klagen,
V.
1.
›Schmerz, Trauer, Mitleid, Mißfallen zum Ausdruck bringen, über jn. / etw. (z. B. einen Toten, einen Verlust) klagen‹; (subst.:) ›Klage‹.Gehäuft Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Phraseme:
etw. zu klagen haben
›etw. zu bedauern haben‹; zu klagen sein
›bedauernswert sein‹.Syntagmen:
etw. k.; ab e.S. / jm., über etw. / jn., um jn., von jm., zu jm. k.; aus / von herzen k., hart / jämerlich / sere k.
Wortbildungen:
klagensfrei
klagenswert
Belegblock:
Quint, Eckharts Pred.
1, 189, 9
(E. 13.
/A. 14. Jh.
): Ez ist ze klagenne von etlîchen liuten, die sich gar hôch dünkent.
Reissenberger, Väterb.
39791
(md.
, Hs. v. 1406
): Ir tet so we dez jamer prunst | [...] | Si schray mit chlagendem ser: Waffen ymmer mer!
Froning, Alsf. Passionssp.
6523
(ohess.
, 1501 ff.
): Maria, das du clagest hundert jare, | das hulffe dich nicht umb eyn hare!
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt.
24, 30
(osächs.
, 1343
): denne sullen weinen und clagin alle geslechte der erden.
v. Ingen, Zesen. Ged.
396, 9
(Breslau
1641
): Von singen wird man nimmer matt | Die schoͤne Melodey | macht uns klagens⸗frey.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
32
(Nürnb.
1517
): O ein traurende armselikeit, und noch mer zu klagen, das wir frölich erdulden dise vermaledeite verfluchung.
Franck, Klagbr.
221, 6
(˹wohl Nürnb.
˺ 1529
): KLagend, wymerleissend achtzend fallen fuͤr deine knye / aller Durchleuchtigister Kuͤnig / alle betler.
Kehrein, Kath. Gesangb.
2, 409, 1
(Nürnb.
1631
): Ein grosse Klag, wie ich euch sag, | Mariae Hertz thut nagen | Was sie beklagt, ist klagenswerth.
Banz, Christus u. d. minn. Seele
803
(alem.
, 1. H. 15. Jh.
): Wer ab im claget, der tüt im unrecht: | Er stat alweg schlecht und gerecht.
Ebd.
1033
: Hüt dich nu suß vor schaden, | Dar umb du sigist ze klagen | Schlăf fast und laß dir wol sin.
Sappler, H. Kaufringer
11, 181
(schwäb.
, Hs. 1464
): si waint und schrai oun all gepär, | sam aine tuot ze aller stunt, | die recht clagt von herzen grunt.
Heydn. maister
7v, 19
(Augsb.
1490
): Ob er doch wolt dz man nach seÿnem tod vmb in auch wainen vnd klagen solt.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
23, 57
(oobd.
, 3. Dr. 14. Jh.
): Maria chlagen do began, | das man dem lieben chind | mit gaiseln gab so manigen straich.
Bauer, Zist.-Pred. Haller
49, 14
(tir.
, 1466
): Die selbigen die werden kchlagen vnd wainen vnd grissgramen mit den czënden in dem hellischen feur.
Quint, Eckharts Trakt.
37, 12
; Chron. Köln
1, 3012
; Schönbach, Adt. Pred.
12, 40
; Reichmann, Dietrich. Schrr.
121, 9
; v. Keller, Ayrer. Dramen
3094, 16
; Stammler, Berner Weltger.
584
; Munz, Füetrer. Persibein
341, 7
; Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
15, 21
; dies., Imitatio Haller
100, 15
; Voc. Teut.-Lat.
q vjr
; Rot
323
; Alberus
c iijv
; Hulsius
H ivv
; Golius
224
; Henisch
108
; Schwäb. Wb.
4, 437
; Schweiz. Id.
3, 636/7
.2.
