abtreten,
V., unr. abl.
1.
›von etw. ablassen, Abstand nehmen‹; offen zu 2.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1.
Syntagmen:
das gesez a.; dem unglauben, der e / gabe / ketzerei / site a.; des zorns a.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
‚Nicht wil ich‘, sprach er, ‚tretin ab | der gâbe mit dir, unz ich deme | ungeloub in dich intneme.‘
Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Do Got die nuwen e gab | Und die lute musten ab | Treten der alt gewonten site.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Danyel, der da was hie | Ein knecht Gotis, des der ie | Ewic leben an im hat, | Dem din sin nie ab getrat. | An betende.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1524
):
war die gemain guet, das gesetz gottes anzůnemen und das menschlich abzůtretten.
Buck, U. v. Richent. Chron. Conz. (
alem.
,
um 1430
):
wöllen ir abtretten dem ungeloben und der kätzery.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
[er] trat vor seins zorns ab.
Helm, H. v. Hesler. Nicod. ;
Helm, H. v. Hesler. Apok. ;
2.
›von jm. (auch von einer Gemeinschaft) oder etw. (z. B. einer Lehre) abfallen, sich von jm./etw. lossagen‹.
Bedeutungsverwandte:
 6,  1; vgl.
1
 2.
Syntagmen:
dem bündnis, der abgötterei / lere, den geboten / brüdern,
e. P.
a.; von der ordnung / pflicht / regel / freundschaft, vom brauch / gehorsam / glauben / gebot / könig / got /
e. P.
a.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
daz sî den brûdrin trâtin ab | und den touf vorsmêtin, | den sî intpfangin hêtin.
Chron. Magdeb. (
nrddt.
,
1565
/
6
):
allen ergangenen bündtnissen abzutreten.
Kisch, Leipz. Schöffenspr. (
osächs.
,
1523
/
4
):
Des gehorsams und eintracht ist er uns abgetreten und widerseczig worden.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs. N,
um 1475
):
sye haben sich von got gescheyden, sye verschelten seinen heyligen namen, sye sein abgetretten.
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
das die [...] bischofe zů dütschen landen und anderswo abedrotent von Gregorio.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
ain anschlag über den künig von Behem, der ist abtretten vom christenlichen glauben und ist ain Huss worden.
v. Groote, Muskatblut (
nobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
Er trit den zehen geboden abe | vnd gibt sine sele vmb ringe habe.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1401
):
daz wir dem egenanten kuͤnig Wentzlaw abtreten und in fuͤrbaz nicht halten noch haben fuͤr einen roͤmischen kuͤnige.
Ebd. (
1488
):
Carolus [...] zoch an sich die welischen stet und herren, also daß sie alle abtraten von Ludwico dem Bayern.
Helm, H. v. Hesler. Apok. ;
Luther. Hl. Schrifft.
1. Tim. 4, 1
;
Hebr. 3, 12
;
Bernoulli, Basler Chron. ;
Koller, a. a. O. ; ;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. ;
Voc. inc. teut.
a iiijv
;
Voc. Teut.-Lat.
a iiijv
;
Rot
303
.
3.
›etw. aufgeben, auf etw. (zu js. Gunsten) verzichten‹; dadurch: ›(jm.) etw. abtreten, überlassen, übertragen‹.
Bedeutungsverwandte
1. Nuance: ,
1
 7; vgl.  12. Nuance:  89,  1,  12, (V.) 12.
Syntagmen
vereinzelt mit Akk. d. S.:
das dorf, den garten / acker a.
; meist mit Gen. d. S.:
des leibgedinges
(mehrmals) /
rechtes / schlosses / pfandes / gutes / hauses / landes, der wiese / gabe / sache / besetzung, der leute a.

Belegblock:

Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
So sullen dy scheppen vndir sich orteylen vynden welchir nehir sy vnd deme das erbe tzu teylen. vnd der andire sal abetreten.
Behrend, Magd. Fragen (
omd.
,
um 1400
):
queme her [...], unde bewiste syne neher mogenschafft, sy müsten ym abetreten unde antwortten und ym das gut unde erbe loszen volgen.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
71, 32
(
omd.
,
1474
):
schuldiget Hans Wilden, den lehenhern, derselbin wesin halbin, [...], unde heyschet dy von yme abezcutrettin unde ingeantwert.
Bindewald, Texte schles. Kanzl.
1, 7
(
schles.
,
1370
):
dy do ouch czu keginwortyg was vnd sich vorczeich vnd abetrat eris rechtin lybgedinges.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
wiewol sein gemahl [...] des schloss zu Mösskirch gleich abtretten [...] mueste.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
das die Pfaltzischen solten hertzog Albrechten der underpfant abtretten und überantwurten.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
, Hs.
3. Dr. 15. Jh.
):
muesten sy sich [...] swarlich verschreyben und aller irer besetzung [...] abtretten, rawmen und zw des kaysers hannden ledigklich antwuerten.
Staub, Qu. Wien
3, 2, 2507, 9
(
moobd.
,
1407
):
darzu hat im die egenant Kathrey abgetreten aller irer rechtens und leibgedings.
Leman, a. a. O. ; ;
Grosch u. a., a. a. O.
77, 13
;
Küther, UB Frauensee
255, 4
;
387, 33
;
416, 6
;
Bindewald, a. a. O.
18, 19
;
26, 18
;
130, 1, 35
;
145, 11
;
Zingerle, Inventare ;
Staub, a. a. O.
2820, 14
;
2894, 16
;
Siegel u. a., Salzb. Taid. ;
Grossmann, a. a. O. ;
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
9, 17
;
4.
›von einer Stelle weggehen, sich entfernen (meist von Personen, vereinzelt von sich bewegenden Sachen)‹; offen zu den Spezialisierungen unter 6, 7, 8.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  6.

