drohen,
droen,
dräuwen,
V.;
große formale Varianz bezüglich Stammsilbe und Hiatfüllung; die Füllung mit -w-
überwiegt im Frnhd., ebenfalls in allen Wortbildungen; zur Verdrängung der umgelauteten Form seit dem 16. Jh. vgl. Dwb, Neub.
; vereinzelt stark flektierte Präteritalformen bezeugt (z. B. 6, 1413
triew, gedrowen
); gelegentlich (in obd. Quellen) auch flektierte Formen des Infinitivs (vgl. Frnhd. Gr. § M
). - Das Bedeutungsspektrum ist eng vernetzt; die Ansätze 1 und 2 rekurrieren auf verbale Ankündigungen konkreter (noch nicht ausgeführter) Straf- und Gewalthandlungen, die im Fall von 1 moralisch bzw. juristisch legitimiert sind, im Fall von 2 nicht; 3 fokussiert allgemein übergriffiges, aggressives Verhalten gegenüber schwächeren Personen, das Aspekte von 2 miteinschließt; einzelne Belege in 3 lassen nicht eindeutig erkennen, ob eher die verbale Androhung einer konkreten Handlung (2) oder die mit Drohungen einhergehende allgemeine Drangsalierung einer Person (3) gemeint ist; 4 nimmt aggressives Verhalten primär funktional (im Zusammenhang mit Kriegshandeln) und ohne die in 2 und 3 dominierende moralisch-ethische Bewertung in den Blick; 5 fokussiert einzelne Formen verbaler und/oder mimisch-gestischer Aggression; 6 dokumentiert Verwendungen mit unpersönlichen Subjekten im Übergang zum Modalitätsverb.85
1.
›einer Person, Personengruppe (z. B. dem Volk) rechtmäßig bzw. kraft der eigenen Autorität Konsequenzen (wie Strafe, Vergeltung) für ein vorausgehendes Fehlverhalten in Aussicht stellen; jn. verwarnen‹; in religiösen Kontexten in der Regel mit paränetischer Absicht, auch mit direktem Bezug auf Ps. 7, 12: ›einer Person (unter Androhung von Strafe) ins Gewissen reden, ihr Vorhaltungen machen, sie zurechtweisen‹.Keine oobd. Belege; gehäuft Texte religiösen Inhalts.
Syntagmen:
j. d., j
. (z. B. got, der bapst / richter, die keiserliche majestät, die pfleger
) / etw
. (z. B. der mund gottes, die schrift
) d
. (abs.); j. etw
. (z. B. den ban / tod / zorn, die strafe / verfluchung, das urteil / verderben, künftige dinge
) d
., j. d
. + eingeleiteter oder uneingeleiteter Objektsatz (mehrfach), j. d
. + erweiterter Infinitiv mit zu
(mehrfach); j. e. S
. (z. B. des übels / verklagens
) d
.; j. jm
. (z. B. dem könig / wiedertäufer, der stat, dem volk, den lästerern / schwarzkünstlern / zauberern
) d
.; auf etw
. (z. B. auf die strafe
) d., jm. durch jn
. (z. B. durch den propheten
) d., j
. [wo] (z. B. in der schrift, in dem gesez
) d., j. mit jm
. (z. B. mit dem nachrichter
) / etw
. (z. B. mit dem tod, mit einem sprichwort
) d
., etw. über etw
. (z. B. über das verbrechen
) d
.; dik / ernstlich / greulich / manigfaltig / schwerlich d
.Wortbildungen:
drohspruch
Belegblock:
Wer drawet der warnet / vnd begehrt kein Schaden zu thun.
Er fragt nit darnach, es verheisse oder droe Gott, was er woͤlle, weil er nur hie kein mangel hat.
Er richtet recht on widersag, | Got drewet schwerlich alle tag.
Es draͤwet auch Gott den Zauberern vnd Schwartzkuͤnstlern [...] die hoͤchste Straff.
Im Jesaia drawet er [Gott] gantz Babylon das verderben.
des nachtis do irscheyn sente Thomas dem bayorn unde droyte ym mit eyme bosin tode.
wollen wir nicht warh nehmen [...] der schwere͂ straff / die vns got mãchfeltig drauet / so wir seyne gotliche geboth nicht halden.
damit sie [...] des verclagens, dess er inen in seiner schrift trowete, vertragen bleyben möchten.
