bezwingen,
betwingen
(letzteres md. / els., im 15. Jh. auslaufend; zum Verhältnis von
tw-
und
zw-
vgl.
Frnhd. Gr. L
59, 3
), V., unr. abl.
1.
›etw. / jn. fixieren, an einen Ort binden‹; im einzelnen: ›jn. gefangennehmen‹; ›jn. einsperren‹; ›jn. umschließen, einengen‹; ütr.: ›etw. zwingend festlegen‹; an diese Position anschließbar:
bezwungener weg
›abgesperrter Weg, Zollstraße‹.
Phraseme:
jn. in ein bokshorn bezwingen
›jn. in die Enge treiben‹.
Wortbildungen:
bezwingung
1 ›Begrenzung, Einengung‹,
bezwungenlich
1 ›gefangen, gefesselt‹ (a. 1449/50).

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Der konic wirt al unrechte stege, | Die zolne, die betwungen wege | Vri machende.
Eggers, Psalter
70, 7
(
thür.
,
1378
):
In deme kindbreytele vn̄ in deme zcoume betwinget ir kenebacken.
Anderson u. a., Flugschrr.
13, 7, 22
(
Leipzig
1522
):
Sye seind aber / nicht alle prister / weyll sie nicht / alle / alle boßheyt ablegen / wie Sant Peters / spruch bezwinget.
Gille u. a., M. Beheim
21, 45
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
das ich mitten under sovil treüknis | mit nicht gevangen werd und auch peczwung | mit striken.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
293, 18
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
die betwingung der formen ist übermitz die materien.
Kurz, Murner. Luth. Narr (
Straßb.
1522
):
So haben sie auch Christlich freiheit | Jn dem tauff inen zů gseit: | Warumb wolt man sie dan bezwingen, | Also in dem kloster lassen singen?
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Got allú ding beschlossen hat, | Allain er unbeschlossen stat | Und unbetwungen und fri | Das er von út betwungen si, | Begriffen noch gevangen nút.
Ukena, Zuger Trag.
729
(
halem.
,
1598
):
Wend wir sy nun vß grosem zorn | Bezwingen thuon in ein Bockshorn.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
[die closterfrawen] warn nit so bezwungen als sie nun sind.
Munz, Füetrer. Persibein
202, 1
(
moobd.
,
1478
/
84
):
es warn et nicht wann ritter vnd klare frawen, | Dy Plophinas petwungen | het vnnd dy frawen verstolen.
Chron. Nürnb. Anm. 3 (Regestbeleg mit
betwungenlichen
).
2.
›jn. (eine Einzelperson oder einen Herrschaftsverband) überwältigen, niederwerfen, besiegen, dadurch beherrschen; (ein Gebiet o. ä.) unterwerfen, erobern; (ein Tier) bändigen, besiegen‹.
Bedeutungsverwandte:
 2, ,  2, .
Syntagmen:
etw
. (z. B.
das land / reich, ein tier, die stat / welt
)
/ jn
. (z. B.
den riesen / teufel, die frau, das volk, die Alemannen / Römer / Sachsen
)
b., jn. mit worten b
.
Wortbildungen:
bezwang
3,
bezwinger
,
bezwingung
2 ›Unterwerfung‹.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
do Jůlius tů Rome keyser was, do her důdesch lant bedwank.
Luther. Hl. Schrifft.
Hebr. 11, 33
(
Wittenb.
1545
):
Propheten / welche haben durch den glauben Königreiche bezwungen
[
Mentel
:
vberwunden
;
Froschauer
1530:
eroberet
;
Emser
1527,
Eck
1537:
bestritten
].
Peil, Rollenhagen. Froschm.
265, 135
(
Magdeb.
1608
):
wenn der Feind vns hett bezwungen / | [...] | Koͤnt er vns vbler nicht berauben / | Als der Pfaff that durch Aberglauben.
