertende Attribute oder durch den weiteren Belegkontext zum Ausdruck gebracht; sie setzen immer die Bindung an das richtige Verständnis voraus.
Gewisse Beleghäufung für Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Bedeutungsverwandte:
 1, .
Syntagmen:
g. haben / tun / üben / wirken / behalten / biegen, jm. g. beweisen
;
g
. (Subj.)
aus minne entspringen, in werken bestehen, ein schnödes ding vor got sein, js. g. überflüssiger
›ausgeprägter‹
sein dan [...]
;
der g
. (Gen.obj.)
vermuten, sich der g. fleissen
;
etw. mit g. erwegen, jn. zu der g. unterweisen, jm. nach seiner g. lonen, die welt von g.
›auf grund von Eigengerechtigkeit‹
bestrafen
;
die g. der gleichsner, der werke, des richters / gesetzes
;
die eitle / menschliche g.
;
krieg mit g., unterrichtung in der g
.

Belegblock:

Anderson u. a., Flugschrr.
26, 4, 34
(o. O. [
1522
]):
es sey dan das ewer gerechtickeit vberfluͤssiger sey dan der schreiber vñ gleichßner / sunst werden yr nit komen in das reich der himel.
Ebd.
8, 10, 11
([
Nürnb.
]
1524
):
Dann aber seind sie warlich frey / wann sie der sun gottes freyhet von sünden vnd jren willen / zu sich zeuchet / vnd nit wañ sie mit jren wercken oder gerechtigkaiten des gesetzs sich zu freyhen vntersteen.
Ebd.
12, 7, 9
(
Wittenb.
1522
):
Die schrifft ßo von got herab gebe͂ / ist / nutz zu einer laher / zu straffen / vñ bessern / vnd vnderrichtung in der gerechtickeit / auff das der me͂sch gotis / gantz vñ volkome͂ / vñ tzu eine͂ yde͂ gute͂ werck bereitt sey.
Luther, WA (
1521
):
die grossen werckheyligen, die yren trost auff yr eigen gerechtickeit und nit auff gottis barmhertzickeit bawen.
dise gerechtickeyt [rosenkrentz beten] und heylickeyt will die wellt haben, welche doch stinckt und eyn unflat ist fur Gott.
Ebd. (
1528
):
viel Juͤden, die [...] fuͤreten so ein erbar, tugentsam leben durch das gesetz, [...], das es uber die masse was, Aber dieselbige gerechtickeit ist alles gras fur Gott.
Ebd. (
1529
):
Heutiges tags hewet und sticht dieser Text auch umb sich und schleget zu boden alle Secten, allerley Gerechtigkeiten und froͤmkeiten.
Ebd. (
1539
):
du bist weitth in einem hohern stande, und setzet dan den gottzen darzu, als Vermessenheit in eigene gerechtigkeit und weissheit.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
579, 2308
(
Magdeb.
1608
):
Bessr ist Fried mit beschwerligkeit / | Denn Krieg mit eitl Gerechtigkeit.
Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Wo seynd die / deren Gerechtigkeit besser ist / denn vorzeiten der Phariseer.
Feudel, Evangelistar
19, 16
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
Merket daz ir uwere gerechtekeit
[
Luther
1545:
Almosen
]
icht tut vor den luten daz ir von en gepryset werdet. andirs uch wirt keyn lon von uwerem vatere.
Eggers, Psalter
34, 11
(
thür.
,
1378
):
got lonete mir noch miner gerechtikeit.
Jahr, H. v. Mügeln
130, 2145
(
omd.
, Hs.
1463
):
gerechtikit man wirket schon, | das man von gotte hoffet lon.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
16, 15
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
Noch dem erbarn stryte irkrigite Cyngius dy vruntschaft und erbarkeit alle der Tartirn durch der manheit unde der gerechtikeit dy her bewyste
[nämlich:
keyme gevangin sulde we tun
]
den obirwundin provincien.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
75, 10
(
Nürnb.
1548
):
die lerer sind es / die andere vnterweisen zur gerechtigkeyt.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
wenn er [troͤster] kummet, so sol er die welt bestroffen von súnden und von gerechtekeit und von dem urteile.
O kinder, wie ist unser gerechtekeit so ein snoͤde ding vor Gotte!
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 453
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Gerehtikeit, die vs minnen vntspringet, wil alle die túgende vnd alle die sitten vollefuͤren, die dem riche gottes [...] zimmelich sint.
Ebd.
1, 750
:
Ist es, daz wir nu wellent dise túgende besitzen [...], so muͤße wir haben gerehtikeit, vnd die muͤße wir vͤben.
Ruh, Bonaventura
327, 6
(
oschwäb.
,
2. V. 15. Jh.
):
niemant mag sein [des richters] weißhait betriegen, sein gerechtigkait piegen, sein räch entfliechen.
Reithmeier, B. v. Chiemsee (
München
1528
):
daz wir vnnser gerechtikait (das seinn guote werch die wir rechtlich schuldig seinn zeuolbringen) nit thuon vor den mennschen vmb ruoembs willen.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
29, 28
(
mslow. inseldt.
,
1534
):
haben klag, Antwort vnnd Zeugnus, [...] mit göttlicher gerechtigkaitt vnnd höchstem flaiß, gantzer drey tag erwegen.
Eichler, a. a. O.
1, 368
;
776
;
Warnock, Pred. Paulis
8, 337
;
Kohler, Ickelsamer. Gram. ;
Vgl. ferner s. v.  1,  2.
4.
›Rechtschaffenheit des Menschen in innerweltlichen Bezügen‹; im Unterschied zu 1 bis 3 mit reduzierter metaphysischer Begründung.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
VIRTVS. Tugend frummigkeit erbarkeit biderbkeit redlichkeit ersamkeit gerechtigkeit.
Wyss, Limb. Chron. (
mfrk.
, Hs.
2. H. 16. Jh.
):
Unde gap ime der heilige Geist in sine sinne, daz he sin leben und sin ende in gerechticheit erlichen besloiß.
Pyritz, Minneburg
4042
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Wann mir ist oft und dicke geseit | Vil von diner [man] gerechtikeit.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
sô getâneu herzen [muotig, manhaft] vint man auch in guoten läuten in gerechtikait.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
52, 23
.
5.
›Rechtshoheit, Befugnis über die Handhabung des Rechtes auf verschiedenen hierarchischen und funktionalen Ebenen eines Verfassungsystems‹.
In Texten säkularen Inhalts belegt.
Bedeutungsverwandte:
I, 2, (
der
4.
Syntagmen:
g. haben
;
jm. mit der g. zuständig sein, dem ort an der g. abbruch geschehen
;
die g. des amptes, an der art
;
die hohe / niedere / keiserliche / pfarliche g.
;
behaltnis / erhaltung der g
.

