nar,
der
;
-ren/-ren
;
zum Problem der etymologischen Herkunft vgl.
Pfeifer
2000, 911
.
– Das Bedeutungsspektrum wird nach den als dominant gesetzten Kriterien in 4 Ansätze gegliedert: ,einfältig‘ (1), ,kritisch-närrisch‘ (2), ,körperlich / geistig als gestört bewertet‘ (3) und ,verrucht / ketzerisch‘ (4); Grenzziehungen zwischen den so gesehenen semantischen Verdichtungen diskutabel; dies gilt verstärkt auch für die im Folgenden (in Auswahl) aufgeführten Wortbildungen mit
nar-
; weitere Wortbildungen im  f.;
Schweiz. Id.
(passim);
Raabe, Wortsch. Murner
2, 488
 f.;
Hartweg, Indices
2
(Narrenschiff 129 f.).
– Bei
Martin Luther
außerordentlich reichhaltig belegt; dies kann hier auch nicht ansatzweise repräsentiert werden.
1.
›einfältiger, als dumm, unvernünftig geltender, hinsichtlich seines Verhaltens als tölpelhaft beurteilter Mensch, Tor, Dummkopf, Trottel‹; der so gesehene
nar
unterliegt einer nur eingeschränkten sozialen Achtung, kann (vereinzelt) sozial sowie rechtlich ausgegrenzt werden (vgl. , ); umgekehrt kann der sozial Hochstehende sowie der Weise in je besonderen textlichen Zusammenhängen als
nar
bezeichnet werden.
Zunehmend seit der 2. H. des 15. Jhs.; Beleghäufung im Wobd., aber auch bei
Martin Luther
; gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Phraseme:
den narren treiben
;
jm. den narren beren
;
die narren
[wo]
kein brot essen
›es gibt [wo] keine Narren‹.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  1, (
der
14, II, (
der
), (
der
), (
der
); vgl.
1
, , ,
1
.
Gegensätze:
(
der
), (
der
).
Syntagmen:
den narren verständig achten, mit kolben lausen, weise und narren über einen kam scheren, jn. einen narren heissen, für (einen) narren halten, wie einen narren betören
;
der / ein n. viel fragen, aus furcht sterben, den anderen (nicht) tragen, dem anderen seine torheit fürwerfen, sich seines glückes überheben, einen kolben für einen klos goldes nemen, des gewaltes der liebe beraubt sein, ein baufälliges haus in stand setzen
;
dem narren dienen, nachgeben, ere anlegen, nach seiner narheit antworten
;
an einem narren mer hofnung dan an einem weisen sein, bei einem narren nichts ausrichten, mit narren beschwerlich freundschaft machen, zu einem narren werden, jn. / den heiligen geist zum narren machen
;
hans nar
(Personifikation der Torheit);
der grosse / ungetaufte n
.;
der rücken des narren
.
Wortbildungen:
narrengauch
(zum Gw vgl.  2),
narrenhaut
›Haut des Narren‹ (als pars pro toto für ›Narr, Narrenstand‹),
narrenkaste
eine Wasserfalle (Gw zu  13),
narrenmaul
›dümmlich schwätzendes Maul‹,
narrenrede
,
narrenstul
›Lehrstuhl für ‚Ketzer‘‹,
närrin
1.

Belegblock:

Lohmeyer, K. v. Nostitz (
preuß.
,
1578
):
Wie er die kortze zeit gehofemeistert, ist zu klagen, den hern darzu zu einem narren gemacht.
Luther, WA (
1516
):
Nue wie dem allen, das ist war, gruntlich lere der heilgen schrifft muß narren machen, adder narre werden.
Ebd. (
1520
):
wie weiszlich odder nerrisch thun etliche weiber, wenn sie schwanger gahn, unnd wie man mit den krancken sich halten sol: dan die nerrinnen am fasten szo hart hangen, das sie ehr der frucht und yhr selbs grosse ferlickeit wagen.
Es were eyn narr, der eyn ertzney gebe dem, der nit krang were. Drumb muß gott tzu eynem narren werden fur denen, die nach yhrem guttduncken und fuͤlen wollen glawben.
ain junckfraw soll mit jr frümkait dienen ainer huͦren, ain weyser man ainem narren, ain frommer aim sünder, der rechtfertig dem irrigen.
