tor,
der
;
-en/-en
;
von
mhd.
tōre
›Narr, Irrsinniger‹
().
1.
›Dummkopf, Narr; einfältiger Mensch, der dem gesunden Menschenverstand zuwider und unbesonnen handelt (und damit im Gegensatz zu weisen und klugen Menschen steht); Mensch, der nicht auf den eigenen Vorteil achtet und kein gottgefälliges, einfaches Leben (im Sinne der Bergpredigt) führt‹; auch: ›Hofnarr‹.
Gewisse Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch berichtende Texte.
Phraseme:
aus toren narren machen
.
Bedeutungsverwandte:
 1, , (
der
), (
der
1, ; vgl. , ,  2, , , , , , ,
2
,
1
, .
Syntagmen:
den toren kennen
;
der t. etw
. (z. B.
ein wort der weisheit
)
nicht aufnemen, die Donau ein mer nennen, die toren die weisen leren, sich zu dichtern gleichen
;
j. ein t. bleiben / sein / werden, j. ein t. zur welt sein, das hie
›die Gegenwart‹
ein t. sein
;
j. jn. ein t. dunken
;
die welt der toren vol sein
;
j. einem toren gleich gehen
;
j. mit einem toren reden, jn. für einen toren sehen / zälen, j. / der wein jn. zum toren machen
;
der alte / rechte t
.;
der rat / wille der toren
.
Wortbildungen:
torenbrei
›Einbildung, Selbstbetrug‹,
torerei
›Narretei, Streich‹,
törling
,
torwitzig
.

Belegblock:

Joachim, Marienb. Tresslerb. (
preuß.
,
1402
):
Peter Pfiffer des herren bischofs tore.
Anderson u. a., Flugschrr.
12, 5, 22
(
Wittenb.
1522
):
Jn der summa. Wir weren beyde thoren / vnd narren.
Ebd.
19, 18, 3
([
Eilenb.
]
1524
):
Ein narre odder thore nimpt nicht auff / die wort der weyßheyt.
Froning, Alsf. Passionssp.
4090/93
(
ohess.
,
1501ff.
):
das hie ist aller boßheyt vol | und ist darzu eyn rechter thore! | man sal em abscherren syn hare, | [...] | das hie gehe eym thoren glich!
Österley, Kirchhof. Wendunmuth (
Frankf.
1563
):
Also viel narrn ir fantasey, | Und meist theil hilfft der thorenbrey.
Perez, Dietzin
1, 43, 14
(
Frankf.
1626
):
Ich rede nicht mit thoren.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
30, 4
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
die heuscheuern ein burg, die Thunau das mere, den meusar einen falken nennet der tore.
Neumann, Rothe. Keuschh.
2162
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
wer sich vor wine hutit nicht | sunder lust had dar zu, | den macht her zu einen thoren nu.
Thür. Chron.
16v, 24
(
Mühlh.
1599
):
vnd weil sich die Gothen oder Thuͤringer so seltzam vnnd Thoͤrlich zum Streit stelleten / wurden sie von den Riesselingen Thoͤrlinge genandt.
Schönbach, Adt. Pred. (
osächs.
,
1. H. 14. Jh.
):
daz ist daz er crank si zu der werlde und stark zu gote, und daz er ein tore si zur werlde und wise zu gote.
Fastnachtsp. (
nobd.
,
15. Jh.
):
Wer hübsch kan reden und wol geporn, | Den zelt man selten für ainn torn.
Gille u. a., M. Beheim
102, 2
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Mich verdreüsset [...] | daz sich etlich geken und torn | wellen gleichen zu tichtern.
Bührer, Kl. Renner
213
(
nobd.
, Hs.
um 1480
):
Also bleiben sie
[Schüler]
thoren vnd narren.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1488
):
ein solicher herolt [...] wolt seinem ambt genug thun, dass er auß thoren narren wolt machen.
Reichert, Gesamtausl. Messe
20, 4
(
Nürnb.
um 1480
):
[Herodes]
verspottet in
[Jesus]
geleycher weyß als ob er ein tor und ein fantaste wer.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
18
):
Der tregt den Schalck hinder den Ohrn, | Macht auch wol ander Leut zu Tohrn.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
Nu were der wol ein tore der sinen wingarten hinder einen berg saste.
Bobertag, Eulensp. (
Straßb.
1515
):
Was solten sie thuͦn sie wurden der dorrery lachen.
Roloff, Brant. Tsp.
2050
(
Straßb.
1554
):
Mir ist auch mer dann recht beschehen | Das man mich für einen thoren gesehen.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
durch geschikten anlass ires dorwitzigen Jaͤtzers.
Martin, H. v. Sachsenh. Tempel
292
(
schwäb.
,
1455
):
Vernempt mich alten torn.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 224, 27
([
Augsb.
]
1548
):
Solt es nach thoren willen gehn | So enmoͤchte kain man die lenge bestehn.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Den Thoren kennet man bei den worten.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
als wenn die tôren die weisen lêren wellent.
Pausch, Ital.-Dt. Sprachb.
263, 18
(
oobd.
,
1424
):
d(er) das geschribm(n) hat der ist weyß vnd nicht ein tar.
Klein, Oswald
81, 8
(
oobd.
,
1428
?):
Wer seinem richter geit bevor | [...] | der dunckt mich sicher nicht ain tor.
Ebd.
115, 91
(
nach 1438
):
Man höret selten toren rat.
Ebd.
123, 74
(
1415
):
Ain jegklichs gevelt im selber wol, | des ist die welt der toren vol.
Niewöhner, Teichner
556, 71
.
Wiessner, Wortsch. Wittenw. Ring.
1970, 187
.
Vgl. ferner s. v. ,  1, (
die
12.
2.
›in Glaubensfragen schwacher, irrender Mensch; Ungläubiger, Gotteslästerer‹.
Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.

