tor,
das
;
-es/-e
, auch
, in 1 Beleg
-er
+ Uml.
1.
›Durchgang (Ein- und/oder Ausgang) zu einem größeren Gebäude (z. B. zu einer Kirche, einem Tempel) bzw. einem befestigten Gebäudekomplex (z. B. einer Stadt, Burg)‹; auch: ›Hauseingang‹ (anstelle von oder in Kombination mit
tür
); außerdem: ›Hof-, Garten- oder Feldzugang bzw. Zaundurchgang u. Ä.‹; als Metonymie auch: ›Verschluss des Durchgangs selbst (Torflügel), der gesamte Torbau sowie (vereinzelt) die durch Tore zugängliche, befestigte Stadt als Ganzes‹; davon abgeleitet auch: die ›Rechtsgrenze (z. B. des Stadtrechts, Burgrechts)‹ und damit: ›Übergangsort von einem Rechtsbezirk in einen anderen‹; insoweit auch: ›Ort der Kontrolle und Zollerhebung‹; ›Zufluchtsort‹;
offen zu (
das
2.
Phraseme:
jn. hinter die tore setzen
›vor die Tür setzen, hinauswerfen‹;
wie eine kuh ein neues t. ansehen
›dumm, verdutzt schauen‹;
das t. mit dem fenster felen
›nichts verstehen, begreifen‹.
Bedeutungsverwandte:
,  12, ,  1; vgl.  2, ,  3,
1
 1,  1, (
die
24.
Syntagmen:
das t. abhacken / abheben / ansehen / aufbrechen / aufschliessen / aufstossen / auftun / aufwerfen / befüllen / einnemen / öfnen / versperren / zuschliessen / zutun, mit etw
. (z. B.
mit einer wacht
)
bestellen, jm. das t. aufwerfen / vertreten, jm. js. t. aufbrechen
;
das t
. (Subj.)
bestelt sein, beschlossen werden, in angeln hängen, das t. jm. etw. abstreifen
;
j. am t. pfand setzen, etw
. (z. B.
eine stat
)
an toren verwüstet, etw. an die tore eingegossen sein, jn. auf den toren haben, etw. durch die tore bringen, jn. hinter die tore setzen, j
. (z. B.
der zinsemeister
)
jm. in den toren etw. anzeigen, j. inner / vor dem t. nicht sicher sein, j. innerhalb des tores antworten
›innerhalb der Stadt‹,
etw
. (Subj., z. B.
ein krautgarten
)
mit toren umzäunt sein, j. unter dem t. wachen, vor dem t. den weg machen, zu einem t. eingehen, jn. zu einem t. austragen
›beerdigen‹;
des tiergartners t
.;
das messene t
.;
der schlüssel zu einem t
.; häufig in der Doppelformel
tür und tor
.
Wortbildungen:
toraufläuten
›Glockenläuten beim morgendlichen Öffnen der Stadttore‹,
torblech
›Torbeschlag‹,
torbrücke
,
tordiele
,
torelle
›Längenmaß‹,
torfart
›Toreinfahrt‹,
torgatter
,
torgestel
,
torhake
(dazu bdv.: , ),
torhelm
›Spitze eines Torturms‹,
torhut
›Torwachdienst‹,
torkämerlein
›Kammer des Torwächters‹,
torkette
,
torkrampe
,
torlade
,
torlegen
›Torwache halten‹,
tormeister
›Amt im Deutschordensstaat‹,
torsäule
›Torpfosten‹,
torschlafen
›Torwache halten‹,
torschliesser
,
torschlüssel
,
torschreiber
,
torspies
,
torstadel
›Torpfosten‹,
torsteher
,
torturn
,
torwagen
›Proviantwagen‹,
torzol
.

Belegblock:

Luther, WA Bibel (
1545
):
Du solt den knecht nicht seynem herrn vber antwortten, [...], Er sol bey dyr bleyben an dem ort, den er erwelet yn deyner thoer eynem, yhm zu gut.
Chron. Magdeb. (
nrddt.
,
1550
/
1
):
haben sich die Magdburger den nacht gerustet [...], auch mit mist die steintham und thor befült.