Belegblock:

Chron. Magdeb. (
nrddt.
,
E. 16. Jh.
):
die drey Fürsten [...] seind von K. May. mit gebührlicher Reverentz abegetreten und wieder auf die geule gesessen.
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
der vînc dô dise sache an | ûzlesinde wol sechzic man, | und mit den hin abe trat | vorholnlîch an eine stat.
Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
wir sin wider geerbet | An unse alden wonestat, | Da her Adam abe trat.
Die sunne tut zwei wunder: | Sie get uf und sie get under | Und kumt wider an die stat | Dar sie zum ersten abe trat.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
das im aber mislang, dan die wachter des zeitlich gebar wurden, das er wider abtratte und [...] wider wegk eyllte.
Helm, a. a. O. ;
Helm, H. v. Hesler. Nicod. ;
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 524, 19
;
Rot
345
;
350
.
5.
›zerfallen, sich auflösen (z. B. von Ordnungsverhältnissen)‹; Ütr. zu 4.

Belegblock:

Chron. Köln (
Köln
1499
):
dat die insetzunge ind ordenunge in geistlichen ind in werltlichen dingen so lichtichlich aftrit ind sich verkeirt.
6.
›(von der Bühne) abtreten, abgehen‹.

Belegblock:

Roloff, Brant. Tsp.
673
(
Straßb.
1554
):
Spricht Helchias. | Gůt freünd ir moͤgent tretten ab | Biß ich mein gedanck genommen hab.
7.
›(einen Verhandlungsort zur Beratung) verlassen‹; als Synekdoche: ›sich zur Beratung zurückziehen‹.
Rechtsgeschichtliche Texte.

Belegblock:

Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. Anm. 1 (
wmd.
,
1586
):
darauf die geschworne abermal abgetreten, sich unter einander besprochen und beratschlagt.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
323, 17
(
thür.
,
1474
):
Darnach, also Eghart Wolfferam abegetretin waz, da bath Heinrich Keyser durch synen vorgenanten vorreder den richter.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
E. 16. Jh.
):
daß sie alten brauch nach mögen abtretten, sich mit einander bereden.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. ;
Mell u. a., Steir. Taid. ;
8.
›sich aus einer militärischen Stellung zurückziehen‹.

Belegblock:

Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
als die Wirtzpurger antretten sind an den sturm, da hand sie in sie geschoßen so kecklich, daß sie mit gewalt muesten abtretten.
Gille u. a., M. Beheim
453, 2169
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Sy [veind] musten dannen weichen und abtreten schantleichen.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
tetten die Vngrischen ainen swarn sturm an der statt, doch muesten sich mit schaden abtretten.
Gille u. a., a. a. O.
453, 975
;
2200
.
9.
›von einem Amt, einer Funktion zurücktreten‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  9.

Belegblock:

Schmidt, Frankf. Zunfturk. (
hess.
,
1579
):
sollen diejenigen, so das gepott antreffen thet, abtretten.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
wolt auch der obgenanten bebst kainer abtreten.
Zingerle, Inventare (
tir.
,
1498
):
Ann dem achtennden tag des monnats Marty [...] ist herr Pauls [...] der pfleg Thaur abgetretten.
10.
›flüchten, fliehen, weglaufen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl. .

Belegblock:

Chron. Magdeb. (
nrddt.
, Hs.
1601
):
do sein ihrer wol bey 20 burgern entlauffen und abegetretten.
Gille u. a., M. Beheim
453, 2188
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Do sich das abtreten begab, | der münch viel über die schüt ab.
das im landgricht kein unrůw geb, und durch soͤliche fürsehung die übelteter nit abtraͤttind.
11.
›sich verirren‹.
Bedeutungsverwandte:
,  1, .

Belegblock:

Rot
285
(
Augsb.
1571
):
Aberrirn, weit abtretten / der aͤnten weit faͤhlen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Abtraͤtten / Faͤlen. Aberrare.
12.
›(vom Pferd) steigen, absitzen‹; als Synekdoche: ›absteigen, Aufenthalt nehmen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1; zur Synekdoche:  14.

Belegblock:

Altmann, Wind. Denkw. (
wmd.
,
um 1440
):
do sie züsamen komen, do drat der Römsche konig ab und der keiser ouch ab von den pferden.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1444
):
so zog der reisig zeug dieselben nacht für Wartenfels und komen bei zweien oren vor tag für Wartenfels und traten ab zu fuß die zwei teil und gingen zu sturm an daz sloß.
Schmitt, Urkundenspr.
1936, 211
(
Prag
,
1354
):
das wir gester vor ewer stat gevaren vnd bey euch nicht abgetreten sein.
13.
›(Getreide) dreschen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  3.

Belegblock:

Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
Wann die reiß wirt nit abgetretten in den segenissen.
14.
›(Schuhe) ablaufen, verschleißen‹.

Belegblock:

Maaler (
Zürich
1561
):
Abtraͤtten / als schůch. Deculcare.
15.
›etw. zertreten, zertrampeln‹;
vgl.  7,  7.

Belegblock:

Schmitt, Fachprosa
63, 10
(
halem.
,
um 1450
):
Sy [hind] tritt och ab daz gras. Es ist aber nit as ich forgeseit han, wan sy zermüdet es nun.
Wrede, Aköln. Sprachsch.
52b
.
16.
›(den Edelmetallgehalt einer Münze) verringern‹.
Bedeutungsverwandte:
 16,  12; vgl. , .

Belegblock:

Koller, Ref. Siegmunds (Hs. V ˹
Augsb.
,
um 1440
˺):
ob yemant abtret und absetzt, so fünd man es dann an der stat oder hern zaichen.