anheben,
V.;
in etwa zwei Dritteln der diesbezüglich interpretierbaren Fälle unregelmäßig (abl.); obd. vereinzelt
2
anhaben.
1.
›mit etw. (einer Tätigkeit, die in der Zeiterstreckung gedacht wird) anfangen, beginnen‹.
Bedeutungsverwandte:
 1 (1. Nuance),  5, (V.) 1; vgl.  5.
Syntagmen:
oft absolut;
j. / etw.
(meist Menschen, auch Gott, Natur, Tiere)
a. zu
(+ Handlungs-, Verhaltensverb);
j. mit etw. / von etw. a.
;
j. die ärzetei / klage / letze / rede / schlacht, den psalm / schimpf / tanz / zank, das regiment, die teidinge a.
;
das a.
(subst.)
der messe.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
dâ diu natûre lœzet von irm werke, dâ hebet got ane ze würkenne und ze schepfenne.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Woltstu mir nur so viel nach geben, | Das Regiment einst an zu heben, | Zu herschen einen tag verguͤnnen.
Gerhard, Hist. alde e
4631
(
omd.
,
um 1340
):
Van der zit und van der vrist, | Als er [tempel] angehaben wart.
Karsten, Md. Paraphr. Hiob (
omd.
,
1338
):
Der mit mir hat angehaben | Und begunt hat myner qual.
˹Ra: Luther, WA (
um 1535
):
Der esel hebt zu hoch an.
˺
Scholz, Lanfrank. Chir. Parva
237v, 12
(
md.
/
oobd.
,
1446
/
8
):
Nu heb an dy erczteyen: druß mit dem aderlaßen.
Banz, Christus u. d. minn. Seele
58
(
alem.
,
1. H. 15. Jh.
):
So hübist denn an súnfftzen und wainen.
Adrian, Saelden Hort
126
(
alem.
, Hss.
E. 14.
/
15. Jh.
):
swie daz ich noch bin unberait | ze maisterlichem getihte, | joch in der zuͦversihte, | der œllú ding mag und kan, | daz der im helf, heben an.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
822
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
ward versuͦchet nach dem toͮff, | Do huͦb er an sinen loͮff | Und fieng an leren und sagen.
Fischer, Eunuchus d. Terenz 28, K. (
Ulm
1486
):
der mich vor het an gehebt lieb zehaben.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
er [äul] hazzet daz lieht und hebt an ze wachen wenn andreu tier slâfen gênt.
Drescher, Hartlieb. Caes. (
moobd.
,
1456
/
67
):
Do doch der selbe lobsang volbracht was, und do die leczen des heyligen ewangely angehaben was.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
46, 15
(
tir.
,
1464
):
da viel er nider auf das ertreich [...] vnd hüeb an zu schreien vnd zu wainen.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
hueb er [kunig von Polan] sich an zu kryegen mit grossem ernnst.
Helm, H. v. Hesler. Apok. ;
Quint, a. a. O. ;
Sievers, Oxf. Benedictinerr. ;
Valli, Baldemann
8
;
Hübner, Buch Daniel ;
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
32, 1
;
Löscher, Erzgeb. Bergr.
67, 6
;
Welti, Pilgerf. v. Walth.
40, 29
;
Opel, Spittendorf ;
Scholz, a. a. O.
227r, 8
;
Pyritz, Minneburg
4287
;
Gille u. a., M. Beheim
71, 331
;
82, 605
;
Mayer, Folz. Meisterl. ;
Vetter, Pred. Taulers ; ; ;
Kurrelmeyer, Dt. Bibel ;
Koller, Ref. Siegmunds ;
Sappler, H. Kaufringer
3, 63
;
Banz, Christus u. d. minn. Seele
81
;
Mollwo, Rotes Buch Ulm ;
Adrian, Saelden Hort
154
;
1018
;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Welti, Stadtr. Bern ;
Buijssen, Dur. Rat.
25, 28
;
Drescher, Hartlieb. Caes. ;
Bauer, a. a. O.
74, 29
;
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. ; ; ;
Grossmann, a. a. O. ; ;
Winter, Nöst. Weist. ; ;
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. ;
Voc. Teut.-Lat.
b iijv
;
Dietz, Wb. Luther ;
2.
›sich von einem bestimmten Punkt an in der Zeit erstrecken, beginnen, anfangen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1 (2. Nuance);  5,  1,  3.
Syntagmen:
in 2 Dritteln aller Fälle reflexiv;
christenheit / welt / helle a.
;
brief / chronik / ermanung / krieg / (jar)markt / rede / reich / name / wesen / wonne / wunderwerk a.
;
a. zu riechen / zinsen
;
es hebt an zu sterben
;
a.
(subst.)
des lebens
;
im a. (eines spruches)
›am Anfang (eines Spruches)‹.

