angreifen,
V., unr. abl.
1.
›etw./jn. mit den Händen anfassen, berühren‹.
Bedeutungsverwandte:
 4,  1; vgl.  1.

Belegblock:

Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
524
(
mrhein.
,
um 1335
):
Grifent an, hebent vf den stein zuͦ stunt.
Luther. Hl. Schrifft.
Matth. 8, 15
(
Wittenb.
1545
):
Da greiff er jre hand an / Vnd das Fieber verlies sie.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Daz herz kan suͤzklich betrahten, dú zunge hoh sprechen, der lip ellú ding geringklich an grifen, und swer núwan suͦchet, der vindet denne hohen rat alles.
Sappler, H. Kaufringer
11, 259
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
er graif si an gar lieplich | und legt das weib under sich, | wann er besorgt den man vil clain.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
100, 15
(
tir.
,
1464
):
Der selbig pös checzer der sach ain gemachte pildnus von holcz des erbirdigen Jeronimi, vnd die selbig pildnus die graiff er an mit seinen henden.
Quint, Eckharts Trakt. ;
Fischer, Eunuchus d. Terenz ;
Voc. Teut.-Lat.
b iijr
;
Rot
355
.
2.
›etw. durch Auflegen der Hand als sein Eigentum beanspruchen‹.
Rechtstexte des Omd. und des omd. Einflußbereiches.
Bedeutungsverwandte:
 8.

Belegblock:

Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
Wy man eyn pfert aneuangit. Gryfet eyn man eyn pfert an vnd sachet her das is ym [...] geroubet sy.
Ermisch, Freib. Stadtr. (
osächs.
, Hs. 
v. 1325
):
So sal der richter angrifen unde sal ienen ouch heizen angrifen an daz turstadil oder an den thurrinc [...], daz sal he im in di hant geben unde sal sprechen also: „Set, ich eigene iz uch [...]“.
Leman, a. a. O. ;
Goerlitz u. a., Rechtsd. Schweidnitz
92, 2
;
Trübner, Dt. Wb.
1, 83
.
3.
›etw. in Betrieb, in Bearbeitung nehmen‹; hier das bei
Schirmer, Kaufmannsspr.
angegebene
geld angreifen
›Geld ausgeben, verbrauchen‹ anzuschließen.

Belegblock:

Ermisch, Sächs. Bergr. (
osächs.
,
14.
/
15. Jh.
):
er griffe is an mit buͤwe unde erbeit do sechs wochen.
Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. (
schles.
,
1546
):
Dass erstlichen Maz Hirsch [...] keine fursten bergfesten oder sonst anders angreifen und vornehmen.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1632
):
[sie] sollen den walt wait herauf angreifen [...], weilen sich daselbsten vil unrötiges holz befint.
4.
›etw. unternehmen, anstellen, anfassen, ins Werk setzen, in Angriff nehmen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  4.

Belegblock:

Ziesemer, Marienb. Konventsb.
286, 18
(
preuß.
,
1412
):
als sy unser homeyster her vorbotet von Nogothbrocken wegen eyns czu werden, wy man is angriffe.
Wyss, Limb. Chron. (
mfrk.
,
2. H. 14. Jh.
):
want he geluckselig was in allen sachen di he anegreif.
Froning, Alsf. Passionssp.
5574
(
ohess.
,
1501ff.
):
Ir herren, raidet, wie griffen merß nu an, | das mer getoden disßen man?
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
um 1480
):
[Die fraw] west doch nit wie siez an griff, | Daz er ir einß zu dancze mit pfiff.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
si griffen’s zu grüen an, die sach fält in, geriet in ir anschlag nit.
Kopp, Volks- u. Gesellschaftsl. ;
Thiele, Minner. II,
31, 52
;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Rueff, Rhein. Ostersp.
235
;
Pyritz, Minneburg
3901
;
Mayer, a. a. O. ;
Koller, Ref. Siegmunds ;
Sappler, H. Kaufringer
6, 295
;
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
523, 4
;
Rintelen, B. Walther
177, 21
;
Maaler 20v/;
Dietz, Wb. Luther ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 153
;
5.
›etw. (in einer Erzählhandlung bereits Angesprochenes) wieder aufgreifen, sich wieder einem Thema zuwenden‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  6.

