list,
der
;
-(e)s/-e
,
vereinzelt
die
.
1.
›gestaltende Fähigkeit, Fertigkeit, Geschicklichkeit vor allem in den Handwerken (Schmiedehandwerk, Weberei, Baukunst), auch in der Kriegskunst, Rhetorik und Alchemie‹; oft mit Bezug auf religiöse Glaubensinhalte, dann: ›Schöpfungsgeheimnis, -kraft Gottes‹.
Älteres und mittleres Frnhd.; Verstexte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
 1; vgl.  8,  2.
Syntagmen:
l. schenken, einen l. betrachten / finden / suchen, liste können, jm. einen l. geben
;
mit listen fechten, etw. mit list(en) bauen / machen / malen / überklügen / weben / wirken, von der l. des heiligen geistes empfangen werden, mit l. geworcht sein, auf den l. lausen
;
des heiligen geistes / schmiedes / friedes, der naturen l
.;
der gütliche / kluge / reiche / spähe l.

Belegblock:

Mone, Adt. Schausp. (Hs. ˹
omd.
,
1391
˺):
Jhesu Crist, | der von dez heilgen geistes list | uff erden hy
e
onphangen wart.
Jahr, H. v. Mügeln
1436
(
omd.
, Hs.
1463
):
ich wil beslißen nu, | das tugnde fluß von gotte ist | und nicht uß der Naturen list.
v. Groote, Muskatblut (
nobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
Maria meit gotlicher list | zuͦ dir han ich den glauben | daz du dochter vnd muͦter bist.
Stackmann u. a., Frauenlob
3, 8
(Hs. ˹
nobd.
,
3. V. 15. Jh.
˺):
In ir schoz bant sie [zwar] die himel alle, | siben planeten dienten ir mit schalle, | er barg sich schone unter ir brust, | daz was des alten listes.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
din [du, geminter] munt, der da waz ein schuͦl aller tugent und kuͤnsten, uss dem er schankte alle kunst und liste.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Ir
[Maria]
ober brawen, sere kluͦg, | Als sú mit listen wærind gar | Gemalet an ain bilde dar.
Martin, H. v. Sachsenh. Tempel
314
(
schwäb.
,
1455
):
Als ers zuosamen fuegt, | Mitt listen überkluegt, | In hohen künsten fry.
Ebd.
635
:
Als dort der tempel wart | Gebüwen hoch und zart, | Mit lysten manigvald.
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Dar ob mit reichen listen | Ein token chlar von perlein vein.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
39, 55
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
sunder istikleicher christ | mit seinem leichnam pure | lauset ganz auf spahen list | in kurzer klausure.
Weber, Füetrer. Poyt.
261, 6
(
moobd.
,
1478
/
84
):
Poytislier alls mit lissten vacht, | kunnd im aus seinen schlegen schwär wol sprinngen.
Helm, H. v. Hesler. Apok. ;
Fischer, Brun v. Schoneb. ;
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
6383
;
Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
2238
;
Jahr, a. a. O.
1994
Mone, a. a. O. ;
Lindqvist, K. v. Helmsd.
1897
;
Klein, Oswald
12, 44
.
Vgl. ferner s. v. , ,  1,  2, .
2.
›Weisheit Gottes; Erkenntnis, kluge Einsicht, Aufmerksamkeit des Menschen‹.
Älteres und mittleres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
, , .
Syntagmen:
die l. verbergen, jm. l. verleihen, seine l. an got keren
;
der l
. (Subj.)
etw. bekennen / erdenken
;
dem l. etw. verborgen sein
;
der l. von
›über‹
got
;
des menschen / herzen l
.;
der geistliche / hohe / irdische l.
Wortbildungen:
listenreich
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Dar bi kere dine list | An den Got der immer ist.
Got in des wil gunnen | Daz sie von geistlicher list | Wizzen mugen waz Got ist.
Thiele, Minner. II,
24, 1
(Hs. ˹
md.
/
rhein.
