entstehen,
V., unr. abl.
– Sehr heterogenes Bedeutungsfeld; die einzelnen Bedeutungsansätze stehen teilweise in nur loser semantischer Verbindung zum Basisverb.
1.
›anfangen, beginnen; hervortreten, sichtbar werden‹ (meist von Ereignissen, die nicht im Einflussbereich Einzelner liegen); ›aufkommen‹ (z. B. vom Wind und anderen Wetterphänomenen); speziell: ›aufgehen, erscheinen‹ (von Himmelskörpern); auch ütr. auf abstrakte Bezugsgrößen; intrans.;
zu  4, vgl.  5.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
Dô daz bûwin was getân | und der wintir was intstân | sô daz [...].
Dô was in jâmerlîchir nôt | sô grôze clage intstandin | in beidin disen landin.
Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
1, 4
(
Frankf./M.
1568
):
Wo entsteht Jrrthumb vnd Ketzerey / | Daß ich [Bapst] das alls außreute frey.
Dünnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj.
7, 24
(
Frankf./M.
1626
):
Bey welcher Zusag vnd Verbindung ein maͤchtig groß Erdtbidem entstunde.
Ebd.
12, 17
:
so entstund [...] ein Zweyspalt vnnd Vneinigkeit vnter jhnen.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Wite als die sunne gat, | So sie zum ersten entstat.
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
146v, 17
(
Leipzig
1588
):
Jm Jahr Christi 999. ist [...] ein grosser Comet entstanden / hat am Himmel wie eine Fackel gebrennet.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
210
(
Nürnb.
1517
):
Auf das nun der außwendigen zungen halben kein mangel entstünde.
Rauwolf. Raiß ([
Lauingen
]
1582
):
Da wir nun 2 tag mit guͦtem Wind [...] gefahren [...] da entstuͤnd gleich am Freytag vmb die Mittenacht ain anderer [Wind].
Vgl. ferner s. v.  1,  7,  2,  7.
2.
›durch etw. (kausal, seltener final) ausgelöst, verursacht werden, aus etw. hervorgehen, seinen Ursprung in etw. haben‹ von Vorgängen, Bewegungen, Entwicklungen usw., auch von Krankheitsbildern u. Ä. gesagt); auch: ›etw. schaffen, hervorrufen‹ (in Verbindung mit
lassen
2); vereinzelt: ›aus einer Rechenoperation resultieren‹; trans.;
zu  4, vgl.  30.
Bedeutungsverwandte:
 5,  4, ; vgl.  2.
Syntagmen:
das reich e
.;
etw
. (Subj., z. B.
ein nachteil, eine beschädigung / freude / krankheit, die andacht / seligkeit
)
jm. / e. S. e., etw
. (Subj., z. B.
der glaube / irtum / krieg / kummer / schade, die feindschaft / schwindsucht, das ärgernis / feuer / gebrechen / gedränge / heil / sprichwort, die königreiche / unkosten
)
aus / von etw. e.,
im Einzelnen z. B.:
eine sünde aus der anderen, der glaube aus js. werken, versönung in gottes gebot, die hitze von der sonne, zwietracht zwischen jm. e
.

Belegblock:

Luther. Hl. Schrifft.
Dan. 8, 22
(
Wittenb.
1545
):
Das aber Vier an seiner stat stunden [...] bedeut / Das vier Königreiche aus dem Volck entstehen werden
[
Mentel
1466:
stend auff
, Var. 1475
2
-1518:
wachsen
;
Froschauer
1530 /
Dietenberger
1534 /
Eck
1537:
werden aufferstehen
].
Peil, Rollenhagen. Froschm.
647, 4403
(
Magdeb.
1608
):
DAraus entstund von des Volcks menge / | Ein so erbaͤrmlich gros gedrenge / | Das [...].
Köbler, Ref. Wormbs
326, 29
(
Worms
1499
):
daruss syner parthy mercklicher schad. abbruch. oder nachteil. entstanden were.
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
102, 14
(
Frankf.
1535
):
Bolus armenus trücknet das geschwer der lungenn / dauon dann entsteht die schwindsucht.
Österley, Kirchhof. Wendunmuth (
Frankf.
1563
):
Darauß ein sprichwort, daß ein neuwer artzt ein neuwen kirchhof haben muß, bey uns Teutschen entstanden ist.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Binnen des die riche gen, | Des himels Got let entsten | Ein ewic riche veste.
Thür. Chron.
6r, 1
(
Mühlh.
1599
):
sie [Buͤrger] drungen sich auch nicht vmb die Regierung [...] dadurch dann viel heimlicher Haß entstehet.
M. Cunitia. Ur. Prop. (
Öls
1650
):
von diesen gebuͤhren denen im rand uͤbrigen [...] auß der Tabel E 24′. 29″. der 1. mahl corrigirten Wurtz zu addiren / auff welcher addition entstehn 7°. 53′. 40″.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
118, 7
(
Nürnb.
1548
):
wie ein suͤnde auß der andern entstanden vnnd erfolget.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
8
):
Darauß
[Blitzschlag]
endstund ein Feur so groß, | Daß [...].
Schorer, Sprach-Verd.
26, 16
(
1643
):
Hieraus ist nun abzunehmen / was vor Vnheil aus stimpeley der Sprachen entstehen koͤnne.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
33, 19
(
mslow. inseldt.
,
1534
):
Auch der Vncośten, śo daraus entśtehen möcht.
Strauch, Par. anime int.
66, 8
;
Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm.
99, 806
;
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
15
;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Koller, Ref. Siegmunds ;
Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 25
.
Vgl. ferner s. v.  10,  1,
1
 1,  1, ,  27, (V.) 2,
1
 1, .
3.
›sich erheben, aufschwingen, aus einer Gruppe hervortreten, sich in eine führende Position bringen‹ (von Personen gesagt); als Ütr. zu 1 auffassbar;
zu  4, vgl.  24.
Texte religiösen Inhalts.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1,  7.

Belegblock:

Luther, WA (
1528
):
Ein solcher Prophet ist hynfort ynn Jsrael nicht entstanden.
Anderson u. a., Flugschrr.
26, 6, 23
(o. O. [
1522
]):
Nun hon ich [...] gelesen / daz die verfurer auß der priesterschafft entston werden.
Gerhard, Hist. alde e
973
(
omd.
,
um 1340
):
ein richter vri | Wirt in Israhel entsten, | Der di recht sol glich uzgen.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Er [kung] wirt crefteclich entsten, | Kuniclich an gewalde gen | Uber der gewaldigen schar.
An siner [des kunics] stat da entstet | Ein versmetis kungelin.
Klein, Oswald
27, 33
.
4.
›vom Tode auferstehen‹ (auf Christus, oft auch im Kontext der Eschatologie auf die christlichen Heilserwartungen und -hoffnungen bezogen);
zu  4, vgl.  24.
Texte der Sinnwelt ,Religion‘.
Bedeutungsverwandte:
 1; vgl.  2,  1,  5.
Wortbildungen
entstandung
›Auferstehung‹ (dazu ggs.: ).

Belegblock:

Kochendörffer, Tilo v. Kulm (
preuß.
,
1331
):
Des virden entslizen lert | Ingesigels so gehert | Crist uf von des todes banden | Und uns in im entstanden.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
diser stein sage ich uch betalle | gesatzet zu manches menschen valle | und zu entstandunge vil luten.
Mone, Adt. Schausp. (Hs. ˹
omd.
,
1391
˺):
Man (sal) ouch glouben wol rechte, | daz alles menschliche geschlechte | sal fleyschlich an dem jungesten tage | weder ensten von aller plage.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Idoch sin [Christi] stam loberich | [...] | Gevestit ist alleine, | So daz er mit dem licham | Entstunt.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Bautzen
1567
):
O Jesu [...] | [...] | Gib daz wir vom Tode entstehn.
Bobertag, Eulensp. (
Straßb.
1515
):
es ist ein gewonheit hie das die buͦren alwegen zuͦ den ostern [...] ein oster spil machen wie vnser her entstet vß dem grab.
Kochendörffer, a. a. O. ;
Kehrein, a. a. O. ;
Hübner, a. a. O. .
Vgl. ferner s. v.
2
 16.
5.
›(in der Entstehung) scheitern, nicht zustande kommen‹ (von Verträgen, Einigungen bei Verhandlungen usw. gesagt); auch: ›zugrunde gehen‹ (im Beleg von einem Reich gesagt);
vgl.  1a; 6,  1819.
Gegensätze:
 5.