Belegblock:

Merk, Stadtr. Neuenb. (
nalem.
,
1527
):
das das obgemelt closter und gotshus nun hinofuro aller und ieder burger und einwoner zu Newenburg, [...], pfarr sein, derselbigen pfarlichen recht und gerechtigkeit haben [...] solle, aller gestalten, wie die durch den Rein hingefurte pfarr gewesen, gehept hat, gehalten und erkant worden ist.
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
Gewalt oder gerechtigkeyt gericht zuͦ halten.
Bernoulli, Basler Chron. (
alem.
,
1530
):
Dardurch den funff orten an ir gerechtigkeyt der vogtyen und regierungen ein grosser abbruch geschach.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen (
halem.
,
1663
):
im übrigen aber selbige herrschaft mit aller hochen und nideren gerechtigkeit uns immediaté alls erkoufft gut zustendig seye.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1544
):
derhalben der landvogt [...] sein landschafft und gepiet der landvogtei umb dise statt zu erhaltung kaiserlicher gerechtigkait innenhaben soll.
Piirainen, Igl. Bergr.
38, 20b
;
Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb.
1991, 513
.
Vgl. ferner s. v.
2
 1,  5.
6.
›Rechtsordnung einer meist verfassungsrechtlichen Organisationseinheit, auch z. B. einer Zunft; Recht als System festgelegter und einzuhaltender Regeln, Normen, Gesetze‹; speziell: ›Gesamtheit der Gebote des Alten Testamentes‹; als Metonymien: ›dem Rechtssystem folgende Rechtsprechung; Rechserkenntnis, Rechtsspruch; Rechtsvollzug‹; (vereinzelt:) ›Urkunde über das Rechtssystem‹.
Phraseme:
sache der gerechtigkeit
›Rechtslage‹.
Bedeutungsverwandte:
 3, ,  23,  1,  12,  1,  2, (
das
3, (
das
420,  1, , ; vgl. I, 3.
Syntagmen:
die g. befürdern / erfüllen / handhaben / leren / üben / wissen / brechen / schwächen / erfaren /
(metonymisch:)
besichtigen, jm. die g. mitteilen
;
der g. ausrichtung tun
;
bei der g. bleiben, nach g. leben / regieren, in g. regieren, in der g. gehen, wieder die g. gerichtet sein, die gewonheit zur g. bringen, barmherzigkeit mit der g. sein
;
die g. des gesetzes / dorfes / herren, der erbfälle / herschaft / stat / zehent, der weber, der von Erfurt
;
die g. in einer freiheit
(einem Gebiet);
die hergebrachte / weltliche / zeitliche g
.;
die beschreibung / festenung der g.
,
der liebhaber der g., werke der g
.