Chron. Köln (
Köln
1499
):
da si [Romer] ir amptlude setzden ind woinhaftich hielden ind uis der stat ander lude dair umbtrint regierden ind in bezwank hielden.
Karnein, Salm. u. Morolf
50, 9
(
srhfrk.
, Hs.
um 1470
):
mochte ich min frauwe nit betzwingen, | ich hette ein laster an der hant.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Leipzig
1537
):
Christus steige vom Grabe starck herfuͤr, | Ein bezwinger der Hellen thur, | Ein vberwinder des Deufels groß.
Gille u. a., M. Beheim
91, 4
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
der esel in des leben haut | wil alle creature | Vertruken und pezwingen gar.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
15. Jh.
):
des himels und der hell beschirmer und ein bezwinger des teufels.
Brandstetter, Wigoleis
220, 40
(
Augsb.
1493
):
das du meinest mich mit worten bezwingen.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 226, 19
([
Augsb.
]
1548
):
Zorn / fürwitz und Affen Raht | Vil selten land bezwungen hat
(ähnlich
Klein
, Oswald 115, 92).
Weber, Füetrer. Poyt.
94, 7
(
moobd.
,
1478
/
84
):
wie er in dem sturme gros | mit krafft den starcken risen het bezwunngen.
Munz, Füetrer. Persibein
489, 6
(
moobd.
,
1478
/
84
):
ain mer tier wais ich in aim hole, | wer das et möcht pezwingen, | das prächt hin auf euch leicht.
Roth, E. v. Wildenberg (
moobd.
,
v. 1493
):
welhes volck streit mit den vorgenanten Almanen und sie betzwüng, die wollt er zehen jar frei lassen on all zins.
Sachsen, Beirn Swaben und Franckn. das worden vier konigreich, ee sie die Römer betzwungen.
Piirainen, Stadtr. Sillein
50a, 32
(
sslow. inseldt.
,
1378
):
Von rome betwingvnge biz an dez tempels czu stoͤrunge waren hundert iar vnd czwei vnd sechzikch iar.
Froning, Alsf. Passionssp.
640
;
1712
;
Thür. Chron.
3v, 14
;
15v, 17
;
Gille u. a., a. a. O.
101, 77
;
Lemmer, Brant. Narrensch.
56, 66
;
83, 75
;
Roth, a. a. O. ;
Dietz, Wb. Luther ;
3.
›jn. nötigen, plagen, quälen, belasten, zu etw. zwingen; jn. zu etw. bestimmen‹.
Bedeutungsverwandte:
(V.) 1,  1, ,  1,  1.
Syntagmen:
jn. bedranglich / schwerlich / sere b., jn. zu etw
. (z. B.
zu arbeit
)
b., not jn. b., jn. mit dem rechten, mit gerichte b
. ›jn. rechtlich belangen‹,
jn. b., zu [...] / das [...]
;
etw. bezwungen tun
;
der bezwungene knecht
.

Belegblock:

Luther, WA (
1524
):
er hat in gepoten, mit dem soll niemant, der die gnad keüsch zů sein hat, zů dem Eelichen standt bezwungen seyn.
Schwartzenbach (
Frankf.
1564
):
Bezwingen. Dringen. Einthun. Einzwingen. Noͤthen. Noͤthingen. Nothzwang anlegen. Zwang vnd not aufflegen.
Feudel, Evangelistar
122, 18
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
Unde wer dich betwynget czu gene hundirt schrete, gank czwey hundirt.
Küther, UB Frauensee
272, 11
(
thür.
,
1494
):
ab der obgedacht hoffeman ader sein getlinge bedranglich bezwungen worden, [...], sal das kloster und ein iglicher probst sey schutzen.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
2, 11
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Du tust dem geleich, als dir ernst sei und dich not swerlich betwinge.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
34, 9
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
idoch sint si sere betwungen von der tartarischin herschaft.
Bindewald, Texte schles. Kanzl.
35, 7
(
schles.
,
1376
):
allir der, die is an tritt adir an getreten mak ymmir ewiclichin, nicht betwungin noch betrogen, zunder mit wol vorbedachtem mute.
