neigen,
V.,
meist regelmäßig, seltener unr. abl.;
in letzterem Falle Fortsetzung von
mhd.
nîgen
›sinken‹
, in ersterem Falle Fortsetzung von
mhd.
neigen
›neigen machen‹
(Ableitung zum Prät. Sing. von
nîgen
; bzw. 49); der damit verbundene Bedeutungsunterschied ist in den Belegen formal teils nicht, teils aber doch, und zwar sowohl an der Graphik, vor allem an der Verteilung der
- bzw.
-ei
-Schreibungen (für die mhd. Basis) und der
-ei-
bzw.
-ai
-Schreibungen (für die frnhd. Basis) wie auch an der Semantik, erkennbar (vgl.
Dammers u. a., Flexion der st. und schw. Verben.
1988
, vor allem 472).
– Das eng vernetzte Bedeutungsfeld untergliedert sich wie folgt: 1 (oft selbstläufiges) räumliches Bewegen nach unten; 2 zeitliche Bewegung auf ein Ende hin; 3 naturgesetztliches Abwärtsbewegen und daran tropisch anschließbares soziales und religiös motiviertes Hinneigen auf jn. / etw. hin; 4 kann als Transitivierung von 3 gesehen werden; 5 betont den sozialen Zeichenwert von
neigen
; 6 als soziales sowie religiös bestimmtes Öffnen, Sich-versenken an 3, auch an 5 anschließbar; 7 auf physisches Senken e. P. / e. S. bezogen; 8 kann als horizontal richtungsbezogenes räumliches Bewegen bzw. als Raumbewegung gedachtes psychisches Hinwenden zu jm. / etw. verstanden werden. Nahezu durchgehend sind tropische Verwendungen im Spiel.
1.
›niedergehen, sinken, sich senken, sich nach unten beugen, bücken, sich neigen‹ (von Sachen und Personen gesagt); als Part. Perf.: ›herabhängend‹ (z. B. von Federn); ›abwärts gebogen‹ (von einem Schnabel).
Bedeutungsverwandte:
1
 23,  23, (V.) 12, , , , .
Syntagmen
(in Auswahl):
etw
. (Subj., z. B.
das haupt
)
/ j
. (z. B.
Jesus
)
n., der könig mit dem haupt nieder n
. (jeweils absolut), refl.: ˹
sich an / auf / gegen / von etw., zu der erde, zu jm. n., die sonne sich n., das erdreich / haupt sich auf nichts, auf js. herz n., der geist sich auf kein ding n.
˺;
geneigte federn
.
Wortbildungen:
neigstat
›Ruhestatt, Schlafstatt‹.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Inclinare. Biegen schmucken kruͤmmen beugnen neigen buͤcken helden.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Bekante der geist sîne blôze abegescheidenheit, er enmöhte sich ûf kein dinc geneigen, er enmüeste blîben ûf sîner blôzen abegescheidenheit.
Chron. Köln (
rib.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
daemit so neich der koenink mit sime heufde neder ind gaf daemit zo verstaen den urlof.
Froning, Alsf. Passionssp.
474
(
ohess.
,
1501ff.
):
das sprechen ich sicher vorwar: | sich neiget zu uns das hymmelrich!
Ebd.
6211
:
O we, wie hie
[Jesus]
gar sere nyget!
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Wi doch die toldit nigen | Wagende, so ist ez in [vogelin] | Eine vreude.
Feudel, Evangelistar
35, 7
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
Unde abir neigete her [Jhesus] sich czu der erden unde schreib.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
8
):
Jahnn neigt sich, nimmt den korb vnd sagt: | [...].
Trunz, Meyfart. Tub. Nov.
115, 13
(
Coburg
1626
):
Ein Bauersmann / [...] / kan leichtlich sehen / wohin der Giffel sich neiget.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
Ir hoͮbt ensol uf nút sich neigen anders.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
732, 27
(
els.
,
1362
):
Vf dise stunde hette sich sant Ambrosius zuͦ Meylon uf den altar geneiget, als ob er schlieffe.
