ausstehen,
1.
›hervorragen, hervortreten, herausstehen (von Sachen)‹; ütr. im Syntagma
ausstehende liebe
›über das übliche Maß hinausgehend, ekstatisch‹.
Wortbildungen:
1 (unsicher, vgl. den Belegkommentar).
Belegblock:
Prominere. Fuͤrragen außstehen.
wem werdent wunden onn sache wem wirt die ausstechung der augen?
[ein Anschluß des Belegs an
ausstechen
scheitert aus semantischen Gründen; die hier vorgenommene Zuordnung zu
ausstehen
ist aus zwei Gründen fraglich:
-ch-
findet sich im allgemeinen nur für etymologisches
-h-
, begegnet bei
ausstehen
aber immerhin einige Male; der Textsinn müßte mit ›Trübung, Verfärbung, Anlaufen (der Augen)‹ wiedergegeben werden; ›Hervorstehen‹ könnte vermittelnde Interpretation des Übersetzers sein].
Ruh, Bonaventura
334, 19
(
oschwäb.
,
2. V. 15. Jh.
):
ymermerdar vͤber trifft sy [sell] vnd gäd vß durch vßstend liebe vnd schreit.
2.
›sich außerhalb eines Bezugsortes aufhalten, befinden (von Personen und Sachen); sich außerhalb eines Bezugsortes begeben‹; im einzelnen: ›etw. außer Hauses feilbieten‹; ›draußen stehen (von Zeichen)‹; ›das Schiff verlassen‹; ›außer Landes gehen‹.
3.
›(eine Sitzung, Versammlung, Beratung o. ä.) vorübergehend verlassen, nach draußen gehen, abtreten (z. B. wegen Befangenheit, zum Zwecke der Vertraulichkeit der Beratung); von einer Tätigkeit weggehen, den Dienst verlassen‹; als Synekdoche: ›den Verhandlungsvorsitz ablegen, niederlegen‹.
Bedeutungsverwandte:
7,
; vgl.
2.
Syntagmen
jn.
(z. B.:
den boten
)
a. lassen
;
der amptman / dienstman / richter, die freundschaft a., j. als parteiisch a.
;
im rat a.
Belegblock:
Müller, Alte Landsch. St. Gallen
(
halem.
,
1525
):
so sölle der richter in dem urtelsprechen usston und nit darbi sin.
Adomatis u. a., J. Murer. Zorob.
840
(
um 1575
):
Du solt yetzunder ouch ußston.
Schweiz. Id. (hier umfängliche Sach- und Beleginformation);
;
.
4.
›bei etw. fehlen, von etw. wegbleiben, e. S. fernbleiben; von etw. weggehen‹.
Bedeutungsverwandte:
21; vgl.
10,
10,
1.
Belegblock:
Eben so vil kan gesagt werden von der Barmhertzigkeit / Reynigkeit deß Hertzens / Fridsamkeit / Außstehung
[›Ablassen‹, Ütr.]
der verfolgung.
Winter, Nöst. Weist.
(
moobd.
,
1433
; Hs.
E. 17. Jh.
):
ob dem marktrichter zu der schrann ain geschworner ausstunt.
Mell u. a., Steir. Taid.
(
m/soobd.
,
1692
):
Ohne erlaubnus des schaffer kein dag auß der robat außstehen; welcher ober austehet, mueß von ain gehenten dag 12 kr. [...] bezallen.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid.
(
m/soobd.
, o. J.):
wan der robather zu halber robath darvon ausstehet.
5.
›über die Ufer treten (von Gewässern)‹.
Belegblock:
Fuchs, Kart. Aggsbach
(
moobd.
,
1432
):
alsverr der
[Teich]
swelt und awssteet
[Regestbeleg].
6.
›sich beim Abtreiben des Blicksilbers von der Hauptmasse des Silbers lösen‹.
Wortbildungen:
3 ›Silber, welches sich beim Abtreiben getrennt vom übrigen Blicksilber in der Asche des Treibherdes ansammelt‹.
Belegblock:
Paul, Wb. Bergmannsspr.
1987, 140
(
oobd.
,
1550
):
damit die Ausstendt oder wurczln, so von dem Plickh ausgestannden wider czu dem Plickh sÿlber bracht [...] werden.
7.
›etw. entbehren, missen; jm. etw. abschlagen, verweigern, versagen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
3
4 (zur ersten Variante);
1,
22,
1,
22 (zur zweiten Variante).
Syntagmen:
j. des erbes, der freude / freundlichkeit a.
;
jm. e. S.
(Gen.)
a.
Belegblock:
Wackernell, Adt. Passionssp. Br. I,
539
(
tir.
,
1551
):
Das thue ich von herczen geren, | Ich will im des nit sten aus.
8.
›unerledigt, nicht beglichen, nicht eingegangen sein, ausstehen (vor allem von Schulden, Zinsen, Löhnen, Naturalabgaben, Leistungen, auf die man ein Anrecht hat)‹; bei Verschiebung auf den Träger der Verpflichtung: ›jm. etw. schuldig sein‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
8,
1
10.
Syntagmen:
gelt / lon / wein, der rok, die pflicht a.
