berauben,
V.
1.
›jn. unter Anwendung von Gewalt berauben, bestehlen; jm. / e. S. etw. (Materielles oder Immaterielles) entziehen, nehmen; jm. jn. entreißen, entfremden‹; im einzelnen von sehr unterschiedlichen logischen Subjekten und Objekten (diese meist im Genitiv); vgl. die Syntagmen und die Belege.
Syntagmen:
jn
. (z. B.
die armen / bürger, das kind, den kaufman / priester
, auch:
das volk / land
)
b., jn. e. S
. (z. B.
des gesichtes / gutes / lebens / lones / reiches / rockes / rumes / trones / wesens, der ere / freude / gnade / klugheit / kraft / mänlichkeit / vernunft, der sinne
)
b., jn. e. P
. (z. B.
des kindes, gottes
)
b., etw
. (z. B.
den tempel
)
b., etw. e. S
. (Gen.)
b
., z. B.: ˹
den mond des scheines b., die ader der feuchte b., den mund der süssigkeit b
.˺,
das jar von der frucht b., die kirche an etw. b
.;
des ehegemächtes, der augen beraubt (sein), feld beraubt sein
›abgeerntet sein‹;
beraubter herre, beraubtes haupt
.
Wortbildungen:
berauberei
,
beraubnis
(dazu bdv.: ,
der
, 1, ).

