erteilen,
V.
– Eng vernetztes Bedeutungsspektrum mit fließenden Übergängen: 1 und 2 können als Grundbedeutungen gelten, 3-7 sind als Spezialisierungen und Ausdifferenzierungen zu 2 auffassbar.
1.
›sich / etw. aufteilen, unterteilen, ordnen‹;
vgl.  58, zu  1.
Gehäuft wobd.
Bedeutungsverwandte:
 2,  5, , ; vgl.  4,  1,
1
.
Wortbildungen:
erteilung
1 ›(Auf)teilung‹ (a. 1631; dazu bdv.: vgl. ,  5).

Belegblock:

Schmidt, Rud. v. Biberach
154, 17
(
whalem.
,
1345
/
60
):
dv́ sel [...] vnderscheidet [...] vnd erteilt in siner svnderlicher wise ellý ding.
Kottinger, Ruffs Adam (
Zürich
1550
):
wär ist doch g’syn so kluog und wyss, | der allen stuob ermessz mit flyss, | ertail und zell by unser zyt.
Baumann, Bauernkr. Oberschw. (
schwäb.
,
v. 1542
):
Darnach hat sich des büntz zewg erteylt und haimgezogen.
Guth, Gr. Alex. (Hs. ˹
oobd.
,
E. 14. Jh.
˺):
Daz nach deinen töd dein reich sol | Ertaillet werden weit.
2.
›(rechtsverbindlich) urteilen; (ein Urteil) fällen und verkünden‹; trans.: ›etw. (rechtsverbindlich) entscheiden, festlegen, bestimmen, (als Urteil) aussprechen‹; ›jm. etw. rechtlich bescheiden‹; ›jn. richten‹ (von Gott); generalisierend: ›etw. beurteilen‹;
vgl.  58, zu  6.
Gehäuft obd.
Syntagmen:
j
. (z. B.
der rat, das gericht, die landherren / richter
)
e., etw
. (Subj., z. B.
das recht
)
e
. (absolut);
etw
. (z. B.
die acht, eine klage, ein urteil
)
e., got
(Subj.)
jn. e
.;
j. e
. [+ Objektsatz];
j. (etw.)
[wie] (z. B.
einhelliglich / wol, auf seinen eid, bei dem eid / recht, mit frage / recht / urteil, nach gunst, zu dem rechten
), [wo] (z. B.
im rat
)
e
.;
das erteilte urteil
.
Wortbildungen:
erteiler
›Richter‹ (dazu bdv.: vgl.  1),
erteilung
2 ›Urteil‹ (dazu bdv.: vgl.  1,  7).

Belegblock:

Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
284, 16
(
thür.
,
1474
):
ist danne solliche uwer erteylunge unweddersprochîn [...] bestanden, so bliebet eß billichin darby.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
19
(
Nürnb.
1517
):
Domit [...] ist erteilt: für die natur die enthaltung götlicher mechtigkeit, für den freien willen die gnad gotlicher menschwerdung.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
576, 25
(
els.
,
1362
):
Do erteiletent su alle, man solte gottes willen begerende sin in dirre sachen.
Bremer, Voc. opt.
41064
(
halem.
,
1329
):
Censor erteiler.
Schmidt, Rud. v. Biberach
171, 14
(
whalem.
,
1345
/
60
):
Menschlicher fuͥrstant [...] ellvͥ ding bericht vnd erteilt mit dien Tron.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
als man die nun außfüert gegen dem galgen und wolt sie gehenkt han, als dann das recht ertailt hett, da [...].
Pfaff, Tristrant (
Augsb.
1498
):
O wie ein so herttes urteil erteilet ist, do ein einiger man allein erteylt hat, und nit nach ordnung des rechtens.
Jaksche, Gundacker (
oobd.
, Hs.
1. H. 14. Jh.
):
ditz ist mein urtail: | swer den hoͤhisten man hat | ertotet, daz ist mein rat | (unt getar ez auch ertailen wol), | daz man den pillich toͤten sol.
Klein, Oswald
112, 120
(
oobd.
,
1438
):
Ain redner, der da nimet güt | von ainem, dem er reden tüt, | [...] | den solt man nicht ertailen lan.
Koller, Reichsreg. Albr. II.
148, 33
(
1438
/
9
):
wer sach, das dheinerley klag, urteyl oder achte daruber wider sy erteylt oder uszgesprochen wurden, die vernichten wir.
Piirainen, Stadtr. Sillein
125a, 20
(
sslow. inseldt.
,
1378
):
ich [...] wil yn dez vͤber winden [...] vnd volfuͤren alz mir daz recht ertaylit.
Eggers, Psalter
10, 14
;
Grosch u. a., a. a. O.
181, 25
;
Schultheiss, Achtb. Nürnb.
129, 7
;
zu Dohna u. a., a. a. O.
170
;
Roder, Stadtr. Villingen ; ;
Welti, Stadtr. Bern ;
Gagliardi, Dok. Waldmann
2, 65, 8
;
Sappler, H. Kaufringer
31, 30
;
Jaksche, a. a. O. ;
Dirr, Münchner Stadtr. ;
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. ;
Rwb  f.;
3.
›jm. etw. zuteilen, zuerkennen, zusprechen, vergüten, erstatten‹; auch: ›jm. etw. zuteilwerden lassen‹; ›jm. etw. aushändigen‹; mit Obj. d. P.: ›jm. jn. (z. B. einen
weiser
) zuweisen‹;
vgl.  58,  4.
Gehäuft Rechtstexte.
Bedeutungsverwandte:
 9,  12; vgl.  13,  69, (V.) 5,  4,  8, , .
Wortbildungen:
erteilung
3 ›Erstattung, Vergütung‹ (dazu bdv.: vgl.  4,  3).

