abschneiden,
V., unr. abl.
1.
›etw. abschlagen, abhauen‹; Spezialisierungen: ›jm. etw. (ein Körperglied o. ä., oft als Straftat oder als Strafe) abschlagen, abschneiden‹; ›(Bäume) fällen‹; offen zu 2.
Syntagmen:
jm. den arm / fus / mund, das or
(mehrmals)
/ har / haupt, die haut / hand / nase / zunge, die brüste a.; zweige, den baum a.; abgeschnittener sin
›abgestumpftes Gemüt‹ (ütr.).

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
So bescrie se geistlich vnde werlich gerichte offenlichen vor de Cristenheyet vnde snite in hůt vnde har abe.
Feudel, Evangelistar
140, 22
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
ab dich dyne hant adir dyn vuz ergirt, snyt en abe.
Gille u. a., M. Beheim
99, 559
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
der Turken schreiber liess er dy | nasen und mund abschneiden.
Skála, Egerer Urgichtenb.
220, 7
(
nwböhm.
,
1577
):
Ist Vatter vnd Shon die Rainel mit den Strang gerichtt/das Weib vnd Mutter an pranger gesteltt, die ohrn abgeschnitten.
Strauch, Schürebrand (
els.
,
E. 14. Jh.
):
[sú] liessent sich kerkeren, die brüste abesniden, die zene uzslohen, an hespele spannen.
Wedler, W. Burley. Liber
118r
(
moobd.
,
v. 1452
):
Horestu nicht auf schellten, ich wil dir die zunng absneyden.
Sappler, H. Kaufringer
14, 295
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
sein haupt haun ich im abgeschniten.
Voc. inc. teut.
a iiijr
(
Speyer
1483
/
4
):
Abschniden die zweig võ den baumẽ.
Gille, a. a. O.
199, 115
:
ein paum, der nicht gut frucht volfurt, | der selbig ab gesniten würt | und das feur wirt damitt geschürt.
˹Ral.: Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 279, 22
(
Hagenau
1534
):
Sihe wie hencket er das maul / ich will yhm den zornbratten abschneiden
˺.
˹Ütr.: Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
24, 6
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Dein kurze vernunft, dein abgesniten sinn, dein holes herze wil aus leuten mer machen dann sie gewesen mügen
˺.
Große, a. a. O. ;
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. ; ;
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. ;
Voc. Teut.-Lat.
a iiijr
;
Voc. inc. teut.
a iijr
;
a iiijr
;
2.
›etw. (Feldfrüchte o. ä., mit Objektverschiebung: Anbauflächen) abmähen, abschneiden‹; auch als Synekdoche für ›ernten‹; Spezialisierung zu 1.
Bedeutungsverwandte:
 7,  1; speziell für ›Heu mähen‹: .
Syntagmen
salz / frucht / korn a.
; mit Objektverschiebung:
den acker / anger / garten a.
; bildl.:
gereiftes lob a.; den tod, das leben a.

Belegblock:

Schmitz, Schiltb.
79, 23
(
Frankf.
1597
):
Wie sie aber handt anlegen/vnnd jr gewachsen Saltz abschneiden woͤllen.
Feudel, Evangelistar
14, 11
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
Unde alse dy frucht worden ist, so snydet her sy czu hant abe, wen sy ist rife.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
62, 3
(
osächs.
,
1570
/
7
):
Drei sicheln konnen zwene acker einen tag wohl abschneiden.
Piirainen, Stadtr. Sillein
87b, 10
(
sslow. inseldt.
,
1378
):
Wer einez andern mannez chorn absneydet.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
16. Jh.
):
Eß sol kainer dem andern sein [...] anger oder egärten uber sein willen nicht etzen noch abschneiden.
˹Bildl.: Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Dar umbe, swer in dem vleische sœjet ungeordente minne, der snîdet abe den êwigen tôt; und swer in dem geiste sœjet ordenlîche minne, der snîdet von dem geiste daz êwige leben.
˺
Ermisch u. a., a. a. O.
51, 20
;
Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. ;
Merk, Stadtr. Neuenb. ;
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
84, 13
;
Thiele, Minner. II,
31, 133
;
3.
›die Markierung des Kerbholzes tilgen‹; Spezialisierung zu 1.
Bedeutungsverwandte:
vgl. .

