2
liegen,
V., unr. abl.;
Trennung von den Brechungsformen von
1
und von den Einheiten des zugehörigen Wortbildungsfeldes nicht immer sicher möglich.
1.
›jn. belügen, jm. die Unwahrheit sagen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
2
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Da der lugenwise | Dieb der menscheite louc.
Luther, WA (
1530
):
das wort kan uns nicht liegen.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
wen uns die werlt sus luget | und in erem dinste betruget.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 415, 23
(
Hagenau
1534
):
Leugt yemandt / und ob ers schon vor den leuten zudecken kan / so kan er doch Gott nit liegen.
Lemmer, Schernb. Frau Jutte
1315
.
2.
›täuschen, einen falschen Eindruck vermitteln‹; offen zu 3.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2,  4,  1,  1,
1
 6,
1
 1,  1,
2
.
Wortbildungen:
liegerei
›Heuchelei, Betrug‹.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Vil dinges glîchet sich dem golde; ez liuget und enist niht golt.
Gille u. a., M. Beheim
347, 34
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
dein munt sol mir mit liegen | mein hercz nit mer petriegen.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Er [got] ist war und wir gelogen
(›falsch, verlogen‹, auch zu 3 stellbar).
Turmair (
moobd.
,
1529
):
Man tue das blutvergiessen, verräterei und liegerei ab. Sein das nit fein christen oder verstockt blind leut.
3.
›lügen, über etw. / jn. die Unwahrheit sagen‹; zum Teil formelhaft.
Phraseme:
ane liegen
Verwahrformel;
um einen han liegen
›um die Wette lügen‹;
den baum aus der erde liegen
;
in den eigenen beutel liegen
;
liegen, das sich die balken biegen
.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld): ,  1,  1,  2,  1, (V.) 1, usw.
Syntagmen:
oft absolut;
jn. (vor dem rechten) liegen heissen
(›des Lügens bezichtigen‹; mehrfach belegt; vgl. dazu )
/ heischen
;
an der zal, auf die stat, auf / um jn. l., in seinen hals, in sein maul, durch seinen schlund, wieder die warheit, sonder not, wie ein schelm l
.;
fälschlich / frevelig / heimlich l
.; subst.:
ane liegen sprechen
(verwahrformelhaft),
den mund nicht mit liegen finden, sich des liegens massen
.
Wortbildungen:
liegenheissen
›Bezichtigung e. P., dass sie lügt‹,
liegenstrafe
›Strafe für die Lügenbezichtigung‹,
liegezunge
›Verleumdung‹ (a. 1460).

Belegblock:

Luther, WA (
1525
):
das wir nicht schweren, fluchen, liegen, triegen, zaubern sollen.
Dem Bapst kan ich nicht gleuben, denn er heisst sich selbs ynn sein maul liegen.
wer mit Menschen umgehet, der sol wissen, daß er mit denen umbgehet, die liegen und triegen.
Ebd. (
1524
):
Du sollt [...] | nicht liegen auff den nehsten deyn.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
daz ist war und nicht gelogen.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
[want alles] was so valsch wider der warheit, das sie swigen vnd wolten nicht liegen.
Redlich, Qu. Ratingen
51, 32
(
snfrk.
/
rib.
,
14. Jh.
):
scheltwort, vuystslege, liegenheyßen dyefe moerder off verreder geschoulden dat an lyff off an ere trefft.
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
9589
(
rib.
,
1444
):
verstant wale, | Ich en liegen dir neit an deser tzale.
Loesch, Kölner Zunfturk.
4, 54, 9
(
rib.
,
M. 15. Jh.
):
sower den anderen ernstlichen heischt liegen, die gilt 3. s. zo waisse.
Frantzen u. a., Kölner Schwankb. (
Köln
um 1490
):
Du vule schalk, du luchst.
Enders, Eberlin (o. O.
1524
):
mügt ir mercken, das euer erste regul nit das Euangelion ist, als der anfang lygt.
Grimm, Weisth. (
rhfrk.