Maaler (
Zürich
1561
):
Halden / Sich sencken oder neigen.
Sappler, H. Kaufringer
1, 43
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
Si giengen, bis die sunn sich naigt | und der aubent sich erzaigt.
Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
17, 19
(
noobd.
,
1347
/
50
):
Naigt sich nu daz ertreich von der himel mittelpunct, so naigt ez sich uͤber sich.
Ebd.
22, 16
:
und ein sein
[des
kraizes
]
mittel naigt sich gegen mittemtag.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
wenne aber er [habich] krank ist. sô hât er genaiget federn.
sô fleugt er [greiffalk] über sich hôch auf in die lüft [...] und vor zorn kümt er kaum wider an sein naigstat.
sein
[des
merwunders
]
snabel ist under sich genaigt.
Klein, Oswald
121, 16
(
oobd.
,
v. 1408
?):
dein haubt naigt, saig auff mein herz.
Lemmer, Schernb. Frau Jutte
1719
;
Froning, a. a. O.
3861
;
Brévart, a. a. O.
48, 25
;
Klein, a. a. O.
106, 47
;
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. ;
Vgl. ferner s. v.  14,  1.
2.
›zu Ende gehen, auslaufen‹ (von Gegebenheiten, die der Zeit unterliegen); ›ausgehen‹ (von Wein); als Ütr. zu 1 auffaßbar.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  12.
Syntagmen:
der tag
(mehrfach),
das leben, ein reich / spiel, der wein sich n., zu dem abend n
. ›Abend werden‹,
die sonne sich zum niedergang n
.
Wortbildungen
neigung
2 (dazu bdv.:  68,  1,  4).

Belegblock:

Voc. inc. teut.
r ir
(
Speyer
um 1483
/
4
):
Naige͂ zu de͂ abe͂t.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. (
osächs.
,
1343
):
der tac hatte sich beguͦnt zu neigene.
Jahr, H. v. Mügeln
533
(
omd.
, Hs.
1463
):
ab dürre, fücht adr überkalt | adr hitze hab das tir ersnalt, | das sich sin leben neigen wil.
Ebd.
1565
:
wo das die künge laßen mich, | ir rich sich neiget hin zutal.
Wyss, Luz. Ostersp.
10854
(
Luzern
1545
):
Alls vch zum teyl hie an ist zeigt | vff sömlichs vnser spil sich neigt.
Maaler (
Zürich
1561
):
Neigung vnd Abgang deß alters [...] Deß leybs Abgang vnd abnem͂ung.
Neigung vnd endung deß Herpstes.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
343
(
Genf
1636
):
Der wein (neyget) sich.
Bechstein, a. a. O. Lk. ;
Vgl. ferner s. v. .
3.
›aufgrund von Naturgesetzen, von der natürlichen Austattung des Menschen her, aufgrund religiöser Vorbestimmtheiten oder aus freiem Willen zu etw. tendieren, streben, neigen, sich entsprechend verhalten und handeln‹; vereinzelt: ›für etw. anfällig sein‹; bezogen auf das gesamte Spektrum zwischen dem naturgesetzlichen Verhalten von Sachen und dem Handeln des natürlichen Menschen über die Einbindungen des sozialen Menschen bis hin zu den Haltungs- und Handlungsvorgaben des religiösen Menschen, darunter vor allem zu dem Glaubensinhalt seiner Sündenverfallenheit. In den Belegen überwiegt die religiös bestimmte kritische Bewertung des
neigens
.
Syntagmen:
die tugend
(Subj.) ˹
der form, dem dicht
˺ (Dat.obj.)
n., etw
. (Subj.)
sich gegen einem mittelpunkt n., etw. / j. sich zu etw. / jm. n
., z. B.:
die liebe zu ordnung, ein planet zu auctorität, blut zu einer farbe, j. zu im
(refl.: ›zu sich selbst‹)
n., etw. / j. sich früh / spät / stets / leichtfürig / willig zu etw. n
.; als Part. Perf.:
j. js. bitten
(Dat.obj.)
auf / zu einer krankheit, zu der warheit geneigt sein
;
etw. zu etw. geneigt sein
(z. B.
die krankheit
›Schwäche‹
zum bösen, die sele zu dem leibe, zur erquickung
),
j. zu gutem / bösem, zu has / krieg / frieden / lastern / schande / mörderei / eitelkeit / leichtfertigkeit / tugend / unzucht / wollustigkeit / zorn geneigt sein, in onmacht die creaturen geneigt sein, zu
[+ Inf. oder Infinitivsatz];
der geneigte wille
; subst.:
das natürliche neigen
.
