anfechten,
V., unr. abl.
1.
›etw. (z. B. einen Strick) anlegen‹.

Belegblock:

Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
38, 3
(
noobd.
,
1347
/
50
):
Wanne dez striks anvechten ist offenbar an den stuͤkken der vorgenanten viertail.
2.
›jn. überkommen, jm. zustoßen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2,  11.

Belegblock:

Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Beim Fuͤrsten war ein Edelman, | Den facht auch not vnd hunger an.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
33, 101
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
geduldig mach wen laid anvicht, | wann an dein hilf sein wir enwicht.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
ain erznei etleicher töbichait, die die läut anvehtent.
3.
›jn. belasten, bekümmern‹.
Bedeutungsverwandte:
,  3, I, 5.

Belegblock:

Sachs (
Nürnb.
1554
):
Dich ficht an kein haußhalten schwer.
Tittmann, Schausp. 16. Jh. Wild
244, 450
(
Augsb.
1566
):
welchen aller welt dienst anficht, | dem gibt die welt zu dienen gnug.
Sappler, H. Kaufringer
17, 297
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
das vicht mich an ze diser stund | von meinem man, dem müller.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
wan ich vil arbait hân [...] mit andern dingen, diu mich anvehtent.
4.
›jn. anfechten, zu verführen suchen, locken (im religiösen Sinne)‹.
Bedeutungsverwandte:
 5,  2, .
Syntagmen:
den leichnam / menschen, die christenheit, gottes volk a.
;
angefochtenes herz
;
böser geist / satanas / teufel
(je mehrmals)
/ hellischer hund / fleisch / blut / zweifel / sünde / unglük / bekorung / torheit / welt jn. a.
;
jn. a.
(subst., Personifikation)
nennen
;
das a. überwinden
;
a. jm. nachgehen
;
viel anfechtens in sich haben.

Belegblock:

Bömer, Pilgerf. träum. Mönch (
rhfrk.
,
um 1405
):
So der man me schame hait, | So merer anfechten yme nachgait.
Neumann, Rothe. Keuschh.
3960
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
was sinen licham anficht, | des wil her zu male volgen nicht | unnd wil in sime gelouben bliben | unnd di bosen gedancken uss triben.
Dienes, E. Gros. Witwenb.
5, 5
(
nürnb.
,
1446
):
Du maynst also, das dorv̈mmb, das wir pöse belangen in vns haben: pöse sündige gedancken vnd vil anfechtenß, das dorv̈mmb kayne ware witwe sey.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
11, 20
(
Nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
Das leben [...] aufwurfft die jugent, es krumpt das alter, es czupricht die krancheit, es unterdruckt das waynen, es vicht an der tewffel, im liebkoßt die werlt.
Ebd.
12, 29
:
Gedenck auch der mensch, mit welchen anfechtung oder von wem oder in wie der mensch mer angeloffen und angefochten werde. Wann das flaysch rett und gibt im ein linde, suͤße, wolluͤstige, unkeusch und begirliche dinck, und alle sein anfechtigung ist allain von den gegenwertigen luͤstpern und sichtigen dingen und nichts nicht von den kuͤnftigen unsichtigen oder geystlichen dingen.
Ebd.
12, 39
:
Darumb ficht er [tewffel] den menschen an czuforderst mit czorn, mit grymme, mit haß, mit neyd, mit aller sewerkeit und pitterkeit.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
Des sich unwirdigt Sathanas, | Schleich listiglich zw Eve dar | Zw hindern sie und aüch dar mit | Das gancz menschlich geschlecht | Und sie anfecht, | Ob dürch sie wür verschmecht | Das pot Gottes.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
14. Jh.
):
din eigen fleisch, daz vichtet dich an mit geistlicher unkúscheit.
Bauer, Imitatio Haller
82, 21
(
tir.
,
1466
):
Wenn der mensch würt petruebt vnd angefochten vnd das willikchleichen leiden ist oder pekchümmert würt mit den pösen gedenkchen, souil mer würt im gott pey gesten vnd trösten.
Helm, H. v. Hesler. Apok. ; ; ; ;
Quint, Eckharts Pred. ;
Bömer, a. a. O. ; ;
Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 6
;
Neumann, a. a. O.
1371
;
Palm, Veter Buoch ;
Kopp, Volks- u. Gesellschaftsl. ;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Gerhardt, Meister v. Prag
38, 9
;
Vetter, a. a. O. ;
Strauch, Schürebrand ;
Rieder, St. Georg. Pred. ;
Banz, Christus u. d. minn. Seele
528
;
533
;
Lindqvist, K. v. Helmsd.
276
;
3452
;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Spechtler, Mönch v. Salzb.
1, 151
;
Bauer, a. a. O.
84, 13
;
5.
›jn. reizen, beeindrucken‹, im Unterschied zu 4 von Bezugsgegebenheiten, die positiv gewertet werden.

Belegblock:

Gille u. a., M. Beheim
62, 15
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Es ist geticht, | das mich anvicht, | und wil mir gsigen.
Goedeke u. a., Liederb. (
Nürnb.
1594
):
Wann dein gesicht, | das mich anficht, | wie wolken solte schweben.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
So dann sunder begird mich [Vlrichen Füetrer maler] ettwo vil dick darzue geraitzt und manigvaltig angefochten hat.
6.
›jn. dringend um etw. ersuchen, auf jn. einwirken, etw. zu tun‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  5.

