natürlich,
Adj.
1.
›natürlich, naturgegeben, der Natur entsprechend, ihrer Gesetzlichkeit unterliegend, angeboren, ureigen, uranfänglich, naturgesetzlich‹; charakterisiert die Gesamtheit der unter
natur
1 umrissenen Bezugsgrößen, die dem Menschen als Lebensraum vorgegeben sind oder von ihm als vorgegeben betrachtet werden;
vgl.  1.
Bedeutungsverwandte:
 13, .
Syntagmen:
etw
. (z. B.
die gewalt in den geisten
)
n. sein, etw. n. geschikt sein, zu [...], etw. n. verschlauchen
›verzehren‹
/ konterfeien / nemen
›als Naturgegebenheit auflassen‹,
der hl. geist etw. n. lassen
›zulassen, geschehen lassen‹,
etw
. (Subj.)
n. geschehen
;
der natürliche anger, flus (des wassers), gang (der sterne), got
(ein Naturgott),
grim (des wolfes), krebs, lauf (der dinge, der sonne), schlaf, untrost / tag / verstand, die natürliche art / badstube / bitterkeit / einigkeit (mit got) / farbe / grösse / hitze / ordnung / übung / ursache / vernunft / wirderung (der münze) / wirkung, das natürliche bad / ding
(z. B.
kröten, würme
),
fleisch / gesez / kleid / leid / liecht / neigen (der tiere) / recht / zentrum (der himlischen körper)
.

Belegblock:

Luther, WA (
1520
):
das seyn Juddische stucklein unnd tucklein, und ist eyn unchristenlich furnehmen widder das heylig Evangelium Christi, ja widder das naturlich gesetz und recht.
wo du forteyll an deynem neysten suchst, den du nit auch woltest an dir yhm lassen, da ist die lieb auß und naturlich gesetz zurissen.
Ebd. (
1525
):
Derhalben die Bawrschafft hyrynnen billich den Christlichen namen auch sollt mit friden lassen und handeln unter dem namen alls die gerne menschlich und natuͤrlich recht woͤllten haben, nicht alls die Christlich recht suchten.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
daz man wizzen mac und sol, ist, daz in natiurlîcher wârheit ein [...] âder aller güete, wesender wârheit und trôstes ist got aleine, und allez daz got niht enist, daz hât von im selben natiurlîche bitterkeit.
Thiele, Minner. II,
26, 67
(Hs. ˹
md.
/
rhein.
,
1. V. 15. Jh.
˺):
dieren haint natuͦerlich neygen, | daz ist myn de hen kan dreygen.
Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
8, 11
(
Frankf./M.
1568
):
ob [...] alle ding vnd Menschliche handlung / on Gottes vorwissen / auß natuͤrlichen vrsachen / [...] / regiert wuͤrden.
Stambaugh, Milichius. Zaubert.
15, 22
(
Frankf./M.
1563
):
Was nuh dise geschoͤpffe wircken / wenn sie in irem rechten brauch gelassen werden / das wircken sie natuͤrlicher weise. Und was natuͤrlich geschicht / das geschicht nach der ordnung Gottes.
Ralegh. America (
Frankf.
1599
):
allerley Gethierts / Voͤgel / Baͤum / vnde Kraͤuter / nach jrer natuͤrlichen groͤsse / wie sie dz Erdreich herfuͤr bringt.
Neumann, Rothe. Keuschh.
5583
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
di [henne] had in or soliche hoffard | das si van naturlicher ard, | wanne [...].
M. Cunitia. Ur. Prop. (
Öls
1650
):
seyd hurtig ihr der natuͤrlichen dinge wissenschafft faͤhige Dolmetscher des Himmels
(Astronomen).
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 1552
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
wir enmoͤgent das bilde nv́t verliesen noch die natv́rliche einikeit mit gotte.
Sudhoff, Paracelsus (
1529
/
32
):
die augures nemen iren ursprung natürlich, das ist (aus) angeborner natur der dingen.
Bremer, Voc. opt.
31049
(
halem.
,
1328 f.