Wortbildungen:
neige
3 ›Überzeugung, Neigung (des Herzens)‹,
neiglich
,
neignis
1 ›Neigung, Bestreben‹.

Belegblock:

Pfefferl, Weigel. Gn. S. 
98, 2
(
um 1571
, Hs.
1615
):
Nun hat Adam Soliche Nattur art vnd eigenschafft ann Jme daß er sich neige zu Jme selbst, liebe sich selbst.
Thiele, Minner. II,
26, 67
(Hs. ˹
md.
/
rhein.
,
1. V. 15. Jh.
˺):
dieren haint natuͦerlich neygen, | daz ist myn de hen kan dreygen
(im Glossar der Ausgabe wird
neygen
zu mnl.
naeyen
›jm. fleischlich beiwohnen‹ gestellt und etymologisch vom partiell synonymen
naeyen
›nähen‹ getrennt;
Verwijs/Verdam
[4, 2087] stellen das Verb zu
(ge)naken
›[nl.] benaderen, [dt.] annähern‹, s.
nähen / nahen
1).
Ebd.
26, 294
:
men mach gair mit wil der zielen | natuͦerlich neyghen wol vernyelen.
Froning, Alsf. Passionssp.
3944
(
ohess.
,
1501ff.
):
die baner sich selbest geneigt hat
[zur Ehrbezeugung gegenüber Jesus] |
widder myns herzcen neyge zwar!
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
158, 8
(
Frankf.
1535
):
wer gneygt were zu grosser onmacht also das jm dauon geschwindt / der brauch Perlin.
Ralegh. America (
Frankf.
1599
):
Zwischen den vneinigen / war er staͤts zum Frieden geneigt.
Jahr, H. v. Mügeln
1348
(
omd.
, Hs.
1463
):
Natura, künst und tugnde rich | dem ticht hie nigen alle glich.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
22, 20
(
omd.
,
1487
):
Den dÿe Jüden eins vorhartten hertzen gewest vnd zcu mordereÿ leichtfürig geneigt.
Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm.
203, 1891
(
Zwickau
um 1540
):
wie du auch fruͤe und spet / | Zu aller schand und lastern seist geneigt.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
115
(
Nürnb.
1517
):
wielwol die [schriften] von einem ieden, nach dem er zum guten oder bösen geneigt ist, außgelegt werden.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
in dem grúwele der neiglicher gesichte do heilt mich angst und bibunge.
Ebd. :
Der grúwel der neiglicher gesicht das ist die finstere blinde besitzunge.
Das ist ein jemerlich ding das der mensche sin edel art also verkert und daz neigeliche werg siner nature kert zuͦ den creaturen und lot den schöppfer der naturen.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 2114
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Wan alle creaturen sint naturlich geneiget zvͦ rasten, vnd her vmb wurt raste gesuͦchet von guͦten vnd von boͤsen.
Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
So gat es [pluͦtt] dreglich heruß / vnd ist grob vñ neiget sich zuͦ etlicher purper farbe schwartz.
Goldammer, Paracelsus
7, 169, 13
(
1530
):
wiewol wir alle aus éinem vatter seindt, doch zu der leuchtfertigkeit mehr geneigt dann zum guten.
Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
17, 13
(
noobd.
,
1347
/
50
):
ain iegleich swer dinch naigt sich von seiner natur gegen dem mittelpunct der himel
(auch zu 1 stellbar).
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
57, 17
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
Vnd darnach sulcher feuchtichait schikchung vnd habnuͤss macht pesunder naignuͤss in den inristen tuͦgenden vnd synnen.
