leiden,
das
;
-s
, auch
/-Ø;
in der Regel Fortsetzung von
mhd.
lîden
›Leiden‹
(), vereinzelt möglicherweise auch von der Subst. von
mhd.
leiden
(aus ahd.
leidên
)
›verhaßt werden‹
(), im Dat. Pl. nicht sicher von
leid, leide
(
die
) trennbar (vgl.
Kluge/S.
2002, 568
).
1.
›das das menschliche Dasein kennzeichnende Erleben und Empfinden von Unglück, Leid, Ungemach, Beschwernis, eigener Defizienz (häufig positiv und sinnstiftend im Hinblick auf das jenseitige Leben dargestellt)‹; speziell das einzelne Leidensereignis bzw. der Leidenszustand: ›körperliches Gebrechen, z. B. körperlicher Schmerz, Krankheit, Hunger, Mangel, Not, psychischer Schmerz, z. B. Trauer, Sorge, Pein, Qual (als schicksalhaftes Einzelereignis, chronischer Zustand oder als menschlicher Elementarzustand)‹; in einzelnen Belegen tendenziell auch: ›Gebrechen durch Sünde und Sündhaftigkeit; religiöser Zweifel, Anfechtung‹; die verschiedenen Akzidentien des Leidens sind aufgrund der zumeist auf Gott gerichteten allgemeingültigen Inhalte nicht von einander trennbar.
Gehäuft Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Phraseme:
senliches / heimliches leiden
›Liebeskummer‹,
das ewige leiden
›ewige Höllenqual‹.
Syntagmen:
das l. abmalen / ansehen / entwerfen / erwälen / haben / klagen / schaffen / tragen / zuschicken, zu etw. ordnen; etw.
(z. B.
liebe
)
ein l. sein; das l. (wol) schmecken, jn. erbarmen, jm. etw
. (z. B.
den glauben
)
bringen, auf jn. fallen; des l. begeren; sich in l. erbieten, in das l. absenken, jn. mit l. plagen / strafen, durch das l. peinigen, von dem l. erlösen, jm. in l. beistehen, in seinem l. verlassen werden, im l. stecken; l. des fegefeuers, l. der arbeitsseligen / christen / geminneten / naturen; das angeborene / äussere / bittere / fruchtbare / grausame / grosse / harte / hellische / inwendige / manigfaltige / schnelle / schwere / willigliche / zeitliche l., alle leiden; pflicht / schwert des l.; in allem leiden
.
Wortbildungen:
leidenheit
›Art der Krankheit‹.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
TRISTITIA. Leidt Vnmuͦt traurigkeit betruͤbnus truͤbsall truͤbseligkeit leiden.
Luther, WA (
1522
):
Darum ist ire [unglaubigen] straff und leiden an dem korper und selen tzeitlich und wirt dort ewig.
Ebd. (
1524-27
):
Also kan ich dieser wort gebrauchen zu nutz meiner Seligkeit, wenn ich im leiden und anfechtung bin.
Ebd. (
1530
):
darinn jr fein sehen muget, wie der Christen leiden abgemalet und entworffen ist.
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
unde von den leidin | irloͤsit mich ellendin!
Vorwâr in grôzin leidin | und in jamirberndir nôt | ir herze bittirlich dô sôt.
Quint, Eckharts Pred.
476, 11
(
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
,dein finsternuß‘ – das ist dein leiden – vnd das soll gewandelt werdenn in klar liecht.
Ders., Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
ein götlîchiu lêre, wie dem menschen allez sîn lîden, alliu sîniu werk, allez sîn leben wünniclich und vrœlich wirt.
Jostes, Eckhart
52, 19
(
14. Jh.
):
Ich hoher edeler got west in aller mein weisheit niht als edels als leiden.
Ebd.
105, 33
:
wan so die sele mit gotlicher minne [...] allez liplich liep versmahet und alle zit in williges lyden sich erbútet.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Köln
1582
):
Jch muͦß in diesem jamerthal auff erden | Mit angst vnd leiden viel geplaget werden.
Froning, Alsf. Passionssp.
