2
lied,
das
;
es/-e
oder
-er
.
1.
›Lied in einem sehr generellen Sinne‹, meist auf die Einheit von Text und Weise, teils eher auf den Text, teils eher auf die Melodie bezogen, ohne daß die Ganzheit von beidem in Frage stünde; unter ästhetischem Aspekt die ganze Spannweite vom Spottlied, Gassenhauer über z. B. das Liebeslied, den Heldengesang bis hin zum Kunstlied, zum geistlichen Lied umfassend und dementsprechend z. B. den gesungenen Alltagsschwank, das Liebeslied ebenso einbeziehend wie (im 17. Jh.) die Ode; auch inhaltlich auf ein außerordentlich weites Spektrum bezogen: Alltagssachverhalte, Nachrichten, große Ereignisse, Geschichtliches, Personen, Geistliches, Weltliches.
Texte der weiteren Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch Chroniken.
Phraseme:
j. ist seines liedes
›j. macht sich einen passenden Vers auf etw.‹;
ein lied auf einer seite fiedeln
;
js. lied singen
(auch:
pfeifen
) o. ä. ›sich js. Willen fügen‹;
jn. ein liedlein singen lernen
o. ä. ›jn. zur Vernunft (des Mächtigeren) bringen‹;
das alte lied singen
;
ein lied von etw. singen können
(vgl. den Beleg
Gilman
),
ein lied zu hoch anfangen und nicht aussingen
›zu weit gehen, zu hoch greifen, es aber nicht ausführen‹;
dem tauben ein lied singen
›Vergebliches tun‹;
ein liedlein von jm. singen
›jn. verspotten‹;
lieder auf js. beutel machen
›jm. etw. zu Gefallen und zum eigenen Vorteil tun‹;
ein lied von etw. machen / singen
›etw. sehr ernst nehmen, hoch aufhängen‹.
Bedeutungsverwandte:
˹ (
das
1,  12˺ (jeweils mehrfach), , , , ; vgl.
1
I, 1, , , .
Syntagmen:
ein l. begeren / erdichten / erfinden / pfeifen / singen
(›häufig‹),
von etw. machen, von js. fromkeit singen, zu js. lob erzälen
;
das l
. (Subj.)
erklingen, den unmut vertreiben
;
willen zu unkeuschen liedern haben
;
dem l. eine weise geben
;
etw. in einem l. vermären; das l. auf jn.
[z. B.
auf ein weib
],
das l. mit
[einer Anzahl]
gesetzen, zu eren der kunst
;
das arme / bäurische / daktylische / deutsche / freundliche / geistliche / gemeine / gute / hurische / lästerliche / neue / schandbare / schandliche / traurige / trochäische / tröstliche / unkeusche l
.;
der anfang des liedes.
Wortbildungen:
liedeln
(um 1650),
liederdichter
,
liedsprecher
wohl ›Ansager, Moderator bei Spielen‹ oder ›j., der Lobesverse vorträgt‹ (dazu bdv.:  3; vgl. ).

Belegblock:

Schade, Sat. u. Pasqu. I
56, 75
(o. O.
1542
):
Die [stet] wolt er der maßen treiben und zwingen, | Daß sie im müsten seins gefallens ein liedlin singen.
Toeppen, Ständetage Preußen
3, 579, 32
(
preuß.
,
1453
):
unde sungen vor em eyn nuwe schentlich lyth, das sie off uns allen unde den ganczen roth gemacht und geticht han.
Joachim, Marienb. Tresslerb. (
preuß.
,
1405
):
½ m.
dem lytsprechir. item 1 m. den spelluthen.
Luther, WA (
1519
):
Das man tzu schendlichen, untzuchtigen unnd unkeuschen worten, lyedern, historyen [...] willen gehabt hat.
Unnd [Paulus] hilte yetzund seine sünde so verächtig, das er gleych ain lied da von macht und sang davon.
Ebd. (
1544
):
solche Geister [...] breitens weiter aus, singen ein liedlin von jm, lachen sein noch dazu in die faust hinein.
Ebd. (
1528
):
Sancti pseudoprophetae utcunque habent verbum dei, das einer seins lieds ist, quod plus diligit pecuniam.
Ebd. (
1529
):
und Moses sich nicht schemet, das er jmerdar ein Lied auff einer seiten
[bezogen auf das
erste Gebot
]
fiddelt, das ist: einerley treibt.
Ebd. f. (
1545
):
Man kan eyn gut lid nicht zuvil singen.
Ebd. (
1531
):
es hilfft nicht und ist dem Tauben ein Lied gesungen.
Ebd. (
1531
):
Sie [Juden] gedachten: das Lied ist zu hoch angefangen, er wirds nicht hinaus singen.
Ebd. (
1544
):
was Moses, Christus predigen, hilfft nichts, sie singen das alte liedlin lam, lam.
Ebd. (
1545
):
das wir sollen clug sein, viel von uns haltten, andere verachten und das liedlin singen: Ich bins, Ich bins.
Chron. Köln (
Köln
1483
, Hs.
18. Jh.
):
dat was den goeden leit | und kuntens gekeren niet | und moisten singen ir liet.
Wyss, Limb. Chron. (
mfrk.
,
3. Dr. 14. Jh.
, Hs.
2. H. 16. Jh.
):
in der selben zit sang man ein nuwe lit in Duschen landen, daz was gar gemeine zu pifen unde zu trompen unde zu aller freude.
in disem selben jare vurwandelten sich dictamina unde gedichte in Duschen lidern. Want man bit her lider lange gesongen hat mit funf oder ses gesetzen, da machent di meister nu lider di heißent widersenge, mit dren gesetzen.
Schmidt, Frankf. Zunfturk. (
hess.
,
E. 16. Jh.
):
neue zeittungen, gesange, lieder und spruch, die seien geistlich oder weltlich.
Thiele, Chron. Stolle (
thür.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Hencze gutiar uns diez lidelin sangk, | sine winter cleydere die sint ome krangk.
Weise. Jugend-Lust (
Leipzig
1684
):
ihr lieben herren; Auf euren Beutel mache ich keine Lieder.
Opitz. Poeterey
15, 26
(
Breslau
1624
):
der alten Cimber oder Daͤnen ebenmaͤßiger gebrauch / die von ihren Helden schoͤne und geistreiche Lieder ertichtet haben.
Voc. Teut.-Lat.
o iiijr
(
Nürnb.
1482
):
Herolt. heroldus. oder liedsprecher. poeta boliuus.
Sachs (
Nürnb.
1556
):
Aller art ist der lieder sum. | Ains tails schriftlich zu gotes glori; | Ein grose sum weltlich histori,| Schuelkunst, fabel und poetrey, | Zwcht-ler aus der philosopherey, | Hofflich und abgestolen renck, | Guet lecherlich possen und schwenck.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
so gand die jungling dez nahtes us [...] und bitent dez gemeiten, daz ist, sú singend lieder und sprechent schoͤnú gediht.
Spanier, Murner. Narrenb.
15, 42
(
Straßb.
1512
):
Sy woͤlten ein schlechten prelaten | Mit listen vnd mit spitzem fundt, | der ir liedlin singen kundt.
Ebd.
19, 43
(
Straßb.
1512
):
Er muͦß syn [bischoff] lied on weren pfyffen. | Nachs bischoffs dantz syn reyen fieren.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 314, 5
(
Hagenau
1534
):
der kan vil davon singen und sagen / daß ich wolt wol ein lidlein da von singen.
Ebd.
2, 79, 14
([
Augsb.
]
1548
):
Das brot ich esse / das lied ich singe.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
Niemand aber ist der uns daselbsten grösser Dienst leiste als die Poeten, Lieder-Dichter, mit liegen und senften.
Maaler (
Zürich
1561
):
Heilsams vnd froͤlichs Lied / das einem den unmuͤt / trauwren vnd sorg vertreybt / dz einen froͤlich vnd muͤtig machet. [...] Wuͤst unnd unflaͤtig Lied.
Wyss, Luz. Ostersp.
3455
(
Luzern
1575
):
sy
[Krieger des Herodes]
ryttend mitt grosser schar! | Nemend ir der schönen fröwlin war | Vnd hiessend vͦch ein liedlin singen.
Sappler, H. Kaufringer
32, 116
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
Der ailft trunk mich von kreften schied. | baide weis und auch lied | koment an ir alte statt.
Baumann, Bauernkr. Oberschw. (
schwäb.
,
v. 1542
):
die briesterschaft zu schmechen und schenden mit schantlichen liedern zu singen auf der gassen.
kamen sy mit gwalt in die stat, must ain frumer rat, auch etlich frum redlich menner auß der gemaint ir liedlin singen.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
so herr Hainrich [...] die zeit erlept haben sollt; wurt er schenk Eberharten [...] ain anders liedlin haben singen lernen.
da haben die spaivögel ein liedt von gemacht, das thuet den Rotweilern zorn.
Schmitt, Ordo rerum
267, 16
(
oobd.
,
1466
):
Gannio [...] sprecher [...] lietsprecher [...] klaffer.
Luther, a. a. O. ;
Schein, NA 6 Xb,
12
;
Schmidt, a. a. O. ;
Dünnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj.
19, 22
;
Opitz. a. a. O.
11, 13
;
44, 11
;
Gille u. a., a. a. O.
69, 205
;
82, 99
;
116, 165
;
Mayer, Folz. Meisterl. ;
v. Ingen, Zesen. Ged.
388, 29
;
Bihlmeyer, a. a. O. ; ,
Rennefahrt, Staat/Kirche Bern ;
Barack, a. a. O. ;
Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio
207, 45
;
Klein, Oswald
41, 41
;
Kummer, Erlauer Sp. ;
Bremer, Voc. opt.
35055
;
Schles. Wb.
2, 812
.
Vgl. ferner s. v.  1, ,  7, ,  2.
2.
›Angelegenheit, Sache‹; nur schwach und ansatzweise phrasematisch belegt.

Belegblock:

Luther, WA (
1544
):
Sie [Heiden] aber nemen mich mit freuden an, bey ihn wil Ich sein, wie gefelt euch das lied?