Steer, K. v. Megenberg. Sel
163
(Hs. ˹
moobd.
,
1411
˺):
ein andrew aigenschaft der sel, das ist, das sy natürleich genaigt ist von notdurft der natur mit grosser lieb zü dem leib vnd erkükchung des leichnams.
Bauer, Imitatio Haller
75, 4
(
tir.
,
1466
):
sy wissen wol, das die menschleich kchrankchait genaiget ist czue dem pösen.
Rosenthal. Bedencken
22, 1
;
Koller, Ref. Siegmunds ;
Bauer, Geiler. Pred.
79, 15
;
Hohmann, a. a. O. Quästio
199, 13
;
207, 37
;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. ;
Moscouia
C 2v, 45
;
Vgl. ferner s. v. ,  3, .
4.
›jn. zu etw. geneigt machen, bewegen, beugen, veranlassen, drängen, verleiten‹.
Im 15. Jh. auslaufend; Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
 6,  1, (V.) 12,  9, (V.) 6, .
Syntagmen:
die creatur den menschen n
.;
etw. / j. jn. zu etw
. (z. B.
zur gerechtigkeit / keuschheit / sittigkeit / warheit / ordnung
)
n
.,
j. den willen n., die magd zu sünden n., got die herzen zu im
(refl.)
n., die hofnung jn. zu einer arbeit n., die böswichte die hauptreiche zu irem dienst n
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Dise vier hobetriche | Wolden dise vier bosewiche | Zu irme dienste neigen.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
sunder [daz] diu leidige crêatûre noch in im [im menschen] lebet und neiget in und würket in im diu werk.
Steer, W. v. Herrenb. Büchl.
369
(
pfälz.
,
1436
):
das hoffenunge der frucht des buwes eynen yglichen beweget, reitzt vnd neigt zu dem buͤwe oder zu der arbeit.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
301, 19
(
els.
,
1362
):
sich huͦb ein krieg wer der erste were der die maget zuͦ sunden neigete.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
wann er [herre got] naig vnsere hertzen zuͦ im. das wir gen in allen seinen wegen.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
204, 32
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
swarlicher sündet der, dez willen von meinung eins bösern endes geneiget wirt zesündenne.
Ebd.
330, 349, 2
:
Der signünfter in Israel vertrag niht, noch werde niht geneiget von rüwen.
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
85, 43
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
die da von fleissigen gedancken vnd merchung sind woͤrden genaigt vnd geschickt zü der gerechtichait vnd warhait.
Ders., H. v. Langenstein. Quästio
197, 245
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
vnder den hat ein yeczleich vntugent ir gestalt, mass vnd weyzz der aygen versüechung, dy darzüe treiben, raten vnd naygen, vnczt das es werde volpracht.
Neumann, Rothe. Keuschh.
2839
;
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
53, 19
;
63, 18
.
5.
›sich vor jm. / (seltener:) e. S. verneigen, verbeugen, auf die Knie fallen‹; teils als reine Bewegung nach unten gemeint, in der Regel aber mit Zeichenwert verbunden: mit Verehrung, Anbetung, Dankes-, Demuts- und Gehorsamsbezeugung, Unterwerfung, auch mit Täuschungsabsicht.
Bedeutungsverwandte:
 2, (V.) 12, , ; vgl.  3.
Syntagmen:
j
. (z. B.
nieder
)
n
. (absolut);
sich
(z. B.
demütiglich / nieder / ser / williglich
)
n., freude
(Subj.)
jm. n
. ›jm. dankbar zufallen‹,
j. der trinität, dem gauch / heiltum n., jm
. (z. B.
billich / gezogenlich, mit treuen / züchten
)
n., sich dem keiser / priester n., etw
. (Subj.)
js. hand n., j. jm. an den fus, auf den boden n., sich auf js. füsse, auf die knie / erde n., sich für dem sacrament, gegen jm
. (z. B.
tugendlich
),
mit jm. n., sich über eine kiste, vor dem sacrament, unter got, zu js. füssen n., der leib sich schwachen dingen n
.; subst.:
jn. mit neigen empfangen, eine list mit neigen volbringen
;
das demütige / tiefe n
.