Belegblock:

Wyss, Limb. Chron. (
mfrk.
,
2. H. 14. Jh.
):
da hup di wernt wider an zu leben unde frolich zu sin.
˹Subst.: Ebd. (Hs.
2. H. 16. Jh.
):
in dem anhebende so koment der herzoge von Gellerlant
˺.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
59, 19
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
Hy hebin sich an di wundirwerk di man spricht von India.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
295, 12
(
thür.
,
1474
):
Sintdemal unnser rechtspruch [...] im anhebin also inheldet unde ußwiset.
Welti, Pilgerf. v. Walth.
93, 10
(
omd.
,
n. 1474
):
das sterben, so es zcu Kuborg angehabin hatte.
Asmussen, Buch d.
7
Grade 2127f. (
nobd.
, Hs.
A. 15. Jh.
):
ich wen, daz sich ir helle | hi anheben welle.
˹Subst.: Gille u. a., M. Beheim
157, 17
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
wann du mich, herr, erkantest hie | vor meins lebens an hebens
˺.
Lauchert, Merswin (
els.
,
1352
/
70
):
do die heilige cristenheit anehvͦp, do hettent die criston menschen alle ein herze.
Völker, Antichrist
946
(
wschwäb.
,
15. Jh.
):
so haut es sich bey vnsern zeiten laider vast an gehaben vnd nachet auch nun vaste gegen der welte ende.
Adrian, Saelden Hort
8309
(
alem.
, Hss.
E. 14.
/
15. Jh.
):
sin wunne hie sich hebet an, | die ez doͤrt sol an ende han.
Bauer, Imitatio Haller
43, 1
(
tir.
,
1466
):
Hie hebt sich an die ermanung der innwenndigen wandlung.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
ist die stat Rom paut worden, hat sich das römisch reich angehebt.
v. Tscharner, a. a. O.
1, 1
;
Grosch u. a., a. a. O.
147, 17
;
Pyritz, Minneburg
4652
;
Gille u. a., M. Beheim
81, 126
;
Mayer, Folz. Meisterl. ;
V. Anshelm. Berner Chron. ;
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
281, 4
;
Zingerle, Inventare ;
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. ; ;
Kummer, Erlauer Sp. ;
Seemüller, Chron. 95 Herrsch. ;
Leidinger, A. v. Regensb. ;
Dietz, Wb. Luther ;
3.
›beginnen, anfangen (im räumlichen Sinne)‹.
Bedeutungsverwandte:
 13,  3; vgl.  1.

Belegblock:

Gille u. a., M. Beheim
9, 21
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
der turn was an gehaben weit und dik.
Leisi, Thurg. UB
8, 166, 25
(
1394
):
das des obgenanten mins herren von Klingenberg win zehent anfahet und von disen nach geschribnen wingart gǎt und habt an im Krúglendal an dem Bruͤl an ainem wingarten.
Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
36, 29
(
noobd.
,
1347
/
50
):
die viertail des tyrkraizzes, die sich anheben an den vier puncten.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
, Hs.
1768
):
Erstlichen heben si
[Grenzen]
sich an am egg.
4.
dient dem Ausdruck des punktuellinchoativen Aspektes; in den zeitgenössischen Wörterbüchern üblicherweise zur Wiedergabe der Bedeutung des lat. Morphems
-escere
gebraucht.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2.