, ein Betrag (z. B.
14 lb.
)
in zinsen a.
;
jm. schulden
(Subj.)
a., jm. etw.
(z. B.
fünf schilling
)
an zinsen a., jm. etw. von busse / wandel / zins a., jm. etw. an hanf / tuch a., jm. eine summe / gelt unbezalt a.
;
etw.
(z. B.
den zins
)
ausstehend haben
;
etw. ausstehend sein / werden / bleiben; die ausstehende bezalung / pflicht / sache / schuld / summe / steuer, der ausstehende brief / lon / zins, das ausstehende gut.
Belegblock:
Loesch, Kölner Zunfturk.
(
rib.
,
1436
):
dat ich einche sachen, mit Cristiain vurs. uisstainde, meinte zo haven, darumb ich in niet anspraichen erlaissen en weulde.
Palmer, Tondolus
(
Speyer
um 1483
):
fordert er sein vßstond schuld.
waß massen inen hin und wider an hanff, flachs, garn, tůch [...], by underschidenlichen persohnen vil ußstande.
Bastian u. a., Regensb. UB
183, 29
(
oobd.
,
1360
):
davon ist 3 lb 80 d ausstend.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
116, 15
(
mslow. inseldt.
,
1614
):
hauß, drauf den Burgers leuten vnterśchiedliche śchulden außgeśtanden.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid.
;
9.
›etw. leidend überstehen, aushalten, ertragen, erdulden; (eine anstrengende Zeit, eine Prüfung) durchstehen‹.
Gehäuft in Texten einerseits religiösen und andererseits rechtlichen Inhalts.
Bedeutungsverwandte:
2,
2,
1
(V., unr. abl.)
1;
2,
1
4,
; vgl.
1,
2.
Syntagmen:
die anfechtung / busse / far / gefangenschaft / not
(mehrfach)
/ probe / strafe / zeit / züchtigung, den schmerz / sturm / wiederstand, das examen / jar / laster a., das recht a.
›die Folterung durchstehen‹,
freude / sorge mit jm. a., etw. mit strafe a., etw. ritterlich, etw. mit gottes hilfe a.
;
ausgestandene examina / lerjare.
Belegblock:
Boon, St. Prätorius
68, 28
(
Ülzen
1579
):
das man auff dem bette [...] mehr anfechtung haben / leiden vnd ausstehen mus / als im Wasser.
daß sie keine Straff mehr fuͤr ihre Suͤnden außstehen.
Solche suͤnde und laster wollen wir unverborgen haben und [...] wollens mit euch ausstehen.
die andern, die da ausstehen, leiden und tragen, wagenn, was sie sollen.
Kehrein, Kath. Gesangb.
(
Nürnb.
1631
):
JEsum dein Sohn, der Roht ermahn, | Die er vmbs Menschen Willen thet außstan, | Bitt fuͤr vns Maria.
Siegel u. a., Salzb. Taid.
(
smoobd.
, Hs.
18. Jh.
):
der angezaigte selbst mitls außstehung hiezeitlicher der verdient ewigen straffe entgehen würdet.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid.
(
m/soobd.
,
n. 1618
; Hs.
1681
):
sollen sie [...] auf dem thurn biessen und ihr straff ausstechen.
Ebd. (
16. Jh.
; Hs.
17. Jh.
):
hat ers aber nit zu bezallen, soll ers mit leibsstraff austehen.
das groͤste Elend ware die von uns ausgestandene Pest=Noth.
Wolf, Bergmannsspr.
1958, 24
.
10.
›für etw. geradestehen, haften, aufkommen‹; von Sachen: ›zur Haftung vorhanden sein‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
3.
Syntagmen:
die kost / zerung, den unkosten / schaden a.
;
für den schaden a.
;
gut
(Subj.)
nicht a.
(›nicht vorhanden sein‹).
Belegblock:
Winter, Nöst. Weist.
(
moobd.
,
16. Jh.
):
so soltz derselbig der den pach iert aussteen und den schaden bezallen.
Mell u. a., Steir. Taid.
(
m/soobd.
,
17. Jh.
):
ist der ganzen gemain verfallen für ein ieden burger 72 ₰ und allen schaden us stechen, so durch sein zaunlucken geschechen sein.
Siegel u. a., Salzb. Taid.
(
smoobd.
,
17. Jh.
):
auf welchen fohl gegen ime, da ersam guet nit außzusteen, mit leibsstraf verforen wurde.
ob geverlich rumor oder anders von ihme auferstiende, dasselbige zu verantworten und außzustehen.
11.
›etw. (eine Streitsache) bis zum Ende durchführen‹.
Bedeutungsverwandte:
11,
3,
.
Belegblock:
Behrend, Magd. Fragen
(
omd.
,
um 1400
):
an den sachen, der her sich undirwindet mit rechte uszczustehende.
Rintelen, B. Walther
24, 9
(
moobd.
,
1552
/
8
):
so ist in der Herr abzulassen nit schuldig, so lang biß er solliche Rechtsachen ausfüert, oder aber Pürgschaft thuet, dem Rechten biß zu Endt auszusteen.
Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica
139
;