Joachim, Marienb. Tresslerb. (
preuß.
,
1403
):
5 m. vor 1 schog grosser thorblech.
Ebd. (
1409
):
8 scot eyme furmanne vor dy thordelen [...] zu furen.
Ziesemer, Gr. Ämterb.
102, 3
(
preuß.
,
1440
):
dem fischmeister 3 pferde, [...], her Maxen dem tormeister 3 pferde.
Ebd.
191, 18
(
1516
):
Harnischkammer: 40 lange spisse, 4 sweinespissze, ein thorspis.
Ebd.
266, 27
(
1407
):
4 thorkethen und eyne grose kethe.
Toeppen, Ständetage Preußen
3, 553, 24
(
preuß.
,
1453
):
her [der obirste vom bunde] enist es doch nicht werth, man sulde en billicher seczczen hinder dy thore.
Ebd.
5, 162, 36
(
1465
):
so sal der czeisemeister in den thoren anczeichen eigentlich alle die ware.
Ebd.
256, 1
(
1471
):
das durch die thore in die stete gebrocht wirt.
Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
Dyne tor stodiln syn geseynet.
Ebd. :
her welde in eyn hus stygen dorch stelen wille. adir durch des wille. das her eyme dybe dy tor vf tu adir eyn venstir.
Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
Eyn ieslich man der sol vor siner tore
[›Haustür‹]
den wech machen.
Also ist iz ein dorphirde, der sol iz antworten inderhalp den zuͦnen, Jn eyner stat inderhalp der veste oder des to
e
res.
Hertel, UB Magdeb. (
nd.
/
omd.
,
1504
):
dorobir sie [...] uff keine weitere unpflicht, schossens, wachens, thorslaffens, herfarten, stewren, ungeldes [...] gedrungen sollen werden.
Struck, Joh. Pfannstiel
166, 20
(
mosfrk.
,
1545
):
gemacht an dem hoff ein dhorngestel.
Chron. Mainz (
rhfrk.
,
15. Jh.
):
alles geschreben und ingegoßen an die messen dore
[›Torflügel‹]
zu unser frauwen of den greden zu Mentze.
Röhrich u. a., Cod. Dipl. Warm.
4, 66, 8
(
omd.
,
1423
):
der botil [...] ist dorumme geechtit, das her unserm bothe [...] dy thore vertrat.
Schmitt, Ordo rerum
56, 10
(
omd.
,
1466
):
Vertinellum [...] dorhake [...] torcraphe [...] túrhagg.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
49, 35
(
omd.
,
1487
):
Dÿe thor derselben statt Troÿa [...] Jn guldenen angeln gehangen haben.
Thür. Chron.
4r, 21
(
Mühlh.
1599
):
Da fielen sie deß Nachts auß dem Pferde / oͤffneten die Thorn.
Ermisch, Freib. Stadtr. (
osächs.
, Hs. 
v. 1325
):
der sal zu rechte kein pfant setzen weder dem zolner noch an dem thore.
Opel, Spittendorf (
osächs.
,
um 1480
):
auch sol ich [...] davon essen, trincken, kleider, schossen, schiltwachen, thorlegen, mein hauss und gebeue bey wesen behalden.
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
145v, 42
(
Leipzig
1588
):
Wir sollen solche Zeichen vnd Wunder nicht mit schelen Augen [...] ansehen / Wie eine Kuhe ein newe Thor pfleget anzusehen.
Ebd.
153v, 6
:
der fahle Reuter / der rennet vnd schlegt vntern hauffen / das man eins nach dem andern [Kinder] zum Thor austregt.
Anderson u. a., Flugschrr.
19, 12, 21
([
Eilenb.
]
1524
):
du must nicht thun wie die klugen thun [...] sunst haben wir weit der thor mit dem fenster gefeylt.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
15. Jh.
):
der Koͤler [...] was pei 90 jarn alt und torsließer des Tiergartners tor.
Engel, Rats-Chron. Würzb.
83, 32
(
nobd.
, Hs.
M. 17. Jh.
):
die thor undt thürn der statt wahren auch zur zeit des ufgangs wol bestelt.