Ebd. (
1523
):
ratio ist ein blinde tolle nerrin, steckt mitten im gottswerck et tamen nescit.
Ebd. (
1544
):
Es sind aber wol schlechte einfeltige wort, [...] und doch gantz ungewoͤnlich und unverstendlich fur aller Menschen ohren, ja es lautet fur der Welt als eitel Kinder teiding oder Narren wort.
Ebd. (
1527
):
als were ich ein kind odder narr, der sich mit zalpfennigen fur gulden effen liesse.
Ebd. (
1530
):
Hans nar, wiltu faulentzen, Erfur, das heist mit yhm selbst gekriegt.
Ebd. (
1531
):
Do werden sie den fur Narrn, Aschenbruddel, der welt fushader, fur verdampte, unvermugende leuthe gehalten.
Ebd. (
1545
):
wirstu aber unsern herrn gott teuschen, wirstu wol sehen, ob du den heiligen geist zum narren kanst machen.
Ebd. (
1544
):
Solches werden vil [...] als ein narrenred verachtet haben und gedacht, Simeon rede wie ein alter, wohnwitziger Man.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
111, 2117
(
Magdeb.
1608
):
So sinckt die bruͤck verraͤterlich / | Stuͤrtzet das Meußlein vnter sich / | Jns Wasser / oder Narrenkasten.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Köln
1582
):
Sie sterben gleich on vnterscheid, | Beid narrengeuch vnd weise leut.
Wunderlich, Fierrabr.
123, 21
(
Simmern
1533
):
Alori [...] sprechende: [...] wir seint wol narren / das wir vns also ermorden vnd ertoͤdten lassen.
v. Keller, Amadis (
Frankf.
1571
):
als sie jhnen anzeiget, wie Darison deß Königs Lisuarts Ritter für Narren hielt.
Schmitz, Schiltb.
31, 21
(
Frankf.
1597
):
wie dann die Narrn selberst [...] nit vertragen koͤnnen / dz jnen jr Thorheit [...] durch einen Narrn fuͤrgeworffen [...] werde.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
30, 2
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Einen kolben für einen kloß goldes, [...], einen kisling für einen rubin nimt ein narre.
Anderson u. a., Flugschrr.
11, 2, 9
([
Leipzig
1521
]):
so heistu mich nicht aleyn ein narren / sonder ouch ein esel.
Gille u. a., M. Beheim
97, 80
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
all zeit so sollen gerten hie | sein auff der narren rüke.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
223
(
Nürnb.
1517
):
Paulus [...] leret: Wirdet imant unter euch weis geachtet, der werd ein narr, domit er weiß sei.
Sachs (
Nürnb.
1563
):
Wer aber ein narrenmaul hat, | Der wird geschlagen frü und spat.
Lemmer, Brant. Narrensch.
45, 4
(
Basel
1494
):
Manch narr ist der do bettet staͤt | [...] | Mitt ruͤffen zuͦ gott vberlut | Das er kum von der narren hut.
Ebd.
98, 12
:
Den glich ich ouch / die kaͤtzer schuͦl | Die haltt zuͦ Prag / den narren stuͦl.
Spanier, Murner. Narrenb.
1, 51
(
Straßb.
1512
):
Dann wa die narren brot nit essen, | Man würd den rocken woͤlfler messen.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 163, 19
(
Hagenau
1534
):
Ein narr kan mehr fragen / denn zehen weisen berichten künnen.
Ebd.
164, 7
:
Der ist ein narre / der da redet was im einfellet.
Ebd.
2, 134, 24
([
Augsb.
]
1548
):
Wer ainen Narren ehr anlegt / das ist / als wann ainer ainen edlen stain / auff den Rabenstain wurffe.
Ebd.
139, 21
:
Wann du ainen sihest / der sich Weise dunckt / da ist an ainem Narren mehr hoffnung / dann an im.
Roloff, Brant. Tsp.
510
(
Straßb.
1554
):
TUGENDT. O narr überheb dich nit zuͦ vast | Deins glücks.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
Ein Narr stirbet alle Tage, auß forcht daß er dermahlen eines sterben muß.
daß ich meiner sebsten darob vergaß vnd daß Maul auffsperte wie ein Narr.