1543
(
ohess.
,
1501ff.
):
Salvator dicit: [...] dyn lyden sicher ist mer leyt! | sage mer dyn krangkheyt! | ich wel hude dyn arcz weßen.
Sermon Thauleri
12ra, 19
(
Leipzig
1498
):
Herre es ghet mir also vbel vnd hab vil leidens vnd betrubniß.
Logau. Gott
157, 21
(
Breslau
1644
):
Laß vns von Dir durch Zwang / Gewalt vnd Leyden | Keinmal abscheiden.
Henschel u. a., Heidin
1816
(
nobd.
,
um 1300
):
Do der heiden heim qvam | Vnd dise leiden mer v́nam
(hier wohl metonymisch: ›Todesnachricht‹)
| Er sprach trvrikliche.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
15, 14
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
dicz leben, in dem wir umbgeben werden mit solchen vil smerczen, leyden und beswernußen.
Bührer, Kl. Renner
378
(
nobd.
, Hs.
um 1480
):
Die wittiben nymmer beiten, | Vier wochen ist ein langes leiten
(hier wohl metonymisch: ›Trauerzeit‹).
Reichert, Gesamtausl. Messe
25, 24
(
Nürnb.
um 1480
):
sunder wir muessen auch dancknem seyn in aller widerwertigkeyt und in allem leyden.
Gille u. a., M. Beheim
68, 3
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Die liebste mein | macht mir gross pein | und sendlich leiden.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
82
(
Nürnb.
1517
):
so ist auch die pflicht ,des leidens‘ hinwegkgeflohen, do der unentlich got gelitten und die pein aufgelöst hat.
Ebd.
239
:
das schwert des leidens und sterbens lindert die hofnung durch die heiligen beölung.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
142, 39
(
Nürnb.
1548
):
das sie muͤhe vnd arbeit / sorg vnd leyden der Kinder halb muͦssen tragen.
Dietrich. Summaria
18r, 43
(
Nürnb.
1578
):
wenn Gott leiden / mangel / vnd anders zuschickt / vnd wir als denn solchs gern vnd gedultig tragen.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 18
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
do es got zit duhte vnd in daz liden siner geminneten erbarmete.
Ebd.
1, 212
:
demuͤtikeit vnd caritas vnd liden vnd toͮgen innewendig oder vssewendig mit gedult.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
wie Got [...] geordent het alle liden zuͦ ewigeme nutze eines iegelichen menschen.
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
got [...] sante zuͦ Davit einen propheten [...], das ime der seite von driger hande lyden und plogen [...]. das eine liden was, das gros hunger solte werden [...]. das ander liden was, daz Davides vigende soltent an ime gesigen.
Roloff, Brant. Tsp.
829
(
Straßb.
1554
):
Ich hab es doch dir nie doͤrffen sagen | Noch yemandts mein heimlich leiden clagen.
Wickram
4, 15, 10
(
Straßb.
1556
):
das im der Tuͦchbereiter / alles / [...] / das im ein leiden und verdruß was / anfing.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
1294
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
so hast du in | Mit falsch gegeben in den tod, | In bitter lÿden und in not.
Steer, Schol. Gnadenl.
5, 55
(
halem.
,
15. Jh.
):
Genǎde ist kreftiger art: si machet wider nature suͤsse alles liden vnd tuͦt ǒch die begnǎdeten sele lidens vnd sterbens begeren.
Ebd.
5, 195
:
in disem fruchtberen liden bekomet got sines aller hertzlichesten wolgeuallen.
Bächtold, H. Salat (
Luzern
1543
):
noch muͦß er’s dem künig laßen | und wenn’s im ein liden ist.
Sappler, H. Kaufringer
22, 33
(
schwäb.
, Hs.
1472
):
das in der tiefen helle sint | leiden und wonung manigvalt.
Ebd.
26, 30
:
leiden ist hie ain schwäre pürden | und schaffet ewigen gemach dort.
Bauer, Geiler. Pred.
320, 9
(
Augsb.
1508
):
Darumb ist nicht sicherers in diser welt zuerweleen / dann leiden / truck / trang und widerwertigkait.
