lind,
Adj.,
in adv. Gebrauch mehrfach
lindiglich
(auch
lindiglichen
).
1.
dient in Antonymie zu
hart
(Adj.) 1 der Kennzeichnung sinnlich wahrnehmbarer Bezugsgrößen und diese voraussetzender Handlungen als weniger stark ausgeprägt, dadurch vielfach als sanft, angenehm empfunden; im einzelnen:
a) ›weich im taktilen Sinne‹, je nach Bezugsgröße z. B. ›streichbar (von Arzneien)‹; ›fluktuierend (von Geschwüren)‹; ›biegsam (von Metallen)‹; ›locker (von der Erde)‹; ›weich (vom Stuhlgang)‹.
Bedeutungsverwandte:
,  7, .
Gegensätze:
(Adj.) 1.
Syntagmen:
etw.
(z. B.
die lunge, das erdreich / würmlein
)
l. sein, j.
(z. B.
das weib
)
vom fleische l. sein
,
etw.
(z. B.
der schnee
)
l. werden, l. am leibe werden, etw.
(z. B.
das apostem
)
l. machen
;
l. liegen / ruhen, etw. lindiglich angreifen, jn. lindiglichen mit dem fuchsschwanz bestreichen; der linde wachs / wezstein, die linde hand / haut / luft, das linde bet / tuch, linde bürsten / federn / hare / kleider / kolen / seiten
.
Wortbildungen
2
linde
1a) ›Weichheit‹ (dazu ggs.:  1,  5),
lindfüssig
,
lindgewirkt
,
lindig
1,
lindlecht
,
lindkästen
eine Kastanienart,
lindmütig
1.
b) ›weich, sanft im akustischen Sinne‹; als Ütr. zu a) auffaßbar; je nach Bezugsgröße z. B. ›angenehm, sanft (von einer Melodie)‹; ›weich (von Lauten)‹.
Bedeutungsverwandte:
.
Gegensätze:
 1,  23,  7,  6.
c) ›angenehm schmeckend (z. B. vom Wein)‹; ›gut, verweichlichend (vom Essen)‹.

Belegblock:

Zu a):

Oorschot, Spee. Trvtz-N.
120, 14
(
wmd.
,
1634
):
Dem Schöpffer sie zun Ehren | Jn lindgewircktem Flachs | Vnzahlbar Fewr ernehren.
Keil, Peter v. Ulm
29
(
nobd.
,
1453
/
4
):
pflaster, das do weichet vnd zeittiget vnd lind machet die apposten.
Ebd.
187
:
so thu die puluer auch dor ein [...] vnd am end mach es lind mit frawen-milch.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
Rein bockez plut list | Der stein der allen herten wider ist, | Dem gipt er lind.
Rupprich, Dürer (
nobd.
,
1520
):
Jch hab 2 stüber für ein linden weczstein geben.
Ebd. (
1512
/
3
):
dÿ weiber sind lind fon fleisch.
Matthaei, Minner. I, (Hs. ˹
nalem.
,
1459
˺):
ringe liebe und linde kolen | sol niemand gern wit holen, | es entzint sich bald und lischt gern.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
dez [bluͦme] natur ist also herte, swie lindeklich man in an grifet, so stichet er doch da wider.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
1215
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
wúrmlin. | So man das ruͤrt, so ist das lind | Und hat doch als gar geschwind | Durch boret des herten holtzes grat.
Broszinski, Minner. Chir. Parva
82v, 2
(
halem.
,
2. H. 15. Jh.
):
nach dem so ein glid / zesamengeheilt wirt vnd das man es lindmütig vnd gleichig mach.
Maaler (
Zürich
1561
):
Linde / Weiche. (die) Mollities, Molitia. [...]. Lindfuͤssig / Der lind / Weich oder zart fuͤß hat. Mollipes. [...] Lindkestinen / Die vom braaten oder sieden lind werdend. Castaneæ molles. Lindlaͤcht. Molliculus.
Einem ein sanfften oder linden Stuͦlgang machen.
Löffler, Columella/Österreicher (
schwäb.
,
1491
):
[ochsen] ain dicken und kurtzen lib, [...] und in der begriffung und anrierung des libs aller lindost.
Rauwolf. Raiß ([
Lauingen
]
1582
):
Ducaten / welche von guͦtem pur lauterem Gold gar lind vnd bigig seind.
Turmair (
moobd.
,
1529
):
die Teutschen, sein nur fresser und weinsaufer, müessen alweg ir huern mitfüern und die hauptleut ir linde pett am ars haben.
schmirn macht lind heutt.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
358, 3083
;
Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
58, 6
;
Keil, Peter v. Ulm
84
;
Weitz, Albich v. Prag
162, 15
;
171, 30
;
Gille u. a., M. Beheim
345, 43
;
Bihlmeyer, Seuse ;
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
543, 16
;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Wiessner, Wittenw. Ring
9611
;
Sappler, H. Kaufringer
21, 76
;
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. ;
Bauer u. a., Kunstk. Rud.
156
;
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
27, 3
.
Vgl. ferner s. v.  19, (Adj.) 6,  2.