Wortbildungen
neigig
›gekippt, umgeschlagen‹ (von der Nahrung; dazu bdv.: ), ˹
neignis
2,
nieg
˺ ›Verbeugung‹ (letztere Bildung beruht auf der Reduktionsstufe von
neigen
/ mhd.
nîgen
; dazu bdv.: vgl.:  3, ).

Belegblock:

Luther, WA (
1523
):
Als, wenn du dich neygist odder knyest fur dem sacrament und thuͤst dasselb nicht viel mehr fur den wortten des sacraments, ßonderlich ym hertzen, ßo verkeristu die ehre.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Mensche [...] in dem latîne meinet [...] den, der sich alzemâle under got neiget und vüeget.
Karnein, Salm. u. Morolf
658, 3
(
srhfrk.
, Hs.
um 1470
):
dem heiltum neigte er uff den fuß.
Froning, Alsf. Passionssp.
5281
(
ohess.
,
1501ff.
):
und woln en dan an eyn crucz slagen! | darumb wollen mer em alle neygen.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Idoch nam er einen ni
e
c | Zu dem grabe.
So lange biz sich veigen | Dri kunge unde neigen | Under sine schirmehant.
Sterbende nam er hie nic | Menschlich an sime leben.
Henschel u. a., Heidin
529
(
nobd.
,
um 1300
):
So [vrow] neig
[hier unr. abl.]
irem herren | Vnd wart vmb keren.
Ebd.
680
:
Mit zvhten neik
[hier unr. abl.]
im der helt | Vnd waz vnmezlichen vro.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
15. Jh.
):
daz [cruczifix] löst die hent ab und neiget in, [...], der kunig kert wider und wolt daz pild paß sehen, da loset es die hend aber und neig im aber.
Gille u. a., M. Beheim
111, 274, 6
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Da naiget sie sich auff dy erd, | in temutiglicher pegerd.
Rupprich, Dürer (
nobd.
,
1520
):
personen von namen, die sich all mit tieffen naigen auf das allerdemütigste gegen mir erzeugten.
Voc. Teut.-Lat.
x iiijv
(
Nürnb.
1482
):
Neyge͂ byge͂ nayge͂.
Schorer, Sprachposaun
14, 24
(o. O.
1648
):
Gruͤsse / kuͤsse / neige / beuge / | Jedem die Gebuͤhr erzeige.
Matthaei, Minner. I, (Hs.
15. Jh.
):
waz lebt, daz neyget myner hant.
Fuchs, Murner. Geuchmat
1220
(
Basel
1519
):
So bald den fuͦg ein wyb ersicht, | Das er sich also gschickt erzeigt, | Dem gouch bitz vff den boden neigt.
Adrian, Saelden Hort
1820
(
alem.
, Hss.
E. 14.
/
15. Jh.
):
in mirren, rúwe, naigen dich | und sprich din schulde.
Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Von sinem herren ward im genigen, | Von ain ander sy do sigend.
Maaler (
Zürich
1561
):
Sich Neigen / Die knie biegen oder bucken / Sich auff die knie lassen.
Morrall, Mandev. Reiseb.
63, 14
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
da naigt sich Sant Johans in siner muͦtter lyb gen sinem got.
Sappler, H. Kaufringer
16, 181
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
er [tiufel] ratet oft dem torothen weib, | das sie hupf, danz oder ring, | [...] | oder sich über ain kisten naig.
Ebd.
458
:
die [reich] gib ich [tiefel] dir [got] hie all ze aigen, | ob du dich wild gen mir naigen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
ob sich hertzog Ludwig nicht naigte, [...], daß ers dann nimmer richten wolt lan.
Ruh, Bonaventura
333, 10
(
oschwäb.
,
2. V. 15. Jh.
):
darvmb ist die erst [erwirdigkeit] in weiß naignúß, die ander in weiß knieung, die dritt in weiß strackung.
