traurigkeit,
die
;
-Ø/–
.
– Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
1.
›Traurigkeit, Betrübnis, Niedergeschlagenheit; Trauer um jn. / etw.‹; im Unterschied zu 2-4 wird
traurigkeit
1 als temporärer Zustand verstanden, der teils als Aufgabe unterstellt, teils neutral als natürliches und soziales Faktum betrachtet wird, aber auch kritisch beurteilt werden kann und dem dann irdische Freuden positiv gegenüberstehen;
zu  1.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  124,  1,  1,  5, (
das
23, (
das
1, (
die
2,  5, ,  1, , , (subst.), ; vgl.  1, , ,
1
 1,  1,  6, , .
Gegensätze:
 14.
Syntagmen:
(die) t. ausschlagen / haben / lassen / nemen / vertreiben, das glük t. bringen
;
die t
. (Subj.)
mannigfaltig sein, Marien herz durchschneiden, keine nützigen leute machen
;
der t
. (Gen.obj.)
begeren / vergessen, jn. seiner t. ermanen
;
der t. gestalt / schein geben
;
in t. sein / versinken, die zeit in t. verzeren, mit t. umhergehen, die wollust sich mit t. enden, das volk mit t. erfüllen, von t. wissen, sich vol t. über etw. machen, vor t. schlafen
;
die t. des kindes, von frauen
;
die bitterliche / grosse / mütterliche t
.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Leidt Vnmuͦt traurigkeit betruͤbnus truͤbsall truͤbseligkeit leiden.
Volkmar (
Danzig
1596
):
Dolor, wehetag, trawrigkeit.
Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Trawrigkeit macht keine nuͤtzige Leut.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
95, 1646
(
Magdeb.
1608
):
Jsts nicht bequemer froͤlich leben / | [...] | Denn das man auch die gringe zeit / | Verzehr in muͤhe vnd trawrigkeit?
Alberus
H iijv
(
Frankf.
1540
):
traurigkeyt / kummer / bekümmernus / leyd.
Schwartzenbach
N vijr
(
Frankf.
1564
):
Trawrigkeit. Layd. Kummer. Jammer. Vnmut. Bekuͤmmernuß. Betruͤbnuß.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
so saste er
[Seuse]
[...] in betrahtunge, als ob du̇ rein muͦter [...] in muͦterlicher trurkeit ires begraben kindes were.
Roloff, Brant. Tsp.
66
(
Straßb.
1554
):
Dort sitzt fraw Wolust wol geziert | Die manchen menschen hatt verfuͤrt / | Mit ir gezierd und yppigkeit | Doch endt sie sich mit trurigkeit.
Ebd.
562
:
das bin ich taͤglich gewen | Das wir wol leben trincken und essen | Und aller traurigkeit vergessen.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
wie manche die Thränen herauß gedruckt [...], damit sie ihrer Traurigkeit in etwas mögen einen schein vnd gestalt geben.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
4193
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
alle zÿt begert von hertzen | [...] | [...] der bitterlichen trurikait | Die Marien hertz durch schnaid.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
108, 36
(
tir.
,
1464
):
da chom ain söliche grosse vngestüemikchait vnd stürmung [...] da ward das volkch erfült mitt traurikchait vnd mit schmerczen.
Peil, a. a. O.
48, 136
;
Quint, Eckharts Trakt. ;
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
88, 3
;
Harms u. a., Alberus. Fabeln
141, 11
;
Gerhardt, Meister v. Prag
100, 13
;
124, 1
;
Reichmann, Dietrich. Schrr.
156, 6
;
v. Keller, Ayrer. Dramen ;
Roloff, a. a. O.
528
;
Lindqvist, a. a. O.
4153
;
Vgl. ferner s. v. ,  1,  11,  31.
2.
›Traurigkeit, Trübsal, Leid als dem Menschen moraltheologisch auferlegter Zustand, dessen Praktizierung infolge dieser Begründung als Aufgabe erscheint‹; der
traurigkeit
2 korrespondieren negativ spiegelbildlich und ansatzweise im Sinne des Dienst-Lohn-Gedankens
das wort, der trost, die ewige freude in got, im ewigen leben, im himelreich
, jeweils als Jenseitsverheißung;
offen zu 3; zu  2.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  1,  1, , ,  1,  1, (
das
2, , , , , ; vgl. (
die
1, .
Gegensätze:
, ,  2.
Syntagmen:
t. haben / meren / pflegen, die t. in freude keren / verwandeln, etw
. (z. B.
die neigungen
)
die t. in bewegung bringen
;
die t
. (Subj.)
aufhören / kommen
, [wo] (z. B.
nicht in got
)
sein, jn. dahin ziehen, von der frölichkeit temperiert werden
;
aus t. zu freude kommen, etw
. (z. B.
ein traum
)
sich aus t. zutragen, etw
. (z. B.
freude
)
in t. suchen, etw. mit t. geben, etw
. (z. B.
das leben
)
mit t. überladen sein, jn. von t. trösten
;
die t. der menschen
;
die mässige t
.;
der samen, die tröstung der t
.