):
Terme natuͤrlich bad [...] significat aquas calidas et fumantes de terra naturaliter manantes.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
444
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
Das Maria die raine zart | Gebar wider naturlich art, | [...] | den suͤsszen mandelkerne | Jhesum.
Morrall, Mandev. Reiseb.
144, 27
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
pfaͤrit und andrú tier die opfferent sie
[Tataren]
irem gott, dem natúrlichen gott.
Jerouschek, Nürnb. Hexenh.
1r, 44
(
obd.
,
1491
):
wie der richter erkenne͂ sol den schaden ob er naturlich ist oder von der unholdñ.
Dreckmann, H. Mair. Troja
15, 26
(
oschwäb.
,
1393
):
daz diu sunn und der maun iren schein verlurend wider den natürlichen lauff.
Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
29, 18
(
noobd.
,
1347
/
50
):
wir reden von dem naturleichem tag, der gesament ist von tag und von naht.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
36, 10
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
der heilig gaist natürlich lat | sein wegung was umbgat.
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
77, 123
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
„got, [...] raicht dew auswendigen ding also, daz er in let yͤrn naturleichen lauff“.
Klein, Oswald
10, 81
(
oobd.
,
um 1423
):
Ain vich begert nicht mer, wann es verbrauchet, | nach seiner art natürlichen verslauchet.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
1301
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
Auch chunden die tewfel ettleiche naturleiche ding so behentleich czu wege pringen als chroten vnd würme.
Seemüller, Chron. 95 Herrsch. (
oobd.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
etleich sint auf gestigen an der laitter der natürleichen vernumfte üncz an die lewff der planeten und gestirne als astronomi.
Wedler, W. Burley. Liber
6v
(
moobd.
,
v. 1452
):
ich hab gesehen hanen, vaselhüennr, stiglitz, antvogl, syttich, die habent naturlich schon claider.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
3, 12
(
tir.
,
1464
):
mit ir natürleichen hicz ist si [sunn] grünen vnd fruchper machen alle frücht.
Piirainen, Stadtr. Kremnitz
19
(
mslow. inseldt.
,
1492
):
sol kein tail daß wasser temnen auff das ander, Sunder ma(n) sol ÿm sein naturlich(e)n flus lass(e)nn.
Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
1292
;
Neumann, a. a. O.
400
;
4957
;
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
67r, 34
;
M. Cunitia. a. a. O. ;
Plant u. a., Main. Naturl.
294ra, 22
;
Baptist-Hlawatsch, a. a. O.
1563
;
Reithmeier, B. v. Chiemsee ;
Bauer u. a., Kunstk. Rud.
1271
;
1843
;
Schmitt, Ordo rerum
330, 14
;
Vgl. ferner s. v.
1
 5, ,
1
 1, ,  9,  4, .
2.
›sich wissenschaftlich erkennend oder handlungsintentional (z. B. mit moralischer oder magischer Absicht) auf die Bezugsgegenstände beziehend, die (vor allem) unter
natur
1,
natürlich
1 umrissen sind‹; meist von Weltweisen / Philosophen (im engeren Sinne), aber auch von Astronomen, Astrologen, Geschichtsschreibern, Magiern, Moralphilosophen, Metaphysikern, Mathematikern bzw. deren Wissenschaften oder Tätigkeitsfeldern gesagt (folglich mit Verschiebung der Bezugsgröße: vom
natürlichen
Gegenstand auf dessen Erforschung o.ä.); die unter Synt. angegebenen Verbindungen tendieren zur Phrasematisierung.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Syntagmen:
der natürliche historienschreiber / künstler / meister
(oft)
/ wisser, die natürliche astrologei, kunst
(oft),
erkantnis / verstandnis / weisheit
.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Der hoͤhst vnder den maistern, der von natuͥrlichen kuͥnsten ie gesprach, der nemmet dis abgeschaiden gaist vnd sprichet, das si enkainer ding form sien, vnd si nemend ir wesen sunder mittel von got usfliessend.
Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
9, 25
(
Frankf./M.
1568
):
Hiervon zu lesen findet man bey allen erfahrnen natuͤrlichen Historien schreibern.
Opitz. Poeterey
15, 14
(
Breslau
1624
):
Die Druiden pflegten vber die Natuͤrliche Wissenschaft auch von gueten sitten zue vnterrichten.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
137
(
Nürnb.
