miltigkeit,
miltekeit,
die
;
-
Ø
/–.
1.
›Freundlichkeit, Sanftmut, Güte, Zugeneigtheit als diejenige Gesinnung sowie Verpflichtung des Menschen, die sich verdichtet in einem verstehenden, nachsichtigen, ausgleichenden Verhalten gegenüber anderen äußert‹, teils unspezifizierbar im Sinne von ›allgemein positiv bewertete soziale Qualität des Menschen‹ gebraucht; s. (
die
1, (Adj.) 1.
Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Gegensätze:
.

Belegblock:

Luther, WA (
1519
):
das [...] dein gnade in unns regiere [...] brüderliche trew, und allerley freundtschafft, miltigkeyt, senfftmütigkeyt.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
so bezeichent jupiter di klucheit, | venus den geist der mildekeit.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
die heiligen siben gaben des heiligen geistes, [...]: Zem andern mole der geist der miltikeit, der machet den menschen suͦs gemuͦtig und guͦtlich und barmherzig [...], und wirt der mensche als vertragsam.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
das wir tuͦn ein senftz vnd ein stilles leben in aller miltikeit
[Var. 1483f.:
guͤttigkeyt
;
Emser
1527:
christlicher zucht
;
Luther
1545, 1. Tim. 2, 2:
Gottseligkeit
]
vnd in keusch.
sy
[
weip
]
tet auf den mund der weisheit: vnd die ee der miltikeit ist in ir zungen.
Fuchs, Murner. Geuchmat
2193
(
Basel
1519
):
So bald ich yn
[
harnasch
]
hatt angeleyt, | Sang sy mir von der myltigkeyt.
Roloff, Brant. Tsp.
2430
(
Straßb.
1554
):
Ich bin genant Demuͤtigkeit | So ist diß mein Schwester Reinigkeit | Messigkeit heißt die / so heißt die Schamm | Lieb / Hoffnung / Miltigkeit ist deren namm.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
dú haisset fro Miltekait, und git miltes hertze und miltú wort ir swestren.
Fischer, Eunuchus d. Terenz ;
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. ;
2.
›Freigiebigkeit, Wohltätigkeit, Mildtätigkeit‹, wie sie ein in der sozialen Welt Lebender, oft ein Höhergestellter, einem anderen gegenüber ausübt, bzw. ›allumfassende, nicht speziell sozial ausgerichtete Liebe, Barmherzigkeit‹, wie sie dem im
glauben
stehenden oder dem sich mystisch mit Gott in eins setzenden Menschen aus
miltigkeit
(der Liebe als Seinsweise Gottes) zufließt; vgl.  2, diesem gegenüber aber höchstens vereinzelt belegbare Tendenz zu ›Verschwendungssucht‹ und mit stärkerer religiöser Komponente.
Gegensätze:
.
Syntagmen:
m. lernen / halten / pflegen, jm. m. zeigen
;
m.
(Subj.)
von barmherzigkeit kommen, ein geschäft verderben, in allen dingen kräftig sein, jn. zu got aufheben, zum nächsten neigen, in Christum verwandeln
;
sich m.
(Gen.obj.)
gewenen
;
der m.
(Dat.obj.)
gezemen
;
aus m. ernst / fleis entspringen, aus m. etw.
(z. B.
die lehenschaft
)
freien, güter meren, jm. aus m. jn. verordnen, durch m. vergeben, zu dienste bereit stehen, für m. danken, jn. in m. überschütten,
[ein Land]
mit m. zwingen, jm. mit m. etw. verlassen
(›hinterlassen‹),
jn. mit m. zu etw. bewegen
;
m., zu
[+ Infinitivsatz];
die m. der frauen, des herzogen, der majestät, gegen die armen
;
die angeborene / erenreiche / fürstliche / keiserliche / königliche m.
;
der geist, die begierde / ursache, das werk der m.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Benignitas. [...] miltigkeit reilichkeit reychlickeit freygäbigkeit gutthätigkeit.
Luther, WA (
1518
):
Armut des geistes, mildigkeit, willikeit seiner guther tzwleyen und geben.
Ebd. (
1520
):
der mildickeit aber ursach ist der glaub.
Froning, Alsf. Passionssp.
1957
(
ohess.
,
1501ff.
):
die synt auch seligk anderwert, | die hie halden myldikeyt!
