entgehen,
V., unr. abl.
1.
›sich von wo entfernen, weggehen; jn. verlassen‹; in letzterer Nuance im Übergang zu: ›vor jm. (meist einem Höhergestellten) weglaufen‹; vereinzelt: ›durchgehen‹ (z. B. von einem Pferd gesagt); ütr.: ›sich vergehen, von rechtlichen Normen abweichen‹; in der Mystik speziell: ›sich in seinem inneren Streben vom eigentlichen Selbst entfernen, von Gott abfallen, etw. verfehlen‹; Phraseme:
sich jn. entgehen lassen
›jn. entkommen lassen‹.Gegensätze:
.Syntagmen:
ein pferd jm., ein esel dem müller e., der mensch, die sele sich e., der knecht, die frau dem herren e
.; die sele der ewigkeit e
.Wortbildungen:
entgangenheit
entgehung
Belegblock:
vntget aber eyn knecht sinem heren, her ne sol im nicht lo
e
nes geben. Da war es zeit das ich entgieng / | Ehe ich den Tod zu lohn empfieng.
Diu sêle [...] enkan [...] von ir selber ze ir selber niht gelangen, sô verre ist si sich entgangen, und ê daz si got hât understanden.
of emantz van burgeren [...] sich dainne untgeinge [...], dat der ouch sulchen [...] boisse geven [...] sulde.
lestu [pylatus] Iesum dir ingan, | der keyser zornet es wider dich.
So ist der lauff yr [sele] vast geringe vnd bereitt außtzulauffen in dy synnelichen ding vnd entgehet der ewikeit.
So sich ein mensch mit einem inker zuͦ der warheit wil fuͦgen, so lúhtet im in dú entgangenheit sin selb.
Einem Ritter entgieng sein Pfert, das er zuͦ weit in dy Feind kam.
2.
›jm., einer bedrohlichen, gefährlichen, unangenehmen Situation entfliehen, entkommen‹; auch: ›etw. Gefährliches, Unangenehmes vermeiden‹; teils ütr.; Syntagmen:
j
. [wo herum] e
. (absolut); j
. (z. B. Jesus, der gerechte / sünder, ein kardinal
) / etw
. (z. B. fische
) jm. / e. S. e.,
z. B. j. dem teufel / tod / unglük / wolf / zorn, der anfechtung / angst / betrügnis / helle / krankheit / listigkeit / not / strafe / sünde, dem henken e., der glaube der angst e., j
. [woraus] (z. B. aus dem gefängnis
), [wohin] (z. B. auf das schlos
) e
.; (jm.) mit dem leib, mit listen e
.Belegblock:
Wer aber dem tod entgangen [...] ist, [...] der ist auch dem andern allen entgangen.
Der Böse wird gefangen [...] Aber der Gerecht entgehet
[
entpfleuchtMentel
1466: ; nd. Bibel 1478 /
schal / würdt entflyenEck
1537: ;
zeücht sich ußFroschauer
1530: ]
der angst. Ebd.
Jer. 11, 11
: Jch [HERR] wil ein Vnglück vber sie gehen lassen / dem sie nicht sollen entgehen
[
ausgeenMentel
1466: ]
mügen. Wenn [...] | [...] jhr nichts mehr seht / denn den tod / | Wie entgeht jhr derselben noth?
wart hie [van Cleue] ouch geuangen da, | so entgeinck hie andersswa.
furet en [teuffer Johan] [...] | in eyn gefenckniß alßo hart, | das he uns daruß nit moge entgan!
Arrius der grosse Kaͤtzer [...] eines schendlichen Todes starb / vñ ohn Zweiffel der Hellen nicht entgangen ist.
ist die erst kunst, des teufels betrignus und listikeit zu entgeen.
Wer will der kranckheyt bald entgan | Der soll dem anfang widerstan.
Ain cardinal [...] ist dem hengkhen khaumb entgangen.
darinn
[im
leben]
[...] kain stund nicht ist, darinn der lëbentig [...] engën müg dem schmërczen. Luther, WA ;
Harms u. a., Alberus. Fabeln
52, 29
; Neumann, Rothe. Keuschh.
3399
; Hoffmeister, Kuffstein. Gef.
A viijr, 12
; Stammler, Berner Weltger.
919
; Wackernell, Adt. Passionssp. St. II,
2190
; 3.
›eine Anklage abwehren, widerlegen; sich einer Anschuldigung vor Gericht entledigen, seine Unschuld beweisen‹; Rechtstexte.
Syntagmen:
j. e
. (absolut); j. js. / e. S
. (Gen.obj. d. P. / d. S.) e
.; j. jm., einer schuld e
.; j. mit jm
. (z. B. mit gezeugen, erhaften leuten
) [wie] (z. B. mit recht, mit seines selbs hand, mit einem eid
) e. S
. (Gen.obj., z. B. pronominales es
) e
.Belegblock:
Wirt her
[Richter]
von dem voyte dorumme [wegen Verzögerung des Urteils]
beclayt myt getzugen. so mus her myt getzugen entgen. des
[Vorwurfs des
totslags]
ist dy vrouwe nehir tzu entgeende selb sebende myt erhaften luten. Wellen abir dy ratmanne das nicht uff sy behalden, so mogen yene das weigern unde entgehen mit irem rechte.
so ist der genante Hans Muel der schult met synes selbist hant neher zcu entgehende, danne Claus Wolbrün.
Ebd.
315, 15
: so mochte Mertin Gotcze in antwerters stat deme genanten Hannßen Mollere [...] entgehen unde bewißlichen machen, wy [...].
wirt ein man wunt vnd [...] brı̄get yn [den man] fuͤr gericht [...] er ist neher yn czu vͤber winden denn sein iener engen muͤge.
4.
›jm. verloren gehen, nicht zuteilwerden; vergehen, verschwinden, ausgehen‹; von Bezugsgrößen verschiedenster Art (z. B. von Gegenständen, Kräften, Zuständen, Vorgängen, Abstraktidentitäten) als Subj. d. S. gesagt; meist ütr. auf abstrakte Bezugsgrößen; im Einzelnen z. B.: ›ausfließen, entweichen‹ (von Flüssigkeiten); ›schwinden‹ (von der Farbe, vom geist
); in 1 Beleg: ›wegrollen‹ (von einem Fass); Phraseme:
die folge jm. entgehen
›bei anderen keinen Glauben, kein Gehör finden‹; jm. der leib entgehen
›Schwindsucht bekommen‹.Belegblock:
Dî varwe in [cleidirn] vil gar intgât, | ob man sî widir waschin sol.
WEnn einem Man im schlaff der Samen entgehet / der sol [...].
Wenns Wasser solt dem See entgehen / | [...] | So leckten wir fuͤr duͤrst den Sand.
Ebd.
584, 2480
: sind in Franckreich / | [...] Krieger [...] | Offtmahls [...] gefangen / | Wenn jhn die Proviant entgangen.
Ich swere, ob mir diu volge engêt, | [...] | niht hôher dinc besliezen.
von den blettern gedru͂cken mit wyn ist guͦt diabericis das ist den der harn entgat an yren willen.
tzwo aderen hynder den oren, dy sint guͦt gelaßen wem der leyp engangen were.
es entgieng im das veßlein und stieß im die pain ab.
sin
[des
jungers]
sinne also entgiengen nach eigener wúrklicher wise. Vnder disen worten entging ime sin geist vnd waz dot.
dann was gott heißt, so entgeht an unser arbeit und nahrung gar nichts.
da ist im all sein kraft entgangen.