jamer,
1.
›Zustand des Elends, beklagenswerter Zustand e. P. oder e. S.‹; in religiösen Texten: ›das große Elend der Welt, Leiden der Verdammten beim jüngsten Gericht‹; auch: ›subjektives seelisches Elend, Schmerzgefühl e. P.‹.Phraseme:
mit jamer dem tode entgehen
›mit Mühe und Not dem Tod entgehen‹; ane allen jamer
›unbarmherzig‹.Bedeutungsverwandte:
(die
) 1, 1, 2, 1
1, 1, 2, (das
), , 1, 1, 4, 5, (das
) 2, , (der
), (die
) 1, 5, , , , , , , , , , , 1; 2, (s. v. 2), 1, , , , , , , , , , ; vgl. 1, 2, .Syntagmen:
j. anrichten / ansehen / begehen / bringen / dulden / gewinnen / haben / leiden / pflegen / stiften / tragen / treiben / üben / wälen / weinen
; aus einem j. in den anderen fallen
, jn. in j. bringen / setzen / stürzen
, etw. in j. stecken
, in j. fallen / leben / schweben / sitzen / stehen
, jn. / etw. mit j. rächen / überwinden / umfangen
, jn. von j. erlösen
; jamers klage / leiden / we
; bitterer / ewiger / grosser / gemeiner / trauriger j.
; quit / reich / viel / vol des j.
Belegblock:
Quint, Eckharts Trakt.
237, 4
(E. 13.
/A. 14. Jh.
): ein geistlichiu vröude, diu die sêle erhebet ûz allem leide und jâmer.
Reissenberger, Väterb.
23563
(md.
, Hs. 14. Jh.
): In dem jamers grimme | […] | Clegelich sie zu mir schre.
Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
603
(Köln
1476
): Eyn groissz wertlich yamer do geschach ind mortlich noit.
Froning, Alsf. Passionssp.
5381
(ohess.
, 1501 ff.
): nemmet zangen und hamer | und slat en an das crucz an allen jamer!
Jahr, H. v. Mügeln
1916
(omd.
, Hs. 1463
): ich lide mit im, was er leit, | sin not mich oft in jammer treit.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
15
(Hs. ˹omd.
, 1465
˺): Angst, not und jamer verlaßen euch nicht, wo ir wandert; leit, betrübnüß und kumer lenden zu euch allenthalben.
Mathesius, Passionale
50v, 15
(Leipzig
1587
): das der Teuffel also regieren / vnd die Welt in solchem jammer stecken solte.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
118, 24
(Nürnb.
1548
): Da muß denn eytel vnglück vnd jammer folgen / das solche kinder das hertzen leyd jren eltern machen.
Matthaei, Minner. I,
5, 101
(Hs. 15. Jh.
): min hercze sich in jamer bert | und wil daz jamer rechen.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 293
(els.
, E. 14. Jh.
): Noch leit er vmbe den iamer vnd vmbe daz ellende siner můter.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
2240
(halem.
, Hs. um 1435
): Also das in der jaren zit | In selten ie ward jamers quit.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
16, 5
(oobd.
, 3. Dr. 14. Jh.
): ir geadelt zarte sele, | ser betrüebt in jamers quele, | scharf / ein sneidunts swert durchgieng.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
105, 25
(tir.
, 1464
): da fiel ich in sölichen grossen jamer vnd schmerczen von grossen schrikhen.
Quint, Eckharts Pred.
2, 151, 1
; Strehlke, Nic. Jerosch. Chron.
7178
; Altmann, Wind. Denkw.
201, 18
; Österley, Kirchhof. Wendunmuth
4, 49, 7
; Karnein, Salm. u. Morolf
177, 4
; Froning, Alsf. Passionssp.
6360
; Gerhard, Hist. alde e
3960
; Strauch, Par. anime int.
7, 35
; Anderson u. a., Flugschrr.
19, 16, 27
; Asmussen, Buch d. 7 Grade
2014
; v. Keller, Ayrer. Dramen
3002, 9
; Vetter, Pred. Taulers
51, 11
; Chron. Strassb.
291, 11
; Sappler, H. Kaufringer
5, 150
; Weber, Füetrer. Poyt.
253, 6
; Piirainen, Stadtr. Sillein
37, 20
; Voc. Teut.-Lat.
p iiijr
; Voc. inc. teut. m
iiijr
; Schöpper
21b
; Maaler
234r
; Volkmar
75
; Ulner
81
; Diefenbach
209
c; Schwäb. Wb.
4, 71
; Pleuser, Leid b. Tauler.
1967, 111/2
; Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 57
; Wiessner, Wortsch. Wittenw. Ring.
1970, 102
.2.
›schmerzliches Verlangen, Sehnsucht (nach Gott)‹.Texte religiösen Inhalts.
Belegblock:
Bihlmeyer, Seuse
111, 16
(alem.
, 14. Jh.
): siner sele bleib do vil himlisches smakes und jamers na gote.
Rieder, St. Georg. Pred.
70, 12
(Hs. ˹önalem.
, 1387
˺): Dú dritte tagwaid daz ist jamer nach dem schoͤnnen minneklichen Gotte.
Schmidt, Rud. v. Biberach
64, 20
(whalem.
, 1345
/60
): in der obersten ierarchia des gemvͦtes lit ze vorderost an einem iamer nach gotte.
3.
›hörbarer Ausdruck des Schmerzes, Wehklage‹.Belegblock:
Helm, H. v. Hesler. Apok.
4784
(nrddt.
, 14. Jh.
): Daz wir den geist betruben | Und ruwic jamer uben.
Reissenberger, Väterb.
31148
(md.
, Hs. 14. Jh.
): Do wart sin weinende jamer heiz | Und sin herze in suftzen tief.
Österley, Kirchhof. Wendunmuth
1, 144, 4
(Frankf.
1563
): Doch an der that es nicht vermag, | Erhebt sich jamer nacht und tag.
Froning, Alsf. Passionssp.
5912
(ohess.
, 1501 ff.
): Groiß jamer und klage, | die ich vile arme frawe trage!
Gille u. a., M. Beheim
99, 529
(nobd.
, 2. H. 15. Jh.
): da waz solch jamer und geschrai, | das aim wal het gegrauset.
hail. altvaͤter
72v, 21
(schwäb.
, E. 14. Jh.
): die lǔt […] liessend in mit grossem iaͮmer von yn varn.
Martin, H. v. Sachsenh. Tempel,
600
(schwäb.
, 1455
): Grouß jaumer, ach und we | Sölt manig hertz verschniden.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
23, 143
(oobd.
, 3. Dr. 14. Jh.
): man legt in da mit jamer groß | Maria toten in ir schoß.
4.
als Ausruf dienend: ›ach, wehe‹.Belegblock:
Lindqvist, K. v. Helmsd.
2221
(halem.
, Hs. um 1435
): Jamer, er sprache, wie gern ich woͤlt | […] Ab gaͮn hin inder helle gaden.