Belegblock:

Mendthal, Geom. Culm. (Hs. ˹
preuß.
,
A. 15. Jh.
˺):
der grosmechtige vorste, homeyster, guteger lyphabir der gerechtekeyt, myt stetir sorge by den gescheften synes landes stetlychen wachende.
Luther, WA (
1517
):
die sich yn wercken der gerechtickeyt uben und alßo auß der ungerechtickeit zu kumen vormeynen.
Ebd. (
1520
?):
Iustitia regni Dei fere est, ut vulgo et Germanice dicimus: Die Stadt bleibt bey Jrer alten gerechtigkeit und zcustendigkeit.
Nicodemus maynet, das die gerechtigkait des gesetzs etwas sey, Aber Christus leret, das [...].
Ebd. (
1544
):
Gerechtigkeit, davon die Philosophi und Juristen reden, welche heisst Welt Recht oder Keiser Recht halten, und thun, was die vernunfft leret.
Schöpper (
Dortm.
1550
):
IVS. Recht billigkeit gerechtigkeit.
Aubin, Weist. Köln/Brühl (
rib.
,
1635
, Hs.
A. 18. Jh.
):
damit dem in zeiten vorgebauet, die untaten bestrafet, die hoch- und gerechtigkeit nicht geschwecht werde.
Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
106
(
mrhein.
,
um 1335
):
La die rede sin, iohan, | vnd deufe mich, vil heilger man. | So wirt alle gerehtekeit | irfullet.
Köbler, Ref. Wormbs
226, 6
(
Worms
1499
):
gerechtikeiten od’ sprüch die vnbeweglichen gütern anhangen oder dieselben zuerfolgen fürgenõmen moͤgen werden.
Kollnig, Weist. Schriesh.
14, 8
(
rhfrk.
,
1592
):
und er, schultheis, der älteste in der cent ist und solche unbeschriebene brauch und der cent gerechtigkeit am besten wisse.
Thiele, Chron. Stolle (
thür.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Hir folget nach der von erffort gerechtickeit in örer stad, uss geczogen von ören angeslagen czeddeln unnd darinne sie zu erkennen geben öre gerechtickeit widder den bisschoff zu menez.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
117, 22
(
thür.
,
1474
):
dy sache von nuwens vorzcunemen unde von grunde zcu vorhoren nach der sachen gerechtikeyt.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. (
osächs.
,
1343
):
Jhêsus antworte und sprach zuͦ ime [Jôhannes]: „Gestate nuͦ, wan alsô zcimet uns zuͦ irfullene alle girechtikeit“
[
Mentel
1466:
recht
].
Ebd. Lk. :
si wâren beide gerecht vor gote unde wandelnde in allen geboten und gerechtikeit
[
Luther
1545:
Satzungen
]
des herren sunder clage.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
18, 14
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
Dy gerechtikeit ubin si in der wys. Der manslechtik wirt, der hot keynen vryde.
Kisch, Leipz. Schöffenspr. (
osächs.
,
1523
/
4
):
und N. kann ein sulche alde gewonheit und gerechtigkeit mit seinen prifen nicht geprechen.
Dinklage, Frk. Bauernweist.
68, 35
(
nobd.
,
1465
):
wie er ein newer vogt [...] und nicht wissen were ire gerechtikeit, gewonheit und alt herkommen.
Gille u. a., M. Beheim
99, 892
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
eur gewunhait | wil ich euch zu gerechtikait | pringen und ach pesteten.
Köbler, Ref. Nürnberg
220, 11
(
Nürnb.
1484
):
Võ gerechtikit kunftiger erbfelle.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
meynet er, müsse man alles dieses sein Geschwätz, so wider Gericht vnd Gerechtigkeit gerichtet, auch glauben.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
sy giengen in allen den gerechtigkeiten vnd in den gebotten des herren on klag.
nach allen den gesetzen vnd nach iren gerechtigkeitten.
Müller, Alte Landsch. St. Gallen (
halem.
,
1525
):
das er und das gotzhus bi irem langen harkomen, gerechtigkeiten, bi sprüchen, verträgen, offnungen und bi brief und sigel beliben.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
v. 1536
):
haben im etlich ungerisch herrn [...] etliche war genomen, [...], wider got, eer und recht, on alle krechtigkait.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
kaiserlich haubtleut, die der Römer sitten und gerechtigkait erfarn und kundig warn.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1529
):
was ist gërechtigkait hie in fürstlicher freihait umb notnunft?
Mollay, Ofner Stadtr.
220, 2
(
ung. inseldt.
,
1. H. 15. Jh.
):
Mit der gerechtikait seÿ dÿ parmherczikait Gerechtikait vnnd straffung sol mit der parmherczikait [...] ver ainet seÿn peÿ allenn Richtern.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
40, 28
(
mslow. inseldt.
,
1567
):
das keiner nach dieśer Stadt gerechtigkeitt frey hab, einem Marchśtein Zue śetzen.
Beckers, Bauernpr.
60, 6
;
Kollnig, a. a. O.
201, 43
;
Köbler, Ref. Franckenfort
90, 3
;
Ermisch, Freib. Stadtr. ;
Gille u. a., a. a. O.
37, 23
;
Eichler, Ruusbr. steen
578
;
Warnock, Pred. Paulis
9, 99
;
Müller, a. a. O. ;
Wyss, Luz. Ostersp.
3, 75, 6
;
Reithmeier, B. v. Chiemsee ;
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. ;
Piirainen, Stadtr. Sillein
160b, 34
.
Vgl. ferner s. v. ,  3, ,  7,  1.
7.
›Rechtsstandpunkt einer Partei, wie er vor Gericht mündlich oder schriftlich vorgetragen wird‹.
Rechts- und Wirtschaftstexte.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  4.
Syntagmen:
die g. austragen / fürtragen / fürbringen
(jeweils ›vortragen‹),
js. g. hören, jm. die g
. (›schriftliche Festlegung‹)
zusenden
;
die g
. (Subj.)
(etw.) besagen
;
der g. halben ein urteil sprechen
;
hindernis an js. g. tun
;
die g. der armen leute
;
die stärke der g
.
Wortbildungen:
gerechtigkeitshandlung
›Verhandlung in einer Rechtsangelegenheit‹ (a. 1528).

