betriegen,
betrügen
(letzteres im Wmd. / Wobd. seit dem mittleren Frnhd. sehr vereinzelt),
V., unr. abl.;
zur Herkunft und Geschichte der
ü
-Formen vgl.  f. sowie die Bemerkungen im und 667.
1.
›jn. täuschen, jn. durch Vorspiegelung logisch falscher, religiös verwerflicher (usw.) Tatsachen betrügen, jn. blenden, irreleiten, verleiten, verlocken, verführen‹; im Unterschied zu 2 unter Zurücktreten des eigenen Vorteils; offen zu 2.
Phraseme:
die zeit betriegen
›die Zeit totschlagen‹.
Bedeutungsverwandte:
(V.) 12,  3,  3,  3, , ,
1
(s. v.  2),
1
 1,
2
, , ; vgl.  3.
Syntagmen:
j
. (z. B.
der redner
)
/ etw
. (z. B.
der dünkel / sin / unglaube / traum / wan / wein, die klugheit / meinung / sünde, das gesicht
) (
jn.
)
b., der satan / teufel, propheten jn. b., j. / etw. die sele, das herz b., jn. lästerlich / schwerlich b., jn. / sich mit etw
. (z. B.
mit zauberei / hofnung, mit titeln
)
b
.;
falsches betriegen
;
ane betriegen
a) ›ohne Zweifel‹; b) ›unfehlbar‹.
Wortbildungen:
betriegolf
.

Belegblock:

Pfefferl, Weigel. Gn. S. 
102, 8
(
um 1571
, Hs.
1615
):
Nun Adam betrogen durch die schlange aß vom verbottenen Paumb.
v. Ingen, Zesen. Rosenw.
35, 14
(
Hamburg
1642
):
und wolten ferner mit allerhand lustigen Gespraͤchen die Zeit betruͤgen.
Luther, WA (
1525
):
Meine hoffnunge wird mich nicht betriegen.
Ders., Hl. Schrifft.
Hab. 3, 5
(
Wittenb.
1545
):
der Wein betreugt den stoltzen Man.
Froning, Alsf. Passionssp.
3877
(
ohess.
,
1501ff.
):
Her, ich wel dir nycht liegen: | die paner neiget sich ane betriegen!
Ebd.
4667
:
darumb sijt er des tufels kynt! | ir losßet uch den tufel betrugen alle!
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
5816
(
rib.
,
1444
):
he verredet dich | Ind bedruycht ind verleidet qualich.
Jostes, Eckhart
64, 29
(
14. Jh.
):
Daz sint die, [...] die do reinen hertzen sint, und sint di, die nieman betriegen, (mak) und die von nieman betrogen werden.
Strauch, Par. anime int.
39, 5
(
thür.
,
14. Jh.
):
wer ist recht einvaldic? daz ist der nimannen betrubit noch betrugit mit nichte.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
15, 3
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
gütig und scharpf pflegt ir euch zu beweisen den, die ir meint zu betriegen.
Feudel, Evangelistar
124, 23
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
Wen dy valschen propheten kumen unde sullen czeichen gebin unde valsche gote czu betrigende dy uz irwelten.
Rupprich, Dürer (
nobd.
,
1528
):
Dann das wissen ist warhafft, aber die meynung betrewgt offt.
Hampe, Ged. v. Hausrat
2, 1, 16
(
nürnb.
,
1544
):
die lieb thuet dich petriegen | Vnd plendet dich in diesen sachen.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
136, 20
(
Nürnb.
1548
):
der Teuffel vnd die menschen koͤnnens nit / ob sie wol bißweilē durch gespenst / augen vnd ohren betriegen / das es den schein hat / alß [...].
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
Man kan jhn [Gott] nicht betriegen.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
267, 23
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
so ist sin not zuo dem, dar zuo si geordent wirt von gotte, niht von getwange, sunder ane betriegen.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
wan der mensche als valschlich lebet und betrúget sich selber.
Lemmer, Brant. Narrensch.
71, 24
(
Basel
1494
):
Das sie [redner] die sachen wol verkluͤgen | Vnd mit geschwaͤtz / eyn richter btruͤgen.
Ebd.
101, 16
:
Das kan man verben / vnd verkluͤgen | Do mit man moͤg dest baß betriegen | Vnd schaffen / das mans gloubt dest ee.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 22, 25
(
Hagenau
1534
):
Wer leichtlich glaubt / wirt leichtlich betrogen.
Ebd.
129, 7
:
Was die augen sehen / betreuget das hertze nicht.
Anderson u. a., Flugschrr.
4, 7, 12
([
Straßb.
]
1524
):
vor den zuckenden wolffen / die sich vnder der schaff woll zů der herd schlahent / damit sie dester hoflicher / betriegent.
Ebd.
10, 18
:
deßhalb sie vns gern mit hübscher weysser schieme betriege͂.
Ebd.
12, 8, 33
(
Wittenb.
1522
):
ich weiß / das die warheitt weder liegen / noch bedrigen / noch verfuren kan.
Ebd.
19, 18, 30
([
Eilenb.
]
1524
):
die dich heilig vñ gut heyssen / betriegen dich.
Roloff, Brant. Tsp.
2175
(
Straßb.
1554
):
Damit hatt sie [Wolust] all welt betrogen | Und ist doch alles erstunckin und erlogen.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Er ist allain almæchtig Got, | [...] | Und ist das volk mit úns betrogen: | Er ist war und wir gelogen.
Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag
8v, 9
(
Zürich
1521
):
mich betrieg dann min meinung / meint er mit disem eben das / das [...].
Rennefahrt, Zivilr. Bern (
halem.
1615
):
Von ehelüten 1. satz. Das niemandt in der ehe betrogen werden soͤlle.
Maaler 64v- (
Zürich
1561
):
Die waͤchter Betriegen/ Heimlich außhingon / daß die huͤter nit werdend innen. Custodes fallere. [...]. Es seye dañ sach daß mich mine sinn Betriegind.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Wonolff ist betriegolffs bruder
(so auch in
Lemmer
, Brant. Narrensch. 67, 64; vgl. zu
-olf
:
I. Reiffenstein
, Erträge [...]. Festgabe f. W. Bauer. 1999, 363).
Gab vnd geschenck betriegen manch schoͤn Maͤgdlein. [...]. Grosse taschen / darin kein gelt / Betriegen manchen klugen Held. [...]. Sich selbs betriegen / ist die leichste arbeit. Was die augen sehen / betriegt das hertz nicht.
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
55, 53
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
welche ruerung sein von dem geiste gots oder welches die petriegünden geist sein.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
509
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
Do aber si [Eva] [...] den man betrog, darumb so herschet ir der mann czu einer ewigen puez.
Ebd.
932
:
wie der tewfel vnser erste frewnt betrogen hat, als die schrifft daz sagt: Es stund vor dem weybe in der gestalt der slangen der hoffertig veind.
Eis u. a., G. v. Lebenstein
70, 9
(
oobd.
,
1. V. 15. Jh.
):
Welches kind der alp betrügt, dem geb man es zu trincken.
Klein, Oswald
3, 30
(
oobd.
,
1422
?):
David, Salomon | durch frauen sind betrogen frävelich.
Ebd.
19, 20
(
1416
):
Der ainen vogel vahen müss, | das er im nicht emphliege, | der tü im richten, locken süss, | domit er in betriege.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
dan das gemein alt sprichwort ist ’kain gelt macht den schalk frum’; es betreugt wol under dem schein der fürsichtigkait den menschen und verfüert in.
Bauer, Imitatio Haller
72, 4
(
tir.
,
1466
):
vnser czweiflung vnd sinn die sint vns offt petriegen vnd sint gar lüczel sehen vnd versten.
Froning, a. a. O.
5667
;
7192
;
Neumann, Rothe. Keuschh.
4032
;
4034
;
Gille u. a., M. Beheim
21, 49
;
76, 139
;
82, 448
;
193, 3
;
Reichmann, a. a. O.
236, 17
;
257, 24
;
Vetter, a. a. O. ;
Lemmer, a. a. O.
67, 64
;
92, 5
;
103, 5
;
Steer, Schol. Gnadenl.
1, 139
;
6, 38
;
Lauater. Gespaͤnste
171, 19
;
Sappler, H. Kaufringer
5, 460
;
11, 40
;
Brandstetter, Wigoleis
203, 38
;
212, 11
;
Baptist-Hlawatsch, a. a. O.
695
;
1304
;
Munz, Füetrer. Persibein
49, 6
;
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
115, 35
;
Voc. inc. teut.
c vr
;
s vijv
;
Rot
302
;
Dietz, Wb. Luther ;
Vgl. ferner s. v. (V.) 2,
1
 1,  1,
1
.
2.
›jn. zum eigenen Vorteil betrügen; jn. übervorteilen, betrügerisch um etw. bringen‹.
Syntagmen:
jn
. (z. B.
got, den nächsten
, mehrfach:
arm und reich
)
b., jn. an etw
. (z. B.
an dem kauf
)
/ um etw
. (z. B.
um das gelt
)
/ über etw
. (z. B.
über den halben teil
)
/ mit etw
. (z. B.
mit der münze
)
b
.