Belegblock:

Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Ich wil aber vurbaz gan | Grifende die glose an | Diz textis der hie gereit | Lesende ist hin geleit.
Hie von ich nicht me schribe, | Ich muz wider grifen an | Danyelem, den guten man.
6.
›sich zu etw. aufraffen, alle seine Kräfte zu etw. aufbieten, sein Äußerstes, Bestes tun‹.
Syntagmen:
Refl.

Belegblock:

Luther, WA (
1535
):
so muͤgen dennoch etliche dadurch bewegt werden, das sie sich angreiffen und wollen frum sein.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1548
):
hat der burgermaister von der gemaind, Jacob Hörbrot, sich höchstes vermögens angriffen, den baiden rebellionfürsten, Sachsen und Hessen, große fürstreckung gethon.
Dietz, Wb. Luther ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 153
;
7.
›etw. in Besitz nehmen, an sich reißen; etw. in Gebrauch nehmen, verwerten, zu eigenen Zwecken benutzen und dadurch in seinem Wert schmälern‹; offen zu 8.
Rechtsgeschichtliche Texte.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
wirt aber de roup oder de duͦbe an gegreffen vnde vorzert, man muͦz iz zwevaltich gelten.
Cirullies, Rechtsterm. Anh.
1981, 92
(
rhfrk.
,
1369
):
der scheffen hat geteylit, daz Peter, Heinrich Bersigis son, sin gut ane sal gryfen und sal syme vater ein unschult tun [...], daz yme daz libisnot darzu dringe.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs.
um 1475
):
des leib und güt solt meniglich erlaubt sein anzügreyffenn und an zü nemen.
Rennefahrt, Zivilr. Bern (
halem.
,
1491
):
so mögen dieselben [...] unser beide guͦt gemeinlich und in sünders darumb an alles berechtigen angriffen, vertigen, verkouffen, vergänten, vertriben und an sich züchen.
8.
›etw. pfänden, mit Beschlag belegen‹; auch: ›jn. mit einer Auflage belasten‹.
Bedeutungsverwandte:
1
 6,  4; vgl.  2,  12.

Belegblock:

Pfeiffer, Frk.-bay. Landfr.
281, 29
(
nobd.
,
1409
):
Geschee dez nicht, wurde er ewr lande und lewte furbas dorumb pfenden und angreyffen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1398
):
das man ain handtwerck oder zunft anders und in ander weg angreyfen und besweren und ungelt auff sy setzen wölte.
Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
1414
):
wer darnach dasselbe verkouft guͦt [...] phendet vnd angriffet, der sol daran habend sin.
Rennefahrt, Statut. Saanen (
halem.
,
1403
):
so sol und mag ietweder teile sinen gegichtigen gelten oder buͥrgen wol pfenden und angriffen nach dez gerichtz recht.
Welti, a. a. O. ; ; ; ;
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen ;
Koller, Ref. Siegmunds .
9.
›jn. rechtlich belangen, rechtlich gegen jn. vorgehen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  7,  7,  11.
Syntagmen:
jn. mit gericht
(mehrmals)
/ pfändung / recht a.

Belegblock:

Chron. Strassb. (
els.
,
1362
):
daz man uber sie würde loufende oder daz man sie joch mit gerihte an würde grifend.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen (
halem.
,
1432
):
wa wir das nit taͤtten, das si denn [...] úns all [...] angriffen und únser guͦt darumb pfenden und vertriben mit gericht oder aͮne gericht.
10.
›jn. tätlich angreifen, Hand anlegen an jn., jn. anfallen, überfallen‹ (auch von Tieren gesagt); vereinzelt: ›sich an etw. vergreifen, vergehen‹.