Belegblock:

4.
›etw. ab-, wegätzen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2.

Belegblock:

Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
126, 6
(
Frankf.
1535
):
Der Corall [...] schneidet ab das erwachsen fleysch / vnd stercket die augen in dem so er sie reyniget.
5.
›etw. durchschneiden, durchhauen, mit Gewalt von etw. abtrennen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  8.

Belegblock:

Maaler (
Zürich
1561
):
Die aderẽ Abschnydẽ.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
133, 3
(
moobd.
,
1473
/
8
):
die kel si im abschniten.
Kummer, Erlauer Sp. (
moobd.
/
soobd.
,
1400
/
40
):
si schuͤllen in alln die haͤls ab sneiden.
˹Ütr.: Schöpper (
Dortm.
1550
):
von der Christlicher gemeinschafft abschneidẽ.
˺
6.
›(Laute, Silben o. a.) elidieren, synkopieren‹; vermutlich auch: ›apokopieren‹; fachsprachliche Spezialisierung zu 1.
Nur in Wörterbüchern belegt.
Bedeutungsverwandte:
 17,  3.

Belegblock:

Voc. Teut.-Lat.
a iiijr
(
Nürnb.
1482
):
Abschneyden als in wortẽ. oder kurtzen. sincopare.
Voc. inc. teut.
a iiijr
(
Speyer
1483
/
4
):
Abschnidẽ die silbẽ. Sincopare.
7.
›sich verlaufen, aufhören (z. B. von Erzgängen, Wegen)‹.

Belegblock:

Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. (
schles.
,
1528
):
auch hat sich in zweien zechen das bleierz abgeschnitten und bricht darunter ein gut silbererz, dass zu hoffen ist, dass ein gewaltig silberbergwerk da werden wird.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1570
):
bis auf den praiten weeg, der sich in die Draga an deren von Dürnpichl gemain stossend abschneiden tuet.
Wolf, Bergmannsspr.
1958, 95
;
ders., Mathesius.
1969, 287
.
8.
›etw. (Vorgänge, Handlungen o. ä.) beenden, abschließen; etw. zum Aufhören bringen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  15,  6.
Gegensätze:
 5.
Syntagmen:
das wasser, den husten, die rede / sache a.; etw. one verlängerung a.

Belegblock:

Thiele, Luthers Sprichw. (
um 1535
):
Das ist ja kurz abgeschnitten und stracks verdampt alle Wege, Lehre und Leben, die nicht Christus heissen.
Kohler u. a., Peinl. GO Karls V. (o. O.
1532
):
Soll man one alle gerichtliche verlengerung [...] Abschneidenn.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
15. Jh.
):
und tegeten darzwischen, ob man die sach ab möcht schneiden und verrichten.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
[holzpirn] kreftigent den magen und absneident die huosten und truckent die coleram.
des krautes hât man vil ze Parîs, [...] und macht daz gesiht dunkel unde sneidet daz harmwazzer ab, alsô daz ez nicht fleuzt.
Kohler, a. a. O. ;
Kohler u. a., Bamb. Halsger. ; ;
Laufs, Reichskammergo.
239, 25
;
243, 24
;
Fischer, Eunuchus d. Terenz .
9.
›etw. (oft Ungewünschtes) aufheben, tilgen, unterdrücken‹.
Syntagmen:
die gebresten, die missetat / freude / barmherzigkeit / ursache der sünden / schrift, das evangelium, den schmerz a.

