gesprechen,
V., unr. abl.;
vgl. mit ähnlichem Bedeutungsfeld
gesagen
.
1.
›über eine Sprache (z. B. Deutsch), über Redefähigkeit verfügen; sprechen (als Redetätigkeit); etw. sagen, sprechen‹; ansatzweise spezialisiert in Richtung auf ›etw. vorhersagen‹; ›etw. erklären, versichern‹ (dies perfektiv); ›Spruchdichtung vortragen‹.
Älteres und mittleres Frnhd.; oft Verstexte, oft religiösen oder didaktischen Inhalts.
Syntagmen:
j
. (z. B.
die jungfrau, got
)
/ der mund g
. (+ Ergänzung),
eine rede, ein gebet, worte, die dicht g., deutsch g., von etw. g., mit bösen worten g., (nicht) g. mögen / turren
.
Wortbildungen:
gespreche
1 ›Rhetoriker‹.

Belegblock:

Feudel, Evangelistar
30, 31
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
Do Jhesus dese wort gesprach, do irborte eyn wyp ere stymme von der schare unde sprach: [...].
Jahr, H. v. Mügeln
102, 57
(
omd.
, Hs.
1463
):
sust löse, got, die sinne min | [...] | das ich gesprechen müg ein ticht.
Strauch, Par. anime int.
53, 25
(
thür.
,
14. Jh.
):
di sele inhait nicht da Got inne gsprechin muge, dan fornuftkeit. etliche crefte sind so snôde daz he darinne nicht gesprechin mac.
Ebd.
135, 19
:
alse der pristir dise wort gesprichit: ,hoc est corpus meum‘.
Stackmann u. a., Frauenlob
5, 115, 2
(Hs. ˹
alem.
,
1. H. 14. Jh.
˺):
swaz ie gesprach | der von der Vogelweide, | mit vergoltem kleide | ich, Vrouwenlob, vergulde ir sang.
Ebd.
8, 11
[b], 1 (Hs. ˹
nobd.
,
3. V. 15. Jh.
˺):
Swaz man gesprechen, singen mag | nacht und tag, | swaz guter lere in wisem hirne lag, | daz loufet al uf einen ort.
Pyritz, Minneburg
4699
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
also heimlich daz kein sag | Nie kein mensch da von gesprach.
Sachs (
Nürnb.
1550
):
Das er [Bachus] lawt schreit, | Juchzt, grölzt und speit, | Kan nymer dewtsch gesprechen.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
obe man es getoͤrste gesprechen, sú [minnencliche lúte] ensint nút etlicher mossen, sunder Got ist in in.
Lauchert, Merswin (
els.
,
1352
/
70
):
do er dis gesprach, do mahte er ein cru̇ze v́ber mich.
Wiessner, Wittenw. Ring
5252
(
ohalem.
,
1400
/
08
):
Wie chaum bestuond er auf der erd | Und mocht recht gesprechen: ,Ja‘.
Löffler, Columella/Österreicher (
schwäb.
,
1491
):
Ich mag mich ǒch nit genuͦg verwundern das die mentschen so begierlich zuͦ reden fúruss clubend den gesprechen und oratoren des redsprechikait sy nach volgend.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
und mag man niht gesprechen mit abgezogner red: diu väterlichait ist diu sünlichait oder diu sünlichait ist die hailigaistlichait.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
10, 61
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
was ie propheten mund gesprach, | des was dein leib ain obedach.
Klein, Oswald
87, 18
(
oobd.
,
1423
):
Wie wol gedenck mich lan unfrei, | so tar ich doch gesprechen nicht.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
27
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
wer got also dienet, daz er tar gesprechen: Ich hab got gedienet, ich hab geuastet vnd andrew gute werich getan. [...], des glaub ist falsch.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
102, 24
;
Palm, Veter Buoch ;
Henschel u. a., Heidin
1247
;
v. Groote, Muskatblut ;
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
147, 28
;
749, 22
;
Päpke, Marienl. Wernher ; ;
Kehrein, Kath. Gesangb. .
Vgl. ferner s. v. (
das
3.
2.
›etw. der Erhabenheit des Gegenstandes gemäß, adäquat, angemessen aussprechen, formulieren‹; semantisch als perfektive Variante zu
sprechen
auffaßbar (s. u. auch den Kommentar zum
Schweiz. Id.
); vielfach negiert.
Älteres und mittleres Frnhd.; meist Texte mystischen Inhalts.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2.

