ent|1scheiden,
V., unr. abl.;
Bedeutungsfeld mit dem gemeinsamen Moment ,etw. trennen, voneinander abgrenzen‘: 1 fasst verschiedene, häufig nicht klar voneinander abgrenzbare rechtssprachliche Verwendungsweisen zusammen, in denen die Schaffung sozialer Ordnung und vor allem die Streitschlichtung durch weltliche Gerichte und deren ausführende Organe im Vordergrund stehen; 2 verhält sich metonymisch zu 1; die schwächer belegten Bedeutungen 3-5 beziehen sich auf weitere abstrakte oder konkrete Formen der Trennung und Abgrenzung.
1.
›einen juristischen Streitfall klären, einen Streit beilegen, schlichten, ein Urteil fällen; eine Einigung zwischen zwei Parteien erzielen, einen Vergleich erwirken‹; ›etw. rechtsverbindlich festsetzen, festlegen, bestimmen‹; speziell: ›einen Grenzverlauf festsetzen‹; mit Umkehrung der Perspektive: ›eine Obrigkeit, ein Gericht um die Klärung eines Streitfalles anrufen‹; auch: ›sich gütlich einigen‹;
vgl.  3a; 6.
Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  5,  1113,
1
 3, I, 2,  2,  4,  7,  3,  2,  2,  912, (V., unr. abl.) 7, , , , .
Syntagmen:
jn. / etw
. (z. B.
einen krieg / span, die / eine irrung / klage / sache / zwietracht, das gezänke / kämpfen, die parteien, gerichte
hier: ›Gerichtsbezirke‹
/ landmarken
)
e., j
. (z. B.
ein junker / richter, die gemeine, die herren / schiedsrichter / schöffen
)
etw. e., die leute
(Subj.)
sich miteinander e., jm. etw. e., etw
. [wie] (z. B.
auf antwort / schiedsrichter, auf ein recht, durch amptleute / recht, durch ein urteil, mit freundschaft / minne / recht, mit rechtlichem spruch, endlich / freundlich / gütlich / nüzlich / rechtlich
)
e. (lassen), über etw. e., jn. voneinander, von anderen e
.;
e., das [...]
.
Wortbildungen:
entscheidenheit
1 ›Auseinandersetzung, Klärung einer Frage‹.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
des gab durch ganze sichirheit | der herzoge vorgeseit | den brûderen brîve wol bereit | nâch der sache intscheidinheit | mit sîme ingesigele ganz.
Luther, WA (
1531
):
dan wie ihr von der Erden geboren seidt, do sich die leuthe nicht freundlich mit einander entscheiden und Christus und die seinen sich alhier auch also vertragen.
Köbler, Ref. Wormbs
175, 4
(
Worms
1499
):
So zwuschen kinden vnd vormundern zweytracht wurde [...] wie solichs zuentscheiden ist.
Ders., Ref. Franckenfort
85, 30
(
Mainz
1509
):
Vñ wie sie [parthyen] durch die selben [Schoͤffen] entscheiden werde͂ / des [soldes] benügig zusein.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
moͤcht ich das vppig kempffen | Entscheiden vnd in freundtschafft dempffen!
Österley, Kirchhof. Wendunmuth (
Frankf.
1603
):
drey [herrn] solten zu eim sonderlichen kampff erwehlet, und der zweyspalt durch ihr gewinnen oder verlieren entscheiden und auffgehaben seyn.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
146, 20
(
thür.
,
1474
):
So [...] dy sachen uff scheydeßrichter, uff schult unde uff antwert zcu entscheyden, befolen sint worden von deme obirhern.
Ebd.
152, 16
:
dann beyde teill also irer sachen [...] uff das gemeyne landtlawftige Sechsßische rechte zu entscheiden gegangen sein.
Küther, UB Frauensee
259, 18
(
thür.
,
1489
):
geczencke, die [...] mit beyder partyen wisßen unde willen gutlich unde fruntlich abegetragen unde entscheiden ist.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1488
):
er [Hainrich] ließ auch vil sach des reichs zu Nurenberg entschaiden durch sein amptleut.
Köbler, Ref. Nürnberg
68, 2
(
Nürnb.
1484
):
vmb ir aller vnd ir yedes spruch. clag vnd vordrung. darumb dañ der wertlich Richter oder gericht richte͂ vnd entscheide͂ moͤgen vnd zerichten haben.
Boos, UB Aarau (
halem.
,
1379
):
tun wir ab mit [...] kuniglicher mechte volkomenheit aller schulde [...] und entscheiden, leutern, cleren und sprechen, das [...].
Koller, Ref. Siegmunds (Hs. ˹
Basel
,
um 1440
˺):
hat ein geystlich man im rehten ützig zuͦ sprechen an einen weltlichen umb eygen oder erb, so sol der geistlich im lossen entscheyden gegem einem weltlichem vor einem rat.
Rapp, UB Stuttg. (
schwäb.
,
1492
):
soͤlich irrungen und spene in zweien gerichtstagen bisher der wochen gehalten rechtlich nit gehoͤrt noch entschaiden werden.
Köbler, Ref. Wormbs
32, 1
;
279, 3
;
Kurz, a. a. O. ;
Grosch u. a., a. a. O.
161, 13
;
164, 37
;
Küther, a. a. O.
282, 19
;
Ermisch, Sächs. Bergr. ;
Kisch, Leipz. Schöffenspr. ;
Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. ;
Franck, Decl.
333, 14
;
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst ;
Köbler, Stattr. Fryburg ;
Uhlirz, Qu. Wien ;
Winter, Nöst. Weist. ;
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
31, 20
;
Rwb  f.;
Cirullies, Rechtsterm. Anh.
1981, 139
.
Vgl. ferner s. v.  1,  3.
2.
›jm. das Ergebnis eines Rechtsstreites mitteilen, darlegen‹; außerhalb rechtlicher Kontexte: ›jm. etw. berichten, erläutern, auseinandersetzen‹; metonymisch zu 1; vgl.  3a.
Bedeutungsverwandte:
 2,  2,  1, ; vgl.  5,  1.
Syntagmen:
jn. der dinge e., (jm.) etw
. [wie] (z. B.
freundlich / heimlich / klärlich, mit gedichten
)
e., jn. gründlich e
.
Wortbildungen:
entscheidenheit
2 (in Verbindung mit der Präposition
mit
1) ›ausdrücklich, explizit‹,
entscheidenlich
›ausdrücklich‹.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
Nû wil ich mit intscheidinheit | ûch ouch dî strite kundin.
[sî] heimelîchin | intschidin unde duitin | den Bartin, [...] | wî iz zu Gartin was gewant | um dî burg und um daz lant.
Der vorgenante Dîterîch | von Esebek intscheidinlîch | hatte [...] | brûdir Conrâde Rôten | geoffenbârit sînin tôt.
Kopp, Volks- u. Gesellschaftsl. (Hs. ˹
pfälz.
,
M. 16. Jh.
˺):
das best ich khan | dich der ding gruntlich entscheiden.
Behrend, Magd. Fragen (
omd.
,
um 1400
):
ich [gast] warte lantrechtis mit czuge unde mit eynis hant, alz mir ist entscheiden.
Bindewald, Texte schles. Kanzl.
158, 6
(
schles.
,
1378
):
Jch Borgold von Benotindorff Bekenne [...], daz ich [...] von mȳs brudirr heynczhils weyne [...] frundlich vnd liplich bericht vnd intscheydin bin.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1440
/
4
):
als man in des nu clerlicher entscheiden und sie unterrichtet hette, begerten die obgenanten [...].
Vgl. ferner s. v.  3.
3.
›etw. (begrifflich) von etw. anderem unterscheiden, etw. von etw. anderem trennen, einer Kategorie zuordnen‹; auch: ›eine (theologische) Streitfrage mit dem Anspruch der Endgültigkeit klären, etw. begrifflich festlegen, definieren‹; seltener: ›jn. / etw. fachlich beurteilen‹;
vgl.  3a; 6.
Verstärkt Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
 1,  2,  15, ; vgl.  6,
1
 9.
Syntagmen:
jn
. (z. B.
die päpste und ire wiedersacher
)
e., etw
. (z. B.
einen sentenz, die auslegungen / fragen / planeten
)
e., etw. von got, einen tag von einem anderen e., zwischen etw. und etw. anderem e., etw. gewislich / klar e
.
Wortbildungen:
entscheidenheit
3 ›Sinn, Bedeutung‹ (im Beleg: eines Namens).

