erbarkeit,
auch:
erbarheit
sowie
erbarigkeit
;
die
;
-Ø/-en
.
1.
›Tugendhaftigkeit, Anständigkeit, Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit‹ (als Charaktereigenschaft); ›christliche Lebensführung, gottgefälliger Lebenswandel‹ (als dem Charakter entsprechend ausgeführte Lebenspraxis); ütr. auch: ›gottgewollte Ordnung, allgemein verbindliche, gesellschaftliche und moralische Norm‹;
vgl.  134.
Gewisse Beleghäufung für didaktische Texte.
Syntagmen:
die e. gebrauchen / haben / pflanzen / letzen / scheuen / verderben, hoch / wert halten, vor augen haben, vor gericht gebrauchen
;
e
. (Subj.)
nicht das regiment haben
;
falschheit e. heissen
;
die e
. (Subj.)
hinten stehen müssen
;
j. der e
. (Gen.obj.)
achten / fragen / geniessen / tun, jn. der e. unterweisen, sich der e. achten / befleissen
;
der e
. (Dativ.obj.)
sich gebüren, das [...], der e. etw. entgegen sein
;
etw. für e. gehen, sich in e. enthalten, jn. mit e. begaben / finden / versehen, den rat nach der e. besetzen, etw. der e. nach gebüren, ein leben wieder alle e. füren, die natur jn. zur e. arten / schaffen, sich zur e. halten
;
der glanz, die schule, die feinde der e
.;
die christenliche / menschliche / natürliche e.
;
die e. des hauptmans, der unschuldigen
.

Belegblock:

Luther, WA (
1532
):
Daher waren sie beruͤchtiget [...], das es solche schinder weren, und nicht viel froͤmkeit und erbarkeit bey jnen zu suchen were.
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
5577
(
rib.
,
1444
):
Valscheit heischt yr erberheit | Ind erberheit noempt ir valscheit.
Köbler, Ref. Franckenfort
85, 19
(
Mainz
1509
):
dz gericht vñ gerichts personen eren vñ fordern / vor gericht erberkeit gebruchen / vnd lesteru͂g [...] sich enthalte͂.
Dedekind/Scheidt. Grob.
85, 37
(
Worms
1551
):
die Guldin zeit / da zucht / ehr / vnd erbarkeit werder vnd hoͤher dañ goldt oder guͦt gehalten worden.
Gille u. a., M. Beheim
453, 35
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Dez selben geleich man nit vand | mit erberkait in kainem land.
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst (
Straßb.
1522
):
Das ist nit Falscheit und Untruͤwe die haben das Regiment uff Erden, und nit Erberkeit.
Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag
2v, 24
(
Zürich
1521
):
so krieg ein soͤlich vneerlich schäntlich ding ist [...] das aller krefftigest gyfft zuͦ verderben alle frommkeit / gots forcht / vnd Christenliche erberkeit.
Lemmer, Brant. Narrensch.
83, 8
(
Basel
1494
):
Man duͦt wißheit keyn ere me an | Erberkeykt muͦß verr hynden stan.
Köbler, Stattr. Fryburg (
Basel
1520
):
es gepürt sich me͂schlicher erberkeit / das mã glouben halte.
[soll]
yeder gewerbender [...] syn gewerb [...] erberlich vff obgerürt ordnungen / vnd sunst wie sich der erberkeit nach gepürt / volfuͤren.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1552
):
wiewol solcher aid dem rechten und natürlicher erbarkait gentzlich entgegen [ist].
Dieweil alle ehr liebende Christen, auch diejenigen, so gemaine ehre und erberkait für sich selbs und von wegen der unschuldigen jugent [...] vor augen haben.
Ebd. (zu
1558
):
daß sie, die münch, ainen ergerlichen wandel und ain leben wider alle erbarkait fueren.
Ebd. (
1544
/
5
):
daß alle die, so mit verstandt, weishait und erberkait von Got fürsehen und begabet sein, von der gemaind [...] nicht ausgeschlossen werden sollen.
daß ir rät mit gmainen personen nicht nach dem reichthumb [...], sonder nach der erberkait, weishait und verstand besetzt worden sein.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 2, 199, 26
([
Augsb.
]
1548
):
Kaiser / Künig unnd Fürsten Hoͤfe / sollen der tugent und Erbarkait Schuͦlen sein.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Die natur hat dich geartet vñ geschaffen zur erbarkeit [...]. Vnerbar / schalck der sich der erbarkeit im hertzen nichts achtet [...]. Ehr / adel / gehet nicht fuͤr erbarkeit.
Anderson u. a., Flugschrr.
22, 7, 33
;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Illing, Albert. Sup. miss.
622
;
Lemmer, a. a. O.
17, 26
;
110a, 9
;
Niewöhner, Teichner
441, 75
;
Vgl. ferner s. v.  1, ,  3.
2.
›durch
erbarkeit
1, gottgewollte Lebensführung verdientes hohes Ansehen, anerkannte Reputation e. P. / Institution; Anerkennung, Ehrerbietung, Respekt, den man e. P. / e. S. entgegenbringt bzw. zuschreibt‹; speziell: ›sozialer Ehrenstatus, der durch die Eheschließung erreicht wird‹; mehrfach ütr., dann z. B.: ›Vorrecht, herausragendes Recht, das jm. aufgrund seines sozialen Status zusteht‹; ›Vornehmheit des äußeren Auftretens; Pracht der Kleidung‹;
vgl.  25.
Oft berichtende Texte.
Phraseme:
etw. in eine erbarkeit kommen
›etw. üblich, akzeptiert werden‹;
jn. in die e. stellen
›js. Ehre wiederherstellen‹ (im Beleg durch Verheiratung).
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  46,  3,  2.
Syntagmen:
jm. e. erbieten / tun, die e. der tartaren erkriegen
;
die e
. (Subj.)
des fürsten ereischen, das [...]
;
js. e
. (Dat.obj.)
genug geschehen
;
an e. viel aufhebens haben, den
[Deutschen]
orden an e. hochbringen, jn. in e. haben, in aller e
. [wohin]
treten, den körper mit e. burnen, mit erbarkeiten versehen
;
die e. der ehe
;
die geistliche / grosse e
.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
[Herman von Salzâ] sô hô den dûtschin ordin brâcht | an brûdir menege und an macht, | an rîchtûm und an erberkeite.
Schmitz, Schiltb.
46, 4
(
Frankf.
1597
):
Aber als sie in aller Erberket darein getretten kamen.
Behrend, Magd. Fragen (
omd.
,
um 1400
):
[kebiszkind] das stirbet unde fellet an dy konigliche gewalt [...], dorumb das sy den nucz
[Var.:
redelichkeit und erbarkeit
]
der ee nicht enhaben an erem gute zcu erben.
Thiele, Chron. Stolle (
thür.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
[lantgrafe heinrich] erboud or [elsebet] alle erbarkeit glich siner muther.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
16, 15
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
Noch dem erbarn stryte irkrigite Cyngius dy vruntschaft und erbarkeit alle der Tatirn durch der manheit unde der gerechtikeit dy her bewyste den obirwundin provincien.
Ebd.
22, 4
:
wen man yn hat im grozer libe und in allir erbarkeit unde gehorsam obir alle kunige der werlt.
Ebd.
60, 4
:
so burnet man sinen corpir mit grozer erbarkeyt.
Dienes, E. Gros. Witwenb.
11, 6
(
Nürnb.
,
1446
):
das deyner erparkeit gnug gesche vnd das vnlustige wort werden nit gehort.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1544
/
5
):
hat ain erber rat und gemaind [...] die zunftmaister und ratgeben aus inen selbs [...] in den rat gesetzt und geordnet und alle sach zu baiden tailen mit erberkaiten und antzalen derselben wol [versehen].
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
Die Huttlerin hat nach solichem in die erbarkait gestellt und ein wirt zu Rotweil genomen.
Leidinger, V. Arnpeck (
moobd.
,
v. 1495
):
wann die erbergkait des fürsten eraischet, das er den herzoglichen namen nit solt verliesen.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Davon vil aufhebens gehabt hat das alt römisch reich an fruchtberkait, [...] frumkait und êrberkait, an reichtumb und mächtikait.
v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe ;
Bihlmeyer, Seuse .
3.
›Patriziat, mit Verwaltung und Rechtsprechung einer Gesellschaft bevollmächtigte Honoratioren‹; metonymisch: ›Obrigkeit‹; in 1 Beleg: ›Gesellschaft der Heiligen‹; als Kollektivtitulatur wie als Anrede für eine höhergestellte Person;
vgl.  2.
Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte, Chroniken.
Bedeutungsverwandte:
(
das
7,  2,  2, .
Gegensätze:
 12.
Syntagmen:
die e. sichern, tot schlagen
;
die e
. (Subj.)
sich dazwischen legen, etw. kund, zu wissen tun
;
der e. getrauen, etw. misfallen, beschwerlich / tröstlich sein
;
die worte mit der e. verstehen, jn. vor eine e. weisen
;
die e. der gemeinde
;
die geschlechte der e
.;
streit mit, personen von der e
.

