abstehen,
V.,
unr. Das reich gefächerte Bedeutungsfeld ist wie folgt gliederbar: 1-5 ›von etw. Abstand nehmen, aufgeben‹; 6-10 und 15-17 nicht sinnvoll zusammenfaßbar, 6-10 aber an den Block 1-5 anzuschließen; 10-14 ›von etw. absteigen‹ und Synekdochen; 18-20 ›nachlassen (von Sachen und Lebewesen)‹.
1.
›von etw. (z. B. einem Vorhaben, einer Lehre, einer Haltung) Abstand nehmen, ablassen, etw. aufgeben, sich e. S. enthalten‹; offen zu 2-4.
Bedeutungsverwandte:
 1; vgl.  8,  1.
Syntagmen
mit präp. Dat./mit Gen./Dat.:
von dem fürsaz / bösen / rechten / laster, von der sünde
(häufig)
/ meinung / liebe / lere a.; des fürnemens / willens / tuns / lassens / gemütes, der sache/sünde
(häufig)
a.; dem has / grübeln a.; gänzlich / gern a.

Belegblock:

Chron. Magdeb. (
nrddt.
, Hs.
1601
):
soviel mit diesem losen Pöfel [...] gehandelt, das sie dozumal solches abgestanden sein.
Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Wil her dan gar abe stan | Den sunden und wil buzen | Mit muzelichen muzen.
Kurz, Murner. Luth. Narr (
Straßb.
1522
):
Wiltu abston feintlichem haß, | Vnd lutherisch sein vff unser seiten.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
so soͤlte si irer vecht gegen iren veter abston.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
stet sulchem grubeln ab, | Der auff sulch pan dich leyt.
Bell, G. Hager
547, 2, 10
(
nobd.
,
1611
):
Dass sie von jrer lehr all sam | ab stienden an be schwerden.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
wolt sy nicht abstan irs fürgenomen argen willen.
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Koller, Ref. Siegmunds ; ;
Roder, Hugs Vill. Chron. ;
Bernoulli, Basler Chron. ;
Kottinger, Ruffs Etter Heini ;
Kummer, Erlauer Sp. ;
Boot, Cassiodor. Hist. Eccl. Trip.
317, 1
;
Voc. Teut.-Lat.
a iijv
;
Alberus
ss ijr
;
Ulner ; ;
Dietz, Wb. Luther .
2.
›nachlassen, etw. zu tun, etw. unterlassen, (eine Gepflogenheit) unterbrechen‹.
Bedeutungsverwandte:
 2,  3; vgl.  6.

Belegblock:

Chron. Strassb. (
els.
,
1362
):
die heiligen engel Cherubin und Seraphin, die nüt abe stont für uch zů bittende.
Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
1438
):
wa ein sun oder tochtter iro hand freuenlich vnd in zornningem můt an vatter vnd an můter leit, vnd sich das erfindet in massen, das ein soͤlich kind des nit abstan mag.
3.
›von etw. (einer rechtlichen Verpflichtung) zurücktreten, (einen Eid o. ä.) brechen‹.

Belegblock:

Lemmer, Brant. Narrensch.
85, 18
(
Basel
1494
):
Der wynkouff ist gedruncken schon | Wir moͤgen nit dem kouff abston.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen (
halem.
,
1353
):
ob der ander dritteil des abstan múgen. Do wart gemeinlich erkenet [...], daz der dritte teil des nit mochti abstan.
Mollwo, Rotes Buch Ulm (
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
so suͥllen allwegen die selben [...] da sweren gelert aide in aller der wise, so vorgeschriben stat, und suͥllen och mit namen die, die davon komen und tretten wurden, der sache bi den aiden nit abstan.
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
do sich ergab | Der chunig und des gelubdes ab⸗ | Gestund dem edlen kunige.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1641
):
wo ain kauf gestift würdt, und wer den seinigen abstehet und ihr baider willen nit ist.
4.
›auf etw. (z. B. ein Recht, einen Besitz) verzichten‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  3.

Belegblock:

Koller, Ref. Siegmunds (Hs.
um 1475
):
stet einer nit ab und geit got dye ere, so sol man in abnemen als ein heyden.
Gierach, Märterb.
7314
(Hs. ˹
moobd.
,
A. 15. Jh.
˺):
das er seiner grossenn hab | nachenn was gestandenn ab.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
künig Arnulph stuend des küniglichen nams ab.
5.
›(von einem Amt, einer Stellung) zurücktreten, abdanken, (ein Amt) niederlegen, aufgeben‹.
Bedeutungsverwandte:
 4,  9.
Syntagmen
oft ohne Obj., sonst mit präp. Dat./mit Gen.:
vom amt/ regiment/ handwerk/ stand a.; des amtes a.; willig a.