Rot
288
(
Augsb.
1571
):
Affect, anmuͦttung / leiden / kranckhait anligen / anfechtung / betruͤbung.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 2, 194, 2
([
Augsb.
]
1548
):
Das haimliche leiden. Liebe / wann man sy nicht oͤffnen gethar / ist ain groß leyden.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
mit den cappân tregt der pœs gaist die klainen spizvogel, sam die [...] pfarrer, münich und ander gaistleich flaischleich läut, in daz êwig leiden.
Weitz, Albich v. Prag
134, 6
(Hs. ˹
oobd.
,
A. 16. Jh.
˺):
Vor lassen ist am pesten, welcher erczneyen wil, der sol wol mercken dise stuck: [...] zeit, lufft vnd leydenhait.
Rudolf, Peuntner. Sterbek.
149rb, 16
(
moobd.
,
n. 1434
):
[das wir] durch den dienst gots entrÿnnen | dem graussamen hellischen leiden.
Karnein, de amore dt.
67, 2
(
moobd.
,
v. 1440
):
Ljeb ist ain angeboren leiden, daz entspringt von begirlichem sehen.
Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
534
;
Kehrein, a. a. O. ;
v. Keller, Amadis ;
Strauch, Par. anime int.
20, 32
;
Anderson u. a., Flugschrr.
5, 5, 25
;
Gille u. a., a. a. O.
117b, 82
;
Koller, Ref. Siegmunds ;
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
183, 26
;
Eichler, a. a. O.
1, 305
;
597
;
603
;
Sappler, a. a. O.
26, 5
;
110
;
Bauer, a. a. O.
317, 15
;
Klein, Oswald
51, 34
;
Nyberg, Birgittenkl.
1, 364, 2
;
Dirr, Münchner Stadtr. ;
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
1290
;
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
282, 7
;
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
2, 33
;
18, 28, 23, 9
;
ders., Imitatio Haller
55, 15
;
82, 21
.
Vgl. ferner s. v. ,  1,  1,
1
 2,  2, (V.) 10,  3, (Adj.) 6, (Adj.) 14,  1, ,  1.
2.
›Leiden Christi, Passion, Qual, Schmerz und Tod, die Jesus für die Erlösung der Menschen auf sich genommen hat (angefangen von der Menschwerdung als solcher bis hin zur einzelnen erlittenen Folterqual und zum Tod); Erlösungstat Christi‹; speziell: ›der Leidensweg, Kreuzweg, die einzelne Station des Kreuzweges‹; ›das Dulden, Aufsichnehmen von Unglück und Leid als imitatio dei (von Menschen gesagt)‹; ›Passionsgeschichte‹; auch als Teil von Flüchen;
vgl. (
das
2.
Gehäuft Texte religiösen Inhalts.
Bedeutungsverwandte:
(
die
12,
1
 1,  3, , (
die
1, (
die
8,  3,  1, (
das
1,  1.
Wortbildungen:
leidenspein
.

Belegblock:

Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. vngerat. Sohn (
Wolfenb.
1594
):
Das dich Potz leiden rüre.
wie das leyden Christi und die auffersteung krefftig in uns werde.
Der drit tail Passio mixta. Nu geet die schand hie an, vermischt mitt dem gaystlichen und leyplichen leyden. Und das sind die vier hauptleyden, das er muͦß hie hangen an dem Creütz.
mit dem hertzen soltu yn [Got] ehren im leyden oder Creutz.
das hie ist das gulden leyden, das man verfolget werd und getoͤdt mit schmachait.
Ebd. (
1524
):
Das fewer ist sein marter und leiden, da er am Creutz gebraten und doch nicht gar verzeret wird.
Et hoc est fide accipere passionem Christi, das ich mich seyns leydens troste, non solum ut sit in persona Christi, sed mihi factum.
Drumb sal man das leyden Christi alßo predigen.
Alberus, Barf. (
Wittenb.
,
1542
):
[Francisco] weinet schier die augen aus vmb des Leiden Christi willen.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
daz vruhtbærlîche lîden sîner heiligen menscheit.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Köln
1619
):
Da Jesus in den Garten gieng, | Und jhm sein Leiden ahne fieng.