,
1378
):
Auch werden in diesem gericht [...] gestraft alle liegenstraf, fauststreich [...].
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
28, 15
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Triegen, listen
[Var. E. 15. Jh.:
liegen
]
smeichen, [...] lachen, weinen kan sie wol in einem augenblick.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1488
):
Es sei ein ursach zu liegen, daß die menschen peichten dem priester in sein ore.
Sachs (
Nürnb.
1557
):
Du thust liegen, triegen und rauben.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
Got und der prophete enliegent nút.
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst (
Straßb.
1522
):
Sprichwort: Wer gern luͦgt, der stilt auch gern.
Du luͦgst uff mich, ich bin nit ein sollich Frau.
Kurz, Murner. Luth. Narr (
Straßb.
1522
):
Es ist ein sundere kunst zuͦ liegen, | Das es geheb sei und nit rin: | Liegen hat ein besundern sin.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 503, 11
(
Hagenau
1534
):
Er leugt wenn er das maul auff thut.
Ebd.
2, 93
([
Augsb.
]
1548
):
Er leügt das sich die Balcken biegen.
Ebd.
2, 95
:
Er leüget in seinen aignen Beütel. [...]. Leüg dich nicht zuͦ tod.
Roloff, Brant. Tsp.
1668
(
Straßb.
]
1548
):
Wie kündten wir wider die warheit liegen.
Geier, Stadtr. Überl. (
nalem.
,
1532
):
Haist ain gewachsen mensch das ander liegen, ist peen zehen schilling pfennig.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Ich will die warhait hie von Got | Sprechen aͮn liegen.
Bachmann, Morgant (
halem.
,
1530
):
Ruolland sprach zuo im: „Du lǔgst durch din schlund; wann ich bin kein dieb“.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
ein teil luog, es waͤre alles wol gefridet.
Bachmann, Haimonsk. (
halem.
,
1530
):
als man spricht gemeinlichen guot bluot nŭt lieggen.
Roder, Stadtr. Villingen (
önalem.
,
1582
):
So einer oder eine das redte, so liege er, oder si [...] wie ein schelm, dieb.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
307, 33
(
Genf
1636
):
Liegen / sagen was nicht wahr ist.
Ebd.
39
:
Baum auß der Erden [liegen] vber alle massen triegen.
Heydn. maister
8r, 24
(
Augsb.
1490
):
Du sollt nit liegen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
darumb han ich auf die erwürdigen stat pöslich gelogen.
Ebd. (
v. 1536
):
man hat köglet, scholder gehapt und um ain hannen gelogen.
Fischer, Eunuchus d. Terenz (
Ulm
1486
):
Du bedarffst dem nit glauben. wann all knecht liegen gern.
Turmair (
moobd.
1529
):
das die fürsten, hern und stett, so den Luther halten, ain jeglichen bleiben lassen, liegen, treigen, verraten, würgen, plöcken oder stöcken.
Wackernell, H. v. Montfort (
soobd.
A. 15. Jh.
):
liegen, triegen fruo und spât, | das heissent si geschibikeit.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
28, 34
(
tir.
,
1464
):
wenn si wider eüch rëden alles v̈bel vnd eüch liegen haissen durch des menschen sunes willen.
Helm, H. v. Hesler. Apok. ;
Meijboom, a. a. O.
8370
;
Schade, Sat. u. Pasqu. ;
Brinkmann, Bad. Weist. ;
Froning, Alsf. Passionssp.
411
;
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
148v, 43
;
Asmussen, Buch d. 7 Grade
2012
;
Hoffmann, Würzb. Polizeisätze
157, 13
;
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
134
;
Gilman, a. a. O.
2, 45
;
93, 24
;
Wyss, Luz. Ostersp.
10198
;
Enders, Eberlin ;
Österley, Steinhöwels Äsop ;
Primisser, Suchenwirt ; ; ;
Wiessner, Wortsch. Wittenw. Ring.
1970, 119
;
Vgl. ferner s. v. ,  1, (Adj.) 4,  1.