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
des ehegmächts beraubt.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
enpfluch ich allen creatvrn, wan si woln mich verderben, wollen mich meins wesens beravben.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
160, 25
(
rhfrk.
,
um 1435
):
jch komen von dem heyligen grabe vnd bin vff dem wege beraubet.
Voc. inc. teut.
c iiijr
(
Speyer
um 1483
/
4
):
Berauben das volck an im selbs.
Ebd.
c iiijv
:
Beraubnus des gutz. [...] Beraubnus der iu͂ckfrauschafft.
Strauch, Par. anime int.
44, 5
(
thür.
,
14. Jh.
):
ein ist ein roubinde bekentnisse, in deme man beroubit Got allir der dinge di wir hi um zulegin mugin.
Ebd.
114, 34
:
waz Got gescheppin mac, daz treit der engil in sich, darumme daz si nicht beraubit insin der vollincuminheit di andere creature habin.
Ebd.
129, 34
:
alle dinc di fon hitze smelzin [...], di sint genzliche fon wazzirigir nature. darumme muzin si genzliche widir getribin werdin uf wazzir und beraubit genzliche der nature da si nu an sin.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
166, 28
(
thür.
,
1474
):
wy daz er yme unde syner tochter habe nachgegangen unde habe dy [...] geuneret unde yr ere beroubit.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. (
osächs.
,
1343
):
Ein mensche [...] vîl undir di mordêre di en ouch beroubiten und legiten plâge an en.
Luther. Hl. Schrifft.
1. Mose 42, 36
(
Wittenb.
1545
):
Jr beraubt mich meiner Kinder.
M. Cunitia. Ur. Prop. (
Öls
1650
):
minderung des scheines / dessen sie [Himmlischen Coͤrper] sich [...] untereinander selbst berauben.
Dinklage, Frk. Bauernweist.
81, 18
(
nobd.
,
1429
):
das einr den andern umbzuge und bereübt [...], das sollen sie wern mit [...] geschrey.
Gille u. a., M. Beheim
101, 116
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
daz lant wart gar peraubet.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
123
(
Nürnb.
1517
):
Das gesetz ist schwer, dann es beroubt den menschen sein selbst.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
157, 8
(
Nürnb.
1548
):
da er solchs vnfals halb [...] ein me͂sch seiner vernunfft beraubt gewesen ist.
Thiele, Minner. II,
15, 3
(Hs. ˹
wobd.
,
15. Jh.
˺):
da der sumer endes pflag | und die feld berobet sint.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
Do wurt der mensche beroͮbet sin selbes in rechter worer gelossenheit.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
264, 5
(
els.
,
1362
):
daz deme keiser wart geroten er solte Pylatum berǒben des rockes.
Ebd.
619, 17
:
Dise [zǒberer] berǒbtent die menschen ire gelide vnd gesuntheit wenne sú woltent.
Goldammer, Paracelsus
2, 256, 19
(
um 1534
):
seindt [...] nit ehegemäß, so von natur ehelicher werk beraubt seindt und unordnung drinnen haben.
Ebd.
7, 169, 24
(
1530
):
wie gott mann und frauen zusamben hat geben, also daß sie einander eigen seindt, mit nicht frei, sondern [...] geeiniget und beraubt des freien willen.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
daß sie [Poetae Comici] so manche Königinnen, Princessen vnd Göttinnen ihrer Ehre beraubet.
Plant u. a., Main. Naturl. 296vd,
19
(
ohalem.
, Hs.
E. 14. Jh.
):
der herbest ist ein fruhtber zit also dc iar denne ist berǒbet von den alten fruhte͂.
Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
1443
):
das man priester noch froͮwen noch kind schelke, die nit schlache noch beroͮbe.
Lemmer, Brant. Narrensch.
101, 29
(
Basel
1494
):
Adam wer nit der gnaden beroubt | Hett er nit bald der frowen gloubt.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Der seiner vernunfft beraubt ist / von sinnen beraubt / captus mente, amens, demens. [...]. Wen Gott straffen will / dem thut er die augen zu / oder beraubt jhn erst seiner sinne [...]. Einem beraubten ists ein trost / wenn seine gesellen mit herhalten muͤssen.
Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
7, 29
(
noobd.
,
1347
/
50
):
der da haizzet Jupiter oder der helfvater, daruͤmb, daz er seinen vater satjar seiner kreft beraubet.
Ebd.
59, 23
:
daruͤmb mag der mon seines scheins nimmer beraubt werden.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
ain iegleich tier, daz pluot hât, daz hât pantâdern. die pantâdern werdent beraubt ze stunden irr zimleichen fäuhten.
Schmitt, Ordo rerum
687, 6
(
bair.
-
öst.
,
M. 15. Jh.
):
Latrocinium berauberey.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
etlich kirchen perawbten sy an allem dem, das darinne was.
Steer, Schol. Gnadenl.
6, 46
(
moobd.
,
15. Jh.
):
ein [...] dyemutiger, der alles aygens yn synn vernunfft vnd willen vmb gotes lieb sich gänczleich beraubet hat.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
38, 4
(
tir.
,
1464
):
wie gar sellig ist der mensch, der dein [der welt] wol vnd gancz peraubt ist.
Ebd.
70, 35
:
[Jeronimus] ist ain warer martrer gewësen vnd ist des lones der marter nicht peraubt.
Ebd.
104, 17
:
also peraubet sich der vnsellig arm mensch selbs des zeittleichen lebens vnd des ewigen lebens.
Dies., Zist.-Pred. Haller
39, 27
(
tir.
,
1466
):
Die sel die ist sellig, die da stetikchleichen ist [...] kchlagen, das sÿ als lang peraubt sol sein got ires scheppfhers.
Helm, H. v. Hesler. Apok. ;
Joachim, Marienb. Tresslerb. ;
Hübner, Buch Daniel ; ;
Quint, Eckharts Pred. ; ;
ders., Eckharts Trakt. ;
Wyss, Limb. Chron. ;
Froning, Alsf. Passionssp.
6312
;
7272
;
Steer, W. v. Herrenb. Büchl.
438
;
Karnein, Salm. u. Morolf
214, 21
;
Köbler, Ref. Wormbs
190, 6
;
234, 24
;
Reu, Süddt. Kat.
1, 243, 41
;
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
9, 5
;
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
37, 29
;
Küther, UB Frauensee
385, 1
;
Neumann, Rothe. Keuschh.
2747
;
Thür. Chron.
5r, 17
;
Schönbach, Adt. Pred. ;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Pyritz, Minneburg
3118
;
3541
;
4416
;
Gille u. a., a. a. O.
71, 197
;
110, 138
;
119, 87
;
261, 105
;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Goldammer, a. a. O.
6, 187, 13
;
Stammler, Berner Weltger.
594
;
Lauater. Gespaͤnste
14v, 18
;
Vetter, a. a. O. ; ;
Moscherosch. a. a. O. ;
Sappler, H. Kaufringer
16, 644
;
Heydn. maister
6r, 24
;
Brandstetter, Wigoleis
199, 5
;
Klein, Oswald
114, 23
;
117, 50
;
Munz, Füetrer. Persibein
421, 5
;
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
110, 22
;
dies., Imitatio Haller
58, 7
;
Rot
352
;
2.
›jn. (eines Rechtes o. ä.) entheben, jm. aufgrund bestimmter Befugnisse etw. entziehen; aus eigenem Antrieb auf etw. verzichten; den Kontakt mit jm. (z. B. den Eltern) aufgeben‹.
Syntagmen:
jn. der macht / pfründe, des amptes / gottesdienstes / gutes / trones b., sich der eltern b
.;
der erbgerechtigkeit / forderung / freiheit zu [...] / lehenschaft beraubt sein, die kirche des eigenen gutes beraubt sein, des gottesleichnams beraubt sein
›exkommuniziert sein‹.