Niewöhner, Teichner
495, 133
(Hs. ˹
oschwäb.
,
1368
˺):
da ist diuͤ lieb nit schin an | die da tuͤnt den zwuͤngen nig.
Klein, Oswald
10, 105
(
oobd.
,
1421
?):
hoffnung zu got dich nicht enscham, | so mag dir freude naigen.
Ebd.
19, 66
(
1416
):
Manig hämisch list so ward vollbracht | von in mit naigen, bucken.
Mollay, H. Kottanerin
28, 36
(
moobd.
,
1439
/
40
):
Da neygat ich mich diemuͤtiklich nyder vnd (sprach) dankchat iren gnaden des guͤten trostes.
Weber, Füetrer. Poyt.
330, 2
(
moobd.
,
1478
/
84
):
Zw ir er was hin gende, | naigt sich auf iren fŭeß.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1640
/
84
):
sollen die wierth [...] nit [...] denen underthannen naigig unsaubers getrank oder speißen, [...] auftragen laßen.
Dünnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj.
24, 11
;
Karnein, a. a. O.
167, 5
;
748, 4
;
Thiele, Chron. Stolle ;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Henschel u. a., a. a. O.
1067
;
Mönch v. Heilsbronn. Fronl.
12b, 3
;
Bihlmeyer, Seuse ;
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
54, 3
;
Koller, Ref. Siegmunds ;
Sappler, a. a. O.
23, 170
;
Klein, a. a. O.
11, 46
;
Moscouia
D 2v, 18
.
Vgl. ferner s. v. ,  4,  2.
6.
›sich, seine Kräfte auf jn. hinwenden; sich jm. in mystischer Liebe zuwenden, sich zum anderen öffnen, sich in ihn versenken‹; wechselseitig einerseits von Gott als Liebendem und seinen Seinsqualitäten gegenüber dem Menschen bzw. seiner
sele
und andererseits (responsiv) vom Menschen und seiner
sele
als Liebenden Gottes gesagt; Vermittlung teilweise mittels Licht- und Fließmetaphern.
Im 15. Jh. auslaufend; Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
(mehrmals); vgl. , ,  3,  10,  2, ,  1,  2.
Gegensätze:
; vgl.  1.
Syntagmen
die minne den willen, der wille die natur zu got, die gerechten den willen in den götlichen willen n
.; refl.:
der vater sich dem menschen, got sich gegen uns, die gnade sich zu Johannes, der schöpfer sich in Maria, in die creatur n., die minne / sele sich auf got, auf güte, der minne brunst sich in götliches wesen, Moses sich in das verdienen Christi, der same sich zu got, j. sich zu etw. (zur speise der verwunderung) n
.; passivisch:
die sele ein in ein geneigt werden
; subst.:
der mensch ein neigen zu got, das gemüt, der grund ein neigen in den ursprung haben
;
das neigen grösser denne wunder sein, übermits das neigen ein flus, die zukunft Christi entspringen
;
das minnigliche neigen gottes
(gen. subjectivus);
das ewige neigen
.

Belegblock:

Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
er [sâme] glüejet und glenzet liuhtet und brinnet und neiget sich âne underlâz ze gote.
Jostes, Eckhart
5, 37
(
14. Jh.
):
Si [sel] veleust alz gar alle di gebu̇rt und wirt alz gar uber sich derhaben und wirt alz gar geneiget ein in ein.
Ebd.
34, 10
:
daz si [sel] sich nimmer uf minner ding neig dan got.
Ebd.
58, 25
:
Wann die gnad gotes naigot sich zu Johanni und erleuhtoth im sein liht, wann er enphinch daz wort niht von seiner menscheit, er enphinch es von der gothait, do er ein mit got worden waz.
Strauch, Par. anime int.
77, 24
(
thür.
,
14. Jh.
):
daz die sele mit den ubersten creften rurit di ewikeit, daz ist Got, und mit den nidersten creftin rurit si di zit und da fon wirdit si wandilhaftic und neigit sich uffe lipliche dinc.
Ebd.