Belegblock:

Berthold u. a., Zwick. Stadtrref.
65, 4
(
osächs.
,
1542
/
70
):
Den betrug etlicher hausgenossen apzuschneiden, statuiren und ordnen wir.
Pyritz, Minneburg
4360
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Got, mich nymt ymmer wunder wie | Din guͤt ez mug erliden, | Daz bitter scharpf ab snyden, | Daz mir absnyt die freude min!
Jellinek, Friedr. v. Schwaben
7620
(
schwäb.
, Hs.
1478
):
Was ich darumb sol liden, | Ich will das nit abschneiden, | Es sey ietz oder zů tag.
Wedler, W. Burley. Liber
143r
(
moobd.
,
v. 1452
):
Du solt nicht hören ain vrtail, das da absneidet die parmherczigkait.
Gille u. a., M. Beheim
82, 645
;
Kurrelmeyer, Dt. Bibel ;
Jellinek, a. a. O.
265
;
1342
;
6487
;
Vetter, Pred. Taulers ;
Spechtler, Mönch v. Salzb.
38, 86
;
Reithmeier, B. v. Chiemsee .
10.
in der Verbindung das
gemüt a.
›sich kasteien‹.

Belegblock:

Wedler, W. Burley. Liber
109r
(
moobd.
,
v. 1452
):
Die vierden sind gerainigt vnd habent abgesniten ir gemüet vnd habent nidergedruckt all weltlich geschefft vnd sind lautter vnd beschaidenn.
11.
›jm. an die Ehre sprechen, übel nachreden, jn. verleumden‹.
Bedeutungsverwandte:
 2,  4; vgl.  14,  21.

Belegblock:

Bömer, Pilgerf. träum. Mönch (
rhfrk.
,
um 1405
):
‚Wie heissest du‘? sprach ich zu ir.
– |
‚Abesnydongen, das sage ich dir; | Ich bin die abesnydet und abebisset | Den luden ere und gut‘.
Kohler u. a., Bamb. Halsger. (
Bamb.
1507
):
so einer [...] mit seinen wortten got, das jm zustet, abschneydet, der almechtigkeyt gottes widerspricht.
Vetter, Pred. Taulers Var. (
Leipzig
1498
):
das sy offt andere edele andechtige menschen abschneiden vnnd geniessen.
Wedler, W. Burley. Liber
62v
(
moobd.
,
v. 1452
):
Ainer sprach zu im: „Der hat übel von dir geredt“. Er sprach: „Er hat mir mein ere nicht abgesniten“.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
22, 13
;
Voc. Teut.-Lat.
a iijr
;
Voc. inc. teut.
a iiijr
;
12.
›jm. etw. nehmen, entziehen‹; in der Verbindung
den säckel/ den beutel a.
›jn. bestehlen‹; auch: ›js. Ackergrenze überpflügen‹.
Bedeutungsverwandte
zu ersterer Nuance:  1,  1; vgl. (V.) 11; zu letzterer Nuance: vgl. .

Belegblock:

Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
die so grosse werk und uͤbunge hant gehabt und grossen namen und schin, das den in úber beheglicheit als gar alles ab gesnitten ist.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs.
um 1475
):
es sol nyeman dem andernn sein teglich prot abschneyden.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1568
):
das inen [...] ir arbait dardurch abgeschnitten werde.
Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
her snidet sines silbes bůtel abe vnde ziet de lůte.
Bächtold, N. Manuel. Abl.
127, 430
(
halem.
,
1525
):
Wenn ich eim richensi wib oder man- | Am morgen etwan bicht gehöret han, | Der mir nit nach mim willen gab, | So schneid ich im den seckel ab.
Bömer, Pilgerf. träum. Mönch ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 60
;
Rot
285
;
Bauer/C.
122
;
Kuchanny, Syn. Huttens Vad.
1915, 136
.
13.
›etw. abziehen, subtrahieren‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  23.

Belegblock:

Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
19, 18
(
noobd.
,
1347
/
50
):
so tail die lengen dez umbkraizzes in zwai und zwainzig stuͤk, und sneid der stuͤke aines ab.
14.
›etw. teilen, dividieren‹.

Belegblock:

Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
56, 21
(
noobd.
,
1347
/
50
):
mit dem lauffe sie [sunne] absneit den tyrkraizz in drein hunderten und in fuͤnf und sehzig tagen.
15.
›Schnitte von unten oder oben über js. Arme führen‹; vgl.
Wierschin, Liechtenauer. Fechtk.
175
.

Belegblock:

Ebd.
120, 771
(
oobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
Von abschniden. Schnyde ab die hörten von vnden in bayden geferten.