Vnnd drowet der Herr solchen lesterern ein grewlichs vrtheil am Juͤngsten tag.
glich den von Nynive, den unser herre oͮch gar gruwelich triew durch den propheten Jone.
hatt er [der himelsche vatter] von anfang har allwegen / so vaͤtterlich und früntlich / jetz ermannt / jetz gebotten / dann getroͤwt übels.
mitler zeit hat kai. maiestat getrauet, in [Martinus Luther] und allen seinen anhang in die schwerste acht zuͦ thun.
es sei in der ganzen hailigen geschrift kain verfluchung inverleibt, die über das verbrechen nit getrewet und gewinschet seie.
2.
›die Absicht zum Ausdruck bringen, eine mit physischer Gewalt gegen Personen oder Sachen verbundene Straftat bzw. eine mit geltenden Moralvorstellungen unvereinbare Handlung begehen zu wollen; jm. eine Handlung ankündigen, durch die er (potentiell) schwer geschädigt bzw. existentiell bedroht würde‹.Phraseme:
˹jm. an dem leib, an der haut, an dem leben drohen
; jm. auf leib und leben drohen
˺ ›js. Leben bedrohen‹.Syntagmen:
˹j
. (z. B. der bösewicht / man, die juden / lutherischen / starken / teufel
) d
., etw
. (z. B. die winde
) d
.˺ (abs.); j. etw
. (z. B. den tod, das übel
) d
., j. d., das [...]
(mehrfach), j. d., zu [...]
(mehrfach); j. jm. mit etw
. (z. B. mit todschlag, mit feuer
) d
.; fast / frevenlich / heimlich / ser d
.Wortbildungen:
drohbrief
droher
Belegblock:
Wer Schaden wil thun vnd zuvor drawet / der thut sich selbst Schaden.
Weil die Lutherisschen niemand gedrewet, niemand kein leid zu thun furgenomen haben, sondern umb friede gebeten [...].
[Die starckn] lassen andre fein im stich. | [...] | Drawen das Feld gar zu verlassen / | Oder wol zum Feind hin zu passen.
Ebd.
671, 5185
: Das du [...] | [...] | [...] mir auch darffest den Tod drewen / | Hoff ich / sol dich bald gerewen.
Markair der bosewicht [...] drauwete heymlich er wolde hertzog Nymo doden.
ob eynner des handtwercks geschirre mit zorne angriffe, eym andern damit zu trauwen, der sol sehs schilling heller zu bueß verliesen.
daß er
[ein Ehemann]
[...] ir [seiner Ehefrau]
[...] das maul zuͦ zerschlagen dreuwete. sy hetten ouch gedrowet, dy stad erffort zu borne.
So yemant [...] yemant zu bezaubern drohet [...]: das gibt ein redlich anzeygung der zauberey.
das er die beclagte oder verdachte myssethat gethon oder solche myssethat vor der geschicht zu thun getrowen het.
doch truͤwent sü, sü woltent das lant gerwe abe bürnen, men gebe in denne guͦt.
[Ein Dieb]
gieng vorhin zuͦ dem Bild und nam ein Hamer und troͤwet im, wan es in verriet, so wolt er im mit dem Hamer den Kopff zerschlagen. Vor allem haten’s mir, als nuͤwer luͤten stiefsun [...] an d’hut getroͤwet.
wo man sich wolt weren, da tratten sie, die heisser mit gewalt aufzuͦestossen.
ain prenner droer diep oder mörder sol kain freiung habm.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
18, 16
; Bindewald, Texte schles. Kanzl.
56, 66
; Lemmer, Brant. Narrensch.
10, 3
; Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. ;
Piirainen, Stadtr. Sillein
127b, 8
; 3.