,
1. V. 15. Jh.
˺):
So ho of ouch soe listen rych | de wuͦnde in heyl dier gelych.
Mone, Adt. Schausp. (Hs. ˹
omd.
,
1391
˺):
der suße (vater) Jhesu Crist, | daz her uns mit siner list | behutet (uns) vor der ewigen not.
Pyritz, Minneburg
4890
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Daz er [Got] verrer schoner ist, | Dann kan derdenken keins menschen list.
Gille u. a., M. Beheim
76, 2
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Du parmhercziger Jesu Crist, | verleich mir weishait, syn und list.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs. ˹
Basel
,
1440
˺):
das du [vatter] die list an geistlichen hoͤubtern verborgen hast [...], und hast es geoffenet den cleinen.
Brett-Evans, Bonaventuras Leg. S. Francisci
57, 65, 33
(
önalem.
,
v. 1478
):
das er nùt dar hette gesetzet noch sin selbes listen, wen das er die
[Ordensregel]
alle hette geduͦn schriben, als jm von gott was erofnet.
Österley, Steinhöwels Äsop (
Ulm
1474
/
82
):
List. Was der mensch nit mit krefften überkomen mag, das tuo er listig mit syner vernunfft.
Helm, a. a. O. ;
Jahr, H. v. Mügeln
14
;
841
;
Pyritz, a. a. O.
4822
;
Klein, Oswald
1, 5
.
3.
›Gewitztheit, Einfallsreichtum als Haltung; einzelner gewitzter Einfall, Plan, geschickte Maßnahme zur Bewältigung einer Aufgabe, zur Ausführung eines Planes; List, Trick, witzige Maßnahme zum Teil moralisch bedenklicher Art zur Erreichung eines Zieles; gewitzte Einzeltat (bezogen auf Bereiche wie Erotik, Possen, militärische Zwänge u. a.)‹; einerseits an 1, andererseits an 4 anschließbar; im Unterschied zu 1 und 2 keine religiösen Konnotationen.
Phraseme:
listles mit jm. spielen
›jn. austricksen‹;
list gegen list brauchen
;
ane / sonder list
(Verwahrformel).
Bedeutungsverwandte:
 45,  3,  2,  2,  2, ; vgl.  2,  2.
Syntagmen:
eine(n) l. erdenken / finden / können / wissen
;
j. der liste vol sein
;
l
. (Subj.)
kraft, kein ende haben, nicht verlangen, nicht zu etw. helfen
;
sich eines listes besinnen / brauchen
;
sich mit listen lösen / weren, mit listen nach etw. ringen, jm. mit listen einen possen reissen, die stat mit listen gewinnen, etw. mit l. erforschen, jn. mit listen
[wohin]
bringen, etw. aus l. ersinnen, jm. durch l. das leben fristen
;
der frauen / weiber
(mehrfach) /
menschen, des weines l.
›Wirkung‹;
der geschwinde / grosse / kluge / neue / spähe l.
Wortbildungen:
listweise
›schlau‹ (um 1476).

Belegblock:

Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe (
Wolfenb.
1593
):
So wisset jhr doch selber wol, das der Weiber list kein ende habe.
Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
List vnd Gluͤck haben grosse Krafft.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
noch schreib ein meister sundir list: | [...].
v. Tscharner, Md. Marco Polo
42, 6
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
do was keyn der Tartirn der do kunde vindin di list wy man di stat gewunne.
Sachs (
Nürnb.
1552
):
Sie wird deß listles mit ihm [juncker] spielen.
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
List gegen list brauchen. Vulpinari cu͂ uulpe.
Ukena, St. Jörg
138
(
oschwäb.
/
tir.
,
1486
/
n. 1520
):
Wir miessen erdencken ainen list | Das wir fristen vnser leben.
Sappler, H. Kaufringer
7, 395
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
Mit der red ich das nun preis, | das die frawen sind so weis | und der cluogen list als vol.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
daz man in [walvisch] mit kains menschen künsten noch listen gevâhen mag.
