austragen,
V., unr. abl.;
1-5 zusammengehörig aufgrund der möglichen Assoziation ‚konkret tragen‘; 6-9 dazu im Übertragungsverhältnis, davon 7-9 auf Verbales; 10-12 ‚etw. rechtlich / wirtschaftlich vollziehen‘ und Zugehöriges; 13-15 auf den wirtschaftlichen Ertrag bezogen; 16-17 schwer anzuschließen.
1.
›jn./etw. (auch ütr. auf abstrakte Bezugsgegenstände) hinaustragen; jn. vertreiben‹;
sich a.
›nach draußen gehen, ausgeschieden werden (von der Nahrung)‹; offen zu 3.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2, (zur zweiten Variante).
Syntagmen:
jn. a., futter / holz, das bette, die bare a.
Wortbildungen:
austragung
1.

Belegblock:

Ralegh. America (
Frankf.
1599
):
daß die Christen sie vmb das Goldtbergwerck auß dem Landt wuͤrden verstossen / oder sie jnen gar vnderthaͤnig machen / vnd allgemach außtragen.
Gille u. a., M. Beheim
115, 84
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
in dem tage | Wurt ich von swachen weiben auss | getragen umb von haus czu haus.
Fastnachtsp. (
nobd.
,
15. Jh.
):
Der ein schön foln da heimen hat, | [...] | Und im das [fuoter] nimpt und es außtregt | Und es für ackergurren legt.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
die spise die get eime durch fleisch und blůt und marg und gebeine, und daz treit sich alzůmole wider uz und wurt verzert mit der arbeit.
ein doten hunt: er stincket, trag in uss.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
388, 13
(
els.
,
1362
):
Es sint uil gewesen die das wort hant vs getragen, dirre ist alleine gewesen eine stimme des wortes.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Die bare mit der arke | [...] | Trůgent die zwelfbotten us | Vil wirdeklichen von dem hus | Gegen dem tale.
Memminger Chron. B (
Ulm
1660
):
Noch ist ein Thoͤrlein / [...] / ist zwar zu keiner Außfahrt taugenlich / doch den Leuthen zu jhren Gaͤrten / auch zur Infection = zeit / zu Außtragung der Todten bequem.
Voc. Teut.-Lat.
c iiijv
;
Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 139
;
Preuss. Wb. (Z)
1, 341
;
2.
›etw. (z. B. eine Grube) aufwerfen‹; gegenüber Bed. 1 Verschiebung der Bezugsgröße.

Belegblock:

Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1466
):
ob ainer ain grůb austruͤg in seinem weingarten und dew mit reben wider ausfuͤllet.
3.
›etw. beiseiteschaffen, entwenden, stehlen; jm. etw. abnehmen‹; bei Pfändungen sowie in Notsituationen (wie Feuersbrünsten): ›etw. durch Wegbringen sicherstellen‹; mit Verschiebung der Bezugsgröße: ›(einen Raum) leerplündern, ausrauben‹.
Bedeutungsverwandte:
 1,  3; vgl.  7,  18.
Syntagmen
den mantel, das geschirre / gewand / gut / kleinod / pfand a., etw. dieblich a.
; ohne Obj.:
aus dem hause a.
(für das Retten des Hausinventars bei Feuersbrünsten, das aus Sicherheitsgründen sowie zur Vermeidung von Diebstahl strengen Regeln unterlag), (verschoben:)
die kapelle a.
Wortbildungen:
austrägerin.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
Treit einer deme anderen sinen mantel vz vnde seit, daz her iz gemeyne nicht vnz an den vierden tach, wil iener, her hat iz vor důbe.
Bömer, Pilgerf. träum. Mönch (
rhfrk.
,
um 1405
):
Sij ist ußdregerynne | Des uberigen und ußgeberynne.
Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. (
mosfrk.
,
1530
):
das sie allen abend [...], umb vieles austragens und heimlich saufens willen, die thor vleissig zuschließen.
Bernoulli, Basler Chron. (
alem.
,
1410
):
wurd im ein pfand uszgetragen von des nuwen graben wegen.
Jörg, Salat. Reformationschr.
240, 9
(
halem.
,
1534
/
5
):
Sant Anna pfleger [...] was der erst so die cappell anfiel / beroubtt und ustrůg.
Ebd.
252, 23
:
von des sacraments / helltums / maͤßgwender und zierden waͤgen / waͤr jmm nit wüssend wer das tan / dann es haͤtte jederman ustragen / und bsunder des gotzhus lüt den groͤsten schaden tan.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
E. 15. Jh.
/
A. 16. Jh.
):
[man] hett im all sein clainet außgetragen.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
v. 1347
):
so sol ez [gůt] ener versprechen, dez aigen ez ist. Waer auch daz ez mit fronboten aus wurd getragen, als der stat recht ist, und verchauft.
4.
›etw. nicht bezahlen, etw. schuldig bleiben, (die Zeche) prellen, etw. unterschlagen‹.
Oschwäb. / oobd. / nobd.