Belegblock:

Buch Weinsb. (
rib.
,
1575
):
wan er abstunde, wurden wir balder einen pastor bekomen dan die von Dutz einen koehirten.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1544
/
5
):
wenn nunfüro ain kellermaister abstet oder abgat.
Sachs (
Nürnb.
1558
):
Wenn du, könig, williglich frey | Vom königlichen regiment | Abstündst und gingst in das ellendt.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
Als pald darnach gab hertzog Sigmund das reigiment seins tails von im selbs, frey, wilkürlich über dem selben seinem prueder hertzog Albrechten und stuend im des ab.
Ebd., Landsh. Ratschron. ;
Lexer, Tucher. Baumeisterb. ;
Maaler 6v/;
6.
›sich von jm. lossagen, von jm. abfallen‹; offen zu 7.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1.
Wortbildungen:
abstehung.

Belegblock:

Chron. Köln
1, 4652
(
rib.
, Hs.
A. 15. Jh.
):
des steint sy Gode ind ouch uch aff.
Chron. Köln (
Köln
1499
):
bischof Ailf wart beclaget bi dem pais Innocencius durch konink Otten, dat he eme afgestanden were und Philippum ouch zo eime koninge zo Aichen gewiet hedde.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1562
):
daß sie hinfüro der widertäuffersecten nit mer anhangen, sonder davon absten wöllen.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
dass, wie wol der kuͤng im nach gesipt, er nit woͤlte von inen abston.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
zw den unrechten allen [unsern] undertanen pey kayserlicher acht zw vermeyden durch Ewr bryeff gepott uns abzesten und den ketzern gehorsam [zu] sein.
7.
›jn. verlassen, sich von jm. abwenden‹.

Belegblock:

Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
5030
(
rib.
,
1444
):
So wil ich gerne, das sijs gewys, | Zo deser tzijt mit dir hyn gaen, | Ind en dencken dir ouch neit aff zo staen.
Fastnachtsp. (
nobd.
,
15. Jh.
):
Die Junkfrau: Rudiger ist mir ab gestanden, | Ein andern han ich unter handen.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Köln
1582
):
Der vatter vnd die můtter mein | Mir gentzlich abgestanden sein, | Doch hat mich Got genommen an.
Berger, Sturmtruppen
356
.
8.
›etw. leugnen, verneinen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl. .

Belegblock:

Sachs (
Nürnb.
1558
):
Gnediger herr, ich steh nit ab, | Das ich ewr tochter lieb hab sehr, | Nit anders denn in zucht und ehr.
9.
›etw. außer Acht, unbeachtet lassen‹.

Belegblock:

Löscher, Erzgeb. Bergr.
150, 1
(
omd.
,
1554
):
Denen [erczgeschicke] darf der steyger nicht abestehen und seines gefallens bauen.
10.
›nicht vorhanden sein, fehlen‹.

Belegblock:

Brandstetter, Wigoleis
197, 37
(
Augsb.
1493
):
darumb suocht mein fraw hilff bey eüch. dann jr leyder sunst alle hilff abgestanden ist.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
1517
/
8
):
Sie [Maria] ist nach Gott das peste gut, | [...] Ir gnad uns nymer mer abste.
11.
›(vom Pferde) steigen, absitzen‹; nicht in allen Belegen von 12 trennbar.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1,  1.
Gegensätze:
 18; vgl.  2.
Syntagmen
meist mit präp. Ergänzung:
vom pferd / ros a.
(feste Wendungen);
gegen jm. a.; bürgermeister / herre / bischof / (kur)fürst / könig(in) / keiser / majestät a.

Belegblock:

Brandstetter, Wigoleis
214, 1
(
Augsb.
1493
):
Er stuonde ab hoeftet sein pferde an ein tannen.
Diehl, Dreytw. Essl. Chron. (
schwäb.
,
1548
):
alls nun der printz zu dem tomb komenn und abgestandenn.
Dierauer, Chron. Zürich (
halem.
,
1415
/
20
):
stůnden die herren von den rossen all ab ze fůß und traten frischlich an enander.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
E. 15. Jh.
):
di haben sein k. mt. gessat Schweinaw im veld zwischen der marter und dem dorff betreten, abgestanden, in empfangen.
Langmantel, Schiltb. Reiseb. (
oobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
also stunden wir ab von den pferden und giengen zu füessen gegen in.
12.
›(vom Wagen) heruntersteigen, aussteigen, absteigen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1.