›(bei jm.) etw. beklagen, über etw. klagen; um jn. / etw. trauern, jn. beklagen, bemitleiden‹.Phraseme:
got sei es geklagt, got ist zu klagen
; das sei den wilden gänsen geklagt
›das ist vergebliches Klagen‹.Syntagmen:
(jm.) etw.
(z. B. angst / furcht / herzeleid / kummer / laster / leid / marter / not / schaden / schmerz / sünde / trübsal / ungemach) k., jm. (got) k., das [...], einen toten
(z. B. vater / fürsten / helden / man / meister, eine frau, ein kind / weib
) k., den gekreuzigten k., jn. an seiner krankheit k.
Belegblock:
Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
692
(mrhein.
, um 1335
): Ir dri, ich clagen vch mine not. | Mine sele ist drurig biz an den dot.
Wyss, Limb. Chron.
30, 12
(mfrk.
, zu 1349
): Du salt [...] dime getruwen arzet hulfe dines corpers klagen.
Jahr, H. v. Mügeln
207
(omd.
, Hs. 1463
): ach ist ein interiectio: | die klaget leit und forchte vil.
Chron. Nürnb. 1, 407 A.
5
(nobd.
, 1420
/41
): 2 ℔ 19 ß 6 hlr, haben Pauls Börchtel und Karl Holczschuher vertzert [...], als sie [...] gesant wurden, unsern herrn marggraff Fridrich zu besuchen und zu clagen an seiner kranckheit.
Ebd.
4, 350, 19
(nobd.
, 15. Jh.
): der jung pfaltzgraf [...] und sein frau [...] trugen all schwartz an und clagten Fridrich pfaltzgrafen.
Matthaei, Minner. I,
2, 382
(Hs. ˹nalem.
, 1459
˺): daß sy Got von himel claid | daß mich, die Got gewirdigt hät, | der Pfenning verdring fruͤ und spät.
Wyss, Luz. Ostersp.
4332
(Luzern
1571
): ir mägten, gand mitt mir, | [...] | Damitt ich Jesum geeren mag, | Min grosse sünd im trüwlich klag!
UB Zug
795, 7
(halem.
, 1435
): únser lieben frúnd und getrúwen nachgebúren von Barr hand úns [...] mit großem ernst geklagt und hand úns darzu 3 1/2 malter korn [...] geschenkt.
Schlosser, H. v. Sachsenh.
1105
(schwäb.
, 1453
): Ob er denn unrecht todes stirbt, | Das sy den wilden gensen clagt!
Sappler, H. Kaufringer
11, 237
(schwäb.
, Hs. 1464
): sie clagten das betrüebte weib, | das ir werder, stolzer leib | irs mans als schier beraubet was.
Chron. Augsb.
4, 114, 10
(schwäb.
, v. 1536
): starb Jerg Echem; da klagten in sein fraind mit binden, umgeschlagen um ain huͦt.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron.
174, 13
(oobd.
, 3. Dr. 15. Jh.
): hertzog Albrecht [...] erstach daselbs ainen ritter [...]; der wart vast geklagt umb sein frumkait.
Munz, Füetrer. Persibein
74, 7
(moobd.
, 1478
/84
): vart hin, ee ir so wert pelont, | das ir ewr haupt vnd rugken morgen claget!.
Weber, Füetrer. Poyt.
293, 6
(moobd.
, 1478
/84
): Du magst wol klagen disen tag, | das du zer erd der wellt ye ward geporen.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
115, 42
(tir.
, 1464
): der münch [...] chlaget im da sein trüebsal vnd seine sünden.
Schorer, Sprach-Verd.
13, 6
; Froning, Alsf. Passionssp.
1653
; v. Tscharner, Md. Marco Polo
10, 1
; Bell, G. Hager
465, 3, 6
; Adrian, Saelden Hort
3914
; Rieder, St. Georg. Pred.
264, 15
; Martin, H. v. Sachsenh. Tempel
538
; Diehl, Dreytw. Essl. Chron.
192, 19
; Grossmann, a. a. O.
