gewonheit,
die
;-Ø/-en
.1.
›Gewohnheit, Brauch, Herkommen, Gepflogenheit, Sitte, Art und Weise, wie etw. in einer Gemeinschaft üblicherweise, dadurch erwartungssicher, regelhaft vollzogen wird‹; Gewisse Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘ sowie für Rechts- und Wirtschaftstexte.
Syntagmen:
die / eine g. bedenken / bestäten / brechen / haben / halten / hören / setzen / üben / vermeiden / wissen, zu gerechtigkeit bringen
; die / eine g
. (Subj.) abgehen, jm. ansterben, alt sein, lange wären, kunst fälschen / machen, die natur verkeren / verwandeln
; eine g. sein, das [...]
; sich der g. wiedersetzen
; an einer g. hangen, sich (nicht) an eine g. keren, etw. in g. kommen, etw. in der g. halten, nach einer g. leben, nach g. ein bergwerk aufnemen, etw. nach g. begehen
(z. B. die begräbnis
) / für sich nemen, etw. von g. sein, etw. von g. tun
(z. B. scheppen kiesen
), j. (die man) von g. nach jm. (nach den weiben) werben, etw. von g. wegen verbieten
; die g. des berges, der bergrechte, des landes, der stat, des festes / glaubens, der bischolfe / heiden / Juden, der heiligen schrift
; die g. in dem lande, mit betteln
; die alte
(vielfach) / böse / gute
(mehrfach) / lange / löbliche / menschliche / fürstliche g
.; die geburt der g., laut / inhalt der g
.Belegblock:
Nun was also ein gewonheyt bey dem volgk, das [...].
Jr habt aber eine gewonheit / das ich euch einen auff Ostern los gebe.
Der thut nicht witzig / der sich einer gemeinen gewonheit widersetzt.
Jiteswa is en gewonheyt, daz man des vogedes degedinc gebuͦtet dre stuͦnt in dem jare.
Meister, sage vns, wo wilt du, | daz wir dir bereiden nuͦ | daz osterlamp nach der iuden side ? | Die gewanheit were (nit) guͦt virmiden.
es were dann, daß die sach und handlung, darüber di keyserliche mandata zu erkennen gebetten, an ir selbst von rechts oder gewonheyt wegen verbotten.
Von gutir alden gewonheit haben dy radmanne eczlicher stete jerlich scheppin zcu kiszen.
so beheldet solliche gewonheyt, die also solliche zcyt, [...], ist worden gehalden, [...] rechtiß crafft.
Ebd.
152, 23
: wie man nach lawte unde ynhalde derselbigen gewonheidt smehe- ader lasterwort vorbusßen solle.
so daz der pristere halde die forma und die gewonheit die gegeben ist von dem heilegen geiste.
Es ist auch yczuͤnt gewonheit, das im die herrschaft den mist gibt vor dem marstall.
Der Drakal sprach: ,eur gewunhait | wil ich euch zu gerechtikait | pringen und ach pesteten.
Gewonheit gewonūg geprauchung. oder nutz. vsus.
die geburt der uͤbunge oder gewonhait / wañ man die kindt in gutten burgerlichen sitten [...] leret.
DA Jesus zwoͤlff jar alt war / giengen sie hinauff gen Jerusalem / nach gewonheyt des Festes.
swie daz man dik hat gesait | daz die man von gewonhait | sont werben nach den wiben.
So haben wir doch in solchem fall diser Statt Friburg louff / vnd gewonheit bedacht.
und wenn sie täglich sünd begont, | die gewonhait sie dann hont, | das sie on verziehen gahen | zuo dem priester.
Graff adam vnd die junckfrawen begiengen jren frawen die begrebnuß nach site vnnd gewonheit jres gelaubens.
Gewonheit billicht alle ding / aber nit allzeit mit recht. Gewonheit ist ein grosser gewalt [...]. Gewonheit ist ein staͤhlins Hemmet. Gewonheit macht schwer ding leicht. Gewonheit macht alle ding milter. Gewonheit vnd warheit gelten nit gleich. Gewonheit vnd zucht lassen nicht vbel gerathen. Lands gewonheit / Lands ehr. Natur vberwindt gewonheit. [...]. Warheit gehet fuͤr gewonheit.
Daz man aber ettwann gar frue mess singet, daz ist von gewonhait, nicht von ordenung.
Nu hab ich den gemainen lauf dewtscher sprach nach des lanndes gewonhait fur mich genomen.
Doch ist gewonhait in dem land, daz ainer bestetigt selb dritter, oder ainer mit drein ayden.
STat recht ist daz dy stete vndir yn selber gesaczt haben noch der alden gewonhait.
So Einer eÿ(n) pergwerch noch gewonheith der pergrecht [...] aufgenome(n) hat.
Schützeichel, a. a. O.
1294
; Köbler, Ref. Franckenfort
37, 17
; Kollnig, Weist. Schriesh.
306, 31
; v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe ;
v. Tscharner, Md. Marco Polo
1, 6
; zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
204
; Franck, Klagbr.
228, 38
; Lemmer, Brant. Narrensch.
