austreiben,
V., unr. abl.;
1-3 ‚Menschen oder Tiere aus einem Bezugsraum hinausbewegen‘; 4-7 mit entsprechendem Merkmal, aber auf Sachen bezogen; 8-10 Ütr. zu 1-7; 11-15 mit Tendenz zu assoziativer Isolierung.
1.
›(Vieh) zur Weide treiben‹; in 1 Beleg: ›(Vieh) aus dem Rechtsbezirk hinausführen, zum Verkauf wegtreiben‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
1
 3.

Belegblock:

Schmitz, Schiltb.
179, 15
(
Frankf.
1597
):
der Kůhirt / welcher seine Vnterthanen / Kůh / Kaͤlber / vnd ochsen / eben außtreiben woͤllen.
Dinklage, Frk. Bauernweist.
115, 16
(
nobd.
,
um 1430
):
ob eyns [pferd] mere were ungeverlich, so sall man dasselbig nicht außtreyben.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 130, 2
([
Augsb.
]
1548
):
Er treibet die Hunde auß / unnd laufft selbs mit.
Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. (
schwäb.
,
1651
):
wenn der hürt anfangt im früling außzutreiben soll ein jeder sein roß auf den plaz bringen.
Kummer, Erlauer Sp. (
m/soobd.
,
1400
/
40
):
wen di maid das vıͤech auz treibt | und si da hinden peleibt, | so wıͤrff ich sei nider.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
ain clains kindlein wird ir hüeten auf ainer gemain waid und si auß- und eintreiben.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
16.
/
17. Jh.
):
das alles und jedes groß und klain viech [...] anderstwo nit verkauft noch außtriben.
2.
›jn. mit Gewalt verjagen, vertreiben; jn. aus einem Rechts-, Schutzbezirk hinausjagen; (Tiere) verjagen‹; ütr.: ›(die Armut) vertreiben‹; auch: ›jn. von einem bestimmten sozialen oder wirtschaftlichen Platz verdrängen‹ (z. B. im Bergbau: ›jn. am Abbau hindern‹; in der Landwirtschaft: ›jn. von einer nutzbaren Fläche verdrängen‹; im Rechtswesen: ›jn. wegen Befangenheit ablehnen‹; jeweils Synekdoche).
Syntagmen:
den feind / gast, got, die juden / christen / predicanten / mönche / pfaffen / kaufleute a., den menschen aus dem paradiese a., jn. aus der herberge / stat / werkstat a., das volk / die magd a., das vieh / die fische a., die armut a.
Wortbildungen:
austreiber.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Der [mensche] waz als unreine, | [...] | Und wart schuldic uz getriben.
Ulner (
Frankf.
1577
):
Vmb eines Ehebruchs willen sind die Koͤnige zu Rom verjagt vnd außgetrieben worden.
Feudel, Evangelistar
22, 4
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
[Jhesus] trep uz alle dy dy vorkouften [...] in dem tempil.
Luther. Hl. Schrifft.
1. Mose 3, 24
(
Wittenb.
1545
):
[Gott der HERR] treib Adam aus / vnd lagert fur den garten Eden den Cherubim.
Ebd.
21, 10
:
Treibe diese Magd aus mit jrem Son / Denn dieser magd Son sol nicht erben mit meinem son Jsaac.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
104, 31
(
omd.
,
1548
):
so mag er den jungern, so er [...] beweist und laut seiner belehnung zu ihme kumbt, austreiben.
Gille u. a., M. Beheim
97, 14
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Mit knüteln triben sie [studenten] in [esel] auss, | mit grossen slegen von dem hauss.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 901
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Cristus, der [...] den vient vs getriben hat.
Maaler (
Zürich
1561
):
Die armůt ist Außtriben / da ist kein armůt nit mer / die armůt ist inn das ellend verschickt.
Ebd. :
Außtreyber / der einen vertreybt.
Straus, Juden Regensb.
213, 4
(
oobd.
,
um 1475
):
in der Fursten von Bayrn landen [...] die J(uden) abgetilgt und ausgetriben sind.
Bauer, Zist.-Pred. Haller
71, 510
(
tir.
,
1466
):
der erst mensch der ward darumb ausgetriben aus dem paradis.
Quint, Eckharts Pred. ;
Wyss, Limb. Chron. ;
Cirullies, Rechtsterm. Anh.
1981, 102
;
Feudel, a. a. O.
107, 30
;
125, 5
;
Gille u. a., a. a. O.
129, 105
;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Strauch, Schürebrand ;
Barack, Zim. Chron. ;
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 690, 44
;
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
11, 2
;
Maaler /v;
Rot
304
;
Dietz, Wb. Luther ;
Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 139
.
3.
›(Menschen) geordnet aus einem Bezugsraum hinausführen; jn. aus innerer Bewegung hinaustreiben, hinauszugehen bewegen‹.