Belegblock:

Köbler, Ref. Wormbs
278, 26
(
Worms
1499
):
clag. antwort. beidteil fürbringe͂ gezügnus vnd gerechtikeit nach notdurfft zuuerhoͤrn.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
121, 24
(
thür.
,
1474
):
Nachdeme ir uns zcweyer part schrifftlich zcusage unde gerechtikeyt, darobir recht zcu erkennen, zcugesant habit.
Ebd.
133, 40
:
daz der dertte geczugk, [...], iczunt vorstorbin ist, mag ym an syner gerechtikeyt nach gestalten dingen keyn hinderniße thun.
Ebd.
283, 24
:
also Concze Albrecht zcu stergke syner gerechtikeyt vorbrenget eyn bekenteniß des richters unde der schepphin, daz [...].
Lexer, Tucher. Baumeisterb. (
nürnb.
,
1464
/
75
):
dorzu wart beschieden Jeronimus Kreß, mit dem solt ich [...] des Kamerers gerechtikeit horen.
Thiel u. a., Urk. Münchsm.
226, 26
(
moobd.
,
1478
):
also ste er hie im rechten vnnd welle seins gotzhawss vnnd armen leutten gerechtikait austragen vnnd horen lassen.
Köbler, a. a. O.
326, 6
;
Grosch u. a., a. a. O.
286, 20
;
312, 1
;
8.
›Rechtsanspruch, den j. erhebt‹.
Syntagmen:
seine g. melden / vertreten / überantworten, jm. die g. abbrechen, g. zu haben meinen, zu erkennen geben
;
sich einer g. unterziehen
;
von seiner g. weichen
;
die gebürliche g
.