Belegblock:

Köbler, Ref. Wormbs
327, 15
(
Worms
1499
):
soll aller syner forderung [...] verfallen verlustig vnd beraubt syn.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
5, 19
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Got beraube euch euer macht und lasse euch zu pulver zerstieben!
Thiele, Minner. II,
5, 10
(Hs. ˹
nalem.
/
sfrk.
,
1470
/
90
˺):
sie [mynes herczen keyserynn] hatt mir dick bereubt | myn hercz vor unmut.
Heidegger. Mythoscopia
43, 10
(
Zürich
1698
):
Demnach ich mich vor vilen Jahren meiner Elteren [...] um deß Reichs der Himmlen willen beraubt / und gleichsam selbst castriert.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs. ˹
wobd.
,
um 1520
˺):
und sünt all pfarkilchen beraubet ir aigenen gutz.
Ebd. (Hs.
um 1474
):
ist dye sach, das sye nit an den tod get, so sol er [byschoff] in [priester] büssen einen monet und berauben seiner pfrunde.
dye mag man woll bannen und kyrchenn / verslagen und sye gots dinst berauben.
Küther, UB Frauensee
136, 30
;
306, 13
;
Thiele, a. a. O.
12, 265
;
Jörg, Salat. Reformationschr.
323, 23
;
Köbler, Stattr. Fryburg ;
Koller, a. a. O. ;
3.
›(jm.) etw. stehlen, rauben; der Nutzung e. P. entziehen; etw. verfälschen, e. S. Gewalt antun; (die Hölle) anfallen, überwinden‹; im Unterschied zu 1 und 2 mit Akk. d. S. (oder davon abgeleiteten Konstruktionen).

Belegblock:

Feudel, Evangelistar
149, 29
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
daz du nymande sullist stelyn adir beroubyn adir abetrigen syn gut.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
so lert der mensche [...] sich ergeben den gruwelichen verborgenen urteiln Gottes und den wewen des beroͮbendes des edeln lutern gůtes an dem alle sin heil [...] gelit.
Kottinger, Ruffs Etter Heini (
ohalem.
,
1538
):
dann ich dem tüfel hatt geloupt, | der mir den glouben gnon hatt, b’roubt, | die gotts erkantnus und sin wort.
Niewöhner, Teichner
345, 28
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
der haiden gesell | dw naturleich dinch gelauben | und daz gotez wort berauben
[›falsch auslegen‹].
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Daz uns der tot beraw̌bet hat | [...] | Jn seiner chlausen tempel | Ein pild und ein exempel.
Kummer, Erlauer Sp.  (
m/soobd.
,
1400
/
40
):
ich will di hell werauben, | ich wil in senften ıͤrn pein.
Schmitt, Ordo rerum
692, 11
(
oobd.
,
3. V. 15. Jh.
):
ainer junckfrauen jr er perauben oder nemmen.
Helm, H. v. Hesler. Apok. ;
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
230, 20
;
Dirr, Münchner Stadtr. ;