Belegblock:

Luther, WA (
1544
):
da ein Christ stirbet [...], das ist, [...] aus allem jamer, traurigkeit, anfechtung zu aller ewiger freude kompt.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
in gote enist niht trûricheit noch leit noch ungemach.
Gille u. a., M. Beheim
139, 238
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
In dem ewigen leben | ist kain traurikait, kain arbait, | kain schmerczen, kain klagen, kain lait.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
147, 15
(
Nürnb.
1548
):
Jr weynet yetzt / vnnd habt trawrigkeyt / aber ewer trawrigkeyt sol in frewde gekeret werden.
Ebd.
213, 26
:
wirdt doch jmmerdar das wort [Christi] wehren / das vns die trawrigkeyt nit gar dahin ziehe.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
wir [...] suͦchetent fride in unfrieden [...] und in trurikeit froͤide.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
swer nu welle [...] der vroͤde die da ist in hýmelriche, der kere sinen sin [...] uff den wege [...], so wirt er von laide erloͤset und von trurkait getroͤstet.
Bauer, Zist.-Pred. Haller
55, 11
(
tir.
,
1466
):
Herr, [...] du solt sein die trostung meiner traurikchait.
Sermon Thauleri
2vb, 11
;
Mathesius, Passionale ;
Mönch v. Heilsbronn. Fronl.
4b, 32
;
Sudhoff, Paracelsus ; 8; ;
Menge, Laufenb. Reg.
5331
;
Schmidt, Rud. v. Biberach
23, 23
;
Bauer, Geiler. Pred.
318, 35
;
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
13, 17
;
37, 31
;
117, 34
;
Vgl. ferner s. v.  3.
3.
›Verlassenheit; Schwermut, Melancholie, religiöse Anfechtung, Gottesferne als anhaltende Empfindung des Menschen bis hin zu
verzweiflung, zweifel, trägheit
in der Folge von
traurigkeit
2‹;
traurigkeit
in diesem Sinne wird in der Mehrzahl der Belege als Glaubensschwäche, Verzagtheit, Lauigkeit angesichts religiöser Verheißung verstanden und mit anderen Formen der Glaubensschwäche in Aggregation gesetzt;
vgl.  1.
Zur Sache:
LThK
10, 324
, f.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld): (
die
2,  1,  1, , (
das
2, , , , , ; vgl.  4,  1,  1, ,  10, ,  2,
2
,  2,  1,
1
 2,  3,  3,  8, (
das
1, (
das
1, (
die
5,  6.
Gegensätze:
,  2.
Syntagmen:
die t. begeren / erkennen / vertreiben, von js. herzen austreiben, der teufel
˹
t. bringen, den menschen in t. bringen, die kunst des heiligen geistes in t. ersäufen
˺;
die t
. (Subj.)
ein laster sein, in jn. kommen, js. angesicht überziehen, übel wirken, dem ungerechten etw. bringen
;
sich in t. üben, mit t. beladen, über js. t. betrübt sein, von t. sterben
;
die t. des gemütes
;
die lasterliche / schwere / ungeordnete / unredliche t
.;
der frost, die überflüssigkeit der t
.