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
Er [Dâvit] welte zwei geslechte, | [...] | ûz sînem volke allintsamt | und bevûl in sulch ein amt, | daz sî vor allin vârin | soldin sîn houbt bewarin | nâch irre namen entscheidinheit.
Luther, WA (
1527
):
wurdet yhr [Johann Hess] [...] wol selbst on vnser zuthǔn, solche vnd wol grossere fragen entscheiden vnd richten.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
17, 16
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Wo sint sie hin, die auf erden saßen under dem gestirne, umbgiengen und entschieden die planeten?
Strauch, Par. anime int.
119, 14
(
thür.
,
14. Jh.
):
noch dan minnent si di dinc di si fon Gode nicht intschedint.
Andreae. Ber. Nachtmal
29v, 1
([
Augsb.
]
1557
):
Nun woͤllen wir für vns nemen die Erste spaltung / naͤmlich der Paͤbster vnd jrer widersacher / vn̄ dieselbigen klaͤrlich entschayden.
Ebd.
77v, 20
:
Darauß kan nun ain yeder [...] leichtlich die widerwaͤrtigen außlegungen entschayden.
Meisen u. a., J. Eck
31, 29
(
Ingolst.
1526
):
es syen nit so vill gelerter luͤt zuͦ Costentz, die yre predicanten moͤchten entscheiden.
Höver, Bonaventura. Itin. A
412
(
moobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
darumb seyt nun alle ding, dy wir gewisleicher entschayden oder entrichten, durch söllich vernunft vnd ausweysung [...] enttschayden vnd vrtailen, so [...].
Bauer, Zist.-Pred. Haller
555, 23
(
tir.
,
1466
):
Durch die selbig ainig lieb würt entschaiden das heilig geschlecht von dem vnheiligen geschlecht.
Mayer, Folz. Meisterl. ;
Adomatis u. a., J. Murer. Bab.
4578
;
Höver, a. a. O.
1, 446
;
Voc. Teut.-Lat.
g iiijv
;
4.
›jn. / sich von etw. abspalten, trennen‹; ütr.: ›sich von einer Meinung, einem Irrtum distanzieren, lösen‹;
zu  6.
Bedeutungsverwandte:
 23; vgl.  3.