Belegblock:

Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
hub sie ir gruzen an | Mit lieblichen geberden.
Opel, Spittendorf (
osächs.
,
um 1480
):
Ich hub an vorbas zu bitten, das sie mirs gnediglich anstellen wolden.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1523
/
7
):
wenn ich nun dieselben anhieb zu widerrieffen.
Voc. inc. teut.
b iv
(
Speyer
,
um 1483
/
4
):
Anhebẽ zu scheinẽ Lucesce’.
5.
als Part. Präs. in attributivischer Verwendung für die erste Stufe der mystischen Heiligung gebraucht.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  3.

Belegblock:

Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
14. Jh.
):
die einen daz sint anhebende lúte, die gont darin mit usserlicher arbeite, in sinnelicher wisen.
Die erste [begerunge] ist in anhebenden lúten, die ander ist in zuͦnemenden lúten, die dritte in den die volkommen lúte heissent.
daz do geschiht eime anhebenden oder eime jungen menschen oder eime ungestandenen menschen.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
swenne der anehebende mensche iht sol würken mit den liuten, sô sol er sich krefticlîche gotes vor warnen und vesticlîche in daz herze setzen und alle sîne meinunge, gedenken, willen und krefte mit im vereinen, daz sich anders niht enmüge erbilden in dem menschen.
Vetter, a. a. O. ; .
6.
metonymisch an 1 anzuschließen in subst. Verwendung: ›das bereits Gelernte‹.

Belegblock:

Bömer, Pilgerf. träum. Mönch (
rhfrk.
,
um 1405
):
Sy weren lange sere verarmet, | Die schuler, hetten sij die schuͤler nit bewarnet | Und huͤtte sij
[Gedächtnis]
yn nit ir anheben, | Das sij wissent und gelernet haben.
7.
›etw. in Angriff nehmen, anfassen, unternehmen, beginnen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  4,  5,  3,  2.

Belegblock:

Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Ein Ding ist fehrlich an zu heben, | Wo die Natur thut wider streben.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs. ˹
Basel
,
um 1440
˺):
es ist an zwifel, wer es anhebt, es gewinnet sinen gang überall.
Sappler, H. Kaufringer
16, 717
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
ir süllt von tag ze tag anheben | bis an ewr end, dieweil ir leben, | got ze dienen.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Die unsern, so auf der andern seiten des Inns warn, wie inen befolhen war, do si das g’rümel hörten, habten si auch passer an und schluegen sich mit den feinten.
Roder, Stadtr. Villingen ;
Koller, a. a. O. ;
8.
›etw. (z. B. einen Orden) gründen, stiften, etw. in Kraft setzen; etw. bewirken‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  6,  1517, (V.) 13,  2.

Belegblock:

Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
geistlicher man, | Blibe swie der orden an | Gehaben ist zum ersten!
Neumann, Rothe. Keuschh.
52, 5
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
wer di e ein togund nicht | god hette sy nicht gehaben an | mit Adam unnd mit Evan.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
96, 4
(
thür.
,
1474
):
ist danne dy beteydigunge von beyden teyln so angehabin unde eyne lange zcyt bestanden.
Opel, Spittendorf (
osächs.
,
um 1480
):
aber vor weynnachten die ordenunge anzuheben, were zu kortz.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1420
/
41
):
anno domini 1200 jar do wart der deutsch orden angehaben bey dem babst Innocentio.
Koppitz, Trojanerkr. (
halem.
, Hs.
E. 14. Jh.
):
Rome da an gehaben ward.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Die pundthern schryben bryeff [...] gen Volckhenmarckt, da hueben die selbs ainen pundt an.
Reithmeier, B. v. Chiemsee (
München
1528
):
jhene gerechtikait, die wir jm glawb anheben, werde taeglich in vns gemeret.
9.
›etw. (z. B. ein Bergwerk) in Betrieb nehmen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2.