Klein, Oswald
117, 46
(
oobd.
,
n. 1438
):
Also hört ir des weines list, | daran ich nicht vil loben mag, wie gut er ist.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
striten sy paid sunder waffen nur mit stainen, wann Rueland muest sich nur mit listen und wencken weren.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
521, 7
(
moobd.
,
1473
/
8
):
so well wir ew͂ wol raten, | wie ir Troya dy statt gewinnet mit listen.
Quint, Eckharts Pred. ;
Lichtenstein, Lindener. Rastb.
7
;
Opitz. Poeterey
42, 26
;
Goedeke, P. Gengenb. ;
v. Keller, Ayrer. Dramen ;
Karnein, Salm. u. Morolf
241, 3
;
Bihlmeyer, Seuse ;
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. ;
Adomatis u. a., J. Murer. Bab.
205
;
Barack, Zim. Chron. ;
Weber, Füetrer. Poyt.
37, 7
;
254, 7
;
Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb.
1991, 376
.
Vgl. ferner s. v.  7.
4.
›Arglist, Tücke, Hinterhältigkeit als Haltung wie auch aus der Haltung hervorgehende heimtückische Handlung‹; speziell (dicht belegt): ›Bosheit, Betrug, Täuschung (generell sowie als Verführungskunst und Handlungsweise des Teufels‹).
Phraseme:
ane (alle) list
(Verwahrformel).
Gegensätze:
(
das
7.
Syntagmen:
einen l. auskünden / brauchen / (er)suchen / finden, l. zu triegen haben, js.
(z. B.
des teufels
)
l. überwinden
;
der l
. (Subj.)
jn.
(!)
nicht helfen, l. js. rüstung sein
;
die könige vol l. sein
;
mit l. [wol] wandeln, mit list(en) abgerürt / gerüstet sein, etw. mit l. an sich bringen, vieh mit listen inhalten, sich mit listen beraten, jn. mit list(en) fangen / hintergehen / betriegen, jm. etw. mit list abdingen
(z. B.
das gesinde
)
/ abspannen
(z. B.
das pferd, den garten
) /
ablausen / abstreichen / entfremden, jm. mit listen beiwonen, nach dem erbe stehen, jn. durch l. umbringen, etw. für einen l. halten
;
der l. des hellehundes / satans / teufels / feindes / fuchses
;
der bose / betriegliche / falsche / schädliche / teuflische l.
;
der rat mit l., der drache mit seinen listen, die obrigkeit mit listen.
Wortbildungen:
listen
›listig handeln‹,
listige
(
die
).

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
[der tûvil] irsûchete manche list | ûz tûvilischim sinne, | wî er an dem beginne | den gotishelt vorirrete.
Luther, WA (
1528
/
29
):
gros macht und viel list | sein
[
feind
]
grausam ruͤstung ist.
Schöpper (
Dortm.
1550
):
Fallacia, seu dolus. List betrug auffsatz trug argduͤck hinderlist listigkeit tuͤcke truͤgnuß raͤnck triegerey geferd behendigkeit gescheidigkeit feinantz feinantzerey mouendeln hintergang.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
548, 1311
(
Magdeb.
1608
):
Der Han sagt / fuͤer des Fuchses list / Auff dem Balcken mein Schlaffstedt ist.
Stambaugh, Milichius. Zaubert.
12, 6
(
Frankf./M.
1563
):
Unter den listen und heymlichen practicken damit er [Teuffel] den menschen nachstellet / ist die Zauberey nit die geringste.
Jahr, H. v. Mügeln
1910
(
omd.
, Hs.
1463
):
daran der mensche [...] | [...] gefallen ist | in marter von tüfels list.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
28, 15
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
triegen, listen, smeichen, spinnen [...] kan si [weib] wol in einem augenblick.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Bautzen
1567
):
Das vns der boͤß kein schad zufuͤg, | Nach vns mit seinem list betruͤg.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
Die kunst was do er [Christus] des túfels list úberwant mit dem bitterlichesten schentlichesten tode.