Belegblock:

Mollwo, Rotes Buch Ulm (
schwäb.
,
1376
):
sol der wirt [...] zů im gaͧn und sol sprechen: gilt mir minen win, den du mir usstragen hast.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
1625
):
das er die zech auß hob getragen und nit bezalt.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
17. Jh.
):
wer einem seinen wein außtrueg und des würths willen nit hat.
Ebd. (
1471
; Hs.
15. Jh.
):
Wër aber das ainer den zol austrueg und des übervaren würd.
Auer, Stadtr. München ;
Winter, a. a. O. ;
5.
›(ein Kind) austragen, gebären‹; ütr. und mit resultativer Nuance: ›nicht mehr tragen, erschöpft, ausgelaugt sein (von einem Acker)‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  5.

Belegblock:

Maaler (
Zürich
1561
):
Sy hat das kind schon Außtragen.
Niewöhner, Teichner
15, 70
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
daz er gewinnt unwitzzichait. | als ein akcher der aus trait | macht in daz alter tugent laer.
Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib.
1989, 44
;
6.
›sich nach außen richten, wenden, auf Äußeres bezogen sein; etw. nach draußen tragen und sich dadurch seiner selbst entäußern‹.
Texte der Mystik des 14. Jhs.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Diu sêle wirt geliutert in dem lîchamen dar umbe, daz si samene, daz zerspreitet ist und ûzgetragen. Waz die fünf sinne ûztragent, als daz wider înkumet in die sêle.
Sô treget ûz daz werk der natûre allez, daz diu natûre gewürken kan mit forme.
‚Man‘ enmeinet keine kraft dan vernünfticheit. Wille ist aleine an einem ûztragenne.
Ders., Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
daz ûzer werk [...] nimet sîne götlîche güete mittels des innigen werkes, ûzgetragen und ûzgegozzen in einem nidervalle der gekleideten gotheit mit underscheide, mit menge, mit teile.
Jostes, Eckhart
85, 30
(
14. Jh.
):
wann die gotheit in ir selber ein vernuͤftig wesen ist, dor um auztreit sich gotlich wesen der gotheit in anderheit der reden.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Daz oge sol nút ussehens han, es hab denn ein ustragen der bilden.
Lůg, daz du kain ustragend sach siest fuͤrende.
Wie sich ein mensch in ustragenden emptern súl halten.
7.
›etw. unter die Leute tragen, herumerzählen, ausschwatzen‹; Ütr. zu 1.
Bedeutungsverwandte:
 7,  1,  2; vgl.
1
 11.

Belegblock:

Thiele, Chron. Stolle (
thür.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Der selbe jude was ern apels unnd ern bossen vitczthum [...] unnd alle ore heymelkeit eyn usstreger unnd erforsser was.
Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
um 1400
):
wer oͮch vͥtzit vstruͤge, das man hiesse heln by dem eyde.
Rennefahrt, Wirtsch. Bern
572, 9
(
halem.
,
1495
):
Wellicher ouch deheinerley sachen, so denn verbotten weͣren [...], ußtruͤge.
8.
›etw. vortragen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2,  2,  12,  8,  3,  89,  13.

