elend,
enelend
(Letzteres vereinzelt), das
;-(e)s/–
;zur Etymologie s.
elend
(Adj.).1.
›Fremde, außerhalb des gewohnten Lebensraumes (des seinen
, des erbvaterlandes
, des standes
, des klosters
, der stat
, von vater und mutter
) liegendes Gebiet, in das man aufgrund von Verurteilung, Verbannung, herrschaftlicher Willkür, aber auch (seltener:) eigener Zielsetzungen (z. B. ritterlicher, religiöser Art) verschlagen / verbannt / verstoßen wurde bzw. in das man sich begeben hat‹; damit assoziativ eng verbunden (als Metonymie): ›Raum außerhalb sozialer und rechtlicher Sicherheiten, Einbindungen, Beziehungen‹; damit: ›Raum psychischer Isolierung, Bindungslosigkeit, Unsicherheit, Bedrängung‹; Phraseme:
das elend bauen
›seine Zeit in der Fremde zubringen‹.Syntagmen:
js. e. erhören / rächen
; (das) e
. (Subj.) über die Juden kommen
; aus dem e. wiederkommen, in das e. faren / gehen / kommen, im e. (er)sterben, sein leben enden, jn. in das e. drücken / füren / verjagen / (ver)schicken / (ver)senden / verteilen
›verurteilen‹ / (ver)treiben, verstossen
(z. B. die poeten
) / (ver)streuen
(z. B. Christen / Juden
), jn. in dem e
. [wie] halten, seine schenkel im e. wagen
›sein Leben in der Fremde aufs Spiel setzen‹, mit e. in der fremde beheimt sein, von seiner gedichte wegen in das e. müssen, jn. vom e. berufen
; das elend der Christen, in Ägypten
; das arbeitsame / grosse e
.; die zeit des elendes
.Belegblock:
und also die Christen hin und her ins elend zerstrewet werden.
wie er [Jason] viel Leute aus jrem Vaterland vertrieben hatte / So muste er auch selbs im elend sterben
[
an der froͤmbdeFroschauer
1530 / Eck
1537: ;
verdarb pilgrims weyseMentel
1466: ; nd. Bibel 1478:
vergink ellendichlike; 1522:
vorgink wanderende].
Und waz da etlich jar pehempt | mit grossem elend in der frempt.
In vilen Landen her vnd hin | Hab ich gebawt das Elendt.
Also lißt man auch von dem verczirleichen und vertuleichen sun, das er ferr gieng in die fremde und in das ellend.
Ein mann er auch beruffen thett | Vom ellend, den vertrieben hett | Thiberius in das ellend.
Dann er mit gewaltiger hant | Aus seinem aigenen erblant | Vertriben worden, im elent | Der sein leben heut hat geendt.
und ving die Juden [...] und fuͦrte die in Egipten und verkoufte sü, das gros ellende und jomer über die Juden kam.
zuͤ Athen, [...] ist Solon [...] in seinem großen alter vertriben worden, daß er im elend ersterben muͤssen.
von seiner gedicht wegen / muͦßt er in dz ellend.
als Vespasianus Jerusalem erstörte und all Juden fieng und in das ellend ir zertailung sträwet.
[er] nam künig Joachaz gefenglich an, [...], verschikt in in Aegypten in das elend.
Gerhard, Hist. alde e
5908
; Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
1, 74, 14
; Adomatis u. a., J. Murer. Hest.
96
; Klein, Oswald
18, 89
; Langmantel, Schiltb. Reiseb. ;
Qu. Brassó
4, 225, 22
.2.
›Jenseits‹ (allgemein; nur 1 Beleg: s. u. Helm
); speziell: ›Hölle‹; beide Nuancen als ›Raum der Fremde‹ metaphorisiert.Belegblock:
daz unsir sele sol geben sput | dort vor den tubelischen scharn, | wenne wir in daz enelende varn.
so bitte wir daz gotis kint, | daz her si [engele] uns zu huteren sende, | wen wir in daz enelende | dort sullen mit angeste varn.
3.