1517
):
Unsere voreltern, [...], haben die kunst geteilt in die natürlichen, sitlichen und vernunftlichen
(Anm. der Hrsg.: „(Meta)physik, Ethik, Logik“).
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Die alten naturlichen meister giengen dien natúrlichen dingen nach allein in der wise, als sú sint in ir natúrlichen sachen.
Waz wúrkent denne die weslichen, natúrlichen
[dies zu 1]
sachen, von dien die natúrlichen meister schribent?
Dreckmann, H. Mair. Troja
15, 20
(
oschwäb.
,
1393
):
also gelert, daz siu nu ain gantziu maistrin waz der natürlichen kunst, und sunderlich waz si gelert, [...], in der mathematica, daz ist mit der zauberlichen kunst.
Maaler (
Zürich
1561
):
Natürlicher / Ein geleerter vnd verstendiger der natürlichen dingen. Physicus. Natürlicher meister / Der von natürlichen hendlen redt. Physiologus.
Heydn. maister
2r, 20
(
Augsb.
1490
):
von dem gemainen nucz vnd natürliche͂ dingen ist er [Tales] worden ein erfünder der natürlichen astrologeÿ.
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
53, 1
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
Als in der naturleichen weishait, die genant ist phylosophia, all ruͤrung vnd werich wernt gewoͤndleich zügeaigent dem vodristen wesen ains iegleichen dinges [...] – als nidervallen dem stain.
Ebd.
85, 45
:
Aus den ist gewesen Seneca vnd ander naturleiche maister der sitte, die da die lewt manten vnd lernten, recht vnd ersamchleich ze leben.
Bauer, Imitatio Haller
69, 21
(
tir.
,
1466
):
das du kchünnest die gancz wibl aussen vnd alle geschrifft der natürleichen maister, was ist dir das nucz an die lieb vnd genad gottes?
Schade, Sat. u. Pasqu. ; ;
Jostes, Eckhart
40, 24
;
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
26, 20
;
Bihlmeyer, a. a. O. ;
Hohmann, a. a. O.
83, 15
;
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
561
;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. ; ;
Schmitt, Ordo rerum
139, 19
;
Vgl. ferner s. v. , .
3.
›göttlich, Gott wesenhaft zukommend, ihm von seiner Seinsweise her eigen, entsprechend‹; meist im mystischen Sinne auf die Einheit der drei göttlichen Personen sowie dieser mit den Menschen bezogen;
vgl.  2.
Texte der Sinnwelt ,Religion‘.
Bedeutungsverwandte:
; vgl.  1.

Belegblock:

Luther, WA (
1537
/
8
):
bleibet Christus nicht warer, natuͤrlicher GOTT, von Vater in ewigkeit geboren, und Schoͤpffer aller Creaturn, so sind wir verloren.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Dâ der vater gebirt sînen sun, dâ gibet er im allez, daz er hât wesenlîche und natiurlîche. In dem gebenne quillet ûz der heilige geist.
in der ewiger gebürt muͦß nit meer dann ein sun sein / Want in gott ist nit dann einn natürlicher vrsprung / dar auch nit dan ein natürlich ausflüß des suns ist.
Got hât allen sînen lust in der geburt, und dar umbe gebirt er sînen sun in uns, daz wir allen unsern lust dar inne haben und wir den selben natiurlîchen sun mit im gebern.
Ders., Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Nû ist gotes natiurlîchiu eigen stat einicheit und lûterkeit.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 383, 8
(
Hagenau
1534
):
Gottes rechtes naturlichs werck ist / seligen / helffen / radten / troͤsten / und leben geben.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
1220
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
so wirdet er [der nam ›got‹] naturleich vnd wesenleich niem geaygent denn dem waren got.
Asmussen, Buch d. 7 Grade
1418
;
Vetter, Pred. Taulers ;
Päpke, Marienl. Wernher .
4.