40, 32
:
daz der vader hait einen son und einen heiligin geist, und durch di beide hait er sich genegit dem menschin.
Ebd.
139, 4
:
andacht ist ein bewegelich nêgin in etwaz mit einir bequemelichkeit.
Asmussen, Buch d. 7 Grade
658
(
nobd.
, Hs.
A. 15. Jh.
):
unser hohen oder sein neigen, | denne daz deu peideu wunder | sein großer den pesunder | itweder wunder pesunderlich.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
um 1480
):
Daz do in schnellem augenplik | Der schopfer in dich [Maria], creatur, sich neiget.
Adrian, Saelden Hort
583
(
alem.
, Hss.
E. 14.
/
15. Jh.
):
Gen ús hat Got genaiget sich | in dir zit demúeteclich.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
der inner mensche des eigenschaft ist Got, und zuͦ dem sehent sine begerunge und sin wille und sin meinunge, wan dar neiget sin nature.
hie wider wurt der innewendige mensche getriben von Gotte und von dem natúrlichen neigende daz er zuͦ Gotte het.
Ebd. (
1359
):
der grunt der hat ein ewig neigen, ein grunt neigen wider in den ursprung.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 1338
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Ober mitz das minnenkliche neigen gottes vnd sin inniges wirken in einikeit vnsers geistes [...] vntspringet die dirte zvͦkunft Cristi in inniger vͤbungen.
Schmidt, Rud. v. Biberach
13, 13
(
whalem.
,
1345
/
60
):
dvͥ inwendikeit vnsers herren Ihesu Cristi, [...], ist ein brvnne der minne, dvͥ vnsern willen ze allen ziten neigent krefteklich ze got.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
51, 32
(
tir.
,
1464
):
wer da plöd ist, der naigt sich zu dir, der würt als pald starch.
Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
2, 25
(
noobd.
,
1347
/
50
):
Flüzz in mich aller gnaden runst, | So naigt sich meiner minnen prunst | Zemal in götleichs wesen.
Quint, Eckharts Pred. ;
Strauch, a. a. O.
59, 2
;
Langen, Myst. Leben
207, 8
;
217, 5
;
Vetter, a. a. O. ;
Eichler, a. a. O.
2, 916
;
Adrian, a. a. O.
590
;
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
252, 24
.
7.
›jn. (z. B. ein Kind) wohin legen; etw. (z. B. das Haupt) senken, wohin legen‹.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
,  1.
Syntagmen:
das kind in eine krippe, das haupt n
. (mehrmals),
sein haupt
[wohin] (z. B.
an etw., auf jn., in js. schos, zu der erde
),
das antliz
[wohin]
n
.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Daz dritte, daz ein sun haben sol, daz ist, ob er sîn houbet niemer geneigen kan dan aleine ûf den vater.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
23, 14
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
so trit eyner [...] her vor unde rufit: ,Neygit ugir hopt unde anebetit unsin herren!‘
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. (
osächs.
,
1343
):
abir des menschin sun hât nicht wâr an her sîn houbit neige
[
Mentel
1466 Var. Hs. T, 14. Jh.:
angeneig
;
Luther
1545:
hin lege
].
Ebd. Lk. :
dô si sich vorchten und neigeten
[
Froschauer
1530:
schluͦgent vnder sich
;
Luther
1545:
schlugen [...] nidder
]
ire antlitze zuͦ der erden, dô [...].
Gille u. a., M. Beheim
111, 48
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
ir werdent vinden drate | Ain kind in tuch verwunden, | glegt ader genaigt in ain kripf.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
405, 7
(
els.
,
1362
):
wir kint her Adames hant alle vnser hoͮbet geneiget zuͦ der erden do von wir geborn werdent.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
49, 167
;
Hübner, Buch Daniel ;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Williams u. a., a. a. O.
810, 9
;
Spechtler, Mönch v. Salzb.
30, 27
.
8.