Belegblock:

Froning, Alsf. Passionssp.
5631
(
ohess.
,
1501ff.
):
das mer keynen vororteilten man | myt unßern henden sollen griffen an!
Pfeiffer, Frk.-bay. Landfr.
290, 24
(
nobd.
,
1410
):
die von der Kere und andere vast umbreiten und auf den straßen angreifen und vil enthaltnisse und gunst in dem lande haben.
Dienes, E. Gros. Witwenb.
265, 12
(
nürnb.
,
1446
):
Do griffen sie Ihesum an mit den henten.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen (
halem.
,
1521
):
Woͤlher den andern angrifft mit gevaͤrden in einer trostung, mit stechen, schlachen oder werffen.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
sô greift er [der leopard] den jäger an.
die äffer tuont sam Dathan und Abyron, die daz opfer gotes und diu rauchvaz angriffen.
seind auch der geir alliu âs und allerlai gefügel angreift.
Cirullies, Rechtsterm. Anh.
1981, 91
;
Froning, a. a. O.
3395
;
Feudel, Evangelistar
48, 9
;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Gille u. a., M. Beheim
99, 1054
;
Vetter, Pred. Taulers ;
Koller, Ref. Siegmunds ;
Sappler, H. Kaufringer
19, 93
;
Lindqvist, K. v. Helmsd.
3999
;
Graf-Fuchs, a. a. O. ;
Welti, Stadtr. Bern ; ;
Pfeiffer, a. a. O. ;
Spechtler, Mönch v. Salzb.
24, 28
;
Rudolf, Peuntner. Sterbek.
149vb, 5
;
11.
›jn. mit Worten angreifen, verletzen; mit Härte gegen jn./etw. vorgehen, etw. (Zustände) angreifen, gegen etw. angehen; (seinen Körper) kasteien‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  8; speziell zu letzterer Nuance:  11,  2,  10.

Belegblock:

Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
19, 34
(
thür.
,
1474
):
daselbist yn Barttel Rysener geschuldiget hatt, daz er yn angegriffen hat an ere unde geburt.
Luther, WA (
1530
):
da ich das klosterleben angreiff und der Muͤnche nu weniger worden sind.
Göz. Leichabd. (
Jena
1664
):
scheinet / es koͤnne Gott Eltern nirgends angreifen / da es ihnen weher tuhe [...] / als durch Entziehung der liebsten Kinder.
Gille u. a., M. Beheim
82, 554
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Dach sol man nichcz nemen dar ab | nach wenen, das sy [Maria] mit im [gotes sun] hab | takelt oder geschimpfet | Und in angriffen hab, als nun | ander muter irn kinden tun.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
du muͦst dinen tapfern lip an griffen, dinen geschlifnen zungen binden.
Chron. Strassb. (
els.
,
1362
):
welhe sich do nüt enwihetent, die greif der bischof an und nam ir ambaht und ir gotzgoben.
Welti, Stadtr. Bern (
halem.
, o. J.):
dz deheiner den andern angriff weder mit worten noch mit werchen.
Bastian u. a., Regensb. UB
191, 37/9
(
oobd.
,
1361
):
daz ir die egen(anten) burger und stat zu R. [...] nicht hindern, angreifen oder in dheine weis schedigen oder besweren sullet.
Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein
20, 35
(
moobd.
,
1305
):
swa der richter der stêt recht und iren vreytuem [...] angreifen oder uber greifen wolde.
Bihlmeyer, a. a. O. ;
Vetter, Pred. Taulers ;
Banz, Christus u. d. minn. Seele
640
;
Dietz, Wb. Luther ;
12.
›jn. ergreifen, festhalten, festnehmen, verhaften‹.
Bedeutungsverwandte:
 7,  10, (V.) 17,  2, ,  1,  6; vgl.  9.
Syntagmen:
den bürger / dieb / getäter / christen / juden a.
;
jn. mit gewalt a.
;
anwalt / pfleger / richter / schultheis jn. a.
Wortbildungen:
angreifung
4.