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Soluere. Ledig erteilen Ledig zelen Ledig erkennen Ledig sprechen.
Luther, WA (
1522
):
hat sie [eherne Schlange] Ezechias auf goͤttlichen Befehl zerstoͤret. [...] sie [die Bischoͤffe] thun das Gegentheil, indem sie noch Ablaß dazu ertheilen.
Köbler, Ref. Wormbs
80, 19
(
Worms
1499
):
das er mir souil guldin wider heruß gebe. vnd [ir] in mit recht zwingt [...] das er solich’s thuͦn mit erteylung kost vnd scheden.
Ebd.
82, 21
:
des ich willig vnd bereyt byn. mit erteilen vnd bekerung kost vnd scheden ec.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
Daß er [Christum] [...] | All meine wunden woͤlle heiln, | Im Todt ein seligs End ertheiln.
O Stern leucht vns auff Erden, | O Meer vns Gnad ertheil.
Mollwo, Rotes Buch Ulm (
schwäb.
,
1376
):
wie ain man sins guͦtz gewaltig sol sin oder wie er daz sinen fruͥnden oder durch siner sele willen ze ertailen, verordnen oder verschaffen moͤcht.
Staub, Qu. Wien
3, 2, 2896, 14
(
moobd.
,
1418
):
umb alle die zwispild, die mit recht darauf ertailt und gegangen sind und die er mit rechten [...] darauf erlangt und behabt hat.
Bischoff, Steir. Landr. (
m/soobd.
, Hs. 
v. 1425
):
Man ertailt chaim waisen nicht ainen weiser, er sey dann hinder zwelf iarn.
Ebd. :
enem wird sein gût selbanders hin wider ertailt.
Ebd. :
Chûmpt er aber nicht auf den dritten tag, so ertailt man daz gût in vron gewalt dem herrn.
Piirainen, Stadtr. Sillein
68b, 23
(
sslow. inseldt.
,
1378
):
Wen im daz fvnden wirt zo pit er im erteilen der in weisvnge.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
110, 13
(
mslow. inseldt.
,
1616
):
vnd der Frauen dauon ein Revers vnter gemeiner Stad Sigell ertheilet worden.
Cirullies, Rechtsterm. Anh.
1981, 148
.
4.
›jm. etw. (z. B. eine Frist) gewähren, gestatten, zugestehen‹; auch: ›(jm.) zustimmen; (mit etw.) einverstanden sein‹; Spezialisierung zu 3.
Gehäuft Rechtstexte.
Bedeutungsverwandte:
 10, (V.) 1,  16, ; vgl.  3,  2,
2
 1,  1,  2.