Belegblock:

Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Wer nicht betrogen wird / der hat kein Schaden.
Schöpper (
Dortm.
1550
):
Fallere. Betriegen verforteiln geferden einfuͤren teuschen vberkluͤgen bescheissen hintergehen bethoͤren hinterkommen vbers seyl werffen schrencken feinantzen das huͤtlin vffsetzen beruͤcken jns stuͤblin fuͤren mit dem Judenspieß nieder rennen ¶ außsaugen beroͤpffen schinden.
Luther, WA (
1525
):
[das sie] die wellt umb yhr gutt betriegen und yhren bauch messten.
Ders. Hl. Schrifft.
Hos. 12, 8
(
Wittenb.
1545
):
der Kauffman hat eine falsche Woge in seiner Hand / vnd betreugt gern.
Köbler, Ref. Wormbs
83, 13
(
Worms
1499
):
also byn ich hynderkõmen vnd betrogen mee dann vber den halben teil des rechte͂ werds.
Ebd.
107, 9
:
Oder verkaufft yme wissentlichen frembde habe oder güter die nit syn oder in synem beuelh sindt. oder sunst betrüglich gegen einem handelt vnd betrügt in.
Ebd.
360, 6
:
dadurch er synen vorteil oder andere sucht zubetriegen oder zuueruntrüwen.
Ders., Ref. Nürnberg
291, 3
(
Nürnb.
1484
):
Von den geltern die Jre glawbiger in furnemen derselben betriegen. vnd nit bezalen.
Stambaugh, Milichius. Zaubert.
12, 10
(
Frankf./M.
1563
):
Die Zauberey ist ein heymliche practick damit der Teuffel die menschen betreuget und beschediget.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. (
osächs.
,
1343
):
ob ich îmant icht betrogen habe, daz gebe ich vîrvalt wider.
Ermisch, Sächs. Bergr. (
osächs.
,
1477
):
die gewercken, die ir gelt truwelich darzcu gelegt und dareyn gekaufft, betrogen sind.
Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
n. 1525
):
wie er dem wirt ain magt notzuchten und betriegen wöllte.
Goldammer, Paracelsus
4, 246, 15
(
1530
):
als die arzt und philosophi [...]: bleiben allein im schein, [...] die leut zu bescheißen, zu betriegen.
Roloff, Brant. Tsp.
247
(
Straßb.
1554
):
Auffsatz und betriegen hatt yetz ehr.
Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
n. 1437
):
dar vmb aber erber luͥt digk vnd vil werdent betrogen vnd geschedigett.
Müller, Alte Landsch. St. Gallen (
halem.
,
1562
/
4
):
Dardurch frömbd und haimsch an hauptgůt und zins betrogen und verfüert werden.
Maaler (
Zürich
1561
):
Betriegen / Eim ein ding mit betrug abziehen.
Rot
311
(
Augsb.
1571
):
Fallirn, Betriegen / vberlisten / laichen.
Henisch f. (
Augsb.
1616
):
Den honig vmbs maul streichen / verfuͤhren / betriegen / vber den toͤlpel werffen / vmb die fichten fuͤhren [...]. Ein Aff kan den Fuchs nicht betriegen. Ein Fuchs kan schwerlich den andern betriegen. [...]. Grosse reiche buben / betriegen offt die armen. [...]. Mancher helt glauben in einem kleinen / auff das er desto leichter betriege in einem grossen. [...]. Wer mich einmahl betreugt / der soll mich nicht mehr betriegen. Wer mich zum andern mahl betreugt / der thut mir eben recht. Wer mich einmahl betreugt / den schilt ich / betreugt er mich zweymal / so danck ich jhm. [...]. Die Welt will betrogen vnd genarret sein / das tregt manchen fette Schweine in die kuchen. [...]. Es ist kein Schalck so verschlagen / Er wirt zuweilen von andern betrogen.
Klein, Oswald
112, 22
(
oobd.
,
1438
):
nach den gesetzten kaiserleich, | da wirt betrogen arm und reich.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1623
):
Wer mit falscher münz betretten wirdt und seinen negsten dormit betreugt und zu schaden fiert.
Mieder, a. a. O. ;
Quint, Eckharts Pred. ;
Österley, Kirchhof. Wendunmuth ;
Kisch, Leipz. Schöffenspr. ;
Goldammer, a. a. O.
4, 250, 16
;
Rennefahrt, Stadtr. Bern ; ;
Koller, Ref. Siegmunds ; ;
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. ;
Schmitt, Ordo rerum
684, 16
;
Dietz, Wb. Luther ;
Vgl. ferner s. v.
2
 1, , ,  3,  4,  1.
3.
im Beleg im Passiv: ›sich verlesen, versprechen‹.

Belegblock:

Sievers, Oxf. Benedictinerr. (
hess.
,
14. Jh.
):
Welche ane hebet salm oder respons obe antiphene obe letze und da ane bedrogen wirt, si inotmudige sich zu hant.