rau,
rauch,
Adj.;
partielle semantische Überschneidung mit etymologisch nicht verwandtem
ro
;
vgl. die gelegentlich auftretende Doppelformel
rau und ro
.
1.
›rau, nicht glatt‹ (von Bezugsgegebenheiten unterschiedlicher materieller und taktiler Art, meist natürlicher, auch handwerklicher Konvenienz gesagt, die sich von einer vorausgesetzten idealen Qualität ,angenehm glatt‘ negativ unterscheiden); im Einzelnen: ›unbehandelt, ungegerbt‹ (von Leder); ›naturbelassen, unpoliert‹ (von Steinen); ›grob, nicht fein‹ (von Brot, Salz); ›grob, nicht weich‹ (von Stoffen, Kleidung); ›hartschalig, fest, noch nicht reif‹ (von Früchten); ›rau, rissig‹ (von der Haut); dies im Übergang zu: ›wund, entzündet‹; ütr.: ›übersäuert‹ (vom Magen); ›trocken‹ (von der Zunge); ›heiser‹ (von Hals und Stimme).
Bedeutungsverwandte:
(Adj.) 4,  1,  2, (Adj.) 1, ,  1,  1, (Adj.), , ; vgl.  12.
Gegensätze:
1
 1,  1, (Adj.) 1, , (Adj.) 1.
Syntagmen:
etw. r. sein, r. anzugreifen sein, j. r. in der kele sein
;
der raue augstein / fels / koz / stal, die raue birne / fiedel / haut / kele / mermuschel / zunge, das raue brot / fel / gewand / heu / kleid / leder / salz
.
Wortbildungen:
räuen
1 ›etw. rau, kratzig machen‹,
rauleder
.

Belegblock:

Mieder, Lehmann. Flor.
811, 6
(
Lübeck
1639
):
Laß die Birn teig werden / so noch raw vnnd rho seynd.
Ziesemer, Gr. Ämterb.
134, 12
(
preuß.
,
1415
):
19 ruwe rinderynne huwte.
Luther, WA (
1544
):
da ligt nicht an, das der Weinstock so ein ungeschaffene, rauhe rinden [...] hat, Dagegen aber die dornen so ein schoͤne glatte rinden [...] hat.
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
114, 13
(
Frankf.
1535
):
schmier die rauhe haut damit
(Seife aus Rosenwasser).
Ermisch, Freib. Stadtr. (
osächs.
,
1325
):
Ein iklich man, der zu der stat gehort, der mac wol ruwe leder koufen unde verkoufen an innunge.
Strauss, A. v. Villanova dt.
159r, 36
(
obd.
, Hs.
1421
):
Weych gesoten hüner eyger [...] sint nütz den leuten [...] dy da heyßer sint oder rauͤch / yn der kelen.
Fuchs, Murner. Geuchmat
3558
(
Basel
1519
):
Es [malmasier] schmieret ir die ruhe kelen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Rauch anzegreyffen.
Ein Rauche zung von grosser dürre. [...]. Ein Raucher raͤsser mangen. [...]. Rauchs brot voll spreüwer / als gerstenbrot / oder brot voll kleyen.
Sappler, H. Kaufringer
21, 79
(
schwäb.
, Hs.
1472
):
die [claider] sind wärlich baß dein fuog | dann diser kotz
[›Kutte‹]
rauch und hert, | damit dein leib wurd versert.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
ez gehœrt auch zuo süezer stimm, daz daz leibig dinch eben sei an allen seinen stucken, daz sich der luft wider stôze. dar umb spricht ain rauheu videl niht sô wol sam ain wol palierteu fidel.
Klein, Oswald
45, 32
(
oobd.
,
1415
):
Vasst süsser wein als slehen tranck, | der reuhet mir die kel so kranck, | das sich verierrt mein hels gesangk.
Qu. Brassó
5, 420, 33
(
siebenb.
,
1606
):
In diesem Johr hot ein Ochsenhaut Leder fl. 5.40 gegulden, Rauhleder.
v. Bunge, Livl. UB
4, 316, 1
;
Strauss, a. a. O.
160r, 5
;
Kurz, Murner. Luth. Narr ;
Haszler, Kiechels Reisen ;
Bauer u. a., Kunstk. Rud.
272
;
1052
;
Vorarlb. Wb.
2, 666
.
2.
›unfertig, vorläufig‹; auch: ›einfach, auf das Nötigste beschränkt‹; im Einzelnen: ›im Rohbau‹ (von Bauprojekten); ›grob vorgefertigt, zugeschnitten‹; ›als Entwurf vorliegend, skizziert‹ (von Texten); ›karg, frugal‹ (von Mahlzeiten); in den Wortbildungen mit der Tendenz zur Verwendung im Sinne von: ›Basis-, Grund-‹; als Spezialisierung zu 1 auffassbar.
Oft Rechts- und Wirtschaftstexte.
Bedeutungsverwandte:
 2,  2,  2,  3, (Adj.); vgl. .
Gegensätze:
˹ 1,  3˺ (Part. Prät.).
Syntagmen:
der turn r. verbleiben
;
r. überhin gehen
;
der raue himmel, die raue erde / latte / ware, das raue futter / holz / nachtmal, die rauen eichen / mauersteine / windfälle
›vom Sturm umgeworfene Bäume‹.
Wortbildungen:
raufelgen
›grob vorpflügen‹,
raufutter
›Basisfutter (meist bestehend aus Heu und Stroh) für Nutztiere‹,
raugraben
›grob vorgraben‹ (a. 1625),
rauhaut
›unbehandelte Tierhaut‹,
rauholz
›unbearbeitetes Holz‹,
rauknecht
›Knecht für grobe Arbeiten‹,
rautannen
›von nicht abgeästeten Tannen stammend‹ (von Holz),
rauwerk
›Oberholz gefällter Bäume‹,
rauwerken
›etw. (im Sinne der Vorbereitung) grob ausführen‹ (dazu bdv.:  1).