›irdische Welt als ,fremd, vorläufig‘ von 1 her metaphorisierter Raum, in den der Mensch durch den Sündenfall hineingeworfen ist und sein Leben zu fristen hat‹; tropisch: ›dieses Leben (mit all den ihm zugeschriebenen Eigenschaften)‹; elend
3 wird als Raum des Leidens, der Askese, der Not gedacht; damit verbindet sich die Aufgabe zu seiner Überwindung durch aktive Unterwerfung unter das Leid, durch Askese, durch abgescheidenheit
, auch (teils kritisch) durch das Ziel des Erwerbs der Seligkeit (als lon
) ertextet; im Verlauf dieser Bemühungen kann elend
3 seinen Charakter als Leiden verlieren und Züge der Heilszuversicht annehmen (vgl. Syntagmen wie süsses elend
sowie die Verkehrungen der Negativwertungen ins Positive bei den bedeutungsverwandten Ausdrücken); Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld): , 1; 4; 6, 1; 3; 4; 7, (der
) 3, I, 5, 1, 1, (das
) 1; 2; 3; 4, , (das
) 1, , , , , , , , , , , .Syntagmen:
e. bauen / dulden / haben / leiden
; das e
. (Subj.) nichts / ungenant sein, sich im leben nahen, ein ende nemen, jn unterweisen, got erbarmen, keinen frieden geben
; das leben e. sein
; des elendes innen werden
; aus dem e. faren / scheiden / zu got gehen, jn. aus dem e. lösen, j. im e. sein
(z. B. von dem falle
›durch den Sündenfall‹), in das elend kommen / gehen
(z. B. durch got
), jn. im e. lassen, mit e. umgeben sein, von dem e. ausgehen / scheiden, von dem e. in die heimat kommen, ein buch vom e. machen, jn. vom e. zum ewigen lon / leben füren
; das e. der menschen, der welt
; das elendige / grosse / süsse / ware e
.; die betrachtung, das tal des elendes
.Belegblock:
Non canunt: unser wonung ist hie, sed hic sumus im elend, non ,gasthof‘ canunt.
Sie dahten von den heiden | Mit des libes tode scheiden | Uz disem ellende | In die Gotes vroude ane ende.
Ez [etwaz, daz über daz geschaffen wesen der sêle ist] ist ein sippeschaft götlîcher art, ez ist in im selben ein, ez enhât mit nihte niht gemeine. [...]. Ez ist ein elende und ist ein wüestenunge und ist mê ungenennet, dan ez namen habe.
daz ellende oder diu armuot oder smâcheit, [...], daz ist dennoch allez nihtes noch engibet keinen vride.
Wir hain hie ruwe, sorge ind ellende, | by Gode is vreude sonder ende.
die da sint in dem dale des ellendes | Und uff der erden der arbeit.
Ellende bauen alle leut auf erden. Von icht zu nicht müßen sie werden.
weil wir hie leben so | sein wir rechtt als die pilgreim do | in dem ellend verainett | Von unsern herren und haimat.
Die [XII botten] muͦstent er und güt lon | Und dürch got in das ellend gon.
do ime vor gruwelte, daz gelust im nu, also smochheit, ellende, einoͤte, lidekeit, indewendekeit, demuͤtikeit, verworffenheit, abegescheidenheit von allen creaturen.
des selben solt du ledig sin und enkein sehen haben uf nút denne blos in den willen Gotz und in sinem willen din ellendig ellende ze lidende als lange als im behagt.
Die ime [...] nach volgent an uswendiger trostloskeit und an worem ellende von innen und von ussen von allem enthalt und sich blos haltent von aller minlichheit und annemlicheit, die koment [...] dar do das rich [...] funden wirt.
allez ir innewendig leben ist zwiuel vnd wer, arbeit vnd ellende, wan sv́ ansehent zvͦ der rehten siten daz ewige leben.
daz wir varent von dem ellende dirre welte in die vatterlichen hainmuͦt dez hýmelriches.
warumb ist der mensch auf erden? allein daß er mit vil ellend umbgeben werde; drumb ist er da, nit von wollust wegen.
also wirt si [sele] fry, vnd niemer wirt got froͤmde der sele doͤrt in dem vatterland, der er hie haimlich ist gesin im ellende.
du fuͤrst in von disem ellende zvͦ dem ewigen lon.
üwer verschmaͤchte vnd ellende | Sol denne nemen ein ende.
lernet Creütz tragen / sich selbs verachte͂ / schmach / armuͦt / vñ ellend duldñ.