Belegblock:

Dinklage, Frk. Bauernweist.
97, 10
(
nobd.
,
1430
):
so solt ein gemein zentgrave das landtvolck austreiben.
Thiele, Minner. II,
18, 80
(Hs. ˹
wobd.
,
15. Jh.
˺):
sag an, was hät dich uß getriben | und so fruͤ zů mir her getragen?
4.
›etw. (im Körper Befindliches) ausscheiden, herauspressen‹; je nach Bezugsgröße z. B.: ›jm. den Schweiß austreiben; (die Leibesfrucht) abtreiben; (den Stuhl) ausscheiden‹; hier anschließbar:
das korn austreiben
›dreschen‹.
Phraseme:
jm. die scham und röte austreiben
›jm. die Schamröte ins Gesicht treiben‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl. .

Belegblock:

Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
Die Angst machet jhm bang vnd heiß, | Vnd trieb jhm auß den blutigen Schweiß.
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
100, 4
(
Frankf.
1535
):
das es des giffts krafft widersteht / vnd treibet auß seinen schaden vmb der eygentschafft willen die in jm ist.
Ebd.
182, 14
:
Welche fraw den rauch laßt vnden auff gehn / der treibt todte geburt auß / vnd reyniget die mutter.
Keil, Peter v. Ulm
127
(
nobd.
,
1453
/
4
):
thu das piß an den fünften tag, so treibt es dir die tot-mol auß.
Sudhoff, Paracelsus (
1530
):
der tot der pestis laßt sich nit austreiben mit andern accidentalischen arzneien.
Steer, Schol. Gnadenl.
5, 211
(
halem.
,
15. Jh.
):
als ain luter oͮge nit mag liden ain gestúppe, es vstribet es mit sinen fliessenden traͤhen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Das blůt zů den oren Außtreyben / oder außtrucken.
Eschenloher. Medicus (
Augsb.
1678
):
indem er ihnen die Scham vnd Roͤthe austreibet.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
die [fraw] trink wein mit des krautes wurzeln gesoten, der treibt die tôten gepurt auz.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
verteten die kind in mueterleib, tribens auß in mancher gestalt.
Weitz, Albich v. Prag
167, 6
(Hs. ˹
nobd.
,
2. H. 16. Jh.
˺):
do methe vorderbt vnd krenket (er) sich myt den clisteria, do noch dy natura nicht aws treiben den qwat et cetra aws dem magen.
5.
›etw. (Schmutz) hinausfegen‹.
Bedeutungsverwandte:
 37,
2
,  1, ,  4; vgl. ,
2
.

Belegblock:

Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
2343
(
rib.
,
1444
):
Myne tzunge die is myn bessem | [...] | Da mit ich keren, schuppen ind ussdryven | [...] | Oven noch unden noch langs den wenden.
Voc. Teut.-Lat.
ee vijv
(
Nürnb.
1482
):
Stawben oder außslahen. oder außtreyben.
6.
›etw. (Bauteile) nach draußen vorspringen lassen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  7,  3.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Ir mure groz was und rich | Habende zwelf porten, | Zwelf winkele zu den orten, | Die porten wol gnuc us getriben.
7.
›(einen Fluß) über die Ufer treiben‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  15.
Syntagmen:
es hat den Rhein ausgetrieben.

Belegblock:

Vorarlb. Wb.
1, 204
(a.
1677
).
8.
›(böse Geister, meist: den Teufel) austreiben‹.
Bedeutungsverwandte:
 7,  10,
2
 6, ; vgl.  8.

Belegblock:

Luther. Hl. Schrifft.
Mt. 7, 22
(
Wittenb.
1545
):
Haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben.
Ebd.
8, 16
:
[Jhesus] treib die Geister aus mit worten.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
185
(
Nürnb.
1517
):
Die andern ‚untersteen sich‘, teufel außzutreiben von dem fleisch der sünd.
Dietrich. Summaria
21r, 4
(
Nürnb.
1578
):
weil Christus den Teufel mit macht vnnd wider seinen willen außtreib / muß folgen / das er des Teufels Herr [...] sey.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs.
um 1474
):
als Cristus leyt den todt und starb, und mit seinem tode traib er auß den fursten der werlt.
Rot
310
(
Augsb.
1571
):
Exorcirn / Beschwoͤren / außsprechen / anfaren / Boͤse geister außtreiben.
Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 139
;
Gille u. a., M. Beheim
42, 70
;
Goldammer, Paracelsus.
7, 70, 15
;
9.
›etw. (eine Haltung o. ä.) vertreiben, austreiben, etw. ablegen, überwinden‹.
Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  5, (V.),  8,  2,  7.