154, 2
; Mollay, H. Kottanerin
20, 40
; Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
453, 2
; Turmair
5, 474, 24
; Schwäb. Wb.
4, 438
.3.
›sich (bei jm.) über etw. beklagen, beschweren‹.Syntagmen:
sich e. S.
(Gen.) k.; (sich) jm. k.; ab / von jm., über / um jn. / etw. k.
Belegblock:
Helm, H. v. Hesler. Apok.
1240
(nrddt.
, 14. Jh.
): So clagent sie sich uber in | Daz sie wurden ie geborn.
Kehrein, Kath. Gesangb.
2, 640, 2
(Köln
1619
): die Seel sich klaget sehr, | Ach Jesu allerliebster Herr, | Ich bin noch jung vnd zart so sehr.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
141, 2
(rhfrk.
, um 1435
): Markair saß vff dem plane vnd clagete sich jemerlichen.
Menge, Laufenb. Reg.
2544
(Hs. ˹nalem.
, um 1470
˺): So die spyse nit mag gan | In die Audren uß dem magen | Vnd muͦß sich die nature clagen.
Lemmer, Brant. Narrensch.
59, 17
(Basel
1494
): Wer nit mag haben wol für guͦtt | [...] | Der soll zuͦ zytten sich nit klagen.
Päpke, Marienl. Wernher
4026
(halem.
, v. 1382
): Frucht [...] und rinde | Vertribent vil geschwinde | Allen bresten und siechtagen | Von dem sich ieman mochte klagen.
Turmair
1, 193, 4
(moobd.
, 1529
): Die armen pfaffen klagen sich lange zeit her, si dörfen die wârheit nit sagen.
Beckers, Bauernpr.
60, 4
; Knape, Messerschmidt. Bris.
16, 8
; Kehrein, a. a. O.
1, 5, 5
; Roloff, Brant. Tsp.
257
; Bachmann, Morgant
243, 14
; Haltaus, Liederb. Hätzlerin
1, 10, 1
; Koller, Ref. Siegmunds
259, 40
; Schwäb. Wb.
4, 438/9
; Schweiz. Id.
3, 636
.4.
›eine Klage, Beschwerde vor jm. / einer Instanz einreichen, Anklage gegen jn. erheben, eine strafwürdige Handlung mit Klage, Anzeige belegen, etw. mit einer Klage vor Gericht einfordern‹.Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte.
Phraseme:
klagen und antworten
.Syntagmen:
etw.
(z. B. die wunde / lämde
) vor dem richter k., jn. e. S.
(Gen.) k.; über / um
(z. B. frevel, kamperwunde, not, totschlag, schaden, schmach, verschmähe
) k.; einem etw. k.; für jn., auf / um etw. / nach / zu e. S.
(z. B. zu dem erbe, eigen, gut, haupt
) k., in etw.
(z. B. das gut
) k.; an / auf / über jn., ab / gegen / hin zu / von / zu jm. k.; am / vor gericht, vor gehegtem ding, vor dem richter k.; bürgerlich / mündlich / peinlich / rechtlich / schriftlich k.; am rechten, zu recht k.; der klagende teil, die klagende stat
.Belegblock:
Kohler u. a., Peinl. GO Karls V.
89, 3
(o. O. 1532
): Herr A., der ancleger, clagt zu B., dem vbeltetter [...] der missethat halb.
Toeppen, Ständetage Preußen
3, 18, 17
(preuß.
, 1447
): so welde wir uns yn ere guter clagen mit rechte.
Leman, Kulm. Recht
2, 3, 18
(Thorn
1584
): Wirt eyn man gewundet [...] adir gelemet vnd claget des nicht [...] so en mag keyn man [...] dy wunde noch lempde geklagen.
Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
989
(mrhein.
, um 1335
): Ir clagent vil von disme man, | an dem ich doch nit vinden kan.
Köbler, Ref. Wormbs
351, 9
(Worms
1499
): hett er dann denselben [...] guͦt burgerlich angeclagt mag er danach dannocht auch pynlich clagen.