Belegblock:

Köbler, Ref. Wormbs
36, 17
(
Worms
1499
):
so soll dem kleger [...] schub vnd tag zugelassen vñ erteilt [werden].
Dinklage, Frk. Bauernweist.
17, 9
(
nobd.
,
1400
):
dez begerten sy ein urkund von geriht. Daz wart in und dem dorff gemeincleichen erteilt mit rehter urteil.
Rennefahrt, Zivilr. Bern (
halem.
,
1354
):
Da wart ira erkennet, erteilt und erlobet mit urteil uͥber die satzunge der burgeren von Berne, daz si [...] ir guͦt [...] geben [...] mag [...], weme si wil.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
1340
):
Swer sein recht erlangt und so verr chlagt vor gerichtes, untz daz im fronbot mit dem rechten ertailt und geben wirt.
Ebd. (
um 1365
):
sol er in wern nach der frist, die im ertailt wirt.
Vgl. ferner s. v. , .
5.
›jm. etw. zur Auflage machen, (einen Eid, eine Strafe) auferlegen‹; auch: ›jn. verurteilen‹; ›etw. mit etw. (mit einem Betrag, einer Gebühr) belasten‹;
vgl.  6,  6.
Rechts- und Wirtschaftstexte, berichtende Texte.
Bedeutungsverwandte:
 24,  2,  78; vgl.  13,  7,  2, ,  11.
Gegensätze:
.

Belegblock:

Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Do er [priester] in buze irteilte, | Mit aller macht er sich bot | Vor sine brudere in die not.
Köbler, Ref. Wormbs
150, 21
(
Worms
1499
):
in disem fall soll der Eidt dem cleger zu hilff syner bewertung nit erteilt noch vffgelegt werden.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
26, 22
(
els.
,
1362
):
Dem kristen wart erteilt das er swuͤre obe er es hette vergolten.
Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
2, 224, 7
(
halem.
,
1508
/
16
):
ward er mit einhelliger urteil zuͦ dem schwert erteilt.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1392
):
im ist ouch erteilt, was er oder sine helfer tun oder teten an den obgeschribenn erclagten guten, das sie daran nicht freveln.
Auer, Stadtr. München (
moobd.
,
1343
):
An swelher sach ainem zeuch ertailt werdent, [...], irret den ehaft not, [...], sant er ainen poten dar.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1554
):
ob sich zwo frawen mit einander krigten mit verpottnen worten, so ertailt man ihnen den pockstain
[s.
bagstein
]
zu tragen.
Mollay, Ofner Stadtr.
314, 2
(
ung. inseldt.
,
1. H. 15. Jh.
):
Dem vil aide irtailt seÿn, der sech sich fuͤr, das er sich darÿn halt.
6.
›jm. etw. mitteilen, übermitteln‹; Spezialisierung zu 2; 3.
Phraseme:
etw. auf den eid erteilen
›etw. (mit Eid) bekräftigen‹.
Bedeutungsverwandte:
 9, , ; vgl.  1,  3,  1,  6,  3.

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged. (
1631
):
Erteil mich des Beschieds, | daß ich Gnad’ haben sol!
Luther, WA (
1529
):
,Rede‘ scheinet am meysten auff die zusagung und drounge gehen, die im gebotte oder gesetze sein, und kumpt vom sprechen, so etwas gesprochen, erteylet, verheyssen oder beschlossen wirdt durchs wort.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1444
):
do ward ertailt am montag noch tisch, man scholt den in das loch legen, das wir also bestelt haben.
Buck, U. v. Richent. Chron. Conz. (
alem.
,
um 1430
):
Da ward inn ertailt, das man sy hie uß in Swauben landen halten solt in welhem kloster [...] sy woltend.
Thiele, Minner. II,
3, 58
(Hs. ˹
nalem.
/
sfrk.
,
1470
/
90
˺):
die wort wurden ym erteilt.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1372
):
die funf ertailten uff den aid, man solt sich wern der von Friberg und man solt herzog Fridrich kain dn. geben.
7.
›jn. zu etw. bestimmen; jn. etw. zu tun beauftragen‹; Spezialisierung zu 5.
Bedeutungsverwandte:
 1; vgl. ,  2.

Belegblock:

Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
der richter sal richten alse ym irteylet wirt.
Chron. Nürnb. Anm. 7 (
nobd.
,
E. 15. Jh.
):
uß denselben dryen ist furter durch ein merers Niclaus Grolandt zu pawmaister ertailt und gekoren.