1
lied,
das
;
–/-Ø
, -e, -en, -er;
zu
mhd.
lit
›Glied‹
();
vgl. .
1.
›Gelenk, Bindeglied, Band; Scharnier‹, sowohl auf den Körper wie auf Sachgegenstände bezogen.
Bedeutungsverwandte:
(
das
1,  3; vgl.
1
 3,
2
(
das
1,  1.
Wortbildungen:
liedeband
,
liedfüge
,
liedgesucht
,
liedgesüchte
(zum Gw s.  2),
liedsucht
,
liedsüchtig
(dazu bdv.: , ; dazu ggs.: , Adj., 1).

Belegblock:

Ziesemer, Proph. Cranc Dan.
10, 16
(
preuß.
,
M. 14. Jh.
):
Herre min, an dinem gesichte sint slaf wurden alle mine lidebant
[
Luther
1545:
gelencke
].
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
die do hetten die teuffel
.
vnd die monsuchtigen vnd die litsuchtigen
[Var. 1475
2
–1518:
lamsuchtigen
;
Froschauer
1530:
die der schlag hat getroffen
;
Luther
1545, Mt. 4, 24:
Gichtbrüchigen
]
vnd er [jhesus] gesunt sy.
Bremer, Voc. opt.
1200
(
schwäb.
,
1441
):
Conpago lidfuͤgi [...] gelid [...] Conpago [...] est colligacio membrorum per neruos.
Ebd.
43096
(
wobd.
/
oobd.
,
M. 14. Jh.
):
Artetica lidsuht [...] lidgesucht [...] lidgesúcht [...] Artetica [...] est dolor iuncturarum. Et dicitur ab artus et teneo, vnde artetica quasi artus tenens, id est iuncturas uel concatenaciones; iuncture enim quasi cum kathena simul tenentur. Et hic morbus a laycis dicitur gutta. Et sunt tres species arthetice, scilicet sciatica podagra et cyrogra.
Chron. Augsb. Anm. 2 (
schwäb.
, zu
1562
):
vom stuel oder sitz hab er ain lid, ain eisnes pendlen, bei 3 neglin lang.
Niewöhner, Teichner
106, 22
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
also ist von zwayer lit
›hat es zwei Gründe‹
| daz der mensch unczuͤchtig wart, | von gewonhait und von art
(hierher?).
Zingerle, Inventare (
tir.
,
1489
):
vier eysene lyder, do man türn da mit anhenngt.
Broszinski, Minner. Chir. Parva
79r, 18
.
2.
›Teil eines Ganzen‹; speziell: ›einzelner Punkt, Artikel, Hauptteil einer Lehre, eines Textes‹; ›Einzelteil einer Goldschmiedearbeit‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2.
Wortbildungen:
liedeganz
1 ›vollständig, unbeschädigt‹.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
der sîn rede in stucke schicht, | ê er von der materien icht | endehaftis spreche, | unde nicht vorbreche | der lidir ordenunge.
Kochendörffer, Tilo v. Kulm (
preuß.
,
1331
):
Vél lyd der geloube hat, | [...]: | Wil man, [...], | An sehn di do han gestift | Den gelouben, so iz der lied | Di man sal halden bi der wied, | Nwer czwelve gar uber al.
Di benanten virczen lid, | [...] | Czuͦt man uz dem gelouben.
In den nächstfolgenden beiden Belegen explikativ für den Inhalt des Adjektivs bzw. Genitivs: Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Mitt vil kunstenlichen liden | Ward daz werk gefügett.
Wol dem edlen gold schmide! | Der siner hochen künste lide | Also zartlich gerüren kan.
Vock u. a., Urk. Nördl.
2190
(
schwäb.
,
1442
):
offen ledegantzen unverserten videmusbrieve.
3.
›Teil des menschlichen oder (seltener) des tierischen Körpers, Glied, Organ‹; im einzelnen bezogen auf die Extremitäten, die Finger, Zehen, Mund und Zunge, Genitalien, die Vorhaut, das Augenlid; ütr. auch: ›Instrument (der Hölle)‹.
Phraseme:
leib und liede verdingen
;
etw. aus seinen lieden trecken
›etw. mit der eigenen Händearbeit erwirtschaften‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1, (
das
1, (
das
9,  1.
Syntagmen:
kein l. geleichen
›rühren‹
mögen, jm. die liede beschneiden / decken / berauben / erschlagen, jm. eines der liede verderben, die lieder süchtig machen
;
die liede(r) geordnet / gesund sein, sterben, aus den gleichen kommen, von zären gefar werden, jm. schwaren, js. lied erquemen
›erzittern‹;
an den lieden leiden, jn. an einem l. entlieden, die speise in die lieder gehen, brest in die liede kommen
;
der füsse lieder
(gen. explicativus),
das l. der augen, des fingers / hauptes / leibes
;
die blossen / jungen / müden / schwachen / zarten liede(r)
;
die schwindung der liede
;
nägel an den liedern
.
Wortbildungen:
liedbrechen
(a. 1385),
lieddrüse
›Auswuchs am Körper, Oberbein o. ä.‹ (dazu bdv.:  1),
liedganz
›unversehrt‹,
liedhandschuh
›Eisenhandschuh mit Fingergeschübe‹,
liedschärte
›Verstümmelung der Glieder‹ (14. Jh.),
liedeschärtig
›gliederlahm (ütr.), krank‹; ütr.: ›verletzt, schwach‹,
liedtief
(dazu bdv.: , Adj., , , ).