Belegblock:

Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Das er [Polydor] bey dem [Polymester] als bey eim Freundt | Erhalten wurd, obs Reich entstuͤndt
(gemeint ist Troja).
Berthold u. a., Zwick. Stadtrref.
55, 20
(
osächs.
,
1542
/
70
):
So die [sache] aber entstunde, alsdan und ehe nicht sollen die part
[›Partei‹]
mit gerichtlicher clage zu vorfahren zugelassen werden.
Ebd.
70, 27
:
Vormeinte aber einich part [...] zu erhalten, das er getanen kauf zu volziehen nicht vorpflichtet, der sal [...], wo die gute
[›Lösung im Guten‹]
entstunde, das recht zu gebrauchen vorstattet werden.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
105, 33
.
6.
›jm. etw. abhanden kommen, verloren gehen‹;
zu  6, vgl.  19.

Belegblock:

Peil, Rollenhagen. Froschm.
134, 2812
(
Magdeb.
1608
):
Was braucht jr fuͤr Kunst / | Wenn euch entsteht der freunde gunst? | Vnd jhr nichts mehr seht | denn den tod [...]?
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Da er sein wirdig stete fuͤndt, | Vnd nichts von seiner ehr entstuͤndt.
7.
›e. S. entgehen, etw. meiden‹;
zu  1a, vgl.  26.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2.

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged. (
1636
):
Freund, auf und laß uns gehn! | Auf! es ist hohe Zeit dem Übel zu entstehn.
8.
›etw. wahrnehmen, bemerken, verstehen‹; teils refl.;
zu  5, vgl.  28.
Gehäuft älteres Frnhd.
Phraseme:
sich auf etw. entstehen
›sich auf etw. verstehen, von etw. genaue Kenntnis haben‹.
Bedeutungsverwandte:
 12, ; vgl. .
Syntagmen:
jn. / etw
. (z. B.
den weg, js. meinung
)
e
.;
der rat sich e
. ›zu einer Erkenntnis gelangen‹;
sich e. S
. (Gen.obj., z. B.
der gnaden / sünden
)
e
.;
(sich) e
. [+ Objektsatz].

Belegblock:

Palm, Veter Buoch (
schles.
, Hs.
E. 14.
/
A. 15. Jh.
):
Da von enstunt er [einsidel] sich, das in der tufel hate betrogen.
Asmussen, Buch d. 7 Grade
575
(
nobd.
, Hs.
A. 15. Jh.
):
Swenne deu sel der gnoden enstat, | daz ir got vergeben hat | alle ir sunde.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
daz du aber entstandist ob du fúr erwelt sigist, des gib ich dir ain urkúnde an drin dingen.
Welti, Urk. Rheinfelden
229, 14
(
halem.
,
1448
):
sol der capplan dem T. [...] das hus [...] ußrichten vnd bezalen nach bekantnuͥß erber luͥten, die sich uff buwen entstanden.
Mollwo, Rotes Buch Ulm (
schwäb.
,
1376
):
welcher under uns daz uͥberfur, daz der rat oder den merentail sich entstuͤnden und erkanti, daz schuld da were, der sol gebessert werden.
Reissenberger, Väterb. ;
Koppitz, Trojanerkr. ;
Welti, Stadtr. Bern ;