Sachs (
Nürnb.
1541
):
Da stunden auff der thor-prucken | [...] | Burger, kauffleut und handwercker.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
er behaft zwischen den túren des tors.
Merk, Stadtr. Neuenb. (
nalem.
,
1491
):
sol sust der wacht, torhūt und aller anderer ufsatzung [...] bi uns lidig sin.
Roder, Stadtr. Villingen (
önalem.
,
1445
):
wo einer [...], so die thor beslossen werden, us oder ine [...] klimen (wurde).
Ebd. (
1447
):
wo denn der cleger oder die clegerin den schuldner [...] zwúschen dem thorufflúten und dem ave Maria ankompt.
Ebd. (
1573
):
Er soll die thorschlüssel in ainen trog legen, wann er die thor aufgeschlossen und zuegethon hat, darinn beschliessen.
Sudhoff, Paracelsus (
1529
/
32
):
ist es besser, das tor streift dirs [kleid] ab, dan die welt
(metaphorisch: ›es ist besser, im geschützten Raum seine Grenzen zu erfahren als schutzlos‹).
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1388
):
die von Regenspurg wurfen ain ander tor uff.
Ebd. (
v. 1536
):
um sant Michelstag hat man auff Geginger thorthuren die 5 verguldten knöpf gesetzt.
Ebd. (
1492
):
und man hett nacht und tag wachter auff allen doren.
Ebd. (
1636
):
Bei aufnahm der thor⸗schreiber ... auf den erlichen wandel und gute handschrifft obacht haben.
Baumann, Bauernkr. Oberschw. (
schwäb.
,
v. 1542
):
Anfencklich die thor an der statt abgehöpt, damit sy statt nit mer beschliessen kunnen.
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 206, 36
(
schwäb.
,
1666
):
einer gemaind der thor- und plaster-zohl von alters hero [...] verrechnet worden.
Memminger Chron. Vorr. (
Ulm
1660
):
Niemand war seines Lebens vor dem Thor vor den Soldaten / inner den Thoren aber vor der Pest vnd Thewrung sicher.
Rauwolf. Raiß ([
Lauingen
]
1582
):
inn wellichem strudel auch das Staͤttlin vbel verwuͤstet worden an Mauern vñ Thoren.
[Krautgaͤrten] die mehrthails mit thoren vnd heggen vmbzaͤunnet.
Chron. baier. Städte. Mühld. (
moobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Fronpoten, pekchen, aufleger, wachter, torbaͤrtel, veldhayen, hertter sol niemant setzzen.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
M. 15. Jh.
):
Wer ainem frumen mann [...] seine törr, thur oder venster fräflich aufpricht oder aufstösst [...].
Ebd. (
16. Jh.
):
so hat in der hieter zu phenten dahaim form dorhelm.
Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein
197, 5
(
moobd.
,
1524
):
die genanten torsteer mit ainem tringckhgellt zu versehen.
Starzer, Qu. Wien (
moobd.
,
1640
):
ain lerchbaumbene thorsaillen, die 16 schuech lang und 12 zoll braith.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
2. H. 16. Jh.
):
Vom Haydegg auf die Hasenohren, | Von danen auf das Strigler törl, | Vom Strigler törl aufs Wändel.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1580
, Hs.
1629
/
43
):
so mag der vorige stifter das ablat in die torseil stecken und darnach seinen weeg faren.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
, Hs.
15. Jh.
):
Man sol das wollein und leinein tuech geben bei der Torellen.
Zingerle, Inventare (
tir.
,
1477
):
im torkemerln ain schlechte petschatt.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
66, 9
(
mslow. inseldt.
,
1583
):
das Sie beide miteinander von wegen der thorfart, śo Zwiśhen Jren baiden heuśśern iśt, [...] śich verglichen haben.
Rechn. Kronstadt
2, 516, 11
(
siebenb.
,
1537
):
eisdem drabantis in currum commeatus vulgo thar wagen.
Qu. Brassó
4, 14, 17
(
siebenb.
,
1603
/
20
, Hs. 
v. 1751
):
Dieselbe nahmen die Schlüssel zu den Thörern und bewachten die Städte.