Belegblock:

Jostes, Eckhart
79, 18
(
14. Jh.
):
Do meint ich alles, daz alle creaturen gesprechen múgen, daz ist allez zu klein wider der edelkeit, die in got ist.
Strauch, Par. anime int.
105, 1
(
thür.
,
14. Jh.
):
,alliz daz man gesprechin mac daz ist Got nicht‘.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Ich mag mich wol dem herzen inrlich ze enphinden geben, aber enkein zunge mag mich eigenlich gewoͤrten noh gesprechen.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
Do wurt denne der geist gezogen úber alle die krefte in eine wuͤste wilde, do nieman kan von gesprechen, in daz verborgen vinsternisse des wiselosen guͦtes.
ich kan nút gedencken mit was kunne worten man hievon múge gesprechen.
Banz, Christus u. d. minn. Seele
1344
(
alem.
,
1. H. 15. Jh.
):
Ich [Cristus] tün dir doch so vil kunt, | Das nit kan reden din munt | Noch din mund nit kan gesprechen, | Und sölt ioch din hertz darumb zerbrechen.
Froning, Alsf. Passionssp.
5883, 3
;
Lauchert, Merswin ;
Schweiz. Id. (dort wird die perfektive Variante im Prät. des Nebensatzes belegt:
do [...] gesprach
›als [...] gesprochen hatte‹).
3.
›rechtsrelevant sprechen, etw. erklären, das Rechtsfolgen hat‹;
a) vom Richter: ›in bestimmter Weise urteilen‹;
b) von Verfolgern: ›jm. etw. vorwerfen, jn. e. S. beschuldigen‹;
c) vom Geschädigten: ›etw. (z. B. einen Schaden) geltend machen‹;
d) von Zeugen: ›etw. bezeugen‹;
e) vom Fordernden oder Beklagten: ›etw. versichern, verbindlich erklären‹.
Gehäuft ˹wobd. / oobd.; Rechts- und Wirtschaftstexte˺.

Belegblock:

Zu a):

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
duͦrch daz sal eyn ielich richtere [...] durch vnrecht nimmer so unmezelichen zor
e
n gewinnen, daz her iumer icht wedder recht getuͦ oder vnkuͦsche wuͤrt gesprechin von sinen gewalten § oder ieman schelthen.

Zu b):

McClean, Havich
1379
(
moobd.
, Hs.
15. Jh.
):
do chundens auf den selben man | nichts gesprechen nür mit listen | und er machet juden zu kristen.

Zu c):

Hör, Urk. St. Veit
106, 16
(
moobd.
,
1372
):
wigetann schaden si dez namen, [...], den sullen wir in allen abtuͤn vnd widerchern, den si gesprechen mochten.
Dirr, Münchner Stadtr. .

Zu d):

Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
n. 1437
):
vor zwein erbren, vnuersprochnen mannen, die merken vnd bi iren eiden gesprechen, dz er
[der Erblasser]
vernuͥnftig do ze mal were.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
1365
):
swaz si bey der prunst verliesent, daz ir pfleger gesprechen muͤgen von iren trewen, daz si verloren haben, daz süllen in der stat kamerer gelten.

Zu e):

Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
E. 14.
/
A. 15. Jh.
):
der sol [...] einen manot varn von vͥnser stat, es were denne, daz der gespreche by sinem eyde, daz er do ze mal der satzunge het vergessen.
Hör, Urk. St. Veit
136, 29
(
moobd.
,
1390
):
Swelhen schaden si auch derselben chrieg vnd recht nämmen, [...], den ıͤr aines by seinen trewn gesprechen mag, an recht, an ayd, vngesworen, di sullen vnd wellen wıͤr in all abtuͤn.