Belegblock:

Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. (
schles.
,
1477
):
das sy sulchs vorlyehen bergwercks, das nicht ane grosse kost und darlegung gescheen mag und swere ist zu vorneuen und wiedir anczuheben, dester bass mogen getreyben.
Piirainen, Recht Schemnitz
278
:
Wer Ein Stollen anhept Mit des Rats vnd Pergkmasters Gunst.
Wutke, a. a. O. .
10.
›etw. anzetteln, anstiften‹.
Bedeutungsverwandte:
 3,  1, ; vgl.  5,  7,  4,  5.
Syntagmen:
verratenschaft / unruhe / aufrur / unwillen / krieg / raufhändel a.

Belegblock:

Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1376
):
do huͦb der Erringer und Lorentz an ain grozz verrattenschaft.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
, Hs.
17. Jh.
):
Da ainer auf kürchtogen raufhändl anhebt.
11.
phraseologisch
zu einem guten anheben
›zu einem guten Zweck‹.

Belegblock:

Schade, Sat. u. Pasqu. (o. O.
1525
):
ich [...] wil besehen, ob ich ein silbern heiligen oder zwen möchte außwüschen zu einem guten anheben.
12.
›etw. sagen, äußern, sich erklären‹; speziell: ›Klage erheben, eine Forderung vor Gericht vortragen‹.
Bedeutungsverwandte:
 12 (zur Spezialisierung); vgl.  3 (zur allg. Variante);  1 (zur Spezialisierung).
Syntagmen:
eine klage / forderung a.

Belegblock:

Thiele, Chron. Stolle (
thür.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
do hub der junge an: horet uff.
Langen, Myst. Leben
181, 19
(
nobd.
,
1463
):
mag ayner dem krancken [...] sprechen dy drey pater / noster, daz er anheb: Kyrie / eleyson, Criste eleyson, kyrie eley.
Pyritz, Minneburg
4948
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
heb ich ein wort nuͤr an, | Ich verliez zu mol ir hulde.
Hübner, Buch Daniel ;
Pyritz, a. a. O.
5360
;
Pfaff, Tristrant ;
Adrian, Saelden Hort
2899
;
13.
›jn. zu etw. anhalten, drängen, etw. zu tun, mit Bitten belästigen‹.

Belegblock:

Jaspers, St. v. Landskron
203r, 16
(
Augsb.
1484
):
die sol man gar vast an habẽ das sy beÿ zeiten beÿchten.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
Er merckt an ir, das ire liechte augen stät voll träher waren; umb des willen hueb er ir dester mer an mit vleisz.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
man anhabet, müet den höchsten des römischen reichs nothelfer und got, Jupiter genant, das er [...] regen lassen.
14.
Verwendung in dem Fluch
dich sol dein schwer anheben
›die Pest soll dich holen‹.

Belegblock:

Wackernell, Adt. Passionssp. St. I,
2087
(
tir.
,
v. 1496
):
Wol her auch dw, mörder, | Dich sol an heben dein schwär!
15.
›warten, abwarten, innehalten‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl. ,  3.

Belegblock:

Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
ich rath in trewen, | Das wir die sach jetzt lan bestahn, | [...] | Vnd heben an biß morgen fruh.
16.
›etw. (Konkretes) aufrecht halten, in seiner gewünschten Lage halten‹, darunter: ›das Schießgewehr anlegen‹.
Bedeutungsverwandte:
 1; speziell auch:  7.

Belegblock:

Wopfner, Bauernkr. Tirol
182, 11
(
tir.
,
1525
):
das ain knecht oder anheber nit wol sicher neben dem wagen geen, zŭ geschweigen das er den halten oder anheben mag.