Gille u. a., M. Beheim
317, 2
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
ainn wolff sein turst bezwanke, | daz er hin gieng und tranke | auss ainem wasser da.
Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
n. 1525
):
dahin wir von der gepawrschaft benötigt und betrohelich bezwungen sind.
Sachs (
Nürnb.
1531
):
Zu schwerer arbeit sie bezwang | On all barmhertzigkeyt so sehr.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
andere die sint betwungene knechte Gotz, die můs man twingen zů dem dienste Gotz.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
298, 22
(
els.
,
1362
):
sant Marcellinus wart [...] betwungen, daz er solte den abegottern opfern.
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
do sůchtent sü in und fundent in und betwungent in, houbetman zů finde und keyser.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Des betwungent sú do ainen man. | Symon, der im zehelffe kam | Und das crúce trůg.
Dirr, Münchner Stadtr. f. (
moobd.
,
1317
):
daz wir iren willen mit pet, mit gewalt noch mit dehaeinerlaey sache si nimmer benoͤten noch betwingen suͤln.
Ebd. (
1340
):
daz der arm von dem reichen an dem rechten nicht betwungen noch benoͤtt werde wider recht.
Herzog, Landsh. UB
218, 32
(
moobd.
,
1335
/
8
):
wer da mit [wuͤrffel spil] gewinnet, der sol des betwungen werden mit dem rechten.
Rudolf, Peuntner. Sterbek.
149rb, 22
(
moobd.
,
n. 1434
):
wie wol wir aus dem gesecz gots alle betwungen vnd genoͤt seyn ze sterben.
Vgl. ferner s. v. .
4.
›jn. zu etw. bewegen, treiben, reizen, zwingen‹, mit Tendenz zu ›jn. zu etw. nötigen‹; auch: ›jn. durch Zwang von etw. abhalten‹.
Wortbildungen:
bezwingung
3.

Belegblock:

Chron. Köln (
rib.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
Sy en moichten irre kneichte neit betwungen | van dantze noch van geynen dyngen.
Palmer, Tondolus (
Speyer
um 1483
):
[sy] bezwingen ir zungen nit allein von bosen worten.
Behrend, Magd. Fragen Anm. 3 (
omd.
,
um 1400
):
Ab man unmundige kinder zcu der antwort getwingen
[Var. W:
betwingen
]
moge.
Gille u. a., M. Beheim
358, 2
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Ich, Michel Peham [...] | lass mich geticht bezwingen.
Goedeke u. a., Liederb. (
Nürnb.
16. Jh.
):
Nun höret, was mich darzu bzwang.
Rieder, Gottesfr. (
els.
,
1382
/
91
):
dozů der liebe stifter Růleman Merswin von gotte betwungen wart, das er das selbe bůch schriben můste.
Goldammer, Paracelsus
2, 427, 8
(
1532
/
4
):
so werden ihr von euerm eigen gewissen bezwungen, den nechsten zu lieben.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin (
schwäb.
,
1471
):
Aubenteẅr mich da bezwang, | Das ich Im gieng nach ze tal.
wie manigen vogel stoltz | Sein natur da bezwang, | Das er gar süssiclichen sang!
Drescher, Hartlieb. Caes. (
moobd.
,
1456
/
67
):
das ein armer man von betwingung seiner notturfft herczog Hainreichen [...], sein notdurfft klagen und fúr in geen wolt.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
die teutschen Ostergotten und Gautinger, wurden doch durch geiz der römischen haubtleut nachmals zu aufruer bezwungen wider das kaisertumb.
Piirainen, Stadtr. Kremnitz
13
(
mslow. inseldt.
,
1492
):
So einer betzwung(e)n wurd de(n) ga(n)g zesuch(e)nn mit eine(m) czwerichslagk.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
241
;
Vetter, Pred. Taulers ;
Koller, Ref. Siegmunds ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 593
.
5.