Belegblock:

Gille u. a., M. Beheim
216, 69
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
hort, ir keczer und toren.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
225
(
Nürnb.
1517
):
Von dannen spricht der Weiß: [...] Bis kein tor, domit du nit sterbest nit in deiner zeit!
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
80, 27
(
els.
,
1362
):
Du tore du stirbest noch hinaht, vnd wurst lidende die ewige pine.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Umb das kain tore noch tumber goch | Es múge widersprechen út | Das er ain rechter mensche wære nút.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
12, 9
(
tir.
,
1464
):
darum die toren sint gefallen in den see, den si geöffnet haben, vnd sint gefallen in die grüben, die si gemacht haben.
3.
›(geistig) Behinderter; psychisch kranker, nicht zurechnungsfähiger Mensch‹; auch: ›Gehörloser, Tauber‹.
Bedeutungsverwandte:
(
der
1; vgl. .
Syntagmen:
den toren finden, gesund / hörend machen
;
der t. etw
. (z. B.
ein gebot
)
halten können, nicht richter / zeuge sein
;
j. ein t. sein
;
einem toren etw. geben
;
j. über einen toren richten
;
der geborene / natürliche t
.
Wortbildungen:
torecht
.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
doue luͦte, [...], vnsinnige, / blinden, / thoren, / thobe, [...], de allene mogen nicht gezuͦc sin.
Jz en mach chein dore richtere sin.
Ober toͤren vnde Sinlose luͦte ne sal nieman richten.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
28, 21
(
omd.
,
1487
):
ein clein gebott (welchs auch Jünger kinder adder thoren konnen halden).
Kläui, Urk. Kaiserstuhl
275, 16
(
halem.
,
1589
):
Hanns Heinrich Sultzer, ir burger (welcher von jugent uff ein kind und thor syge).
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
E. 15. Jh.
/
A. 16. Jh.
):
er saget, daß sant Bernhardin hätt acht und fünfzig totten erkicket [...], on ander all, der on zall vil waren: plind, krum, stumen, toren, ungehorend, pettrisen und allerlai prechen, die er gesund hätt gemacht.
Jaksche, Gundacker (
oobd.
, Hs.
1. H. 14. Jh.
):
die ousezen machest du gesunt, | die toͤren gehoͤrent, der stummen munt | mahst du, herre, sprechent wol.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
Aber die gesêlten wundermenschen, die geprechen habent an der sêl werken, die sint zwaierlai. [...]. die den geprechen habent von gepurt, daz sint die nâtürleichen tôren.
Vogel, Urk. Heiliggeistsp.
1, 481, 6
(
moobd.
,
1454
):
den vnerczogen ellenden kinden vnd den narren vnd toreten daselben in der siechstuben vmb semel zuͦ ainer pesserung irer pfruentt ze nyessen.
Dirr, Münchner Stadtr. ;
Auer, Stadtr. München ;
4.
›Fastnachtsnarr, während der Fastnacht als Narr verkleidete Person‹.
Wortbildungen:
torenkappe
›Narrenkappe‹ (ütr. für: ›närrisches Verhalten‹).

Belegblock:

Lemmer, Brant. Narrensch.
110b, 2
(
Basel
1494
):
Ich weiß noch ettlich faßnacht narren | Die jnn der dorenkapp beharren | Wann man heilig zyt sol vohen an.
Sappler, H. Kaufringer
30, 49
(
schwäb.
, Hs.
1472
):
sie gangent als die rinder | mit iren kappen, die selben toren. | daran sie machent oft zwai horen.