Goldammer, Paracelsus
2, 254, 7
(
um 1534
):
die liebe muß einen verstand haben, darumb seindt die kinder und narren und unwissenden solches gewalts beraubt
(Eheverbot für
narren
).
Ebd.
3, 277, 8
(
1530
/
5
):
dann gott nembt ihm kein argument von den narren, allein von den weisen und verständigen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Den Narren treyben / Vngeschickt vnnd toͤrpelisch sein.
Fischer, Eunuchus d. Terenz (
Ulm
1486
):
Er mainnt deß schmaichers und listigen hofleckers gegen dem schlecht frummen die man nun narren haist.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
106, 28
(
tir.
,
1464
):
Wenn vater vnd müeter narren sint, also wërden auch ire chint.
Mieder, Lehmann. Flor. ; ;
Rosenthal. Bedencken
5, 9
;
Lichtenstein, Lindener. Rastb.
160
;
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
112v, 24
;
v. Keller, Ayrer. Dramen ; ;
Thiele, Minner. II,
13, 379
;
Gilman, a. a. O.
1, 35, 26
;
480, 8
;
2, 39, 1
;
60, 23
;
Moscherosch. a. a. O. ;
Vgl. ferner s. v.
3
 3, (Adv. / Adj.) 3, (Adj.) 14, (
die
12,  1.
2.
›Person, die sich ihrer eigenen Intelligenz bewußt ist und diese mit anderen spielend, Aufmerksamkeit erregend als Dummheit zur Schau stellt und dabei allgemeine Weisheiten verkünden kann‹; oft auch ›Person, die die Praktiken hochgestellter Gönner in deren eigenem Auftrag ironisiert und sie dem Publikum dadurch als erträglich erscheinen läßt‹.
Erstbeleg im eigenen Korpus 1399; verdichtete Belegung seit der 2. H. des 15. Jhs., dabei ein zeitliches und räumliches Süd-Nord-Gefälle konstatierbar; Beleghäufung v. a. im Wobd.
Phraseme:
jn. jukt der nar
›jn. sticht der Hafer‹.
Bedeutungsverwandte:
 2, , .
Syntagmen:
j. ein n. sein
(z. B.
in seinen sak
›zu seinem Vorteil‹);
j
. (z. B.
der fürst / graf / herzog
)
einen narren haben, j. einen narren agieren
›anstellen‹, [wie]
kleiden, treiben / üben
›in Aktion halten‹,
ein heide den narren treiben
›machen, spielen‹;
der n. verderben / verliegen, scherz treiben, abenteuer haben, die warheit reden, prediger grosser herren sein, ein weib nemen, den anderen vexieren, jederman ausrichten
›verspotten‹,
die zuhörer im gleich machen, der katze die schelle anhenken
;
eines narren bedürfen
;
dem narren etw
. [einen Betrag]
geben
;
sich für narren ausgeben, jn. für narren halten, die herschaft lust mit narren haben, j. jn. zum narren machen / hobeln / scheren / zimmern, got den teufel zum narren machen
;
der n. des bischofs / königs, in einem schauspiel
;
der wunderliche n
.;
der narren kirchweih
;
die gesellen zu dem narren
(eine örtliche Bruderschaft).
Wortbildungen
narrenberg
(dazu bdv.: , , , jeweils fiktive Orte für die Tätigkeit von
narren
),
narrengescherren
›närrisches Treiben‹ (zu mhd.
schërn
›Scherz‹,
schërnen
›Scherz treiben‹,
BMZ
2, 2, 93/4
),
narrenglocke
(dazu bdv.: ),
narrenplatte
›Narrentonsur‹,
narrentand
,
närrin
2 ›überspannte Frau, Träumerin‹.

Belegblock:

Schade, Sat. u. Pasqu. (o. O.
1525
):
wie der geprauch unter den fürsten ist: einer hat einen narren, den kleidt er in schwarz, der ander in rot.
Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Narren sind grosser Herren Prediger.
Kaͤyser Trajanus wolt keinen possenreisser hoͤren / sagt / so er jhm zuhoͤren solt / muͤst er dessen Narr syn. Denn ein Narr macht die Zuhoͤrer jhme gleich.
Joachim, Marienb. Tresslerb. (
preuß.
,
1399
):
1 m. des herren bischofes narre geben.
Luther, WA (
1528
):
Narr, nym ein weib, so hat deine freude ein ende.