49, 31
; Anderson u. a., a. a. O.
14, 8, 1
; Morrall, Mandev. Reiseb.
3, 23
; Tpma
5, 2
ff.; 2.
›Recht, Rechtsgewohnheit, Gewohnheitsrecht, gültige Regel, die kraft ständiger Ausübung sozial verbindlicher Gepflogenheiten (s. 1) entstanden ist, die oft ohne schriftliche Fixierung Anwendung findet, im Gefolge der Entwicklung der Schriftlichkeit allerdings zur Festlegung tendiert; extensional bezogen auf Regelungen politischer, klösterlicher, wirtschaftlicher Einheiten, auch auf das ,Gesetz‘ des Alten Testamentes‹.Zur Sache:
Lex. d. Mal.
.4, 1426-1627
Gewisse Beleghäufung für Rechtstexte.
Syntagmen:
eine g. haben / hören / verlesen, die g. haben, zu [...]
; g. im lande geboren / ergangen / gewachsen, ein recht sein
; etw
. [wo] g. sein
; etw. bei der g. bleiben, etw. nach g. halten / geben
(z. B. einen Betrag), jn. nach g. vergnügen
›zufriedenstellen‹, wieder die g. tun
›handeln‹, jn. wieder die g. aufhenken / bekummern / umtreiben
; die g. des bergwerks / fürstentums / gerichtes / gotteshauses / ordens, der herschaft, der völker, der Juden
; die alte / gute
(je mehrmals) / erbare / redliche g
.Belegblock:
Die Juden habenn yre gewonheit nach anlegender sach von viertausent iarn / wir alle tag ein newe satzu͂g.
Gewonheit ist ein Recht / das im Land gebohren / erzogen vnd erwachsen ist.
handhabung des friedens und erbare ländische ordnungen, statuten und redliche erbare gewonheiten der fürstenthumben, herrschaften und gericht.
Sam er [Jhesus] die veir prech und vil tet | wider die guten gwunhait stet | und wider die gebote | Oder gesacz der alten e.
soll er einen oder zween von ihren Dienern / die etwas zu frey geredet / wider aller Voͤlker Recht und gewonheit / [...] haben aufhenken lassen.
ab deme sol man richten nach vͥnser hantvesti vnd alz vͥnser stat recht vnd gewonheit ist.
und sol im darzuͤ geben zwayhundert pfunt Regenspurger pfenning [...] nach unserer stat gewonhait und geseczz.
Der policey und ordnung halben [...] sein alle zunfften erfordert, ire gewonhaitten nach lengs gehortt und verlesen.
Auͦch hat derr Statschreiberr von alter gewonhait dÿ ere vnd macht, das er einen Ratherren mag erwellen vnd setzen an des geltrichters stat.
3.
›jm. aufgrund von Herkommen (s. 1) oder rechtsgültiger Regelungen (s. 2) zustehendes einzelnes Anrecht, Recht, wirtschaftliches oder die verfassungsrechtliche Stellung sicherndes Vorrecht; Anrecht auf Einnahmen‹; im einzelnen mit Tendenz zu ›Einnahme‹; auch (s. u. Sachs
): ›Geldbetrag‹.Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte.
Bedeutungsverwandte
(bzw. sachbereichszugehörig): 6, 1, (mehrmals), 10, 2, 2, , (das
) 6; vgl. 2, 1
(die
) 1; 2, (die
) 2; 3; 5, 1; 2; 3, 2, 5, , .Syntagmen:
die / eine g. haben / bessern / bestetigen / erneuern / kundtun / läutern / verändern, eine g. geschrieben geben, die handfeste die g. begreifen
›beinhalten‹, eine g. von jm
. (z. B. von keisern / königen, von der herschaft
) fordern
, eine g
. ›Geldbetrag‹ in die büchse legen, jm. eine g. teilen
›rechtsgültig zusprechen‹; jm. zu einer g. helfen
; die hergebrachte / gute
(oft) g
.Belegblock:
dat yn der Rait vorbas gunstich sijn weulde sij zo laissen vnd yn zo helpen zo yren guden alden vrijheiden vnd gewoynheit, der alle burgere van alders alwege gehat hadden.
Wir die fysscher zu Frankenford dun kund unsere gewonheid und unsir bescheidenheid, die wir von alder gehabit han.
Dez erhort ich offenbarer schriber der vorgenanten herren bete und han in geschriben geben [...] die recht und gwonheit, dy in uff den tag an offem gerihte [...] geteilet worden uff ir eyde.
Welcher gsel ainen gotschwuer det, | Mus an alle gnad legen ein | Ein gwanheit in die puxen nein.
ire friheite, gnade, rechte, pfantschefte, gute gewonheite, brieve, privilegia und hantfesten, die si von romischen keisern und kunigen, [...] herbracht haben.
der rat und die burger gemeinlich unser statt ze Arow [...] fur uns bracht habent, daz si etzlich ir alte fryheit, gewonheit und recht, die si von unsern vordern habent, bedurffen mit unsern gnaden an disen nachgeschriben stuken ze verendrenne.