›dem Menschen, seinen Haltungen und Kräften von Natur aus eigen‹, insofern ›als Faktum anzuerkennen‹, teils in einen weiteren, vom Menschen her bemessenen und dann oft negativ beurteilten Rahmen gestellt, damit offen zu 5; als Spezialisierung zu 1 stellbar; vgl.  4 (neutrale Nuance), auch 6.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Phraseme:
natürlicher son
›unehelicher Sohn‹.
Syntagmen:
(etw.) n. angeboren (sein), das verstehen der menschlichen natur n. sein
;
die toten
(nicht)
n. zu leben kommen, j. n. etw. zu erfaren geneigt sein
;
n. lange leben
;
der natürliche gebrauch (der weiber) / schlaf / tod, die natürliche art / kraft / mutter / regung / schickung / sipschaft / vernunft, das ntürliche beispiel / begeren
;
die natürlichen geiste / kräfte / tränen
.

Belegblock:

Luther, WA (
1521
):
alles, was Christus ist und yn yhm uns gegeben ist, das ist (wenn du uns und unßer naturliche kreffte ansihest) unnoͤttig, umbsonst und vergebens geschehen [...]. [...] ßo verleucken sie Christum tzwyr, yn dem, das sie unßere naturliche kreffte ßo hoch erheben.
Ebd. (
1526
):
Jch werde verlassen das zeitliche, synliche, natuͤrliche, sterbliche leben.
Küther, UB Frauensee
186, 11
(
thür.
,
1403
):
Wann alle geschicht und werke die in der zciit geschien von gebrechlikeit naturlichir schickunge unstete vorgenklich und vorgeßlich sint, so [...].
Opitz. Poeterey
54, 2
(
Breslau
1624
):
Wo diese natuͤrliche regung ist / welche Plato einen Goͤttlichen furor nennet / zum vnterscheide des aberwitzes.
Voc. Teut.-Lat.
x iijr
(
Nürnb.
1482
):
Naturlichkrafft naturlichtugent. virtus naturalis.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 493
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Dise naturlichen trehenen saßent vnd kuͤlent des menschen muͦt.
Sudhoff, Paracelsus (o. O. o. J.):
mit alraun wurzel, papavere und seiner wurzel, die machen einen guten natürlichen schlaf.
Adrian, Saelden Hort
7714
(
alem.
, Hss.
E. 14.
/
15. Jh.
):
Marten so we ze muͦt wart | von naturlicher art | das si vil nach gevallen was | in unmaht.
Jörg, Salat. Reformationschr.
73, 14
(
halem.
,
1534
/
5
):
als dann der mentsch natürlich nüw ding ze erfaren geneigt jst.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
80, 28
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
ein solichü kunst dü sezzet man in Christo nach teile des lichtes des wirkenden verstans, daz da natürliche ist der menschlicher naturen.
Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
50, 30
(
noobd.
,
1347
/
50
):
deu natuͤrleich vernunft hebt den kunstigen tak an, so deu sunne aufget.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
1368
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
Wann als chain hoffenung ist daz die toten naturleich wider czu leben chomen.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
24, 6
(
tir.
,
1464
):
Welt ir nicht gedenkhen, das ir den leichennam zerstört vor der zeit des natürleichen todes.
Ebd.
46, 6
:
Ein idleiches ding das ist natürleichen pegëren seines geleichen.
Mathesius, Passionale ;
Wackernell, Adt. Passionssp. St. II,
2231
;
Sappler, H. Kaufringer
28, 98
.
Vgl. ferner s. v.
1
 1,  12.
5.
›dem Menschen und seinen Kräften von Natur aus eigen‹; im Unterschied zu 4 mit stärker religiös motivierter negativierender Abtönung in Richtung auf ›sündhaft, überheblich, hochmütig‹ (im Orientierungsfeld mit , ,  4, , stehend); textliches Kennzeichen des Gebrauchs ist eine neutrale Formulierung (z. B.
natürliche vernunft
) mit folgender, sprachlich variant ausgedrückter Abstufung gegenüber einer angenommenen höherwertigen Qualität;
vgl.  4.
Texte der Sinnwelt ,Religion‘.
Bedeutungsverwandte:
 6, (Adj.) 27, ,  3,  1,  14,  123,  1, .
Gegensätze:
 12,  123.