Belegblock:

Peil, Rollenhagen. Froschm. 175;
4039
(
Magdeb.
1608
):
Die Fraw wird wol zum Kasten sehen / | Vertretten jhr gerechtigkeit.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
128, 40
(
thür.
,
1474
):
wy daz sy ynne unde under sich (habe) etczlich farnde habe obir yre geborliche gerechtikeyt.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1488
):
und wie die burggraffen sich etlicher gerechtigkeit underzogen.
Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag
26, 2
(
Zürich
1521
):
Du meinst diner maiestat gieng etwz ab / [...] / wann du ein klein von diner gerechtikeit wichest.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
15.
/
16. Jh.
):
ob jemants zuspruch vermainet zu haben, es wär umb gründ oder erbschaft, der schol sein gerechtichait melden.
Wackernell, Adt. Passionssp. Br. I,
407
(
tir.
,
1551
):
werr ich aines herren kchnecht, | Der mir ein gerechtigkchaitt ab prech, | Wie genueg ich mich Nur an im Räch.
Küther, UB Frauensee
221, 1
;
Grosch u. a., a. a. O.
146, 8
.
Vgl. ferner s. v. .
9.
›Rechtsanspruch eines Mannes oder einer Frau auf Sexualität in der Ehe‹.

Belegblock:

v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
40, 8
(
omd.
,
1487
):
App aber weiber bÿnnen der zceitt ÿrer natürlichen kranckheit ane sunde ÿre gerechtigkeitt mogen fordernn.
Ebd.
41, 22
:
Er [man] doch gleich woll nicht abelasse. sunder sein gerechtickeitt haben, als dan soll sÿe [...].
Ebd.
55, 8
:
Auch werdenn ehbrecher vnd ehbrecherJn durchs geistliche recht ÿrer gerechtickeitt sÿe Jn ehlichen wercken zcu fordern haben berawbett.
v. d. Lee, a. a. O.
66, 15
;
10.
›Anrecht, Recht e. P. auf / zu etw., rechtlich festgelegte Befugnis, objektiv bestehender Rechtsanspruch‹; in einzelnen Fällen mit Tendenz zu ›rechtlich begründete Pflicht‹; zu Spezialisierungen vgl. .
Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte, auch Chroniken.
Phraseme:
die bessere / stärkere gerechtigkeit
.
Bedeutungsverwandte:
,  2, , ,  10,  4, , (
das
68,  1,  7.
Syntagmen:
die / eine g. begeren / fordern / erlangen / haben / behalten / aufgeben / verlieren / entziehen / verschweigen / erneuen / lesen, jm. eine g. übergeben / zueignen / zuweisen / abschneiden, jm. eine g. aus etw. schöpfen, g. zum himmel, an etw. haben, die g. auf jn
. (z. B.
auf das kind
)
bringen / erben, eine g. haben, das [...] / zu [...]
;
eine g
. (Subj.)
zur schäferei gehörig sein
;
sich einer g. unterziehen
;
auf g. klagen, etw. aus g. tun, jn. mit einer g. begeben, etw. zu einer g. kommen
›zum Recht werden‹,
jm. etw. an der g. benemen, von der g. etw. schuldig sein
;
die g. des erbes / gutes / leibgedinges, einer fundgrube, auf grund und boden
;
die alte / erbliche / grosse / kundliche / zuerkante g
.;
die g. des reiches
(genitivus subjectivus);
die g. an der burg, an dem gut
;
die erhaltung / entsetzung / verliesung der g
.;
die vogtei mit der g
.
Wortbildungen:
gerechtigkeitbrief
›Urkunde über Gerechtsame‹.

Belegblock:

Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Die Alten wollen jhnen die Gerechtigkeit im Heyrath der jungen Maͤglein nicht lassen abschneiden.
Loesch, Kölner Zunfturk. (
rib.
,
1516
):
wer jemantz, der sich weigerde, burg zu werden und nit sein wolt, der wolle alle seine gerechtigheit des amptz verloren haben.
Kollnig, Weist. Schriesh.
87, 22
(
rhfrk.
,
1610
):
waß zur churfürstlich pfaltzischen hernschoferey zue Dossenheim gehörig an freyheiten, fronndiensten, weidgangen und andere gerecht und gerechtigkeiten.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
33, 17
(
thür.
,
1474
):
Die erbern schepphin zcu Lipczk: eyn rechtspruch getan an den vorgenanten statschrieber zcur Nuenstat umbe lipgedingis gerechtikeyt.
Hertel, UB Magdeb. (
nd.
/
omd.
,
1494
):
Further gemelther rath und burgher von vihil berumpter zceyt her unvorruglich die gherechtikeit ghehabt und noch haben, das sye yn der alden stad Magdburg alleyne und gentzlich und yn zewstendig weyn zew schencken.
Berthold u. a., Zwick. Stadtrref.
174, 9
(
osächs.
,
1542
/
70
):
do andere glaubiger offentliche ader stilschweigende hypotek und pfand ader ander eltere oder sterkere gerechtigkeit ader schulden / in ader auf den gutern ader personen hetten.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1440
/
4
):
zu erkennen zu geben, waß gerechtikeit ein romischer kunigk hie bei uns hette rc.
Mon. Boica, NF.
2, 1, 273, 3
(
nobd.
,
1464
):
sagen sie, das sulch geltguͤlt, [...] einzwͤbringen durch pete der castner auf sie komen sey, und nuͤn zwͤ eyner gerechtikeit komen wolle, daran in sere uͤnguͤtlichen geschee.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
62
(
Nürnb.
1517
):
Beschlislich: Ist Christus ich, so hab ich ,gerechtikeit zum‘ himel.
Merk, Stadtr. Neuenb. (
nalem.
,
1462
):
sollent die von Núwenburg sich dheinerlei sachen noch gerechtikeiten, [...], es sie heßen, beißen, vischen, pfenden oder úber frevel und das bluͦt ze richten, [...] underziehen.
Köbler, Stattr. Fryburg (
Basel
1520
):
so wañ dañ der ihen / so sin teyl begert / ein wissentlicher erb wer / oder sunst kuntliche gerechtigkeit hett.
Rintelen, B. Walther
176, 8
(
moobd.
,
1552
/
8
):
Wanngleich die instituierten Erben das Testament [...] nit fürbrächten, so ist inen doch damit an irer erblichen Gerechtigkeit nichts benommen.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
künig Dardanus gab sein gerechtikait auf, die er an Italien vermaint zu haben, seinem veter Tyrrhenus.
Zingerle, Inventare (
tir.
/
vorarlb.
,
1485
):
ain aser, verpetschaft, darin gerechtigkait- vnd lehenbrief der Fürmianer.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1590
):
welche gerechtikait haben aufs Ierninger moß zu treiben.
Piirainen, Stadtr. Kremnitz
2
(
mslow. inseldt.
,
1492
):
So soll ein ÿder pergmeister: darczu seh(e)nn daß der [Stollen] gepaut werde [...] von den: die dan von Alder gerechtikeÿth schuldig sein czupawen.
Mieder, a. a. O. ;
Kollnig, a. a. O.
112, 28
;
172, 6
;
231, 7
;
Laufs, Reichskammergo.
119, 21
;
191, 17
;
Grosch u. a., a. a. O.
21, 9
;
26, 36
;
28, 16
;
51, 32
;
58, 34
;
101, 41
;
128, 4
;
Ermisch, UB Chemnitz ;
Mon. Boica, NF.
2, 1, 25, 18
;
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen ;
Müller, Alte Landsch. St. Gallen ; ; ;
Jörg, Salat. Reformationschr.
856, 8
;
Rennefahrt, Recht Laupen ;
v. d. Broek, Spiegel d. Sünders S. 
69
f.;
Baumann, Bauernkr. Oberschw. ;
Winter, Nöst. Weist. ;
Mell u. a., Steir. Taid. ; ;
Siegel u. a., Salzb. Taid. ;
Bischoff u. a., a. a. O. ;
Piirainen, Stadtr. Kremnitz
1
; E;
Piirainen, Igl. Bergr., S. 
69
f.;
Vgl. ferner s. v.  1,  6,  3, ,  5.
11.
›Gebühr, die einem Anteilhaber, Amts- oder Funktionsträger, einer Instanz (z. B. einem Gericht) für seinen / ihren Anteil oder eine erbrachte Leistung zusteht und vom Pflichtigen zu erlegen ist‹.
Rechts- und Wirtschaftstexte, auch Chroniken.
Bedeutungsverwandte:
 8,  2, (
die
2,  1,  2,  1, , , , .
Syntagmen:
die g. tun / erlegen / fordern, eine g. haben / erhalten
,
(jm.) eine g. bezalen / geben
(mehrfach)
/ schicken / übergeben / zusprechen, dem gericht eine g. verfallen sein
;
die g. jm
. (z. B.
dem herren
)
folgen
;
etw. für seine g. nemen
;
die g. an der leibeigenschaft
;
die alte / gewönliche / verfallene g
.