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
swâ er [Swantepolk] indirt horchte | der dûtschin brûdre namin, | al sîne lit irquâmin.
Kochendörffer, Tilo v. Kulm (
preuß.
,
1331
):
Merke wes du dich verczist | Und welches hobtes lit du siest!
Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
de vuͦnfte sibbe stet an dem ersten lede des vengers.
Swer daz deme anderen met gewalt duͦt oder ime suͦs der lide eyn vorderuͦet, daz sal man ime Widere tuͦn.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Nû ,stant in der porte‘. Swer dâ stât, des lide sint geordent. Er wil sprechen, daz daz oberste teil der sêle sol stân ûfgerihtet stæticlîche.
Stackmann u. a., Frauenlob
5, 10, 2
(Hs. ˹
md.
auf nd. Grundlage,
v. M. 14. Jh.
˺):
Grif, herze, zu und hilf den sinnen ein lob smiden, | daz allen liden | der kunst si wol gelenke.
Ebd.
5, 52, 15
(Hs. ˹
nobd.
,
3. V. 15. Jh.
˺):
Ist disen zwein gelücke mit, | daz ist der helle ein erbesit, | ir erge lit, | ir höchster schrit.
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
2494
(
rib.
,
1444
):
barmhertzicheit, | De sent Mertijn sich untcleyden dede | Dem armen zo decken syne bloisse lede.
Chron. Köln (
rib.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
dat sy vro woren aldamede | dat sy verdingden lijff ind lede.
want luzzel volx myt muden ledin | hait selden her wail gestredin.
Ebd. (
Köln
1499
):
want he [Joseph] die moder ind dat kint besorgen moist ind dat uis sinen leden strecken ein redeliche zit lank.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Und weinte daz die lider | Wurden von zeren gavar.
Thiele, Chron. Stolle (
thür.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
als sy zu einem male dy gefangen wisten, ab sy noch ledegancz weren.
Pyritz, Minneburg
2129
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Sie [werlt] ist an truwen gar lidschertig; | Sie ist spottig und hochfertig.
Ebd.
4680
:
Daz min fraw, [...], | Ist gewest gein mir so stichel | [...], | Daz mir worden ist lideschertig | Min freude, daz ich mus alten | Und leides mer drivalten.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
und get die spise denne durch die adern in alle die lider.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
eins ist in dem andern, und kein lid mag leben, daz usgeschidet ist.
Adrian, Saelden Hort
1645
(
alem.
, Hss.
E. 14.
/
15. Jh.
):
nach der e besniden | im [kint] sinú jungen murmen lider.
Sudhoff, Paracelsus (
1529
):
so wachsen hieraus die moderschwammen, letdrusen, darumb sehen sie dem gleich aus des knasp sie gewachsen sein.
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 590, 9
(
schwäb.
,
1588
):
welcher den andern lemig, letzig, painschröt oder lidtief schlegt.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
die habent hundeshaupt und scharpf krumm negel an den lidern.
Zingerle, Inventare (
tir.
,
1490
):
zway par lidhantschuech.
Helm, H. v. Hesler. Apok. ;
Loesch, Kölner Zunfturk.
1, 9, 12
;
Meijboom, a. a. O.
5120
;
6253
;
Hübner, a. a. O. ; ;
Pyritz, a. a. O.
4346
;
Haage, Hesel. Arzneib.
16r, 10
;
Bihlmeyer, a. a. O. ;
Vetter, a. a. O. ;
Päpke, Marienl. Wernher ; ;
Welti, Stadtr. Bern ;
Pfeiffer, a. a. O. ;
Klein, Oswald
38, 16
;
Vgl. ferner s. v.
1
 4,  1,  2, .
4.
›Abhängiger (z. B. des Teufels); Kind (Gottes); Mitglied einer Gemeinschaft‹.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Der sal der tubel manic leit | Tuen mit den argen sinen liden.
Wen sie sint die Gotes lide, | Die sich nach dem vridesamen | Criste cristenen hie namen.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
das himlisch paradeis | mit hochem preis ler steigen deine lid.
Vgl. ferner s. v.  2.
5.
›Glied, Stufe in der Erbfolge‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  4.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
Alsuͦs is der vater vnde muͦter dat houͦbet. § de kint, de ane zweyuͦnge van vater vnde van muͦter geboren sin, daz sint rechte swestere. An den houͤet sich der erste sibbe. de stent ouch von rechte an dem neisten lide bi deme houͦede, dar de arm an de schuͦlderen stozent. daz lede heyzet de acsel. Jst aber zwevnge an den kinderen, so ne mogen se an deme lede nicht gesten vnde schriket an en ander let
[stark bildhaft].
Chron. Köln (
Köln
1499
):
den ewigen guedigen got enmoegen wir alle sicherlich niet genoich [...] geloven mit allen den genen die uns zogehoeren bis in dat zehende lit.
6.
›Teil (wohl ein Viertel oder die Hälfte) des geschlachteten Rindes‹.
Wortbildungen:
liedfleisch
(Beleg s. v. ).