Belegblock:

Luther, WA (
1529
):
Da hilfft denn der teuffel zu schaúben
[›schieben‹]
mit aller macht vnd list, bis er sie [die kunst des heiligen geists] ynn zweifel vnd traurigkeit erseuffe.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
wird mit dem singen vertrieben die Melancholey vnnd Trawrigkeit deß Gemuͤhts.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
swenne der túvel den mentschen in aine unreht vorht oder trurkait bringet, da mit verlaitet er in.
Ruh, Bonaventura
351, 21
(
orhein.
,
um 1480
):
Wir werden geladen zuͦ dem trost, vnd wir suchent aber betrüpniß; früd wurt vns verheissen, vnd wir begeren trurikeit!
Ebd.
356, 23
:
Das XV ist dir not, daz du allen frost der trockeit oder lasterlicher trurikeit, [...] von dir mit höchstem fliss vßslaest, also daz du alle zit [...] gerüwiges hertzen sygest.
Bauer, Imitatio Haller
51, 9
(
tir.
,
1466
):
Die kchurcz ere der welt [...] czerget gar pald vnd ist albegen nach vollgen angst vnd traurikchait.
Bömer, Pilgerf. träum. Mönch ;
Österley, Kirchhof. Wendunmuth ; ;
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
2, 91
;
Franck, Decl.
338, 37
;
Bihlmeyer, Seuse ;
Kurrelmeyer, Dt. Bibel Var.;
Heydn. maister
29v, 24
;
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
313
;
Lehmann, Rezeptb.
273
.
Vgl. ferner s. v.
1
 10,  14,  1.
4.
›heilsamer religiöser Ernst, mittels dessen die Sünden und Anfechtungen (z. B.
melancholei
,
trägheit
,
traurigkeit
3) überwunden werden können, um einen intensiveren Glauben zu erreichen‹; als eine der moraltheologischen Tugenden häufig in den Kontext mit z. B.
armut
3,
barmherzigkeit
2,
demütigkeit
gestellt.
Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  1,  3,  2, , (
der
2,  1.
Syntagmen:
t. haben
;
etw
. (z. B.
die reinigung
)
durch t. sein, durch t
. [wohin] (z. B.
zu Christus
)
gehen, etw
. (z. B.
die ethik
)
über t. kommen
;
die demütige / tugendhaftige t
.;
die t. um das übel, wieder die sünde
;
der anfang / die grundfeste der t
.

Belegblock:

Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
3, 23
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
Er ist selig, der do bekennet sein krankheit [...], wann die selb kunst wirt im sein ein anfanck und gruntfest einer tugenthaftigen und demutigen traurikeit und clag.
Goldammer, Paracelsus
2, 284, 9
(
1530
/
35
):
daß ein ieglicher bleiben soll in seim berüefnen ampt, das ist: darein er berüeft ist worden zu Christo zu gehn [...]: durch demüetigkeit, durch traurigkeit, durch barmherzigkeit.
Menge, Laufenb. Reg.
4145
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1470
˺):
Von ernste vnd úber trurigkeit | Kumpt die etthik als man seit.
Ruh, Bonaventura
344, 16
f. (
oschwäb.
,
2. V. 15. Jh.
):
Die rainigung in der bitterkait, [...], die sol sin mit schmertzen durch truͤrikait vmb die truckenen úbel.
Reithmeier, B. v. Chiemsee (
München
1528
):
imm newen Testament werden angerueert zwo puoes oder rew, das ist zwo trawrikait, so die menschen haben sollten, nemlich aine wider begangen sünd, die ander vmb gnugthuoung der sündigen schuldenn.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. .