Lemmer, Brant. Narrensch.
33, 78
(
Basel
1494
):
Die weltt steckt voll beschysß vnd lyst.
Schade, Sat. u. Pasqu. (
orhein.
,
1520
):
wann ein wolf ein geiß ankümbt, so brucht er solichen list, daß ers nit glich anfelt mit bißen, sunder [...].
Roloff, Brant. Tsp.
1443
(
Straßb.
1554
):
Darumb ist war das boͤße raht mit list | Dem Rahtgeb aller schandlichs ist.
Wyss, Luz. Ostersp.
5061
(
Luzern
1574
):
Vnd suͦchtend aber einen list, | Damitt sy Todtend Jesum Christ.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
Der allmechtig verleihe uns allen sein gnad, das wir seine [Satan] listige und strick beharrlichen entgeen mögen!
Eschenloher. Medicus (
Augsb.
1678
):
sonder hielten es [Gesicht] nur fuͤr ein Spiegelfechtung / List / vnd Betrug.
Wackernell, Adt. Passionssp. St 
1, 126, 4
, Var. B (
tir.
,
v. 1496
):
Die weill der pöse trügner | Mit seinem list und falscher ler | Thut in unsern gepiete wandln.
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
11791
;
Henschel u. a., Heidin
893
;
Gille u. a., M. Beheim
52a, 12
;
Franck, Klagbr.
221, 36
;
Goldammer, Paracelsus
2, 135, 25
;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Wyss, a. a. O.
3539
;
3, 93, 249
;
Barack, a. a. O. ;
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. ;
5.
mit Adjektivattribut oder (explikativem) Genitivattribut in der Weise gebraucht, daß das Adj. bzw. der Genitivausdruck die Bedeutung von
list
stark, teils bis zur Aufhebung (vgl. die Phraseme) überlagert; je nach Beleg an 1-4 anschließbar und insofern auch dort einordenbar.
Gehäuft Verstexte des älteren Frnhd.
Phraseme:
˹
sunder falsche list, ane arge(n) list
o. ä.˺, jeweils Verwahrformeln im Sinne von ›tatsächlich, ohne Zweifel‹;
mit solcher list
›auf solche Weise‹;
keine list
›nichts, keine Möglichkeit‹.
Syntagmen:
der arge / böse / falsche / schwache l
.;
der Juden l., des irtumes / sünders / todes l., der schlangen l.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
volle sete; Die teilet sich mit sulcher list | Daz der niemant hat gebrist.
irretumes list her brichet | Und scheidet uz die warheit | [...] | Von der irdachten lugene.
und sach dar bi keine list | Der menscheite zu einer gnist.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
daz si [Maria] al sundir valsche list | obir der engele kore gehoet ist.
Valli, Baldemann
367
(
rhfrk.
/
nobd.
,
um 1350
):
Und lost uns do uz bandin, | Do her was uff erstandin, | Do uns in braht der slangen list.
Gerhard, Hist. alde e
2707
(
omd.
,
um 1340
):
Din minster vinger ist | Turer, grozer, an arge list, | Wan dines vater rukke was.
Mone, Adt. Schausp. (Hs. ˹
omd.
,
1391
˺):
Crist, | der hat uns mit sines todes list | uns alle erlost.
der [Jhesu Crist] hat von der Juden list | dy marter geleden durch unser schulde.
Rennefahrt, Stadtr. Bern (
halem.
,
1384
):
[verziechen wir uͥns] aller buͥntnuͥsche, eytgnosschaft, geselleschaft, aller ander ufsetzen, arger listen, fuͥnden und usziechung.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
2365
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
Der wilend durch des súnders list | Begraben hie uff erden ist.
Klein, Oswald
9, 62
(
oobd.
,
1421
?):
ich wolt uns raten, | möcht wir aus disen swachen listen waten.
Jahr, H. v. Mügeln
2404
.