Ebd. (
1530
/
2
):
das Christus hat mit seiner lere und auslegung jr narr und geuckler mussen sein.
Ebd. (
1545
):
gratias agamus Deo, das er den Teuffel zum narren macht, ehe er das maul auffthut.
Ebd. (
um 1535
):
Grosse narren grosse schellen.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
559, 1668
(
Magdeb.
1608
):
Biß endlich der Fuͤrst schertzweis fragt / | Was denn der Narr auch dazu
[im Kriegs Rath]
sagt.
Oorschot, Spee. Trvtz-N.
203, 4
(
wmd.
,
1634
):
Schaw nun er in ängsten stecket, | Leider Spott, vnd Narrentand.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
Dor umb wolt ich meins krausen hors enperen | Unnd wolt mir lan ein narren platten scheren.
Franck, Decl.
352, 26
(
Nürnb.
1531
):
darumb / das er die leut zu narren macht / vnd esels oren oder hoͤrner auffsetzt.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
Sey weit vnd ferr, Welt Narren geschern, | Lachen thut mich verdriessen.
Lemmer, Brant. Narrensch.
28, 6
(
Basel
1494
):
der gott strofft vmb syn werck | Der heisßt wol Henn von narrenberg.
Ebd.
110,
V 1:
Manch narr der richt vß yederman | vnd henckt der katzen die schellen an.
Ebd.
110b, 31
:
Der narren / kyrchwych man wol kennt | Jo wol vast nacht würt es genennt.
Roloff, Brant. Tsp.
1003
(
Straßb.
1554
):
O ir narren von Israel | Die nit urtheylen zuͦ heil der seel.
Spanier, Murner. Narrenb.
39, 59
(
Straßb.
1512
):
[Wann] sy der narr facht an zuͦ iucken, | So laßt sy sich herumbher bucken.
Bachmann, Morgant (
halem.
,
1530
):
Vor dem tisch was ein heyd, der treib den narren.
Maaler (
Zürich
1561
):
Narr in einem schauwspil / Der narr im spil.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
339
(
Genf
1636
):
Er ist ein [narr] in sein Sack / [...], Stultus ad vtilitatem.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
wie man dann gemainlichen spricht: „Narren, kündt, volle leut, die reden die warhait.
kein schedlicher ding ist, als da ain herrschaft einen solchen lust mit narren hat.
Die narren müessen getriben und geiebt sein, oder sie verderben und verligen sonst.
Dann ich [Fraw] bedarf ja wol ains narren
[hier: ›eines erotischen Gespielen‹], |
Wann ich dahaimend bleib, | Mit dem ich ain kurzweil treib.
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 30, 33
(
schwäb.
,
1574
):
Es soll auch niemand [...] kain nacht lenger sitzen, zören, spilen, essen noch trincken, noch ander unfuor tun, nachdem die narren- oder neuner-glock geleutt würt.
Wedler, W. Burley. Liber
121r
(
moobd.
,
v. 1452
):
Wie du sy nembst, also mustu sy [weib] haben. Ist sy zornig, ist sy ain närrin, ist sy schewczlich, ist sy hochfertig, stinckt sy?
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
98, 1
(
tir.
,
1464
):
vnd sprachen zu der heiligen chloster frauen. si wër ain nërrin. ir wër das entraument in dem schlaff von v̈briger trunkchenhait.
Mieder, a. a. O. ;
Österley, Kirchhof. Wendunmuth ff.;
Jahr, H. v. Mügeln
252
;
Gille u. a., M. Beheim
324, 6
;
351, 25
;
Boos, UB Aarau ;
Vgl. ferner s. v.  1,  1, ,  8,  2.
3.
›Person mit körperlichen, geistigen oder sonstigen Besonderheiten, die – je nach Erscheinung – als körperlicher Mangel, Geistesschwäche, Geistes- und Verhaltensstörung interpretiert und zu Einschränkungen sozialer und rechtlicher Art, auch zur sozialen Verunglimpfung genutzt werden‹; im einzelnen z. B.: ›Krüppel, Behinderter‹; ›Verrückter, geistig Gestörter, Wunderlicher, Spinner‹; ›geistlicher Schwärmerei Verfallener‹; ›Verblendeter‹ (in erotischer Hinsicht); ›Tolpatsch‹; ütr. auch: ›eine als Narr gedachte innere Wucherung, Verrückheit‹.