Reichert, Gesamtausl. Messe
27, 10
(
Nürnb.
um 1480
):
Dar bey sollen wir billich lernen, willig armut des geystes zu ueberkomen und miltigkeyt lernen; und was wir uebrigs hetten, das wir denn das armen elenden mitteylen.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 616
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Miltekeit, daz ist ein milte vs fliessen des hertzen, daz beweget ist in minnen.
Ebd.
2, 1685
:
vͦbet er sich wol in demme, daz er von gotte entpfangen het, so git ime got den geist der guͦtlicheit vnd der miltekeit.
Merk, Stadtr. Neuenb. (
nalem.
,
1357
):
daz wir [...] den burgern der stat zuͦ Núwenburg [...] von unser kunglichen mildikeit soliche besunder gnad getan haben [...], das [...].
Brett-Evans, Bonaventuras Leg. S. Francisci
88,
Vorr. 1 (
önalem.
,
v. 1478
):
Wore miltikeit [...] ist die, die in
[
Franziscus
]
mit andaht vffhuͦb in gott vnd mit ebenlidunge in verwandlete jn Cristum vnd mit ebenneigunge jn neigete zuͦ sinem nehsten [...]. Do er mit miltikeit milteklichen wurde beweget zuͦ allen guͦtten dingen.
Schmidt, Rud. v. Biberach
172, 7
(
whalem.
,
1345
/
60
):
daz wir werk der miltikeit erzvͦgen vnd wùrken allen menschen andechtklich.
Heydn. maister
30v, 14
(
Augsb.
1490
):
Ich
[
pithagoras
]
v’schmaͤhe reichtūb zehaben. Welliche durch miltikeit vergeen / vnd durch sparen vn̄ karckheit erfaulē.
Rot
292
(
Augsb.
1571
):
Beneficientz, guͦtwilligkeit, freygebigkeit / miltigkeit / trewe handt.
Hör, Urk. St. Veit
98, 12
(
moobd.
,
1369
):
Der durchleuchtig furst [...] hat aus sonndern genaden vnnd furstlicher multigkhait disem wurdigen gotzhaus die lehenschaft [...] genntzlichen vnd ledig gefreit.
Roth, E. v. Wildenberg (
moobd.
,
v. 1493
):
darnach wurden die zeitlichen güter vast gemert aus miltigkeit des andern hertzogen Theodowarti.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Darumb êretens und zieretens solche gotsheuser nit mit gelt, gemäl und golt, [...] sunder putztens auf mit gerechtigkait, diemuet, guetwilligkait, miltigkait und lieb gegen den armen.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
53, 303
;
Knape, Messerschmidt. Bris.
1, 44
;
Jahr, H. v. Mügeln
1757
;
2147
;
Matthaei, Minner. I, ;
Rieder, St. Georg. Pred. ;
Adrian, Saelden Hort
10459
;
Warnock, Pred. Paulis
27, 340
;
Bücher, Berufe Frankf.
1914, 477
.
Vgl. ferner s. v. .
3.
›Liebe, Barmherzigkeit, Güte als freie absolute Existenzweise und dieser entsprechende Handlungsweise Gottes (auch der Mutter Maria)‹; sie offenbart sich nach den Quellentexten insbesondere in der als Liebestat gesehenen Schöpfung, in der Heilstat Christi, damit in der möglichen Erlösung des Menschen und dessen ewigem Leben, ferner in teils als frei zugeteilt gedachten Gnadengaben bis hin zu irdischer Speise oder zur zur Errettung aus Kriegsnöten;
vgl.  3.
Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Syntagmen:
got m. haben / mit den creaturen teilen, nicht abziehen, j. m. empfangen / (ver)merken, j. got
(Dat.obj.)
die m. nicht erschlagen
›antasten‹;
die m.
(Subj.)
gut sein, jn. laden
;
der m. etw. zulegen
›zuschreiben‹;
got die welt aus m. speisen, etw.
(
das ewige leben
)
durch m. haben, jn. in die m.
(
Mariae
)
befelen, jn. mit m. bestrafen, gnade von m. gegeben werden, die gnade got zu m. zwingen
;
die m. gottes
(oft),
des heiligen geistes, der fürsichtigkeit, der mutter
;
die freie / fruchtbare / götliche / grosse / grundlose / minnigliche / überflüssige / unbegreifenliche / ungemessene / unsprechliche / vertiefte m.