›eine Bewegung in eine bestimmte Richtung (meist abwärts) ausführen, sich / etw. / jn. in eine bestimmte Richtung bewegen; wohin gehen; sich wohin wenden, sich jm. räumlich zuwenden; etw. zu jm. hinlenken, sich / etw. (z. B. die Aufmerksamkeit, seine Kräfte, seine Wahrnehmung) zu jm., auf etw. hinwenden, lenken, richten‹; teils im eigentlich räumlichen Sinne, teils ütr. in einem räumlich gedachten Sinne zu verstehen.
Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch berichtende Texte.
Syntagmen:
die himmel, den sper, die lanze n., seinen gewalt
[wohin]
n., das
›damit‹
[...], sich auf jn., auf got, auf die welt n., der wille sich auf die creaturen n., das her sich gegen Natangen, sein herz gegen jn. n., sich in js. haus n., die gnade die sele in etw. n., die oren n., die oren nach etw., zu der erde, zu jm. n., j. glorie über jn. n., von jm. n
. ›von jm. ab-, wegziehen‹, auch: ›sich von jm. abwenden‹,
jn. zum himmel n., sich zu den feinden n
.
Wortbildungen:
neige
4 ›Handlungsweise, Wendung‹ (hierher?).

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
das sich kegn Nattangin her | neigete daz selbe her.
dô er von in neigete | unde quam ein lutzil dan, | sî gerow, daz [...].
Luther, WA Bibel (
1524
):
HERR neige deine Ohren vnd hoͤre, Thu deine Augen auff, vnd sihe, vnd hoͤre die wort Sanherib.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
als verre sich dirre edel wille
[Gottes]
neiget ûf die crêatûren, sô vervliuzet er mit den crêatûren ze ihr nihte.
herre, als ich mich neige ûf dich, sô wirt mir benomen alliu swære.
daz ist ein swæriu rede den, die sich geneiget hânt ûf dise werlt.
Jostes, Eckhart
34, 10
(
14. Jh.
):
daz si sich nimmer uf minner ding neig dan got.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Zum himel er uns neiget | Almittalle lieplich hin.
Darnach sulle wir neigen | Unser oren vlizeclich.
Eggers, Psalter
32, 13
(
thür.
,
1378
):
Her neygete dy hemele vn̄ steig nedir.
Ebd.
58, 28
:
neyge in dime zcorne nicht von dyme knechte.
Ebd.
65, 20
:
Neige din ore zcu mir; yle, daz du mich erloses.
Ebd.
70, 8
:
In deme kinbreytele vn̄ in deme zcoume betwinget ir kenebacken, di zcu dir nicht neigen.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
51, 14
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
[her] negite sich czu den vindin unde wolde si anevertigin.
Mönch v. Heilsbronn. Fronl.
136, 12
(
nobd.
,
E. 14. Jh.
):
dv / haizzest got mit parmkait sein hertzze gegen vns / naigen.
Ebd.
180, 21
:
zv dem ersten mal / vertreibt dise speis gaistlichev kranchait di den menschen / naigen ze suͤnden.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
1517
/
8
):
Mit solcher neig | Werden vil wort begriffen | Und kaum ein halb meinung erclert.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
146
(
Nürnb.
1517
):
Ich wird uber sie neigen als einen flies des friedes und wie ein güß die glori der völker.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
herre, naige dinen hohen gewalt her nider, daz wir dich bevahen mugent.
Steer, Schol. Gnadenl.
5, 81
(
halem.
,
15. Jh.
):
Genaͮde naiget die sele in so durnaͤchtig gehorsamkait, daz [...].
Sappler, H. Kaufringer
18, 144
(
schwäb.
, Hs.
1472
):
der schuoler sich zuo im do naig
[hier unr. abl.]
| und sprach zuo dem gesellen sein: | [...].
Weber, Füetrer. Poyt.
217, 1
(
moobd.
,
1478
/
84
):
SI naigten paid ir spere, | dy hellden ellennsreich.
Schönbach, Adt. Pred. ;
Eggers, a. a. O.
30, 2
;
Bell, G. Hager
562, 2, 10
;
Sappler, a. a. O.
18, 30
;
Munz, Füetrer. Persibein
382, 1
;
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
45, 34
;
Vgl. ferner s. v.  2.