Syntagmen:
die bosheit n. sein
;
das fleisch n. essen
(objektbezogenes präd. Attr.);
der natürliche brauch / leib / lust / mensch / sin / wille, die natürliche bescheidenheit / bosheit / kraft / krankheit / minne / müglichkeit / neiglichkeit / neigung / vernunft / weise / wiederbiegung, das natürliche liecht
.

Belegblock:

Luther, WA (
1537
):
den das naturliche ubel und ungluck, so da heisset Uberdrus (das einer eines dienges balde mude, sath und uberdrussig wirt) bleibet nicht aussen.
Pfefferl, Weigel. Gn. S. 
53, 6
(
um 1571
, Hs.
1615
):
Disen geist der welt nent der apostl den Natierlichen Menschen, vnd ob schon Adam auß den Natierlichen vnd vber Natierlichen ist zusammen gesezt vnd in das Parateis gestelt, dennoch durch seinen vngehorsam, ist er ganz Natierlich zu Rechnen vnd so lang fur einen Natierlichen menschen zue achten biß er wider durch die gnade trete.
Ders., Weigel. Ges.
16, 28
(
Hamburg
1646
):
diese Naturliche lustige widerbigung, auf sich selbst heißet vngehorsam, Sünde, Apfelbis, schlangensamen, vnglauben.
Ebd.
21, 25
:
dieweil sie [Creatur] durch natürliche widerbiegung zu ihr selbst kehret, spricht diese Schlange Iß dauon, so wirstu auch sein wie Gott.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
heidenischer meister wort, [...], die niht enbekanten dan in einem natiurlîchen
[im Unterschied zu einem
höheren
]
liehte.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 2169
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Dirre mensche, der alsus in blosser naturlicher minnen lebet, der besizet alsus sich selben vngelassen in eiginschaft.
Schmidt, Rud. v. Biberach
42, 23
(
whalem.
,
1345
/
60
):
Wie mag dvͥ natuͥrlich vernuͥnft das meditieren leren himelscher sache, so si sich selben nvͥt enmag guͤtennen an in geistunge goͤtliches geistes.
Ebd.
111, 1
:
Herre, man sol dich suͦchen mit emziger erbeit [...] verwerfende abergloͧb natúrlicher vernúnft.
Steer, Schol. Gnadenl.
1, 40
(
noschweiz.
,
15. Jh.
):
das en mag doch nit volbraͮcht werden vss diner naturlicher kraft, me dú kraft vnd gnaͮd gottes wúrket es durch dich.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
22, 2
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
Ir geburt dü ist böse, unde ir bosheit ist natürlich.
Andreae. Ber. Nachtmal
75r, 9
([
Augsb.
]
1557
):
Der Herr Christus rede von seine͂ flaisch welches natürlich / leiblich / oder flaischlich geessen / nicht nutze: aber [...].
Quint, a. a. O. ;
Sermon Thauleri
3ra, 15
;
Eichler, a. a. O.
2, 2137
;
Vetter, Pred. Taulers ; ;
Strauch, Schürebrand ; ;
Schmidt, a. a. O.
57, 29
;
77, 2
;
Rieder, St. Georg. Pred. ;
Rieder, Gottesfr. ;
Bauer, Imitatio Haller
103, 22
.
Vgl. ferner s. v. ,  5,  1,  2,  2,  8.
6.
›dem Menschen und seinen Kräften eigen‹, im Unterschied zu 4 und 5 aber: ›ihn erhebend, ihn zur Liebe und Erkenntnis Gottes (auch: zu Werken) befähigend und treibend‹; in 1 Beleg (s. u.
Pyritz
) als von
got gegeben
auf
minne
bezogen;
vgl.  5.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
daz diu sêle in ir hât natiurlîche alle kunst; dar umbe enbedarf si niht von ûzen die kunst in sich ziehen, sunder von der üebunge uzer kunst sô wirt diu kunst offenbâr, diu in der sêle ist natiurlîche verborgen.
Strauch, Par. anime int.
10, 17
(
thür.
,
14. Jh.
):
daz der mensche von naturen da zu gemachit ist daz he Got bekenne und minne [...], und daz ume daz naturlich si.
Ebd.