Rennefahrt, Recht Laupen ;
Memminger Chron. Beschr. ;
Weissthanner, Urk. Schäftlarn
175, 10
; Hör, Urk. St. Veit
146, 6
.4.
›Angewohnheit (meist persönlicher, auch gruppenkennzeichnender Art); eigener Verantwortung unterliegende, durch eigenes Verhalten hervorgerufene Haltung, Verhaltensweise‹; Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Syntagmen:
eine g. haben / halten / annemen / begreifen
›entwickeln‹ / einbilden / einfesten / fürnemen / brechen / verlassen / umkeren / überwinden, eine g. haben, zu [...] / das [...]
; eine g
. (Subj.) einbrechen, (die) g. die natur verkeren, die andere natur sein, das herz weiden
, [wo] einreissen, das [...]
; der g. wiederstehen / nachfolgen
; aus g. saufen, den namen gottes schelten / fluchen, j. / das laster in eine g. kommen, sich selber mit g. begraben, nach g. knien, jn. nach seiner g
. [wie] empfangen, der g. nach
[etw. tun], jn. von einer g. abwenden, sich von g. in etw
. (z. B. in werken
) üben
; die g. der Christen / weiber / leute, des lebens, der sünden / guter sitten
; die alte
(häufig) / böse
(vielfach) / lange / schädliche / tägliche / wiederwärtige
›entgegengerichtete‹ / verdamliche g
.; die ankleblichkeit, das gemüt der g
.Belegblock:
Gewehne dich nicht an die lügen / Denn das ist eine schedliche gewonheit.
wenn Hoffarth vnd andere Laster in eine gewonheit kommen / so darff man sie nicht mehr straffen.
O der schaͤndtlichen vnnd verdamlichen Gewonheit der Christen / als welche in jhrem gantzen Leben nichts wichtigs ohne Wein [...] koͤnnen verrichten.
weme di sunde nicht worden leid, | der komet in bose gewonheid.
swanne der arme sŭndere sich selber begrebet mit langer gewonheit in den houbetsŭnden und der niht ab kŭmen wil.
das [schelte͂] nicht gelerter oder geistlicher sonder leuchtfertiger lewt gewõheit ist.
Es gehoͤret gar ein ernster streit vñ harter kampff dazu / die boͤse gewonheit zu vberwinden.
sus kan gewonheit weiden
[›kräftigen, stetig machen‹; ütr.] |
Ir herze. Enteuserung von den gewonlichen zuneigungen ist ein würkung widerwertiger gewonheit.
das auß stetter uͤbung vnd gewonheit zu sauffen der lust zu sauffen nur gemehrt wirdt.
mit langir gewonhait muͦz der mensche striten alse mit der nature.
alz aller weib gewonhait ist, ob si halt aines mannes sind begernd mit unerlichen sachen, so wellend si ez doch mit ainem gelimpf [...] verdeken.
Ebd.
23, 7
: der küng enpfieng si früntlich nach seiner gewonhait.
das du nit also hingangest dich zuͦ uͤben in guͦten wercken auß ainer blinden mainung / allain von gewonhait [...] Sonder mit begirden auß hertzlicher liebe.
die untrewen Walhen im täglichs untrew, wie ir gewonnhait, erzaigten.
die selbigen chloster frauen die hielten vnder in ain pöse gewanhait durch die petriegung des pösen geistes.
Ebd.
107, 11
: wenn der mensch nu alt vnd grab würt, so lat sich das gemüet der gewanhait gar hart verwandlen.
Ebd.
114, 8
: für das selbig gemël chniet er alle tag nach seiner alten gewanhait vnd enpfhalch sich offt in das gepët.
5.
›natürliche Gesetzmäßigkeit, Regel, Gesetz, wie sie in der Natur oder in der Psyche des Menschen liegen und durch dessen eigenes Zutun nicht veränderbar sind‹; im einzelnen auf die körperliche, psychische, religiöse Prädisposition des Menschen sowie auf Gegebenheiten der Tierwelt bezogen; speziell: ›Menstruation‹ (Pfeiffer, s. u.
); Belegblock:
zarte spîse und hôhiu kleit und vrœlîche gesellen, als im [mensche] die anehangent nâch gewonheit der natûre.
Byt der selbin minnen beginnet sie [suster] zu hudene ane alle arbeit mit gewonheide alle die gebot di sie ie hilt nit ane vocht.
piß der andoht ain sicherheit | wirt naturlich gewonheit, | so gar, ob si durch leibes not | ir andoht scholt zihen von got.
der hân ich ain gesehen, diu mit lebentigem kind ir gewonhait het.
von ainem tier, [...], daz ist in der grœz sam ain hirz. an dem hât diu nâtûr ir gewonhait verändert.
[venichl] pringt daz harmwazzer vast und den frawen ir gewonhait oder ir haimlichait und rainigt die muoter.
so soltu wissen, daz die vodristen vͤrsprung der anruerung oder infliessung, [...], auch lokchent vnser hertz, drey sint: di gewonhait der natur, der guͤte geist vnd der poͤse geist.