›eine (sozial, rechtlich) untergeordnete, schwächere Person, Personengruppe (unter Anwendung von physischer oder psychischer Gewalt) einschüchtern, drangsalieren, unter Druck setzen‹; gelegentlich auf unpersönliche Subjekte, z. B. Sturm, Sonne übertragen, dann: ›jm. zusetzen‹.Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Syntagmen:
j
. (z. B. der mensch / gewaltige / prälat, die kreuzflüchtigen bäuche
) d
. (abs.); j. jm
. (z. B. der herre dem knecht, die teufel der sele
) d
., etw. jm
. (z. B. der sturm uns
) d
., etw. e. S
. (z. B. das gebresten dem hauptwe
) d
., jm. d., das
[+ Objektsatz]; die sonne mit hitze d
.; heftig / mächtig / ser d
.Belegblock:
Montma(n)ne van Polem, de eyne(n) preist(er) gedreut ind geslage(n) hadde, daromb galt he myne(n) h(er)e [...].
Von disen worten erschrack min arme sel ser Do treiten ir die tufel vnd sprachent [...].
Ein grosser sturm hub sich bey Gotlandt | [...] | Vnd drewet vns so mechtig sehr: | Wurffen viel guͤter nauß ins Meer.
ab man en [den kuscher] schildet oder drauwet, | das acht her in sime mute cleine.
Noch geend dise Bodenlose Creutzfluͤchtigen beuch
[die Kleriker]
mit gewin nit gnugsam auffgeplasen vnd beladen / zu hauß / troͤen auch hefftig (beim Eintreiben des Zehnten).
manig die drauten im
[1466:
berespten;
strafftenMentel
14751
: ; 1475
kamen an2
: ;
beschalcktendFroschauer
1530: ;
bedraweten jnLuther
1545, Lk. 18, 39: ]
daz er [der blinde Bettler]
schwig. den Prelaten, ein Gewaltigen, der leichet und troͤwet [...] den foͤrcht nit!
HIe ist die sunne Im löwen | Mit siner hitze Im trowen.
Ebd.
3420
: Es [das gebresten] nymet crafft vnd ouch das toͮwen | Dem hopt we kan es wol trowen.
do droͮwet mir min vater [...] als dar vmb das ich soͤlt min kuͥschkait verlieren.
von mündlin rot, | an alle not, | der mir ains trowt
(im Sinne von: ›ein roter Mund setzt mir zu‹).
4.
›in einer (militärischen, politischen) Auseinandersetzung die Pose des Überlegenen einnehmen (z. B. durch das Auffahren von Geschützen, durch Drohgebärden, Reizreden); eine gegnerische Partei herausfordern, provozieren‹; offen zu 5.Phraseme:
jm. ruch und grim drohen
›jn. durch wildes, grimmiges Gebaren einzuschüchtern versuchen‹.Syntagmen:
j
. (z. B. der zage
) d
. (abs.); j. jm
. (z. B. der münch dem bapst
) d
., jm. d., das
[+ Objektsatz]; auf etw
. (z. B. auf die disputation
) d
., jm. mit dem finger,
˹mit fluchen / kriegen / pochen / schnarken
˺ (jeweils subst.), mit geld / gut, mit worten d
.; heftiglich / scharf / übermüte / viel d
.Wortbildungen:
drohding
drohrede
drohruf
Belegblock:
dô Diwanis drouwerûf | an den brûdrin nicht inschûf, | er richte zû mit drouwe | al sin sturmgezouwe.
die Papisten [...] drauff beharren und drewen, das sich niemand anders zu jn versehen kan denn kriegens und alle stunde der streiche gewarten mus [...].
Vnd hedden sy
[der Adel]
yr gelt vnd guyt | Dat sy damit dreuen oͤuermoit. wann da Clarion Gui von Burgundien hefftigklich drawet / vnd jm Gui solchs vergelten wolt.
wie er in ersach, ruckt er sein schwerdt auß, dräuwete im mit viel schnarcken, pochen und fluͦchen.
Da trawete er
[ein Mönch, dem ein Kardinalsamt versprochen worden war]
dem Bapst / Zohe hin / da er vor gewesen / verkerte die Lehr alle. die handlung, die ich mit drored wider mein herren [...] getan han.
du hast gedröet mir zu uil, | wills got meins streitz möcht hie gúet rat noch werden
(Persibein zu einem besiegten Gegner).
v. Birken. Erzh. Österreich ;
Adomatis u. a., J. Murer. Bab.