99, 27
:
[Augustinus] sprichit daz ez lige in den werkin naturliche und vollincumeliche.
Ebd.
121, 2
:
wan dan Got di minne ist, so gibit he sich alzumale. des hait di sele ein naturlich bilde in ir, daz si ist in allin gelidin und in eime iclichin alzumale.
Pyritz, Minneburg
4378
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
[Got] hat die mynne dann gegeben | Naturlich zu dez menschen leben, | [...] | Dar nach als der natur zil | dem menschen ist gesetzet.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
11, 72
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
und [wir] sein gefallen in die hend der schecher und verwundet in den naturlichen, berawbt der gab der genaden.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 117
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
oͮch het der mensche ein naturlich grunt neigen zuͦ gotte úber mitz den funken der selen vnd die oberste rede, die alsus begert daz guͦte vnd hasset daz boͤse.
Ders., Ruusbr. steen
394
(
els.
,
sp. 14. Jh.
):
dise vorhte kv̈met vs natúrlicher neigunge, die ein igelich mensche in ime het selig zvͦ sinde, daz ist got zvͦ schowende.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1559
):
das si iren natúrlichen adel alsus verkert hant und mit so italen affenheiten als unmessig guͦt versumet hant.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs.
um 1474
):
Zü gleicher weyß naturlichen leben ist got erkennen in allen sachen.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
1038
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
wann sein natürleiche gerechtichait nottet in des, daz er sich dem ganczen geb von dem er sich ganczen hat.
Klein, Oswald
22, 154
(
oobd.
,
1422
):
Doch hat der mensch ain adel | von got, natürlich brait.
Quint, a. a. O. .
Vgl. ferner s. v. (V.) 1.
7.
›dem menschlichen Körper natürlicherweise eigen; zum Körper gehörig, mit Körperlichkeit verbunden, leiblich‹; in den Verbindungen von
natürlich
7 mit Verwandtschaftssubstantiven wie
kind, vater
(usw.) differenziert sich der Gebrauch in ›ehelich, rechtlich‹ und ›nicht ehelich, leiblich‹; s. dazu die u. a. bedeutungsverwandten Ausdrücke und die Syntagmen;
vgl.  6.
Syntagmen:
jn. n. beschlafen, mit einem weibe n. zu schaffen haben, das ehebrechen, die unkeuschheit ein natürlich ding sein
; ˹
ein kind n. geboren werden, j. n
. ›körperlich‹
nicht krank sein
˺ (jeweils subjektbez. präd. Attr.),
der natürliche vater
(eherechtlich verstanden) sowie ›Vater eines unehelichen Kindes‹
/ bruder / son / sipfreund, der natürliche gang / ausgang / leib / same
›Sperma‹
/ stulgang / tod, die natürliche
(›eheliche‹)
tochter / art / bewegung (der frauen)
›Menstruation‹,
das natürliche kind
›ehelich geborenes Kind‹ (dazu bdv.: ,  1, , Adj., 6) bzw. ›außerehelich geboren‹ (dazu bdv.:  6,  4, , Adj., 6, ; als Subst.:
bankard, liebkind
),
das natürliche band
›Schwangerschaft‹ (a. 1426/40; ),
das natürliche auge / gesicht
›Sehvermögen‹
/ exkrement, die natürlichen eltern / kräfte
›Körperkräfte‹.

Belegblock:

Luther, WA (
1537
):
wie wol er [Bapst] doch ein grosses hurkind beruͤchtigt war, seiner eigen schwester natuͤrlicher son.
das Bapst und Cardinal ja nicht unter sich den ehestand leiden, auch keines natuͤrlichen brauchs der weiber achten, Sondern sich vleisig uben [...] jnn der Bepstlichen und Cardinalisschen keuscheit.
Ders. Hl. Schrifft.
Mt. 15, 17
(
Wittenb.
1545
):
was zum munde eingehet / das gehet in den Bauch / vnd wird durch den natürlichen Gang
[M.
Beheim
1343:
hindergang
;
Lang
1521:
stvlgang
; nd. Bibel 1478:
vthdowinge
]
ausgeworffen.