Belegblock:

Loesch, Kölner Zunfturk.
11, 124, 9
(
rib.
,
1348-1407
):
so soillen de specksnider dat heuft in deme reichten lede afsniden zo reichte durch, ind dat sin geboer specks daan blive.
Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch.
499, 38
(
halem.
,
1428
/
9
):
als Bertschi Riem und Andres Holtzhalb iet wedra iij lid fleisch von einem rind verkouft hand.
Boos, UB Aarau (
halem.
,
2. H. 16. Jh.
):
Sy [mexger] sond ein lid rindfleisch an den bank hencken und nit mer und denselbigen lid howen und ein fierteil vom kopf darzuͦ, und nit von dem lid wider in das schinthusz hencken.
7.
›Verkaufstisch für Fleisch‹; assoziativ mit
3
lied
verbindbar als ›Deckel der Ladenbank‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
1
 11, , , , ,  2, (
der
3.

Belegblock:

Helbig, Qu. Wirtsch.
1, 46, 29
(
md.
,
1487
):
also das er solch pfinnigk fleisch vornn auff die liedt lege und ein weiss tuch sichtiglich darunder.
Ebd.
2, 98, 4
(
1357
/
8
):
ist recht, daz keyne lyt mêr sullin sîn an den eckin wen eyn.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1430
/
1625
):
ob ain armes mensch zue im [fleischhacker] kämb und begehret ain pfenwert fleisch, so ist ers schuldig ime zue geben wie er dan daß ungevehrlich vor im auf der lidt hat geschroten.