ergreifen,
V., unr. abl.
1.
›etw. (mit den Händen) ergreifen, an sich nehmen‹; auch: ›etw. packen, festhalten‹; negativ konnotiert: ›etw. unberechtigterweise an sich nehmen, stehlen‹;
vgl.  5,  16.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  12,  5,  1.

Belegblock:

Peil, Rollenhagen. Froschm.
155, 3445
(
Magdeb.
1608
):
JN des kam Jmmen Hanß geschlichen / | [...] | Ergriff dem Dieb die hand im sack.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1618
):
Denn ich bin meim Herrn entloffen. | In dem Hafen sein Schatz ergroffen, | Damit wil in ein Landt einfahrn.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
657, 18
(
els.
,
1362
):
do er zuͦ der mettin solte gon do ergreif er den frowen rog fúr sinen.
Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
als du dã das ysen ergriffenn hast mit der zangen.
Stopp, Kochbuch S. Welserin
13, 2
(
Augsb.
1553
):
nim klaine waldvegellen, ergreiff sý mit ainem finger.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
309, 4
(
moobd.
,
1473
/
8
):
Do Troillus zue handen | sein schwert ergraiff.
Vgl. ferner s. v.  2,  1, .
2.
›jn. fassen, einfangen, festnehmen‹; ›jn. wo packen, festhalten‹; auch: ›jn. (bei etw. Verbotenem) ertappen, erwischen‹; ›jn. einer negativ bewerteten Handlung überführen‹;
zu  8,  8.
Phraseme:
jn. auf frischer tat, auf flüchtigem fus ergreifen
.
Bedeutungsverwandte:
,  2; vgl.  3,  1,  1,  3, (V.) 4, ,  1, , (V.) 4.
Syntagmen:
j. jn
. (z. B.
der büttel jn., der teufel den christen, der könig die verletzer der majestät
)
e
.,
jn. an einer dieberei, an warer tat, auf dem statgut, bei dem mantel, mit einem karren, zu seinen händen e
.,
die toren bei den oren, Habacuc mit den haren, eine frau im ehebruch e
.

Belegblock:

Luther, WA (
1527
):
Da wirfft seine fraw die augen auff yhn und wil mit yhm bulen, da er nicht wil, ergreifft sie yhn bey dem mantel und verklaget yhn fur yhrem herrn.
Ebd. (
1533
/
4
):
Denn ergreifft jn der Teufel, so wird er ihn erger zurichten denn keinen Turcken.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
573, 2122
(
Magdeb.
1608
):
So wollen wir [...] | [...] | [...] Mannlich die armen Thoren / | Ergreiffen bey den langen Ohren.
Rosenthal. Bedencken
32, 29
(
Köln
1653
):
Jedoch der Engel deß Herrn hat auch Habacuc mit den Haaren ergriffen / vnd zu Daniel getragen.
Köbler, Ref. Wormbs
352, 20
(
Worms
1499
):
vñ funde͂ vñ ergriffen eine͂ od’ mee die vngepürlich strafflich hendel vbeten.
Österley, Kirchhof. Wendunmuth (
Frankf.
1563
):
das ich in als auff frischer that ergreiffe.
Berthold u. a., Zwick. Stadtrref.
185, 7
(
osächs.
,
1542
/
70
):
so were er [...] auf handhafter tat ader auf fluchtigem fuße nicht ergriffen.
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
67v, 9
(
Leipzig
1588
):
Bald darnach ist gedachter Meyhans [...] auff jrem Stadtgut Waldaw ergriffen / vnd in der Stadt Gefengnis verwaret worden.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
15. Jh.
):
man dergraif in an einer dieberei.
Turmair (
Nürnb.
1541
):
So aber eine von irem man im êebruch ergriffen ward, schneid er ir das hâr ab, [...] und stieß si nacket vor aller freundschaft aus dem hauß.
Rennefahrt, Recht Laupen (
halem.
,
1483
):
Do ergriffe der vogt Stoͤcklin selbs und nuͥme im sin swert und fuͦrte inn obsich gegen dem sloß.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
1340
):
ergreift in der, dem er
[der Flüchtige]
gelten sol, der mag sein leib und sein guͦt ȧn schaden angreiffen.
Munz, Füetrer. Persibein
198, 6
(
moobd.
,
1478
/
84
):
ergreiff ich dich zw meiner henndt, | ich zerprich dich clainer dann ye ward kain linsen.
Franck, Klagbr.
225, 28
;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Koller, Ref. Siegmunds ;
Welti, Stadtr. Bern ; ;
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
7, 19
;
Vgl. ferner s. v. ,  1,  4,  4.
3.
›jn. überkommen, treffen, befallen‹ (von negativen bzw. als nicht beherrschbar gedachten Abstraktgegebenheiten); als Ütr. zu 1 und 2 auffassbar;
vgl.  23,  8.
Bedeutungsverwandte:
 11,  10,  12; vgl.  2,  10,  17,  13.