Belegblock:

Chron. Augsb. (
schwäb.
,
v. 1536
):
da ist der kaiser, preiger und alle fürsten von iren pferden und die braut von irem wagen abgestanden.
Ebd. (zu
1562
):
ist Jr mt., auch die kinigin mit den kinigclichen kindern und irem frawenzimmer vor der kirchen abgestanden.
13.
›sich ausschiffen, an Land gehen, (vom Schiff) steigen‹.
Gegensätze:
 1.

Belegblock:

Chron. baier. Städte. Regensb. (
oobd.
,
16. Jh.
):
kam künig Ferdinandus vom reichstag von Speier auff dem wasser, stund oben an der prunleutten ab und ging auff der statmaur [...] zum schiff.
kam künig Ferdinandus auffm wasser heer mit 5 renschifflen, stund am fischmarckt ab.
ist herzog Morizen gesind, ein regiment knecht, hie oben am Preprun abgestanden von den flösen.
14.
›Halt, Quartier machen, einkehren‹; Synekdoche zu 11; 12.

Belegblock:

Baumann, Bauernkr. Oberschw. (
schwäb.
,
v. 1542
):
sobald kunigliche mayestat im schloß abstunt, gieng ain gantzer rat, uberantwurten im die schlissel, die reget er nie an.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
15. Jh.
):
das der hofmaister von Arnnstorf sol absten in dem ambthof, darinnen sol er haben sein pett und sein stallung.
Baumann, a. a. O. .
15.
›weggehen von einem Ort‹; dazu Spezialisierungen wie ›(die Arbeitsstelle) verlassen‹; ›(von der Fährte) abkommen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  6.
Gegensätze:
.

Belegblock:

Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. (
schles.
,
1529
):
es sollen alle die arbeiter [...] von ihren schichten und arbeit vor rechter zeit nicht abstehen.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
allein so soͤltids nit abston und in der stat verharren.
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Recht als ein willig iagent hunt | Der rechter vert nicht abgestat.
16.
›eine bestimmte Entfernung von etw. haben, ein bestimmtes Maß von etw. entfernt sein‹.

Belegblock:

Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
16, 13
(
noobd.
,
1347
/
50
):
daz daz ertreich geleich abstet von allen enden dez himels.
Ebd.
31, 10
:
Daruͤmbe pruͤfe, ob du nimst zwen kraizze geleich abstend von dem abennehter ze paiden seiten der rundengroͤzze.
Ebd.
24, 5
;
25, 5
.
17.
›jm. entgegenstehen, zum Nachteil gereichen‹.

Belegblock:

Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
1539
):
Als mennge [kundtschafft] aber im abstadt vnnd vngnugsam erkennt würt.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
17. Jh.
):
ob es darzue käm, das ainem ain urtail abstuend, sich der meren urtail beschwert, so mag derselb woll appelieren.
18.
›(Glieder, z. B. die Beine) steif von sich strecken; ermüden‹.

Belegblock:

Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 224, 9
(
Hagenau
1534
):
denn die sparradern entschlaffen/ und machen lam/ wie man denn an den pferdenn sihet/ die yhre beyn abstehen/ und koͤnnen darnach nyrgent fort kommen.
Wrede, Aköln. Sprachsch.
47a
.
19.
›verderben, schlecht werden (z. B. von Eßwaren)‹; in einigen Belegen ist keine klare Trennung zu 20 möglich.
Bedeutungsverwandte:
.

Belegblock:

Ermisch u. a., Haush. Vorw.
200, 6
(
osächs.
,
1570
/
7
):
Wann fohren und andere fische vom fahren [...] matt worden und abstehen wollen, so wirf/ [...] ein wenig gestossenen pfeffar uff das wasser.
Sudhoff, Paracelsus (
1537
?):
ein essig [...] auch abstehet und verdirbt.
Maaler (
Zürich
1561
):
Abston / Verderbẽ / Wirt eigẽtlich von den fischen geredt / als so man spricht: Der karpff ist mir Abgestanden / das ist verdorben. [...] Die fisch Stond Ab / werdend verderbt vñ kommen zůschanden [...]. Weyn der Abstadt / Der nit bestendig ist.
Wrede, Aköln. Sprachsch.
47a
;
20.
›verenden, eingehen (von Tieren); sterben (von Menschen)‹.
Bedeutungsverwandte:
(V., unr. abl.) 1; vgl.  12.

Belegblock:

Müller, Grafsch. Hohenb.
2, 174, 2
(
schwäb.
,
1442
/
3
):
für die pferid, die im in sinem ampt abgestanden sind.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1529
):
wan aber das fiech abstuent.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
13a
(
Genf
1636
):
abstehen/sterben.
Müller, a. a. O.
225, 18
;
Graf-Fuchs, Ämter Interl./ Unterseen ;
Rechn. Kronstadt
2, 607, 9
.