J. W. von Cube. Hortus
90, 22
(
Mainz
1485
):
wer hanff samen zuͦ vil nutzet mit namen die menner den wirt ir natuerlich samen verdrunget genant sperma.
Köbler, Ref. Wormbs
217, 21
(
Worms
1499
):
NAtürlich oder lieb kinder sind die von einer Concubin die sich zu eine͂ ledige͂ Man allein in synem huss helt. geborn werden.
Ebd.
218, 26
:
Aber von denen die soͤlicher natürlicher kinder vatter oder muͦtter in der zwerch linien gesipt sind erben die natürlichen oder liebkinder nit.
Ders., Stattr. Fryburg (
Basel
1520
):
vnd woͤllen / das die natürlichen sipfründ / [...] / deß erbs nit teilhafftig sin moͤge͂.
der naturlichen ledigen kind halb setzen vnd ordnen wir ongerirrt / ob die geschribnen recht dawider sin moͤchten / Ob es sach were / das [...] / so volgt denselben ledigen kinden der dritteil von sinem guͦt.
Franz u. a., Qu. hess. Ref.
4, 106, 46
(
hess.
,
1536
/
7
):
Wenn die sehen, das ain glied am naturlichen leib schadhaft wirt [...], so schneidt er das bose gelid vom leib.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
119, 39
(
thür.
,
1474
):
daz die vorscheydene frouwe alle yre nachgelaßene guttere, [...] gefellet (hat) uff Hassen Roder unde Sigemunt von Filczsch elich husfrouwen, dy danne beyde yre naturlichin, liplichin kinder gewest sint.
Voc. Teut.-Lat.
x iijr
(
Nürnb.
1482
):
Naturliche bewegung der fraue͂ mliebria .i. me͂strua mulierum.
Gille u. a., M. Beheim
69, 106
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
die naturlichen augen | Des leibes hand ir lichte.
Ott-Voigtländer, Rezeptar
216r, 24
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1400
˺):
Wer dis [...] behaltet, der behept sin / naturlich gesunthait.
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
das er [Nectanebus] kam heimelich zuͦ der künigin in ir kammer [...], und beslief sü natürliche also dicke er wolte, und wonde sü, es were der got Hamon.
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
auß Fliessung des natürlichen somens.
Sudhoff, Paracelsus (
1525
/
6
):
etwan der arsdarm verfellet wird, und also mangels halben der natürlich ausgang von dem wust verlegt wird.
Argovia (
halem.
, Hs.
A. 16. Jh.
):
[soll] als denn soliches kind, sovil den erbval [...] betrift, für ein rechtess natürlichess ehehind gehalten werden.
Morrall, Mandev. Reiseb.
13, 7
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
Ouch sprechent sie daz ebrechen und unkúschhait nit kain tod súnd sy, wann es sy ain natúrlich ding.
Eschenloher. Medicus (
Augsb.
1678
):
welchem einsmal ein so grosser defect vnd Abgang seines natuͤrlichen Gesichts zugestanden / daß er daran gantz erblindet.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
der waltesel læzt seinen mist von nâtürleicher art wenne in die jaghund jagent.
Steer, K. v. Megenberg. Sel
182
(Hs. ˹
moobd.
,
1411
˺):
Die sel ist endelechia, das ist ein anvankch der werkch oder die erst wurchung vnd volpringung des natürleichen leibs.
Loesch, Kölner Zunfturk.
4, 460, 8
;
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
70, 32
;
Wattenbach, Urk. Czarnowanz ;
Goedeke u. a., Liederb. ;
Eschenloher. a. a. O. ;
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
86, 14
;
Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib.
1989, 208
.
Vgl. ferner s. v. , , (Adj.) 14,  5,  1.
8.
›der ,natürlich‘ gedachten inneren Logik (meist:) sozialer, teils auch religiös bestimmter Tatbestände entsprechend, in sich stimmig, einer sozialen Gesetzmäßigkeit unterliegend; zweckentsprechend; rechtmäßig, recht, gerecht, der Tradition gemäß‹; als Ütr. von
natürlich
1 auffaßbar; die Belege zu
natürliches recht
auch zu 1 stellbar; vgl. ansonsten
natur
8.
Syntagmen:
es ist n., das [...]