Freund, wiltu weisshait, tugent an dich breisen, | das la dich elend, armüt underweisen.
4.
›irdische Welt als dem himmlischen Gott fremder Raum, in dem Jesus Christus vom Himmel herabsteigend seine Passion auf sich nimmt und mit seinem Erlösungswerk vollendet‹; teils mit einem Aufruf an den Menschen zur Nachfolge des Leidens verbunden, dann: ›als ,Nachfolge‘ ertextetes elend
‹ im Sinne von 3.Meist Texte der Sinnwelt ,Religion‘.
Belegblock:
Er / nimpt auff seinen Hals / tregt / wird belestiget vnd beschweret mit vnserm elend.
daz du dich neigtest von dem hohen throne, [...] in ellend und verschmeht drú und drizig jar.
dem [Christus] ir rehte gemehelliche truwen leisten süllent, sinem armuͦte, sinem ellende, siner versmehte noch zuͦ volgende.
er ist ioch geordent von den kirchen ein gesell vnsers ellends
[
zu vnserm walgefertenEmser
1527 / Eck
1537: ;
zum Geferten vnser fartLuther
1545, 2. Kor. 8, 19: ].
Belegblock:
gut, ehre und leben kan die welt Christo nicht guͤnnen, sondern armut, not und elende mus er tragen.
not, | Die en armut, crankeit bot, | Hunger, bloze, ellende.
Der arm [paur] zoch offt sein elend aus | Gem reichen, das er ym hillff det.
So im dann stoßt under syn hend | Armuͦt / verachtung / spott / ellend / | Vnd er zerryssen loufft / vnd bloß.
6.
›physischer und psychischer Schmerz; Leid, Jammer, Qual, Not jeglicher Art‹ (von selbstverschuldeten Widrigkeiten über psychische Anstrengungen bis hin zu Kriegswirren); Phraseme:
das trunkene elend
›Kater (nach ausgiebigem Genuss von Alkohol)‹.Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld): 1; 2; 3; 6, (die
) 2, 1; 7; 8, 1, (die
) 1; 2, , 1, , 3; 4; 5, 1
4; 5; 7, (die
) 5; 6; 7, 1, 2, , .Syntagmen:
(das) e. anschauen / sehen, schwerer machen, in den weg der gerechtigkeit bringen
; das e
. (Subj.) jm. ande tun, das e. der schafe von hunden kommen
; des elendes klagen
; mit e. umfangen (sein), in e. kommen, jn. in dem e
. (bei einer Lernanstrengung) grau machen, jn. in (das) e. bringen / füren, mit e. beladen / plagen
; ach elend!
(als Ausruf); das grosse e
.; das brot des elends
.Belegblock:
wolden wir nicht in allen enden des landis sollen grundlich vorterbit werden und darnoch hunger, frost, enelende, jamer und unsalde seen an unsern weiben und kinden.
Sieben tage soltu vngeseurt Brot des elends
[
der quelungMentel
1466: , Var. 1475
der zwangsal2
-1518: ; nd. Bibel 1478:
der bedrofnisse;
deiner angstDietenberger
1534: ;
der peinigungEck
1537: ]
essen [...] Auff das du des tages deines auszugs aus Egyptenland gedenckest. Wer suld des ellendz nyet claegen! | Groyssz erschrecklyge noyt was dayr.
sie geriehten dardurch in grossen Mangel und Hunger / wurden auch mit allerley Kranckheiten / Jammer vnd Elendt beladen / vnd geplagt.
Die [schoͤn] hat mich auch gefuͤret | Uz mines hertzen lande | In ellende, daz mir ande | Tut gar in jamers erge.
Si [ars metrica] ist eyne kunst behende, si macht in dem ellende | vil manghen jungen gra.
Das kömmert den Genglin, der sonst der zeit gestossen vol war, so hoch, das er offenlich das drunken ellendt anfieng zu wainen, sagendt: [...].
Im ehestand kompt man auß dem jammer ins elend. Schuld und zanck bringt elend.
e das ain grober tralle | lit ellend, armüt, als vil mancher weiser tüt, | er lies ee all sein freund hie sterben umb das güt.