Belegblock:

Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
Teglich gund er den marschalck an zu fechten | Wie sie ein sin gedechten | Und schir zu wegen prechten | Die zart die im do det gewalt.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
zůr andren audiens hond wir zům ersten baͤbstliche heilikeit um ein gmeinen friden [...] ernstlich vermant, und sine heilikeit darum angefochten.
7.
›jn. sexuell mißbrauchen, sich an jm. vergehen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  17.

Belegblock:

Fischer, Folz. Reimp.
25, 389
(
Nürnb.
1479
):
Wer die unvernufftigen thir ficht an, | Das weib ein weib, der man ein man, | Wer die misprauchet in der ee.
Fischer, Eunuchus d. Terenz (
Ulm
1486
):
das angesicht mit den negeln zerkratzen. als gewonlich die angefochtnen diernen thůnd denen die ir wider irn freien willen begerend seind.
8.
›jn. gerichtlich belangen, rechtlich gegen jn. vorgehen‹.
Bedeutungsverwandte:
(V.) 1; vgl.  6,  2,  9.

Belegblock:

Kisch, Leipz. Schöffenspr. (
osächs.
,
1523
/
4
):
Nun ficht der erbherre, des das gericht ist, die geschwistern umb das hergepete an.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
144, 10
(
mslow. inseldt.
,
1612
):
damitt śeine Nachkomen khunfftiger Zeit nicht dürfften angefichten werden.
Bad. Wb.
1, 49
.
9.
›jn. verbal angreifen, schelten, schmähen; jn. überfallen, tätlich angreifen; (Gruppen, Reiche) mit Krieg überziehen, bekriegen, angreifen‹.
Syntagmen:
feind / keiser / man / zinsherre / volk / eidgenossen / Israel / Römer / Sarazenen / christenheit / königreich / esel / wolf jn. / etw.
(vereinzelt)
a.
;
grosses a.
(subst.);
fiel anfechtens haben, a.
(subst.)
leiden.

Belegblock:

Altmann, Wind. Denkw. (
wmd.
,
um 1440
):
obe der edel keiser Sigemont nit vil anefechtens hab gehept umbe sin recht veterlich erbe.
Chron. Köln (
rib.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
woilde die cristenheit mit stryde | Agrippinam die starcke stat | aneueichten.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Der grobe Esel vnbedacht | Mit lesterworten jn anfacht, | Wolt auch sein Mannheit an jm bweisen.
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
Dî zwêne und ir gesinde | liddin dô vil swinde | nôt und anevechtin groz | von der vîende widdirstôz.
Gille u. a., M. Beheim
21, 108
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
wann der veint auch nit slaffet und mit quele | allwegen Israhel anvechten tut.
Kohler u. a., Peinl. GO Karls V. (o. O.
1532
):
so einer jemandt mit einem todtlichen Waffen oder weher vberlauffet, anficht oder schlecht.
Dierauer, Chron. Zürich (
halem.
,
1415
/
20
):
Do gebot Maximianus, das man den abgoͤtten opfroti und man alle, die [...] cristen geloͮben haͤttint, anvaͤchte und ertote.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
ist daz der wolf dich anvehten wil, sô wer dich mit stainen.
Leidinger, V. Arnpeck (
moobd.
,
v. 1495
):
hunz di auslendigen volker [...] di Römer anvechten wurden.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
wurden in [Karolus] aber die Sarrazenen maniger hand anfechten.
Strehlke, a. a. O. ;
Kurz, a. a. O. ;
Dubizmay, kurß zu Teutze
43, 17
;
Hübner, Buch Daniel ;
Eggers, Psalter
74, 25
;
Mayer, Folz. Meisterl. ;
Kohler u. a., Bamb. Halsger. ; ; ;
Merk, Stadtr. Neuenb. ;
V. Anshelm. Berner Chron. ; ;
Pfeiffer, a. a. O. ; ;
10.
›gegen etw. ankämpfen‹; nur ein isolierter Beleg.

Belegblock:

Bauer, Imitatio Haller
49, 15
(
tir.
,
1466
):
Wenn er [mensch] volkchömenleichen anuecht vnd sich selbs vberwinden ist vnd mandleichen wandern ist in dem wëg gottes, so werden im alle ding ring.
11.
›etw. anfechten, Einspruch gegen etw. einlegen; jn. (Zeugen) für befangen erklären‹.
Bedeutungsverwandte:
, (zur 1. Nuance).

Belegblock:

Köbler, Ref. Wormbs
198, 1
(
Worms
1499
):
der Erb ein testament will anfechten als nichtig.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Die Atzel sich bald zuhin macht, | Vnd diese wal allein anfacht.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
130, 22
(
omd.
,
1548
):
Obe die hineingebrachten lochsteine oder erbstufen mögen angefochten werdten.
Turmair (
Ingolstadt
1519
):
damit die vorgesetzten güeter ôn jedes anfechten [...] bei der itzgemelten capellen [...] beleiben sollen.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
, Hs.
1565
):
wer zeugen will anfechten und verwerfen.
Löscher, a. a. O.
84, 23
;