Seit der M. des 15. Jhs. belegt; Schwerpunkt im Wobd.
Phraseme:
den narren fressen
›den Verstand verlieren‹.
Bedeutungsverwandte:
 2, , , (zu
krimpfen
), , (
der
14.
Syntagmen:
nar rufen, narren über eier setzen, einen narren an jm. finden
›jn. für behindert halten‹;
trunkenheit aus einem vorsichtigen einen narren machen
;
der n. törichter werden, toben, mänig, von natur verderbet sein, einen steurer haben sollen, das geld nicht brauchen mögen
;
j. ein n. sein
;
dem narren jn. zum vormund setzen, etw. zur notdurft geben
;
jn. für einen narren halten / verachten / verspotten, das kloster mit narren besetzen, j. zum narren werden
(z. B.
durch saufen
),
j. jn. zum narren machen
›geisteskrank machen‹;
der gotlose / grosse / natürliche n
.; zur Ütr.:
jn. am narren beschneiden, ein stük vom rohen narren fressen
.
Wortbildungen:
narrenfeifel
(zum Gw s.
Feifel
, ),
narrenholz
Symbol des liebestrunkenen Narren,
narrenschneiden
(
das
).

Belegblock:

Luther, WA (
1521
/
2
):
der unchristlich Manicheus, der, durch eytlickeyt des Lucifers vorfurt, ßo gar tzu eynem narrnn wartt, das er sich den heyligen geyst nennet, der von Christo gesand were.
Ebd. (
1527
):
Eben als jhener narr, der ynn der sonnen stund und sich kruͤmmet und ward zornig, das sich der schatte auch kruͤmmet.
Ebd. (
1530
/
2
):
Das laut gar schendlich, das die zu Capernaum haben jn einen Narren geheissen, der eine seltzame, tolle und ungereimete Predigt jtzt gethan habe, die niemand zuvor toͤrlicher von jme gehoͤrt habe.
Ebd. (
1531
):
Er wird je nicht Narren uber Eyer setzen, das sie dieselbigen zubrechen.
Alberus, Barf. (
Wittenb.
,
1542
):
Als nu seine MitGefangene trawrig waren / da war Franciscus freidig vnd guter dinge / Also / das sie meineten er were ein Narr.
Pfefferl, Weigel. Gn. S. 
67, 11
(
um 1571
, Hs.
1615
):
Es begibt sich offtmals, daß ein Khrimpl oder Narr geboren wirdt welicher von Nattur ist verderbt, darumb wird er von den Vnwissenden veracht, auch verspotet für einen Narren, aber [...].
Stambaugh, Friederich. Saufft.
17, 16
(
Frankf./O.
1557
):
mancher kompt durch sein Sauffen umb seinen feinen verstandt / [...] / das er gantz zum Narren wird.
Österley, Kirchhof. Wendunmuth (
Frankf.
1602
):
daß sie [...] ihm weder tag noch nacht ruhe laßen wolte, nur daß sie ihm den kittel außsteuben, wol fegen und den narrenfeibel recht schneiden möchte.
Sachs (
Nürnb.
1557
):
Ein faßnacht-spiel mit dreyen personen. Das narren-schneyden.
Harsdoerffer. Trichter (
Nürnb.
1653
):
Narr / Narrheit. Der Fehlgesinnte Thor mit gantz verruckten / zerstuckten / geschwaͤchten / verlohrnen / gekraͤnkte͂ / erhitzten / ausgematten / Krafftlosen / zerschellten Gehirn.
Lemmer, Brant. Narrensch.
13, 31
(
Basel
1494
):
Wer troffen würt
[vom Pfeil der
Cupido
]
/ der kumpt von witz / | Vnd dantzt har noch am narren holtz.
Schade, Sat. u. Pasqu. (wohl ˹
schwäb.
1525
˺):
junkherr Eck oder Geck, [...], als er am narren beschnitten ward [...], zoch er gen Rom, [...] und ist der nar vil größer worden dann er vor was.
Ebd. (
nobd.
1524
):
er [Murnar] hat [...] | Ein stuck vom rohen narren freßen, | Das er nach nit verdauen kan.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
do hat er ainsmals den narren gefressen und von iretwegen ain söllichs panketieren, schlitenfaren und anders angefangen, das [...].