Zu b):

Lappenberg, Fleming. Ged. (
1631
):
Dieses Liedes linde weisen | sollen deine Zukunft preisen.
Opitz. Poeterey
29, 6
(
Breslau
1624
):
soll man sie [buchstaben] doch sonsten mitt einander so wisßen zue vermengen / das nicht die rede dadurch gar zue raw oder zue linde werde.
Harsdoerffer. Trichter (
Nürnb.
1650
):
wann nemlich das Harte mit Hartem / das Linde [...] mit weichen Buchstaben geschrieben wird / als: dapfer / drucken / nicht tapfer / trucken.
Müller, Quellenschrr./Kolr. (
Basel
1530
):
b. vnd d. lyß lind.
Kohler, Ickelsamer. Gram. (wohl ˹
Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺):
kain stym kan zu gleich, mitainander geben den linden vnd herten laut.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
die Niderlender und Saxen nemen in [buechstaben B] für ain lind f.
Jahr, H. v. Mügeln
108, 455
;
Kohler, Ickelsamer. Gram. ;
Moscouia
B 1r, 35
.

Zu c):

Scholz, Lanfrank. Chir. Parva
232, 12
(
md.
/
oobd.
,
1446
/
8
):
so las in / ein linden wein nuczen.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
Nicht sich an den wein so er schmoret: so sein varb leucht in dem glaße. Er get in lindiglich
[
Eck
1537:
senft
;
Luther
1545, Spr. 23, 31:
glat
]
| vnd hecket zum iungsten als der slange.
Dierauer, Chron. Zürich (
halem.
,
15. Jh.
):
mocht ouch der win an reben nit lind werden.
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Si hat in liep und tzúht in tzart, | Lindiu choͤstel, guwͮten wein.
2.
›sanft, milde, nachsichtig, freundlich, rücksichtsvoll‹; vom Menschen, seinen Qualitäten und Handlungen sowie oft von Gott gesagt; vielfach in religiösen Kontexten;
vgl.  12.
Bedeutungsverwandte:
,  2,  1, , (Adj.) 1,  12,  15, ,  7, .
Gegensätze:
(Adj.) 7, (Adj.) 3,  15.
Syntagmen:
etw.
(z. B.
die minne
)
/ j.
(z. B.
Jesus / got, der geistliche mensch
)
l. sein, das gemüte, der stat l. werden
;
das herz l. machen
;
l. antworten / sprechen, sich l. beweisen / erzeigen, jn. l. brennen / strafen / segnen, l. mit jm. umgehen; das linde herz / wort, die linde antwort / mitlung / predig
;
l. in wort und werken, l. gegen jm.
(z. B.
gegen dem nächsten, gegen den feinden
).
Wortbildungen:
lindentrit
›sanftmütiger Mensch‹ (a. 1650),
lindmütig
2.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
zu Colmin in dem lande was | ein lantcomentûwer, | [...] | den undirtânin swinde | und kegn den vîndin linde.
also macht auch die süsse linde predig des Euangelions, das ich ein fein linndes hertz gegen Got und dem nechsten.
Ebd. (
1534
):
das Christus so freundlich, veterlich, sanfft und linde mit uns umbgehe.
Schwartzenbach (
Frankf.
1564
):
Guͤtig. Gutwillig / Milt. Saͤnfft. Lindt. Sanfftmuͦtig. Freundtlich.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
15, 2
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Süße und sauer, linde und hert, gütig und scharpf pflegt ir euch zu beweisen den, die ir meint zu betriegen.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
E. 15.
/
A. 16. Jh.
):
da prent man den Veit Stoß durch ped packen und man het nie keinen so lind geprent.
Sachs (
Nürnb.
1550
):
Forthin wil ich leutselig sein, | In wort und wercken lindt und sidtsam.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
Durch zwaier willen gelichet sich dú stark minne sidin saile. daz ain ist daz si starke ist; daz ander daz si lind ist.
wider den zorn sol man han senfti und lindú wort.
Schmidt, Rud. v. Biberach
185, 17
(
whalem.
,
1345
/
60
):
daz gemvͤte zer fluͥsset, so es von andacht lind wird.
Jörg, Salat. Reformationschr.
220, 12
(
halem.
,
1534
/
5
):
Antwurtend die botten / [...] Mit vil linden worten und früntlichemm abreden.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
do ich nuͤtset anders vermocht, gedacht inen iedoch lindmuͤetiklich ze widerstreben.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 44, 12
([
Augsb.
]
1548
):
Ain linde antwort stillet den zorn / aber ain hart wort richtet grimm an.
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Pyritz, Minneburg
1466
;
4886
;
Gille u. a., M. Beheim
120, 206
;
Reichmann, Dietrich. Schrr.
78, 13
;
Rieder, a. a. O. ; ; ;
Jörg, a. a. O.
596, 6
;
Wiessner, Wittenw. Ring
1172
;
3654
;
Lindqvist, K. v. Helmsd.
1222
;
Sappler, H. Kaufringer
24, 51
;
Schles. Wb.
2, 814
.
3.
›leicht; leichtfertig, leichtsinnig‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  4,  3,  2.

Belegblock:

Rosenthal. Bedencken
16, 7
(
Köln
1653
):
etliche ihre Glaubens Lehren also gekruͤmbt [...] / daß sie denen / welchen sie sich begerten zu zugesellen / etwas linder vorkommen / als sie sonsten wahre͂.
Opel, Spittendorf (
osächs.
,
um 1480
):
inrede, das die vorsteher linde eyde theten.
Niewöhner, Teichner
96, 1
(
moobd.
,
1360
/
70
):
Maniger wigt dw hell so lind | sam ez sey ein milich chind.
Opel, a. a. O. ;
Bell, G. Hager
407, 2, 13
;
Schweiz. Id. (s. v.
Lint
).