O laß dein bitter Leidens pein, | An vns doch nit verlohren sein.
Ebd. (
Bautzen
1567
):
Nun wir mit Gott befriedet seind, | Durch Jesu Christi leiden.
Mathesius, Passionale (
Leipzig
1587
):
dis Capitel handelt [...] von der Passion vnd Leiden / Creutzigung vnd fuͤrbitte / vom Tode vnd Begrebnis [des HERRN].
Er wird durchs Leiden in seine herrligkeit eingehen / vnd sich zu seines Vaters Rechten setzen.
Reichert, Gesamtausl. Messe
140, 2
(
Nürnb.
um 1480
):
das ist gewesen der tag des abent essens vor seinem leyden.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
84
(
Nürnb.
1517
):
das das leiden des suns gots genungsam ist für alle menschen.
Ebd.
104
:
das leiden Christi [...] tilgt gar leichtlich auß die hell.
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
[die drige künige] gobetent dem kindelin ieglicher künig mirre zuͦ einre bezeichenunge sines lidens, wiroch zuͦ einre bezeichunge sinre begrebede.
Wyss, Luz. Ostersp.
6763
(
Luzern
1545
):
dann durch min lyden, angst vnnd not | würt erlöst das mentschlich gschlecht vom tod.
Martin, H. v. Sachsenh. Tempel
602
(
schwäb.
,
1455
):
Grouß jaumer, ach und we | Sölt manig hertz verschniden, | So es bedächt das lyden | Das in der karwoch kumt.
Bauer, Geiler. Pred.
81, 30
(
Augsb.
1508
):
Die sechßt gasse darinne du das almuͦßen suͦchen solt / das ist in dem leiden unsers herren Jesu Cristi.
Ebd.
82, 5
:
also gang von ainem stuck seines leidens zuͦ dem anderen mit deiner gedaͤchtnus / biß daz dir dein hertz entzünt würt.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 8, 8
([
Augsb.
]
1548
):
Gott [...] wirt auffs hoͤchste mißbraucht mit falschem Gotesdienst / falschem schweeren bey seinem Namen / Leyden / Wunden / Marter.
Klein, Oswald
4, 41
(
oobd.
,
1421
):
bedenck gots leiden tieff | auf baren knien.
Rudolf, Peuntner. Sterbek.
149va, 17
(
moobd.
,
n. 1434
):
wie uil tausend menschen [...] sind gestorben, [...], die got, jren herren, nicht erkannt haben vnd die an die hilff seines heiligen leidens jn dy ewig verdampnuͤs sind abgestigen.
Schottenloher, Flugschrr.
62, 22
(
Landshut
1523
):
Pox leiden, ich weis nit, jch halt, ich hab meinen [muͦtze] jm Trierischen landt verdrunckhen.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
285
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
Passio Leyden [...] Daz leyden Christi wirdet merkleich gelobt. Auch wurchet es uil guter dinge. [...] Leyden Wie schön vnd wie czirleich Christus gewesen ist czu der czeit seines leydens. [...] Daz leyden Christi ist daz groszist czaichen seiner inprunstigen lieb.
Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio
213, 101
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
das man in der anweig trewleich fliech czu dem wirdigen leyden Jesu Cristi.
Reithmeier, B. v. Chiemsee (
München
1528
):
dasselb erfüllen die sacrament in krafft des leiden Christi.
Pfefferl, Weigel. Ges.
13, 6
;
Froning, Alsf. Passionssp.
2997
;
Strauch, Par. anime int.
93, 18
;
Wyss, a. a. O.
54
;
Bauer, a. a. O.
82, 7
;
83, 23
;
94, 7
;
Andreae. Ber. Nachtmal
63v, 15
;
Gilman, a. a. O.
175, 31
;
Rudolf, a. a. O.
151ra, 40
;
152va, 30
;
Hohmann, a. a. O.
185, 65
;
Vgl. ferner s. v.  1,  2, ,  1,  10,  1.