Klein, Oswald
122, 48
(
oobd.
,
1415
):
darumb das ich nit wol gesich | zur grechten seitten ungelich, | da von so reib sich nit an mich, | ain narren si an mir findt.
Vogel, Urk. Heiliggeistsp.
1, 481, 6
(
moobd.
,
1454
):
den vnerczogen ellenden kinden vnd den narren vnd toreten daselben in der siechstuben
(einen Betrag für
wein
oder
mel
zu stiften).
Ebd.
573, 30
(
1495
):
di kind vnd narren, die das gelt nit prauchen muͦgen, den sol man ettwas zu irer noturft darumb kauffen.
Bischoff, Steir. Landr. (
m/soobd.
, Hs.
16. Jh.
):
Wittiben vnd khinder [...], vnd narren, [...], vnd pfaffen vnd all geistlich leuth, [...], der soll ain iegklichs ainen steurer haben vor dem gericht.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
102, 17
(
tir.
,
1464
):
Die selbig chëtten die czwang den junge narren, das er ie torätter ward von tag zu tag.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
580, 2341
;
Stambaugh, a. a. O.
17, 4
;
Perez, Dietzin
1, 322, 18
;
Sappler, H. Kaufringer
15, 16
;
Rwb (mit rechtlichen Bezügen: Ausschluß von bestimmten rechtlichen / kirchlichen Handlungen).
4.
›vom eigenen Standpunkt aus als unmoralisch, verrucht gesehener Mensch‹; in der Reformationszeit mit deutlicher Tendenz zu: ›Ketzer, Häretiker‹. Der Ketzer gilt nach der Kennzeichnung des jeweiligen Autors als verrucht; eine Abwertung als dumm im Sinne von 1 oder als geistes- bzw. verhaltensgestört im Sinne von 3 schwingt mit.
Wortbildungen:
narrenaffenspil
›Heuchelei‹,
narrengerechtigkeit
,
narrenpredigt
,
narrensünde
.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
man sach dâ vellin | unde schrôtin in den sant | dî brûdre mit vrechir hant | dî weligen statvarrin | und der Littowschin narrin | wol vîrtûsint unde mê.
Luther, WA (
1521
/
2
):
Wie nu der eyn gottloßer narr were, der das alde testament, das gesetz, welches gegeben und angenommen ist, fur eyn opffer hylde
(auch an 1 anschließbar).
Wer da zuͦ seinem bruͦder sagt du narr, der ist des hellischen feüers schuldig.
Ebd. (
1537
):
Er [Bapst] helt unser Euangelium fuͤr Narrenpredigt, Ja fuͤr Ketzerey, Aber er mus dafuͤr erschrecken und zubodem gehen.
Ebd. (
1531
):
Iam veniunt in nomine omnium diab|olorum et lavant pedes suorum, und sol ein kostlich Exempel Christi, ist ein lauter narrenaffenspiel.
Ebd. f. (
1544
):
das man sich fürsehe, das man nit mit narren sünden [...] umbgehe. Denn so du dich woltest von den selben Narren und luͤgen sünden entbinden lassen, so wuͤrde volgen, das du darnach dich auch an die Narren und luͤgen gerechtigkeyt muͤstest keren.
Froning, Alsf. Passionssp.
1101
(
ohess.
,
1501ff.
):
ich [Luciper] fochte, das icht eyn ander man | uch den wegk mochte undergann: | ir rechten narren, wie stundet ir dan?
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
360b, 17
(
Frankf./M.
1649
):
war das nicht eine Todtsuͤnde / seinem neben Menschen [...] solchen grewlichen Schmertzen an zuthun? drumb sagt recht vnd wohl der Gomes. [...] daß ein solcher Richter ein Narr sey.
Thür. Chron.
9r, 6
(
Mühlh.
1599
):
die Geburdt macht einen Narren / Buben vnnd Schalck nicht Edel.
Kurz, Murner. Luth. Narr Titel (
Straßb.
1522
):
Von dem grossen Lutherischen narren wie in Doctor Murner beschworen hat.
Goldammer, Paracelsus
3, 285, 14
(
1530
/
5
):
noch bistu ein narr und lästerer, du bist ein gleisnermacher
(bezogen auf Bilderstürmer).