Ebd.
5, 450, 21
(
1613
):
zu dem End, wie das Dor mit der Wacht bestellet sei.
Ziesemer, a. a. O.
441, 38
;
Gille u. a., M. Beheim
104, 512
;
Wickram
4, 44, 31
;
Vock, Urk. Hochst. Augsb.
225, 29
;
Dirr, Münchner Stadtr. ;
Bischoff u. a., a. a. O. ;
Bremer, Voc. opt.
5140
;
Wiessner, Wortsch. Wittenw. Ring.
1970, 187
.
2.
›Eingang zu etwas Gedachtem, nicht Dinglichem (z. B. zur Christenheit im Sinne von Abendland), zu einem Herrschaftsraum‹; Ütr. zu
tor (das)
1.

Belegblock:

Mathesius, Passionale (
Leipzig
1587
):
sie
[Könige und Kaiser]
werden schweigen [...] vnd werden Christum in ihren Thoren
[hier: in ihre Herrschaftsbereiche]
einlassen / vnd jhn lassen reden vnd gebieten.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Der Großturckh [...] wolt daselbs inngenomen haben die Chlain Wallachey [...] und ist an den ennden ain torr der Christenhayt.
3.
›Eingang zu etwas Gedachtem, nicht Dinglichem, zu einem Glaubenstatbestand (z. B. zu Gott, zum Himmel, zum Paradies, zur Hölle)‹; häufig von Christus gesagt; Ütr. zu
tor (das)
1, eng an 2 anschließbar.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
 2.
Syntagmen:
das t. auftun, das gut das t. versperren
;
das t. eng sein
;
j. das tor sein
;
jm. etw. am t. begegnen, j. vor das t. kommen, an das t. stossen, etw. durch das t. gehen
;
das t. der helle, des grabes / paradieses, ewigen lebens
;
das gemeine / rechte tor
.
Wortbildungen:
torgat
›Torverschlag‹.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Daz ist daz offen torgat, | Daz si Got uf sperren bat.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
Salomon hat des guten zuch, | daz ein beslozzen garten si ir [Maria] buch | und des vronen paradises tore.
Gropper. Gegenw. (
Köln
1556
):
da der Herr in gleichnuß gesprochen hat / Ich bin das Thor / Gibt er zwar zu verstehen dass er sei nit eyn gemein Thor
[vgl.
tor
1]
/ sonder das Thor des ewigen lebens.
Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
1266/70
(
mrhein.
,
um 1335
):
Wer ist der, der do bozet | vnd an die dore stozet? | Ich bin gewesen v(uͦn)f dusent iar | in dirre helle vuͦrste vorwar, | daz ich gehorte keinen stoz | an dise dore so rehte groz.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
23
(
Nürnb.
1517
):
Und ermisse getreulich [...] was gesagt ist, so wirdet dir [seel] am tor begegnen die warheit, die Christus selbst gelert hat.
Schmidt, Rud. v. Biberach
2, 17
(
whalem.
,
1345
/
60
):
Dvr dis tor, daz ist dúr die menscheit vnsers herren Ihesu Cristi, gant von gottes guͦte vil geisten in die gotheit.
Ebd.
151, 18
:
Cristus spricht in dem ewangelio: „Ich bin ein tor, der tur mich in gat, der wirt behalten vnd vint weide“.
hail. altvaͤter (
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
das tor ist gar eng da man durch muͦss gaͮn in das ewig leben.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Nun ist es laider in der wellt gemain worden [...], das das zeitlich guet oft verspert das thor der gerechtikheit.
Kummer, Erlauer Sp. (
m/soobd.
,
1400
/
40
):
Tuͦt auf, ıͦr teufl, eur tor, | der chunig der ern stet hin vor.
Wackernell, Adt. Passionssp. Pf. I, Var. n.
190, 7
(
tir.
, Var.
1551
):
Biss wir kumen für des grabes thor, | Da die behuettung geschechen soll.
Fischer, a. a. O. ; ;
Froning, Alsf. Passionssp.
260
;
7133
;
Goldammer, Paracelsus
2, 284, 17
;