(oft Adjektivbildungen negativer Theologie);
der einflus, die begabung, die werke der m
.

Belegblock:

Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
989
(
Köln
1476
):
Wye dorch dyn hogenaeden, | Dorch myldycheyt der moeder dyn | Dye Nuysser all behalden syn.
Steer, Schol. Gnadenl.
3,
O1, 40 (
rhfrk.
,
1375
):
daz mag der mensche von sin selbers kraft nit getün, wann das mag nit von nature geschehen, sunder von dem jnfluß götlicher miltekait.
Strauch, Par. anime int.
80, 34
(
thür.
,
14. Jh.
):
wan he
[
Got
]
me mildekeit hait uz zuflizine wan di sele mugilichkeit habe zu inphahine.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Bautzen
1567
):
Also wil er
[
Gott
]
vns geben, | Zu habn das ewig Leben, | Durch seine mildigkeit.
Gille u. a., M. Beheim
128, 111
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
also sol man auch versten van | aln andern tugend gatez | Als von seinr miltikait, guthait, | gerehtikait, parmherczikait, | dy da all mussen wesen | Unmessig und an ende gar.
Sachs (
Nürnb.
1532
):
durch sein götlichen segen | Speyset Got heut und noch allwegen | Die gantzen welt auß miltigkeyt.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
Hie ist sere ze pruͤfende die unsprecheliche unbegriffenliche miltikeit Gotz, das er so gerne gebe, ob wir in echt wolten bitten.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Vertribet dich din
[
sel
]
grozú missetat, ach, so ladet dich dú grundelos miltekeit.
Eya ewigú wissheit, dis ist die wandlung diner rehten hant, zartú frow von himelrich, daz sint die werk diner grundlosen miltekeit!
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
Got in ewikeit, noch sinre großen miltikeit, der wolte ime alleine nüt behalten sinen schatz der ewigen wunne und fröude die alle zit von ime fliessent.
Warnock, Pred. Paulis
19, 28
(
önalem.
,
1490
/
4
):
Du solt betrachten passionis Christi acerbitatem, [...], die miltikait der götlichen fürsichtikait und der göttlichen gaben nutzberkait.
Ebd.
19, 42
:
daz bedarft du nit dir selber zuͦlegen, sunder der göttlichen miltikait, die dich also fürsechen und behüt hát.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
o herre, habe ich mir min kúnschi it benomen, da mitte enhab ich dir nit erschlagen din miltekait.
Schmidt, Rud. v. Biberach
11, 26
(
whalem.
,
1345
/
60
):
Han wir gesehen des Heiligen Geistes miltikeit, so bringen wir mit vns daz liecht gotlicher minne.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
etlich umb ir hertekait | Bestraffet er
[Jesus]
mit miltekait, | Wan sú vil kumme geloͮptent das | Er von dem tode erstanden was.
Ruh, Bonaventura
332, 20
(
oschwäb.
,
2. V. 15. Jh.
):
das du dich weittrest zuͦ gutmuͦtti vnd danckbarkait, so merck die gotlichen miltikait vnd sich dein vnwürdigkait.
v. Maren, Marquard. Ausgabe
57, 5
(
Venedig
1483
):
sie
[
Maria
]
sey [...] aͤin maͤisterin vnd aͤin dienerinn aller gelawbigen in allen wercken der miltigkeit.
Ebd.
117, 16
:
moͤcht der mensch genade verdienen so hieß genad nicht genad sunder sie wer ein schuld die vns got vͤmb vnsere werck [...] schuldig wer vnd des ist nicht wan sie wirt von freyen miltikaͤit vnd vͤberfluͤßiger barmherzikeit gotts vmb sust gegeben aͤinem vnd dem andern nicht.
Quint, Eckharts Trakt. ;
Froning, Alsf. Passionssp.
6347
;
Reichert, Gesamtausl. Messe
25, 21
;
Vetter, a. a. O. ;
Bihlmeyer, a. a. O. ;
Ruh, a. a. O.
352, 16
;
Warnock, a. a. O.
2, 306
f.;
Rieder, a. a. O. ;
Steer, a. a. O.
3,
A2, 155;
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
81, 171
;
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 344
.
Vgl. ferner s. v.  1,  6.