Belegblock:

Steer, W. v. Herrenb. Büchl.
770
(
pfälz.
,
1436
):
durch gnade trib er uß alle bosheit.
Luther. Hl. Schrifft.
1. Joh. 4, 18
(
Wittenb.
1545
):
die völlige Liebe treibet die furcht aus.
Jostes, Eckhart
64, 1
(
14. Jh.
):
[der mensch] sol sehen ob iht vinsternuͤzzes in seiner sele sei, daz er daz frummiklich auztreib.
Neumann, Rothe. Keuschh.
3963
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
wil in sime gelouben bliben | unnd di bosen gedancken uss triben.
Pyritz, Minneburg
3467
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Daz sie miner sorgen timmern | Mit irre claren augen schimmern | Uz minem herzen tribe uz.
Asmussen, Buch d. 7 Grade
548
(
nobd.
, Hs.
A. 15. Jh.
):
swenne in des menschen andaht | ein neueu minne pekleibet | deu schon deu furht austreibet.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
19, 27
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
als auch das liecht der genaden treibt aus die vinsternuß der sunde.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
238
(
Nürnb.
1517
):
mag er [...] ein gewisse hofnung schöpfen und die verzweiflung austreiben.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
also der mensche zů dem ersten sich keret von der welte zů Gotte, e er denne alle die lúste und genuͤgede uzgetribe.
tempel gotz, do Got in der worheit inne wonet, so alle ungelicheit usgetriben ist und gerumet ist.
Steer, Schol. Gnadenl.
3, 245
;
Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 139
;
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
22, 21
;
Bihlmeyer, Seuse ;
Vetter, a. a. O. ;
10.
›jn. (von etw. negativ Gesehenem) befreien‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1.

Belegblock:

Goldammer, Paracelsus.
5, 57, 8
(
1530
):
aus der [diemuet] mussen wir got angenem werden, dann sie treibt aus von hoffart und von der stolzi wider got.
11.
›rechtlich gegen jn. vorgehen‹.
Bedeutungsverwandte:
 9,  2; vgl.  6, ,  8,  2,  6.
Syntagmen:
den schuldner a.
Wortbildungen:
austreibung
4.

Belegblock:

Boos, UB Aarau (
halem.
,
1395
):
dz ich [...] noch ieman frowen oder man [...] mit deheinen ussren oder froͤmden gerichten, [...], niemer ustriben, laden, angriffen oder deheins wegs bekúmbern sol.
12.
›etw. (z. B. Geld) eintreiben‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl. ,  3, (V.) 9, ,  5.
Syntagmen:
geld / schulden / zinse, das pfand a.

Belegblock:

Rechn. Kronstadt
3, 132, 39
(
siebenb.
,
1541
):
Auf dy Diener, dy das gelt haben auszgetrieben, ist verton fl. 4 asp.
13.
›jn. zu etw. (einem Amt) vorschlagen‹.

Belegblock:

v. Bunge, Livl. UB
4, 96, 19
(
nrddt.
,
1395
):
so der probist gekoren ist, so spricht der herre bischof zu dem probist, das her einen thumherren zu eim techant ustribe; der tribet einen thumherren us; so froget der herre bischof, ab imand einen andern ustriben wil zu eim techante. Is das do nimand me wirt usgetrebin, so froget der herre bischof ein iclichen thumherren, ab im der usgetrebene behage zu eim techant.
14.
›jn. zu etw. bewegen, anregen; jn. aufbringen, reizen‹.
Bedeutungsverwandte:
 6, ,  3, ; vgl.  19,  2.

Belegblock:

Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
sî iemer, daz dich dîne grôze gebresten alsô ûztrîben, daz dû dich niht nâhen ze gote mügest nemen, sô solt dû dir doch got nâhen nemen.
Goldammer, Paracelsus.
4, 1, 3
(
1530
):
Hie treibt diser prophet mechtig das volk durch den ganzen psalmen aus, daß sie sollen aufsehen haben auf got.
Rot
297
(
Augsb.
1571
):
Concitirn, vest erwecken / außtreiben / reitzen / bewegen / erzuͤrnen.
15.
›(Metall) schmiedend treiben, durch Schläge mit einem Werkzeug zierlich formen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl. .
Syntagmen:
ausgetriebene muscheln.

Belegblock:

Maaler (
Zürich
1561
):
Mit schmiden Außdennen vnnd außtreyben. Tenglen. Procudere.