Belegblock:

Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
1525
):
aus welicher christlicher gemain du dich mitsampt den deinen [...] nit entschieden wurdst.
UB Zug
935, 2
(
halem.
,
1451
):
Nachdem als min matt und weid Morgarten geteilt und entscheiden ist von Ruͤdis [...] matten.
Karnein, de amore dt.
92, 153
(
moobd.
,
v. 1440
):
Aber darumb, das der adel allain von zucht, tugent vnd recht thün in erbern sitn entsprungen ist, so mügt ir ewrs ersten jrrgangks wol entschaiden sein vnd den niderlegen.
5.
›js. Seele vom Körper abtrennen, jn. abberufen‹; intrans.: ›sterben, verscheiden‹;
Spezialisierung zu 4; vgl.  3a; 6.
Phraseme:
der tod jn. von seinem körper e
.
Bedeutungsverwandte:
 2.

Belegblock:

Hoffmeister, Kuffstein. Gef.
B ir, 1
(
Leipzig
1625
):
biß so lang der Todt von diesem Coͤrper mich entscheidet.
Qu. Brassó
4, 508, 2
(
siebenb.
,
1548
, Hs.
1613
/
7
):
Anno 1547 [...] ist die vieltugendsame, gottsfürchtige Matrona Apollonia [...] im Herrn seliglichen entscheiden und entschlafen.