ausstehen,
V.,
unr.
1.
›hervorragen, hervortreten, herausstehen (von Sachen)‹; ütr. im Syntagma
ausstehende liebe
›über das übliche Maß hinausgehend, ekstatisch‹.
Bedeutungsverwandte:
.
Wortbildungen:
ausstehung
1 (unsicher, vgl. den Belegkommentar).

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Prominere. Fuͤrragen außstehen.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
wem werdent wunden onn sache wem wirt die ausstechung der augen?
[ein Anschluß des Belegs an
ausstechen
scheitert aus semantischen Gründen; die hier vorgenommene Zuordnung zu
ausstehen
ist aus zwei Gründen fraglich:
-ch-
findet sich im allgemeinen nur für etymologisches
-h-
, begegnet bei
ausstehen
aber immerhin einige Male; der Textsinn müßte mit ›Trübung, Verfärbung, Anlaufen (der Augen)‹ wiedergegeben werden; ›Hervorstehen‹ könnte vermittelnde Interpretation des Übersetzers sein].
Ruh, Bonaventura
334, 19
(
oschwäb.
,
2. V. 15. Jh.
):
ymermerdar vͤber trifft sy [sell] vnd gäd vß durch vßstend liebe vnd schreit.
2.
›sich außerhalb eines Bezugsortes aufhalten, befinden (von Personen und Sachen); sich außerhalb eines Bezugsortes begeben‹; im einzelnen: ›etw. außer Hauses feilbieten‹; ›draußen stehen (von Zeichen)‹; ›das Schiff verlassen‹; ›außer Landes gehen‹.

Belegblock:

Rwb (a.
1635
);
Preuss. Wb. (Z)
1, 337
(a.
1490
;
1495
);
Schwäb. Wb. (a.
1610
);
Schweiz. Id. ; 640 (a.
1418
;
16. Jh.
).
3.
›(eine Sitzung, Versammlung, Beratung o. ä.) vorübergehend verlassen, nach draußen gehen, abtreten (z. B. wegen Befangenheit, zum Zwecke der Vertraulichkeit der Beratung); von einer Tätigkeit weggehen, den Dienst verlassen‹; als Synekdoche: ›den Verhandlungsvorsitz ablegen, niederlegen‹.
Bedeutungsverwandte:
 7, ; vgl.  2.
Gegensätze:
.
Syntagmen
jn.
(z. B.:
den boten
)
a. lassen
;
der amptman / dienstman / richter, die freundschaft a., j. als parteiisch a.
;
im rat a.
Wortbildungen:
ausstand
2.

Belegblock:

Müller, Alte Landsch. St. Gallen (
halem.
,
1525
):
so sölle der richter in dem urtelsprechen usston und nit darbi sin.
Adomatis u. a., J. Murer. Zorob.
840
(
um 1575
):
Du solt yetzunder ouch ußston.
Schweiz. Id. (hier umfängliche Sach- und Beleginformation); ; .
4.
›bei etw. fehlen, von etw. wegbleiben, e. S. fernbleiben; von etw. weggehen‹.
Bedeutungsverwandte:
 21; vgl.  10,  10,  1.
Wortbildungen:
ausstehung
2.

Belegblock:

Rosenthal. Bedencken
6, 17
(
Köln
1653
):
Eben so vil kan gesagt werden von der Barmhertzigkeit / Reynigkeit deß Hertzens / Fridsamkeit / Außstehung
[›Ablassen‹, Ütr.]
der verfolgung.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1433
; Hs.
E. 17. Jh.
):
ob dem marktrichter zu der schrann ain geschworner ausstunt.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1692
):
Ohne erlaubnus des schaffer kein dag auß der robat außstehen; welcher ober austehet, mueß von ain gehenten dag 12 kr. [...] bezallen.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
, o. J.):
wan der robather zu halber robath darvon ausstehet.
Schmidt, Falknerei.
1909, 94
.
5.
›über die Ufer treten (von Gewässern)‹.

Belegblock:

Fuchs, Kart. Aggsbach (
moobd.
,
1432
):
alsverr der
[Teich]
swelt und awssteet
[Regestbeleg].
6.
›sich beim Abtreiben des Blicksilbers von der Hauptmasse des Silbers lösen‹.
Wortbildungen:
ausstand
3 ›Silber, welches sich beim Abtreiben getrennt vom übrigen Blicksilber in der Asche des Treibherdes ansammelt‹.

Belegblock:

Paul, Wb. Bergmannsspr.
1987, 140
(
oobd.
,
1550
):
damit die Ausstendt oder wurczln, so von dem Plickh ausgestannden wider czu dem Plickh sÿlber bracht [...] werden.
7.
›etw. entbehren, missen; jm. etw. abschlagen, verweigern, versagen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
3
 4 (zur ersten Variante);  1,  22,  1,  22 (zur zweiten Variante).
Syntagmen:
j. des erbes, der freude / freundlichkeit a.
;
jm. e. S.
(Gen.)
a.