Schmidt, Frankf. Zunfturk.
1, 226
(hess.
, 1355
): ob yman vur uch qweme, der von uns cleyde um der stucke eynes adir me.
Behrend, Magd. Fragen
183, 4
(omd.
, um 1400
): Ab kampirwunden ader totschlag uff frischer tat by tage vor mitternacht vor deme richter geclaget werden.
Ermisch, Freib. Stadtr.
257, 9
(osächs.
, Hs. v. 1325
): Hat ein man gesinde, [...] di heizen sin gewalt, also daz her vor si klagen unde antwerten mac, ab he wil.
Dinklage, Frk. Bauernweist.
72, 5
(nobd.
um 1450
): ob uns die thumprobstei [...] nit wölten lassen bleiben bei zinsen [...] so wären wir schuldig, unser herschafte das zu clagen.
Lexer, Tucher. Baumeisterb.
308, 29
(nürnb.
, 1464
/75
): Ich [...] thue kunt [...] das für mich komen in gericht Andres Stromer zu Nüremberg und clagt auf die müll und wasserfluß zu Werd.
Kohler u. a., Bamb. Halsger.
19, 1
(Bamb.
1507
): Von Burgschafft des anclegers, So der beclagt die geclagten tat verneynt.
Merk, Stadtr. Neuenb.
163, 31
(nalem.
, 1414
): das [...] der vorgen. her Jacob kein recht noch glimpf gehept hat, zuͦ den egenanten unsern frúnden [...] sich ab inen ze clagende und in kosten ze wisende.
Geier, Stadtr. Überl.
144, 4
(nalem.
, 1470
): das soͤlt dann die clagende stett oder statt wol benuͤgen.
Welti, Stadtr. Bern
95, 2
(halem.
, 1401
): bezalt er inn denne nit [...] so sol der saͤcher dem kleger des ersten gerichtes, als er vf das gebott klaget, geuallen sin vmb III ₰.
Ebd.
422, 24
(E. 15.
/ A. 16. Jh.
): alls dann ettlich zyt dahaͤr gebrucht ist, so die fraͤfell vnnd buͦswirdig sachenn durch die saͤcher oder den gerichtschriber am rechtten geklagt vnnd eroffnet.
Leisi, Thurg. UB
6, 93, 28
(halem.
, 1360
): Sit daz U˚lrich und Heinrich die Giele von Glatburg bi dem gerichte fúrbas nit klegtin zu dem zehenden.
Chron. Augsb.
2, 82, 21
(schwäb.
, Hs. 16. Jh.
): also schickt man aber zu dem künig und clagt im ab den herrn von Bairn, daß sie umb seine gepot nichts geben wolten.
Auer, Stadtr. München
271, 2
(moobd.
, n. 1347
): Swer hintz dem andern icht ze chlagen hat umb aigen [...] da sol er daz recht umb nemen.
Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein
218, 21
(moobd.
, 1538
): So [...] der clagundt thail wider verursacht, sich für gericht zu beschwären.
Piirainen, Igl. Bergr.
40, 19, 2
(slow. inseldt.
, 16. Jh.
): Er [...] soll den klagen, vnd mit d(er) clag verfar(en), als Recht ist.
Chron. Köln
1, 1350
; Köbler, Ref. Wormbs
26, 5
; Köbler, Ref. Franckenfort
8, 13
; Froning, Alsf. Passionssp.
7363
; Behrend, a. a. O.
41, 7
; Kisch, Leipz. Schöffenspr.
233, 2
; Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica
442
; Köbler, Ref. Nürnberg
371, 18
; ders., Stattr. Fryburg
161, 9
; Grossmann, Unrest. Öst. Chron.
169, 40
; Staub, Qu. Wien
3, 2, 2629, 13
; Siegel u. a., Salzb. Taid.
17, 39
; Ulner
264
; Pfälz. Wb.
4, 262
; Schweiz. Id.
3, 636
; Rwb
7, 1047/50
; Cirullies, Rechtsterm. Anh.
1981, 225
.