Belegblock:

Schade, Sat. u. Pasqu. (
md.
1521
):
von einem reichen der seinen weingarten etlichen verlihen het, und da sie im seine gerechtigkeit darvon überschicken solten, handleten sie im seine boten und diener übel.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
58, 2
(omd., 1450 (?)):
Wurde man begern snuͤre und maße zcu messen, daran hat der bergkmeistere seyne gewonliche gerechtikeith.
Ermisch, Freib. Stadtr. (
osächs.
,
1468
/
86
):
das eyn iglicher, der das handwerg lernen wil, sal gute und gnugsame brieffe [...] siner eldern und sines enthaldes brengen und dornoch dem handwerge sine gerechtikeit geben.
Mon. Boica, NF.
2, 1, 20, 11
(
nobd.
,
1464
):
und die lewt sich [...] sulcher guͤlte und gerechtikeyt, der sie pflichtig zwͤ thuͤn sint, viel aufgehalten haben.
Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
n. 1525
):
das ir widerumb gegen kayserlicher mayestat, burgermaister, [...], auch andern ewern rechten erbherrn in alle pflichten und geharsam steen, auch alle zyns, gult, stewr, zehend und dienst, auch ander ir gerechtigkait geben.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1523
/
7
):
der fuorman starb, da nam der abbt 3 fas wein für sich für sein gerechtigkait an der leibaigenschaft.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Den fürsten ward ir alte gerechtigkait zu Regensburg, nemblich die maut und zol, [...], dergleichen der hof zuegesprochen.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1580
):
dem richter al sein gerechtigkait und wandel zu bezalen, auch ime das vor offner gemain abzubitten.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1635
):
so soll ein jeder welcher gerechtigkeit
[dies zu 10]
hat zu albnen, [...], willig sein gebühr ohne widerredt den albmaistern oder rottman darunter ainer sich befindt geben, [...], damit jeder sein gerechtigkeit erhalte.
Aubin, Weist. Köln/Brühl ;
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
39, 29
;
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
185, 33
;
Winter, Nöst. Weist. ;
Mell u. a., a. a. O. ;
Siegel u. a., Salzb. Taid. ;
Bischoff u. a., a. a. O. ; ;
Vgl. ferner s. v.  7, .
12.
›Eigenschaft, Beschaffenheit e. S.‹; möglicherweise hier anschließbar: ›Ausstattung einer Konstruktion (z. B. eines Schachtes)‹ (vgl. dazu die Belege von
Paul
s. v.  4, ).
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1.

Belegblock:

Neumann, Rothe. Keuschh.
1014
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
das elffenbein had di nature | das ess der hitze widdir stet, | sine gerechticheit man also besehet.
Rupprich, Dürer (
nobd.
,
um 1500
):
zum ersten sichstu, jn waß firung der halß mit rott gemacht jst noch der gerechtikeit.
13.
›Gut, Besitztum, das jm. rechtlich zusteht; Ware, mit der man handelt‹.

Belegblock:

Argovia (
halem.
,
1604
):
Wann auf Wienacht den funfzehn Gerechtigkeiten auf Egenwil, [...], ihr Holz gezeigt und einer in solchem Platz ein Stuck hat.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1560
):
hat herr Bernhart, [...] ainen kauf umb ir haus, dorf, holtz und weier sampt allen darzúgehörungen und gerechtigkaiten [...] angenomen.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1633
, Hs.
17. Jh.
):
es soll in allweeg zwen maßmaister gesetzt werden uber die fleüschhaker und pöken. dieselben sollen das fleüsch und andere gerechtigkeit beschauen.
Vgl. ferner s. v.  10.
14.
›Wert (einer Münze)‹.

Belegblock:

Gärtner, Widm. Rechenb.
466, 16
(
Leipzig
1489
):
Nu ist die frag wye vil pf an 1 mr gen sol das die muncz yr gerechtigkeit hab als ir gepurd.
Ebd.
31
:
so vil pf ist der muncz gerechtigkeyt fur 1 fl zu geben.