1
beugen,
V.
1.
›etw. / jn. biegen, beugen (im konkreten wie ütr. Sinne)‹; speziell: ›(die Reben) niederbiegen und fachmännisch an Pfähle heften‹; dies Letztere auch mit Verschiebung der Bezugsgröße auf den Weinberg; als part. Adj.
gebeug(e)t
ansatzweise lexikalisiert: ›fein gezogen (von den Augenbrauen)‹.
Bedeutungsverwandte:
 12, (V.) 12, ,  1,  1, .
Wortbildungen:
beuge
1 ›Zeit des Biegens und Anheftens der Reben‹,
beugerebe
›Rebe zur Zeit ihrer Biegung‹,
beugerin
›Weinbergarbeiterin‹,
beugig
›biegbar‹ (a. 1636),
beugung
(a. 1636).

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Inclinare. Biegen schmucken kruͤmmen beugnen neigen buͤcken helden.
Luther, WA (
1522
):
es ist kein Koͤnig so starck und mechtig, der den glantz und stralen der Sonnen beugen oder lencken moͤge.
Ebd. (
1536
):
Summa, sie leiden beides, geistlich und weltliche tyranney, und werden von beiden zustossen, das ia umb und umb ein zustossen rhor sey, das ein iglicher beuget, krummet, nider druckt, wo er kan.
Thiele, Chron. Stolle (
thür.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
do worn dy winberge dy helfftte wol geboyget.
Ebd. :
do er fron dye boyge reben dye meremenge.
das lon wart gross, eyner boygern XV adder XVI ₰.
in der boyge gab man eynem XII ₰, eynem manne, der do pfele stackte, XVIII ₰.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. (
osächs.
,
1343
):
si gebar iren êrst gebornen sun und în want en mit tůcheren und wider bougite
[
Luther
1545:
leget
]
en in di krippen.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
162, 3
(
osächs.
,
1570
/
7
):
zu Ostern reumet man umb die weinstöcke, stecket pfähle und beuget die reben.
Pyritz, Minneburg
2072
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Syt du [Mynne] bugest allterz eine | Daz sterkest dink uff erden.
Bartsch, Reinfrid (
halem.
, Hs.
14. Jh.
):
ach wie schôn geböuget | ûz wîzer stirnen glizzen, | reht als sî dar gerizzen | wæren, brûne brâwen!
Henisch (
Augsb.
1616
):
Das joch vnd die seile beugen den halß. [...]. Ein junges Kindlein / ein junges Streuchlin / das kan man beugen vnd lencken / wohin man will. [...]. Den baum soll man beugen / weil er jung ist.
Wackernell, Adt. Passionssp. St. II,
2083
(
tir.
,
v. 1496
):
leicht her den tzewg, | Das ich den [poswicht] tzwm ersten pewg.
Kocher, Rechn. Schönenwerd
249, 87
;
Valli, Königsb. Apostelgesch.
1947, 17
.
2.
›sich mit dem Körper niederbeugen, verbeugen‹; ütr.: ›sich vor jm. / etw. verneigen und sich damit als ergeben, demütig, gehorsam zeigen‹; trans.: ›jn. mit einer als Beugung gedachten Bewegung zur Demut führen‹.
Bedeutungsverwandte:
 23,  2.
Syntagmen:
bis auf Ausnahmen refl.;
sich jm. b
.;
sich zu / unter / auf etw., sich vor jm. b., jn. b
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Nicod. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
daz ist uns her gehorsam | und buget vor unsem gewalt.
Luther. Hl. Schrifft.
2. Chr. 20, 18
(
Wittenb.
1545
):
DA beuget sich
[
Mentel
,
Eck
1537:
fielen nieder
;
Froschauer
1530:
bog
]
Josaphat mit seinem andlitz zur erden.
Ebd.
Hiob 9, 13
:
vnter jm müssen sich beugen
[
Froschauer
1530:
sich bucken vñ gedemuͤtiget werden
]
die stoltzen Herrn.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
si [sele] muz sich an den hemil hogen | adir nidir zur erde bogen.
Neumann, Rothe. Keuschh.
2331
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
di lilie wechst unnd beigit sich nider | alles zu der erden wider.
Bell, G. Hager
122, 3, 10
(
nobd.
,
1593
):
die sich nicht Haben gar rund | ge beÿget an dem orte | vor dem Baal.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
daz der mensche wider gebouget sol werden, sin oberstes nider, in dem insinkende in warre underworffener demuͤtikeit.
er můs liden und tragen die búrden und boͤugen sich under die gewaltige hant Gottes.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 167, 21
([
Augsb.
]
1548
):
Des Küniges hertz / ist in der hand des Herren / wie Wasserbaͤche / und er beüget es / wa hin er will.
Hübner, Buch Daniel ; ;
Bihlmeyer, Seuse ;
Schmidt, Rud. v. Biberach
137, 24
.
3.
›(einen Körperteil, oft: die Knie) zum Zeichen der Ergebenheit (meist) oder des hartnäckigen Widerstandes (vereinzelt) beugen (sowohl im konkreten wie im ütr. Sinne); (seine Hände) zum Schutz über jn. halten‹; auch vom Neigen der Blätter oder Äste eines Baumes gesagt.
Bedeutungsverwandte:
 1.
Syntagmen:
(jm.) die knie b., die knie / beine (vor / gegen jm.) b., (jm.) den hals / nacken b., die schultern unter etw. b., die hand über jn. b
.;
das gebeugte knie
.

