triegen,
V., unr. abl.;
zu
mhd.
triegen
›trügen, betrügen‹
(); md. vereinzelt auch
drögen
; 2. und 3. Pers. regelhaft
treugst, treugt
; Formen des Verbs mit
-ü-
in der Stammsilbe im Frnhd. noch selten (überwiegend im Alem., durch Analogieausgleich auf der Basis der in diesem Raum nicht diphthongierten 2./3. Pers. Sing.); zur Etymologie vgl. und zu jüngeren analogisch gebildeten Infinitivformen mit
-ü-
im Anschluss an
lügen
vgl.
Kluge/S.
2011, 933
.
– Häufig in der Paarformel
liegen und triegen
.
1.
›täuschen; etw. vortäuschen (allgemein)‹; im Einzelnen mit verschiedenen moralischen Akzentuierungen: ›die Unwahrheit sagen, lügen, heucheln‹; ›jn. täuschen, blenden, irreführen; jn. hintergehen (auch im Sinne von Ehebruch, damit offen zu 2); jm. falsche Tatsachen vorspiegeln‹; refl.: ›sich etw. vormachen, etw. nicht wahrhaben wollen‹; gehäuft in religiösen Kontexten, hier mit Bezug auf eine das Handeln prägende grundlegende Charaktereigenschaft des sündhaften Menschen, seine Unzuverlässigkeit und mangelnde Vertrauenswürdigkeit, gelegentlich mit misogyner Tendenz: ›jn. zu etw. Schlechtem, Bösen verführen, vom rechten Weg abbringen‹; refl. mit Bezug auf die mangelnde Erkenntnisfähigkeit des Menschen: ›(sich) irren, sich (selbst) täuschen‹; mit Blick auf die Konsequenzen: ›sich um das Heil bringen‹.
Überwiegend religiöse und moralisierende Texte.
Syntagmen:
j
. (z. B.
der mensch, das weib
)
t
.,
gottes wort, der bauch der magd nicht t
.,
j. immerdar / lange / tödlich / viel t
.;
sich selber, einander t., der alb / irtum / sin / teufel, die list / natur / welt, das gesicht / urteil jn. t., j. den priester in der beichte t., jn. mit anfacht / ungestümigkeit / zornigkeit, mit namen / titeln, mit geistlichen / weltlichen sachen t
.
Wortbildungen:
triegen
(
das
) 1 ›Blendwerk; Täuschung‹,
triegheit
,
triegung
›das Lügen‹.

Belegblock:

Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
der Magd Bauch kan nicht triegen.
Luther, WA (
1530
):
wer mit Menschen umgehet, der sol wissen, daß er mit denen umbgehet, die liegen und triegen.
Ebd. (
1524
):
der mensch lewgt und trewgt ymmerdar.
Anderson u. a., Flugschrr.
3, 4, 24
(
Wittenb.
1525
):
die weyl es Gotts wort ist / das nicht liegen noch triegen kan.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
der mensche der gebâret, als ob er ich sî, und er enist ez niht und triuget.
Ders., Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Swer ez
[das
ein
]
suochet under gote, der triuget sich selber.
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
5826
(
rib.
,
1444
):
Ich weende dat it were loegen | Off zo male droem off droegen.
Ebd.
6035
:
Smeichen ind driegen is dat werck syn.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
28, 15
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Triegen, listen, smeichen [...] kan sie [das weib] wol in einem augenblick.
Gille u. a., M. Beheim
74, 41
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Das sy
[die Teufel]
uns triegen mit anvacht, | so phlegen sy nicht mer der wacht.
Banz, Christus u. d. minn. Seele
636
(
alem.
,
1. H. 15. Jh.
):
Sy triegent ain ander, wib und man.
Lauchert, Merswin (
els.
,
1352
/
70
):
ach dise valsche welt truͤget dich.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
der nit entphieng sein sele in vppig: noch enschwuͦr in triekeit
[Var. 1475
1
:
triegung
]
seim nechsten.
Die tumen man sehent sein nit: wann es ist ferr von der hochfart vnd von der triekeit
[Var. 1475
2
–1518:
truͤgerey
].
Lemmer, Brant. Narrensch.
38, 26
(
Basel
1494
):
[Wer] eym artzt jn der kranckheyt lügt | Vnd jn der bicht eyn priester drügt | [...] | Der hatt jm selbs alleyn gelogen.
Sappler, H. Kaufringer
11, 341
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
was triuget dich, | das du wilt ze pfaffen mich | machen nun zuo diser stunt?
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
und [der teufl] noch stetigs [...] die menschen [...] under dem schein des gueten [...] treugt.
Es ist not, das wir eben drauf sehen, damit wir uns selbs nit triegen mit unsern [...] aufgeplasnen unnützen titl.
Quint, Eckharts Pred. ;
Meijboom, a. a. O.
4194
;
4618
;
Strauch, Par. anime int.
78, 25
;
Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm.
7, 17
;
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
9, 33
;
Reichmann, Dietrich. Schrr.
230, 6
;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Vetter, Pred. Taulers ; ; ;
Primisser, Suchenwirt ;
Vgl. ferner s. v. ,  3,  1, ,
1
 5, .
2.
›jn. um des eigenen Vorteils willen belügen; jn. um etwas (ihm Gehörendes, Gebührendes) betrügen, jn. übervorteilen‹; eng anschließbar an 1.
Phraseme:
sich e. S. triegen
›sich um etw. bringen‹.
Bedeutungsverwandte:
2
 1,  1, ; vgl.  2.
Syntagmen:
j. t
. (abs.);
der bule jn. t., j. jn. mit pfändern, um gut t
.
Wortbildungen:
triegen
(
das
) 2 ›Betrug‹,
trieghaft
.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Listig arg / trieghafft betrieglich betriegig tuͤckisch fuͤchsisch auffsetzig ränckisch.
Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
iz ist eyn gescreuͦen recht, daz nieman den anderen trege.
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
148v, 43
(
Leipzig
1588
):
Manche sehen vnd greiffen gar zu weit / mit liegen / triegen / stelen / rauben vnd morden.
Opitz. Poeterey
43, 9
(
Breslau
1624
):
da aller laster schar / | Mord / vnzucht / schwelgerey vnd triegen gantz vnd gar | Den platz / der alten ehr’ vnd tugendt hielten innen.
Sachs (
Nürnb.
1563
):
Darumb, gut gsell, so warn ich dich, | Daß dich dein bul nit trieg wie mich.
Ebd. (o. J.):
hab dein nechsten holt, | Umb sein gut in nit treuge, | Verforteyl, noch ableuge.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
alldieweil Justitia nicht liegen noch triegen kan.
Sappler, H. Kaufringer
16, 427
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
ainr sein hantwerk ser beginnt | [...] | das er werd des guotes reich; | der mit triegen, der mit kouf.
Munz, Füetrer. Persibein
177, 7
(
moobd.
,
1478
/
84
):
den vogel lasset schnelles fliegen, | er höret meiner frawen, | annders ir werdt euch preises selber triegen!
Kummer, Erlauer Sp. (
m/soobd.
,
1400
/
40
):
liegen und triegen chan ich wol, | als ein schalkch von recht sol.
Vgl. ferner s. v.  2,  9.