›etw. bezwingen, die Eigenart von etw. brechen; etw. abmildern; jn. innerlich überwinden, überwältigen und dadurch zu etw. zwingen; (einen Geist) bannen, beschwören‹.
Bedeutungsverwandte:
 1,  13, .
Syntagmen:
jn
. (z. B.
den geist
)
/ etw
. (z. B.
den neid / willen, die natur, der naturen gang
)
b., jn. im herzen b., die liebe / minne, das verlangen jn. / etw. b
.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Nû sprechent die meister, daz der wille alsô vrî sî, daz in nieman betwingen mac dan got aleine.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Haynbutten oder hifen | Heizet sie. von dem rifen | Wirt betwungen ir rische.
Jostes, Eckhart
91, 25
(
14. Jh.
):
daz alle auzwendig ubu̇ng ist nu̇tz zu wenik dinges, wann si sein neu̇r gut die natur zu betwingen.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
6, 12
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
die meister, die geiste künnen betwingen, müßen uns ir geiste aufgeben.
v. Ingen, Zesen. Ged.
385, 30
(
Breslau
1641
):
Dann ein Poete singet | aus Danckbarkeit ein Lied / so allen Neid bezwinget.
Goldammer, Paracelsus
3, 284, 20
(
1530
/
5
):
jr gleisner! ir werft hinaus, das euch in euern herzen nit bezwingt, das seindt die hölzin götzen, und lassent die lebentigen abgötter.
Schlosser, H. v. Sachsenh.
2124
(
schwäb.
,
1453
):
So in bezwang das narren spil, | Das er wart ainer froͮwen holt, | Die er zů amy haben wolt.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin (
schwäb.
,
1471
):
Daby was Im die weil nit lang, | Darzů In rechte lieb bezwang.
Den hertzen lieb nye bezwang | Von mynn, noch von frawen, | Den sol man in grön schawen.
Wann mich bezwang verlangen grosz.
Henisch (
Augsb.
1616
):
lieb thut alle ding bezwingen [...]. Den zorn bendigen / bezwingen / vberwinden.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
13, 8
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
das er betwangk | mit kraft naturen gank | an der jungkfrawn gepurd.
Ebd.
23, 95
:
sein plöde menschait ward so kranchk, | das in betwang der durst nach menschen hail.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
91, 5
(
moobd.
,
1473
/
8
):
das weibes minn mich nie spat oder frue | so ser betzwang pei allen meinen tagen.
Quint, a. a. O. ;
Reissenberger, Väterb. ;
Pyritz, Minneburg
5401
;
Heydn. maister
11v, 7
;
Sexauer, Schrr. in Kart.
222, 15
;
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. .
Vgl. ferner s. v.
1
 1.
6.
›etw. erzwingen‹.
Wortbildungen:
bezwungenlich
2.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
Sin perrer mac in och wol vntbinden, also her vore bescreůen stat van den betwůngenen e
e
yden.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Johannes noch nieman enist uns vürgesetzet von allen den heiligen als ein ende, dem wir volgen süln, oder als ein betwungen zil, dar under wir blîben süln.
Anderson u. a., Flugschrr.
15, 6, 33
([
Worms
1521
]):
denselbigen ain bezwungen fryden mit ynen anzůneme͂ / gedrungen.
Jerouschek, Nürnb. Hexenh.
10, 30
(
Augsb.
,
1491
):
welches vrtail ist gotlicher do der richter vrtailt aus dem swersten argkwon / oder do er vrtailt auß bezwunge͂ bekantnus.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
ein bezwungner dinst, den Got | Gancz mit nichten hat haben weln, | Sunder ein lawtern freyen dinst.
Brandstetter, Wigoleis
201, 15
(
Augsb.
1493
):
vnd bezwang in ritterlich viantze. die auch jener bezwungenlich muoste geben.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
1319
):
Ob ieman des wider were, so suͤln si es mit dem rechten betwingen und benoͤten.
Vgl. ferner s. v. .