Belegblock:

Luther, WA (
1533
/
6
):
wie wirs denn teglich sehen jnn allen unbusfertigen, ruchlosen leuten, das sie endlich Gottes zorn ergreifft und schendlich hinrichtet.
Ders. Hl. Schrifft.
Hiob 30, 16
(
Wittenb.
1545
):
Nu aber geusset sich aus meine Seele vber mich / vnd mich hat ergrieffen
[
Mentel
1466:
besitzent
;
Froschauer
1531:
habēt [...] begriffen
;
Eck
1537:
besessen
]
die elende zeit.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs. ˹
Basel
,
um 1440
˺):
wan din zorn ist offenen, din ungenod hat uns ergriffen.
Lemmer, Brant. Narrensch.
56, 44
(
Basel
1494
):
Wo uch syn zorn ergyfft / vnd grym | [...] | Würt üwer gwalt nit blyben mer.
Maaler (
Zürich
1561
):
Ein forcht oder schraͤcken Ergreyfft oder kumpt sy an.
hail. altvaͤter (
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
wǎ sy die naht ergraif es waͤr in holcz oder an dem veld da nǎmend sy ir ruͦw ir spis was och anders nit wan wurczen vnd wildes krut.
4.
›etw. wie auffassen, begreifen, verstehen‹;
zu  8,  14.
Bedeutungsverwandte:
(V.) 8, ; vgl.  9,  12,  2,  3,  5,  2.

Belegblock:

Böhme, Morg.R.
145, 9
(Hs. ˹
schles.
,
1612
˺):
Wirds so weit mit dir kommen / daß du des Authors geist und sinn ergreiffest / so wirds keiner ermahnung mehr beduͤrffen.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
um 1480
):
Hy felt wicz und vernünft, | Allein der glaüb uns nit bedreüget. | [...] | Al himlisch gest | Des nie ergreiffen künen.
Franck, Klagbr.
221, 24
(˹wohl
Nürnb.
˺
1529
):
wir [...] haben dise vrsach gnugsam erfaren vnd ergriffen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Ein guͦte vnd Behebne gedaͤchtnuß die ein ding wol ergreyfft vnnd faßt.
Andreae. Ber. Nachtmal
36v, 3
([
Augsb.
]
1557
):
Das ist mein Bluͦt: dann wie die Paͤbstischen die blossen wort ergriffen / weyl da stehet / Das ist mein Leib / daß nichts dan̄ der Leyb Christi / vnd nicht mehr Brot zuͦgegen sey.
Ebd.
48v, 4
:
welches die vernunfft als bald ergreifft / als ob auff ain solche grobe weis der leib Christi [...] inn das Brot reümlich eingeschlossen werd.
5.
›sich etw. aneignen, zu eigen machen, etw. übernehmen, annehmen‹; auch: ›etw. beherrschen‹;
vgl.  5,  9.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1, ,  1.

Belegblock:

Luther, WA (
1530
):
So sagt nu das wort zu allen beiden, zu dir gleich so wol als zu S. Peter, das du Gottes son und Gott dein vater sey [...]. S. Peter ergreifft solches wort und hats auch.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs.
um 1474
):
wann aber ein hoff ein ding endert und auß der ordenung get, so ergreyfft man es allenthalben.
Chron. Augsb. Anm. 1 (
schwäb.
, zu
1562
):
daß er sein handtwerck redlich und wol ausgelernet und dermaßen ergriffen, daß er sein narung damit bekumen kinnde.
6.
›jn. / etw. erreichen, einholen, berühren; jm. / e. S. nahekommen‹; ›(auf) etw. / jn. treffen‹; ütr.: ›etw. betreffen‹;
vgl.  1,  1213.
Phraseme:
die manbaren iare ergreifen
›ins heiratsfähige Alter kommen‹.
Bedeutungsverwandte:
(V.) 1; vgl.  8,  1,
1
 2, (V.) 2.

Belegblock:

Luther, WA (
1530
/
2
):
wenn man die Menscheit Christi ergreifft, so hat man auch die Gottheit ergriffen, gleich wie im Zuckerwasser du den waren Zucker befindest.
Ebd. (
1538
):
Wer mich sihet, kennet, ergreifft und trifft, der ergreifft und trifft, sihet und kennet den Vater.
Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
108, 5
(
Frankf./M.
1568
):
Mit Schwegel / Zincken vn̄ zwerchpfeiffen | Darmit wir gar gruͤndtlich ergreiffn / | Die Thon der Lieder componirt.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
253, 18
(
Nürnb.
1548
):
Denn auch die heyligen muͤssen vmb vergebung der suͤnden bitten / sonder vmb des glaubens willen / der Christum / vnnd die barmhertzigkeyt Gottes ergreyffet.
Bobertag, Schwänke (
Nürnb.
1558
):
es kan einer silber oder gold mit jm tragen, aber kein herberg, wann dann ein gast ein solchen würth ergreifft, so genade gott seinem beütel, vnnd bißweilen auch leibs vnd lebens.
Rennefahrt, Zivilr. Bern (
halem.
,
1484
):
ee die toͤchtern die rechten mannbaren jaͧr ergriffen.
Kohler, Ickelsamer. Gram. (wohl ˹
Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺):
Er [...] laß kaine buchstaben faren, biß er den andern ergriffen hat, vn̈ henck es alles aneinander.