Belegblock:

Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
17. Jh.
):
dieselb [riegung] von wort zu wort mindlich außzutragen.
9.
›jm. übel nachreden, jn. schmähen, verleumden; jn. als etw. anprangern; über etw. lästern‹.
Wortbildungen
austragung
2 (dazu bdv.: ).

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Traducere. Verleumbden beruͤchtigen verunglimpffen außtragen beruͤsseln jnfamieren außschreyen außruͤffen angeben jn die leut inbilden jn die leut tragen.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Wir sind fuͤrwar nit solche Leut, | Wie jr vns offentlich außtragt, | Solch grobe grumpen von vns sagt.
Schade, Sat. u. Pasqu. (
Wittenb.
1537
):
welcher [...] uns fur böse geister in der welt außtregt.
Luther, WA (
1530
; Dr.
1532
):
Wenn du [...] deinem nehesten ubel redest, die leut austregest und verleumbdest.
Ders. Hl. Schrifft.
Ps. 41, 7
(
Wittenb.
1545
):
Sie [...] suchen etwas / das sie lestern mügen / Gehen hin vnd tragens aus.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
Wann vmb die austragunge wain bitterlichen trag sein clage an eim tag.
Dietz, Wb. Luther ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 341
.
10.
›etw. vollziehen, ausüben, ausführen‹; im Unterschied zu 11 eher auf die volle Verlaufszeit bezogen.
Wortbildungen:
austräger
1,
austragung
3.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Prosequi, definire. Verfolgen außfuͤren erfuͤllen außrichten enden / vollenden vollstrecken verbringen volwuͤrcken außmachen außtragen vollnziehen.
Bastian u. a., Regensb. UB
260, 6
(
oobd.
,
1364
):
was sich bizher uf den tag erlaufen hiet, daz solt er selber auztragen.
Ebd.
461, 23
(
1378
):
Ez sol auch ein schuͤltheizze den pan auztragen ân der stat schaden.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
17. Jh.
):
das er als grundherr [...] müg besitzen die stift oder urbarrecht zu austragung die gerechtigkait des gotzhaus.
Ebd. (
1585
):
das ich als der zeit pfleger [...] das gewönlich ehehaft rechten besicz und austrag wie es von alter heerkommen ist?
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
15. Jh.
; Hs.
1515
):
das ir solt besitzen [...] meins genedigen herren [...] stiftrecht und eehaft täding und durch uns, als seiner genaden urbarleut, außtragt als es von alter herkomen ist.
11.
›etw. in gegenseitigem Einvernehmen regeln; etw. zum Austrag bringen, etw. entscheiden; etw. vereinbaren, verabreden, über etw. verhandeln; e. S. schlichten‹; mit dem größten Teil der Belege resultativ zu 10.
Vorwiegend rechtsrelevante Texte, Chroniken.
Bedeutungsverwandte:
 15,  7,
1
 1,  9,  67,  14, ; vgl.
1
 5.
Syntagmen:
etw.
(z. B.
die klage, den punkt / anspruch
, oft:
die sache
)
a.
, mit Obj.satz:
a., wer [...] /das [...], etw. mit jm., mit recht, mit / nach dem rechten, mit den waffen, mit einem urteil, an / vor dem gericht, vor der oberkeit, vor jm., bei dem lebenden leibe a., etw. gütlich / peinlich / rechtlich a.
Wortbildungen
austräger
2 ›Schiedsrichter‹ (dazu bdv.:  3, ; vgl. I, 1).

Belegblock:

Kisch, Leipz. Schöffenspr. (
osächs.
,
1523
/
4
):
das ein itzlicher [...] gelobt gegen dem andern, die sachen peinlichen auszutragen.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1388
):
trag mit den steten aygenlichen awz, ob sie uns den hawffen wollen leihen.
Dinklage, Frk. Bauernweist.
84, 12
(
nobd.
,
um 1430
):
was clag furkommen [...], dieselben (sollen) vor einem herrn außgetragen werden.
Mayer, Folz. Meisterl. (o. O. o. J.):
Er wolt vor mit ir tragen auß | War bey eß solt beleyben.
Merk, Stadtr. Neuenb. (
nalem.
,
1491
):
das es in zweien monaten [...] nit geendet noch usgetragen wurde.
Pfeiffer, Frk.-bay. Landfr.
122, 44
(
nobd.
,
1391
):
sol der von Hohenloch austragen, wer die gut erb.
Kohler u. a., Bamb. Halsger. (
Bamb.
1507
):
das soͤllen sie [...] vor meins gnedigen herren von Bambergs Hoffreten ausstragen.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs. ˹
Basel
,
um 1440
˺):
wart ein concily geordenet gon Basel, do uszůtragen nemblich drige puncten.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
Hartman Onsorg [...] wolt [...] mit hohem muet sein sach gen der stat Augspurg außtragen.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1478
; Hs.
16. Jh.
):
das soll zu Irning in der lantschranne mit recht außtragen werden.
Cirullies, Rechtsterm. Anh.
1981, 102
;
Pfeiffer, a. a. O.
263, 22
;
Mon. Boica, NF.
2, 1, 292, 31
;
Dinklage, a. a. O.
104, 27
;
Kohler u. a., Peinl. GO Karls V. ;
Tobler, Schilling. Bern. Chron. ;
Mell u. a., Steir. Taid. ;
Raabe, Wortsch. Murner
2, 65
;
Haltaus
86
;
Preuss. Wb. (Z)
1, 341
;
Schmitt, Urkundenspr.
1936, 210
.
12.
›jm. etw. (einen Schaden o. ä.) ersetzen; etw. entgelten, büßen‹.
Bedeutungsverwandte:
 4; vgl.  3, .

Belegblock:

13.
›etw. abwerfen, ergeben, erbringen; jm. etw. nutzen, jn. weiterbringen‹; hier als Substantivierung anzuschließen die im
Rwb
(1, 1123) genannte Spezialisierung: ›Ertrag, Ausbeute (im Salzwesen)‹ mit der angenommenen Ausgangsbedeutung: ›die Sole vom Brunnen zur Pfanne hinauftragen‹; insofern anschließbar an 1; wahrscheinlicher für den Beleg bei
Opel
(s. u.) ist Synonymie von
austragen
mit (s. d.).
Syntagmen:
ablasbriefe / gewerbe / kunst / jagen / rede etw. a., etw. ergiebiges / fiel a.

Belegblock:

Opel, Spittendorf (
osächs.
,
um 1480
):
das macht, etliche haben die hartzsole oder das austragen oder amptssole.
Lemmer, Brant. Narrensch.
74
Vorr. (
Basel
1494
):
Mancher vil kost vff jagen leytt | Das jm doch wenig nutz vß dreyt.
Maaler (
Zürich
1561
):
Ein kunst koͤnnen die vil Außtregt / Mit seiner kunst vil gewünnen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
es mocht in [herr] aber nit fast helfen noch außtragen.
Niewöhner, Teichner
433, 64
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
wann mir denn beschaidenhait | und mein gutew red auz trait | mer denn vechten.
14.
›betragen, sich auf etw. (eine bestimmte Summe o. ä.) belaufen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  9,  6.

Belegblock:

Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
17. Jh.
):
so in ainfacher rechnung außtrag 64 ß.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1725
):
solle er doppelt sovill bezallen alß die straffen austragen.
15.
›ausreichen, genügen, hinreichen‹.
Syntagmen:
am gelt a.

Belegblock:

Schweiz. Id. (a.
1577
).
16.
›etw. beinhalten, etw. aussagen‹; als Part. Perf. hier anschließbar: ›besonnen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  28; (zum Part. Perf.:)  1.
Syntagmen:
buchstabe / schrift etw. a.
;
j. ausgetragener rede sein
;
ein gleiches a.
(subst.)
gewinnen
›zu inhaltlicher Übereinstimmung kommen‹.

Belegblock:

Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
also daz geleptú enpfindung mit der scrift meinunge ein geliches ustragen gewunne.
Schweiz. Id. (s. v.
Buech-Stab
; a.
1530
); 14, 519 (a.
1559
); (
A. 16. Jh.
).
17.
›jn. kümmern, jm. etw. ausmachen‹.

Belegblock:

Sachs (
Nürnb.
1562
):
Das alls ihn nichts außtragen thett.