;
das recht n. fliessen
;
der natürliche brauch / erbe
(mehrmals)
/ herre / vogt, die natürliche art (der sprache) / billichkeit / gewonheit / kunst / treue / tugend / vernunft, das natürliche gebot / gesez / handwerk / recht
(oft).

Belegblock:

Pfefferl, Weigel. Ges.
29, 27
(
Hamburg
1646
):
so saget Christus das das Naturliche geseze vnd Gottliche geseze ein ding sey.
Chron. Köln (
Köln
1499
):
dat Lamechs kind’ hauen eyrst vonde vn erdaicht die natuerlich vn wercklich kunste off hatwerck.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Ein guter Hammer one stiel, | Ein guter Zimmerman on Biel, | [...] | Ist alls wider Natuͤrlich art.
v. Keller, Amadis (
Frankf.
1571
):
welche [zeit] zu erhaltung vnd erfahrung der puren vnd Natürlichen art vnd wort einer sprach, gebraucht wirdt.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
22, 13
(
omd.
,
1487
):
wer sich vom andern teÿltt vnd su̇ndertt [...] ist kein rechter naturlicher fru̇nt.
Asmussen, Buch d. 7 Grade
1206
(
nobd.
, Hs.
A. 15. Jh.
):
piß
[durch das Aufsteigen zu Gott in
graden
]
der andoht ain sicherheit | wirt naturlich gewonheit.
Dinklage, Frk. Bauernweist.
20, 14
(
nobd.
,
1466
):
das die wirdigen herren dechant und capittel des stifts zu Oringewe uber das obberurt dorf Elnhofen rechte naturliche herren und vögte sein.
Reichert, Gesamtausl. Messe
96, 4
(
Nürnb.
um 1480
):
Die gelaubten und sprachen, das des menschen selikeit leg in den natuerlichen tugenden, als in schoene, stercke, reichtum.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
Dis lieht sol berihten mit sime liehte die natúrlichen tugende, sú sint demuͤtikeit, senftmuͤtekeit, miltekeit, bamhertzikeit, stillekeit, und diser glich das natúrliche tugende sint, ebe die uz Gotte geborn sint.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 4, 31
(
Hagenau
1534
):
Die Heyden haben yhr naturlich recht ynn drey ding gefasset / Das erste / ist erbarklich leben / Das ander / niemand beschedigen / Das dritte / einem yeden geben unnd thun / was yhm von recht geburet.
Köbler, Stattr. Fryburg (
Basel
1520
):
doch das den andern kinden dannocht ir naturlicher pflichtteil genant legittima [...] nit abgesprochen werd.
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 336, 33
(
schwäb.
,
1603
):
es soll auch also der fridpott halben gehalten werden. nachdem das nattirlich recht will.
Rot
331
(
Augsb.
1571
):
Naturalis obligatio. Natürliche verpuͤndung /Jst / die nit auß den rechten / sonder natürlichen / billigkeyt halben krafft hat.
Klein, Oswald
112, 230
(
oobd.
,
1438
):
und [der keiser] ist doch aller recht ain brunn, | darauss si
[
recht
, Pl.]
fliessen ganz gerecht / in alle land natürlich slecht.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
er sollt stellen nach dem kunigreich Neapolis, darzu wer er ein rechter, naturlicher erb.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
das man [...] dieselben [...] nach dem willen und bevelch gottes, auch ausweisen des natürlichen rechts straffet.
Bauer, Imitatio Haller
47, 31
(
tir.
,
1466
):
Wand das ist natürleichen, das ain idleicher mensch gern frid hat.
Dies., Haller. Hieronymus-Br. (
tir.
,
1464
):
Das natürleich gepot das gepeütet, alles das wir von den andern menschen pegëren sein, das süll wir auch den andern menschen thun.
Köbler, a. a. O. ;
Roder, Hugs Vill. Chron. ;
Dreckmann, H. Mair. Troja
44, 28
;
Müller, Nördl. Stadtr. ;
Andreae. Ber. Nachtmal
270, 17
;
Grossmann, a. a. O. ;
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. .
Vgl. ferner s. v. ,  8,  3.
9.
s.  9.