Belegblock:

Schade, Sat. u. Pasqu. (
wmd.
1521
):
[liebs Apostolicum] verstant die [wort] mit Christo, Paulo, Petro [...], Lutter und aller erberkeit uf den erbern beßeren und nit uf den eigennutzigen bösen weg.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
15. Jh.
):
tun wir eẅrer erberkeit zu wissen, daz [...].
Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
n. 1525
):
ir [der pawrn] beschluß und maynung, ain rat und die erberkait gar tod zu schlagen.
Gagliardi, Dok. Waldmann
2, 371, 1
(
halem.
,
1489
):
warrent ouch personnen von der erberkeit.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen (
halem.
,
1528
):
Wir, der schulthes, der rat [...] zuͦ Bern, und wir, die erberkeit und gemeinden von statt und land, derselbigen statt Bern regierung, vewalltung und oberkeit [...] thuͦnd kund [...].
Rennefahrt, Statut. Saanen (
halem.
,
1598
/
1647
):
was aber größer stüren antryfft [...], sölle er die armen für ein ehrbarkeit wysen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1548
):
Der zunften regiment und oberkait der personen aus der gemeind in der stat Augspurg ist lange zeit her der erberkait und den geschlechtern, [...] fast beschwerlich gewesen.
wie hoch daran gelegen sein will, (daß) die geschlecht der erberkait und nit der unverstendig pövel ain stat regieren sollen.
daß nit allein die von der erberkait, sonder der gemein man durchaus, ja ire kinder ob der gassen davon schreien.
haben die von der erberkait [...] understanden, die aufgerichte zunften anzuͤtreiben.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
50, 33
;
Baumann, a. a. O. ;
Graf-Fuchs, a. a. O. ;
V. Anshelm. Berner Chron. ;
Merz, Urk. Lenzb.
117, 7
;
Rapp, UB Stuttg. ;
Wopfner, Bauernkr. Tirol
78, 27
;
4.
›vorzugsweise von Frauen erwartete Sittsamkeit, Keuschheit, Enthaltsamkeit‹;
zu  6.
Bedeutungsverwandte:
; vgl.  2,  2,  4.

Belegblock:

Perez, Dietzin
1, 405, 10
(
Frankf.
1626
):
[er] betrachtet aber auch [...] jhre vbermaͤssige Schoͤnheit / hielte fuͤr vnmuͤglich / dz dieselbe mit einer keuschheit vnd Erbarkeit koͤndte vereinbart [seyn].
Küther, UB Frauensee
409, 4
(
thür.
,
1537
):
darmit sie sich erneren und der erbarkeit geleben muge, ir [...] die Biberswiesen [eingereummpt].
Koller, Ref. Siegmunds (Hs.
um 1474
):
er und sye dye gantzen wochen sollen in aller erbrigkeyt besten und sich halten, biß dye woch außkumpt; den so mag er und sye wol elich werck halten.