Belegblock:

Wackernell, Adt. Passionssp. Br. I,
539
(
tir.
,
1551
):
Das thue ich von herczen geren, | Ich will im des nit sten aus.
8.
›unerledigt, nicht beglichen, nicht eingegangen sein, ausstehen (vor allem von Schulden, Zinsen, Löhnen, Naturalabgaben, Leistungen, auf die man ein Anrecht hat)‹; bei Verschiebung auf den Träger der Verpflichtung: ›jm. etw. schuldig sein‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  8,
1
 10.
Syntagmen:
gelt / lon / wein, der rok, die pflicht a.
, ein Betrag (z. B.
14 lb.
)
in zinsen a.
;
jm. schulden
(Subj.)
a., jm. etw.
(z. B.
fünf schilling
)
an zinsen a., jm. etw. von busse / wandel / zins a., jm. etw. an hanf / tuch a., jm. eine summe / gelt unbezalt a.
;
etw.
(z. B.
den zins
)
ausstehend haben
;
etw. ausstehend sein / werden / bleiben; die ausstehende bezalung / pflicht / sache / schuld / summe / steuer, der ausstehende brief / lon / zins, das ausstehende gut.

Belegblock:

Loesch, Kölner Zunfturk. (
rib.
,
1436
):
dat ich einche sachen, mit Cristiain vurs. uisstainde, meinte zo haven, darumb ich in niet anspraichen erlaissen en weulde.
Palmer, Tondolus (
Speyer
um 1483
):
fordert er sein vßstond schuld.
Rennefahrt, Wirtsch. Bern
614, 3
(
halem.
,
1642
):
waß massen inen hin und wider an hanff, flachs, garn, tůch [...], by underschidenlichen persohnen vil ußstande.
Bastian u. a., Regensb. UB
183, 29
(
oobd.
,
1360
):
davon ist 3 lb 80 d ausstend.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
116, 15
(
mslow. inseldt.
,
1614
):
hauß, drauf den Burgers leuten vnterśchiedliche śchulden außgeśtanden.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. ;
Trübner, Dt. Wb.
1, 204
;
Schirmer, Kaufmannsspr. .
9.
›etw. leidend überstehen, aushalten, ertragen, erdulden; (eine anstrengende Zeit, eine Prüfung) durchstehen‹.
Gehäuft in Texten einerseits religiösen und andererseits rechtlichen Inhalts.
Bedeutungsverwandte:
 2,  2,
1
(V., unr. abl.) 12,
1
 4, ; vgl.  1,  2.
Syntagmen:
die anfechtung / busse / far / gefangenschaft / not
(mehrfach)
/ probe / strafe / zeit / züchtigung, den schmerz / sturm / wiederstand, das examen / jar / laster a., das recht a.
›die Folterung durchstehen‹,
freude / sorge mit jm. a., etw. mit strafe a., etw. ritterlich, etw. mit gottes hilfe a.
;
ausgestandene examina / lerjare.
Wortbildungen:
ausstehung
3.

Belegblock:

Boon, St. Prätorius
68, 28
(
Ülzen
1579
):
das man auff dem bette [...] mehr anfechtung haben / leiden vnd ausstehen mus / als im Wasser.
Rosenthal. Bedencken
18, 20
(
Köln
1653
):
daß sie keine Straff mehr fuͤr ihre Suͤnden außstehen.
Luther, WA (
1530
):
Solche suͤnde und laster wollen wir unverborgen haben und [...] wollens mit euch ausstehen.
Ebd. (
1531
):
die andern, die da ausstehen, leiden und tragen, wagenn, was sie sollen.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
JEsum dein Sohn, der Roht ermahn, | Die er vmbs Menschen Willen thet außstan, | Bitt fuͤr vns Maria.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
, Hs.
18. Jh.
):
der angezaigte selbst mitls außstehung hiezeitlicher der verdient ewigen straffe entgehen würdet.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
n. 1618
; Hs.
1681
):
sollen sie [...] auf dem thurn biessen und ihr straff ausstechen.
Ebd. (
16. Jh.
; Hs.
17. Jh.
):
hat ers aber nit zu bezallen, soll ers mit leibsstraff austehen.
A. à S. Clara. Deo Gratias (
Wien
1680
):
das groͤste Elend ware die von uns ausgestandene Pest=Noth.
Kehrein, a. a. O. ;
Bischoff u. a., a. a. O. ;
Dietz, Wb. Luther ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 337
;
Wolf, Bergmannsspr.
1958, 24
.
10.
›für etw. geradestehen, haften, aufkommen‹; von Sachen: ›zur Haftung vorhanden sein‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  3.
Syntagmen:
die kost / zerung, den unkosten / schaden a.
;
für den schaden a.
;
gut
(Subj.)
nicht a.
(›nicht vorhanden sein‹).

Belegblock:

Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
16. Jh.
):
so soltz derselbig der den pach iert aussteen und den schaden bezallen.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
17. Jh.
):
ist der ganzen gemain verfallen für ein ieden burger 72 ₰ und allen schaden us stechen, so durch sein zaunlucken geschechen sein.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
17. Jh.
):
auf welchen fohl gegen ime, da ersam guet nit außzusteen, mit leibsstraf verforen wurde.
Ebd. (
1694
):
ob geverlich rumor oder anders von ihme auferstiende, dasselbige zu verantworten und außzustehen.
Mell u. a., a. a. O. ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 337
.
11.
›etw. (eine Streitsache) bis zum Ende durchführen‹.
Bedeutungsverwandte:
 11,  3, .
Syntagmen:
die sache a.

Belegblock:

Behrend, Magd. Fragen (
omd.
,
um 1400
):
an den sachen, der her sich undirwindet mit rechte uszczustehende.
Rintelen, B. Walther
24, 9
(
moobd.
,
1552
/
8
):
so ist in der Herr abzulassen nit schuldig, so lang biß er solliche Rechtsachen ausfüert, oder aber Pürgschaft thuet, dem Rechten biß zu Endt auszusteen.
Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica
139
;
Haltaus
84
.