1882
; ‒
Vgl. ferner s. v. .5.
›sich aggressiv verhalten, gebärden (allgemein)‹; ›schimpfen, fluchen‹; trans.: ›jn. verfluchen, beleidigen‹; speziell auf die Körpersprache bezogen auch: ›mit den Fäusten drohen, die Zähne zeigen‹; ›etw. auf drohende Weise äußern, nachdrücklich fordern‹.Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch narrative Texte.
Phraseme:
eine verfluchung drohen
›eine Verfluchung aussprechen‹.Syntagmen:
j., die fäuste d
. (abs.); j. d
. [+ eingeleiteter oder uneingeleiteter Objektsatz]; j. jm
. (z. B. der gast dem wirt
) d
., e. S
. (z. B. der wollust
) d
., jm. mit den fäusten d
.; auf jn
. (z. B. auf den castellan / herzog, auf die gemeinde
) d
., mit dem finger d., die drohende faust
.Belegblock:
Am Creutz drauet er [Christus] nicht, flucht nicht.
Wie weit sie [die Schlang] auch die Zung außstreckt / | Vnd jhre gifftige Zeene drawet / | Dafuͤr vns Froͤschen hefftig grawet.
Dat ir uch billicher des souldt ervreuwen | Dan dar umb zo tzornen off zo dreuwen.
mein werder gast, | du troest mir seere, ich
[der Wirt]
achts nit fast, | bezal du mir den kuelen wein. damit er sich doch nit vernuͤgen
[›abspeisen‹]
lassen wolt / sonder fieng an zu throwen / vnd versuchts auff allerley weiß [...] sein Begeren zuerhalten. Got selbe sprichet dar in | Uz Jeremya alsust | Drouwende irre wollust.
wanne si
[die 7 bösen Geister]
vornemen das si sin schuldig, | so drauwen si unnd schelden. so kumet Got und erfúllet in mit troͤwende, mit schreckende, recht als ob er im mit beiden fústen troͤwete.
Denne entloͤssent sich die troͤwenden fúste und werdent so guͤtliche minnekliche hende.
Do trewten der merteil, si woͤltid zuͦvor gelt haben.
Die thatt [...] lag vor augen, mocht nit geleugnet werden, so trewet der graff.
darauff hat sich der Marx Ehm zuͦ herr Anthoni Fugger gekört und sein arm auffgehept und mit dem finger treit.
Lemmer, Brant. Narrensch.
39, 5
; Schweiz. Id. ff.;
6.
›drohend bevorstehen, zu geschehen drohen‹ (von unpersönlichen, außerhalb der menschlichen Einflussmöglichkeiten liegenden, negativ bewerteten Gegebenheiten, z. B. Tod, Gefahr, Unwetter, gesagt); gelegentlich im Übergang zum Modalitätsverb; mit Verschiebung der Bezugsgröße: ›kurz davor stehen, etw. als negativ Geltendes, Gefährliches zu tun bzw. zu bewirken‹.Phraseme:
die furcht
(Subj.) gefar drohen
›aus Furcht Unheil erwachsen‹.Wortbildungen:
drohnis
Belegblock:
Ein bloͤd Hertz vnd bestuͤrtzter muth / | Jn allen sachen Fehlgriff thut / | Weil die furcht stets drawt mehr gefahr.
saure wynde [...] drewen das hauß v̈mmb zewerffen.
Wußt nitt was er handlen sött / | Was bscheids er den dienern geben wött / | Dann sschwärt was im schon gethröwt
[›dann kam erschwerend hinzu, was er schon befürchtet hatte‹]
/ | Syn liebe Hußfraw inn erfröwt [...]. wie die gantz stat Neapels träwnus geb nider zuͦ fallen, und müge niemant darinn gaun on groß periculo.
daß sie einsteils nit allein getreweter hocher gefärlichait gewertig sein, sonder würcklich erleiden mussen, daß [...].
Ist das tu nu nicht fürchten wild die vrtail, die dir tröen ist, so gedenkh dir nur andre kürczweil in diser welt.