Belegblock:

Luther, WA (
1522
):
Was ists nuͤtz, das sie die knie beugen und diß nit thun.
Ebd. (
1527
):
Das sind rechte Jsmael, unbendige, halstarrige und widderspenstige, ein volck das nicht zu lencken noch zu beugen ist.
Ebd. (
1538
):
Ein Furst lest fur im die knie beugen, credentzen, drumb, das Gott inen in das ampt gesetzt hab.
Ders. Hl. Schrifft.
Röm. 14, 11
(
Wittenb.
1545
):
mir sollen alle Knie gebeuget
[
Froschauer
1530,
Eck
1537:
gebogen
]
werden.
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
des wurdin si dô bougin | ir hertin nackin allintsam.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Man sol, [...], | Die knie vor einem alten beygen.
Opel, Spittendorf (
osächs.
,
um 1480
):
er [gott] wil seine handt uber uns beigen.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. (
osächs.
,
1343
):
si bougiten
[
Froschauer
1530:
bucktend
;
Eck
1537:
boge͂
]
ire knie vor en und vorspotteten en.
Ebd. Mk. :
und bougiten
[
Mentel
:
satzten
; Var. 1475
2
:
neygten
;
Luther
1545:
fielen auff
]
ire knie, si anebettin en.
Mathesius, Passionale (
Leipzig
1587
):
es werden auch Koͤnige [...] jhre Knie fuͤr jhm beugen vnd sich neigen.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Bautzen
1567
):
Du hoher baum beug dein zweiger.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
boͤugent uwer schultern under die búrde Jhesu in liebe und in leide!
Dierauer, Chron. Zürich (
halem.
,
1415
/
20
):
do buttent si ir hende gen dem himel und boͮgtent ir haͤls undertaͤnenklich dem enthoͮpter.
Schlosser, H. v. Sachsenh.
740
(
schwäb.
,
1453
):
Sie bugen all gen ir die bain | Und vielen ir zů fůsse gar.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
25, 49
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
Paum hoch, dikch kreuz, peug dein este, | Christi gelidern gib ein reste.
Bechstein, a. a. O. Mk. ;
v. Tscharner, Md. Marco Polo
22, 14
;
Gille u. a., M. Beheim
116, 25
;
Dietz, Wb. Luther ; .
4.
›etw. (positiv Beurteiltes, z. B. das Recht) biegen, brechen, verdrehen, verfälschen‹.
Bedeutungsverwandte:
 6, , , .

Belegblock:

Luther, WA (
1526
):
wir beugen die schrifft, wies uns dunckt.
Ebd. (
1525
):
sol man sie lassen gellten, wie sie klingen und nicht mit unserm auslegen und deutten lencken oder beůgen.
Ebd. (
1529
):
Sonst ligt einer in Haß, der beugt balde das recht.
Ders. Hl. Schrifft.
2. Mose 23, 6
(
Wittenb.
1545
):
Dv solt das Recht deines Armen nicht beugen
[
Froschauer
1530,
Eck
1537:
biegen
;
Dietenberger
1534:
verkeren
]
in seiner Sache.
Ebd.
Spr. 17, 23
:
Der Gottlose nimpt heimlich gern Geschencke / Zu beugen
[
Froschauer
1530:
felschen
;
Dietenberger
1534:
verkere͂
]
den weg des Rechts.
Karsten, Md. Paraphr. Hiob (
omd.
,
1338
):
dich nicht bouge gabe breit, | Daz du recht gerichte breches.
Bell, G. Hager
224, 2, 12
(
nobd.
,
1600
):
wo wolt doch ir | lasen, glaubt mir, | Ewre ehre zu stunde, | das sie nit wert gebeichet schir | Do / vnder den ge fangnen weit.
Henisch (
Augsb.
1616
):
der Allmechtige beuget das recht nicht.
5.
›etw. / sich in einer als Beugung gedachten Bewegung auf etw. / jn. richten‹.

Belegblock:

Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Kein im wirt er nicht bougen | Sine gotlichen ougen | Lieblich als da vor.
Strauch, Par. anime int.
90, 3
(
thür.
,
14. Jh.
):
daz in disime werke alle werc werdin wider gebeugit uf sich selber.
Ebd.
99, 32
:
dar uz inspringit ein minne di sich widir beugit uf Got.
Sachs (
Nürnb.
1562
):
[Den menschen, der] auff eygne lieb geneyget | Auff sich selb gentzlich ist gepeyget.
Strauch, a. a. O.
68, 19
;
Vetter, Pred. Taulers ; Var.