Belegblock:

Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
den [man] mag her wedir an gryfen wo her yn ankumpt ane gerichte.
Chron. Köln (
Köln
1499
):
die angrifung ind degradierung hait bestalt [...] ein greve van Nassauwe.
Ermisch, Freib. Stadtr. (
osächs.
, Hs. 
v. 1325
):
Ist denne, daz he im intgeet oder intloufet, he grifet in wider an unde heldet in mit rechte ane gerichte.
Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica
583
(
schles. inseldt.
,
1477
):
wy her hot eynen dÿp mit rachte gefangen hot vnd mit rachte angegriffen hot.
Dinklage, Frk. Bauernweist.
112, 17
(
nobd.
,
15. Jh.
):
so mag er ine mit seinem eigen gewalt angreufen [...], denselbigen zu behalten also lang.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen (
halem.
,
1413
):
moͤgent ouch des gotzhus amptlúte die geteter, ob si si in iren gerichten [...] ergriffent, hoͤften und angriffen, untz daz si burgschaft gebent.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
, Hs.
17. Jh.
):
so mag er [wiert] ihm angreifen füer ain schädlichen mann.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
warden die christen allenthalben von dem g’main volk und den richtern angriffen, aufgezuckt, für gericht geschlept.
Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
785
;
Wyss, Limb. Chron. ;
Cirullies, Rechtsterm. Anh.
1981, 91
;
Ermisch, a. a. O. ;
Behrend, Magd. Fragen ; ;
Welti, Stadtr. Bern ; ;
Graf-Fuchs, a. a. O. ;
Koller, Reichsreg. Albr. II.
138, 2
;
Siegel u. a., Salzb. Taid. ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 153
;
13.
in der Fügung
jn. peinlich / mit peinlicher frage angreifen
: ›jn. unter Anwendung von Foltermethoden verhören, jn. zum Zwecke der Erpressung eines Geständnisses foltern‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  13,  5.

Belegblock:

Skála, Egerer Urgichtenb.
25, 11
(
nwböhm.
,
1562
):
Nach dem man Ime die schrauben angelegt vnd nicht wenig angriffen hat er doch nichts bekhenen wollen.
Ebd.
135, 9
:
Peinlich Angriffen Sagt Anders nit dan wie guetlich Vorgehet.
Kohler u. a., Bamb. Halsger. (
Bamb.
1507
):
sol man [...] jne alssdann weyter mit peynlicher frag angreyffen, damit er die oberzelten vmbstendt recht [...] anzeyge.
Kohler u. a., Peinl. GO Karls V. ; ;
14.
›jn. (Herrschaftsträger, Gruppen) / etw. (z. B. ein Land) militärisch angreifen‹.

Belegblock:

Neubauer, Kriegsb. Seldeneck
92, 6
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
ob man den hindern hauffen wolt angreyffenn.
Chron. Strassb. (
els.
,
1362
):
do sament er ein großes her und zogete uf die vinde. und zuͦ dem ersten greif er den groven von Helfenstein an.
Bell, G. Hager
543, 1, 14
(
nobd.
,
1611
):
das die fürsten ge mein | auf sie Her zogen ane drauren, | [...] | mit grosem Her | vnd starcker wer, | Detten an griefen Die Beürische schare.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
die Vngerischen [...] griffen das lannd an aber mit rawben und prennen.
Jaspers, St. v. Landskron
72v, 29
;
Koller, Reichsreg. Albr. II.
171, 26
;
Maaler 20v/;
Ulner, R ;
15.
›jn. heimsuchen, überfallen, überkommen‹.
Bedeutungsverwandte:
 2; vgl.  2,  11.

Belegblock:

Bobertag, Faust (
Frankf.
1587
):
Er [Faustus] machte auch in seinen Practicken Zeit vnd Stunde [...], warnete ein jede Herrschafft besonder, als die jetzt mit Theuwrung, die ander mit Krieg [...] solte angegriffen werden.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1563
):
truͦg es sich zuͤ in dem mertzen, daß ainlitzer weis etliche angriffen wurden mit dem brechen.