Belegblock:

Luther, WA (
1523
):
in primo die fecit
[Gott]
ein rauche und rohe erde, und ein rauchen rohen hymmel.
Ebd. (
1527
):
wie er auch sonst [...] ein ding pflegt grob und obenhyn zu schreiben und rauch uberhyn zu gehen, das er hernach besser eraus streichet.
Buch Weinsb. (
rib.
,
um 1560
):
Binnen ist der torn
[der Kirche]
noch zur zit rau und ungestalt verpliben.
Chron. Mainz (
rhfrk.
,
15. Jh.
):
ruwe mursteine kalk und sand, das sal ieme der radt zu dem vorgenanten buwe furen [...] lassen.
Schwartzenbach
D jv
(
Frankf.
1564
):
Behauwen. [...]. Rauchwercken / Als so ein Schreiner oder Zimmerman / erstlich etwas vberhobelt oder beschlecht / daß es alß denn dester leichter zu arbeiten sey.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
83, 19
(
osächs.
,
1570
/
7
):
wann sie
[Mastochsen]
geruhet haben, gibet man ihnen widerumb ein rauchfutter.
Lexer, Tucher. Baumeisterb. (
nürnb.
,
1464
/
75
):
fur ein tennen rauchholz, das 30 schuch lang ist, fur ein ladung 45 pf.
Loose, Tuchers Haushaltb. (
nürnb.
,
1517
):
adi marczo kauft 28 rauh latten in mein gartten.
Golius (
Straßb.
1579
):
saͤcktraͤger / Ballenbinder / Rauhknecht.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen (
halem.
,
1527
):
ruchtannen oder sust onschedlich
[hier: ›vom Wasser unverdorbenes‹]
holtz.
Maaler (
Zürich
1561
):
Ein Rauch nachtmal / da nichts verhandẽ ist dann wasser vnd brot.
Chron. Augsb. 4, 61, Var. z. Z.
1
(
schwäb.
,
v. 1536
):
hat das ausgeschidt holtz überzwerch gezimert und rauchwergk auff dem Lech gen Augspurg gefiert.
Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. (
schwäb.
,
1586
/
91
):
so man anfacht zu rauchfelgen, so mag man mit dem zugvieh darein fahren.
Straus, Juden Regensb.
979, 37
(
oobd.
,
1518
):
rauͤchheuͤt, di nit gar auͤsgearbait sindt, das sy sehen, das es gestolns guͤet ist.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1603
):
Von ainem rauhen mihlstain 4 ₰ Und von ainem abdräten 8 ₰.
3.
›wild, unwegsam‹; ›unwirtlich‹ (von topographischen Bezugsgegebenheiten); ›rau, herb‹ (vom Klima); dies in spezieller Ütr.: ›sauer, trocken‹ (von Wein); ›stark, heftig, stürmisch‹ (von Wetterphänomenen); auch ütr. auf Handlungs- und Verhaltensweisen, die mit Gewalt oder hoher Geschwindigkeit einhergehen; häufig ütr. auf Zustände, Umstände, Lebensbedingungen bzw. auf die Art, wie diese empfunden / erlebt werden: ›widrig, beschwerlich‹; ›bitter, hart‹; auch: ›ungesund, schlecht‹.
Phraseme:
jm. eine raue sache sein
›für jn. schwer zu ertragen sein‹.
Bedeutungsverwandte:
 1, (Adj.) 1, I, 3,  1, (Adj.) 6, (Adj.) 11,  3,  34, (Adj.) 1,  2, (Adj.) 1, (Adj.) 2,  3, , ,  2, (Adj.) 1, , ,  3, .
Syntagmen:
etw
. (Subj., z. B.
der weg, das leben, die gefängnisse / läufe
›Zeiten‹)
r. sein
;
es
(unpersönlich)
jm. r. ergehen, r. um jn. stehen
;
j. r. wieder jn. stossen, jn. r. erziehen, die wasserflüsse
(Subj.)
r. über jn. faren
;
j. r. leben, etw. r. abgehen / stehen / zugehen
;
der raue angrif / hagel / ort / plaz / schmerz / wald / weg / wein / wind / wolfmonat, die raue arbeit / feuchte / kälte / luft / not / sache / schlacht / wüste / zeit, das raue babsttum / begebnis / gebirge / land / leben / wetter
; subst.:
die sterne
(Subj.)
etw. raues androhen
.
Wortbildungen:
raunacht
eine von mehreren (in der Regel 12) Winternächten um den Jahreswechsel, denen eine besondere kultische Bedeutung zukommt (vgl.
Lex. d. Mal.
7, 477
).

Belegblock:

v. Ingen, Zesen. Ros.
70, 32
(
Hamb.
1646
):
erzaͤhle mier doch von den rauhen begaͤbnuͤssen deiner libe noch etwas mehr!
Luther, WA (
1524
/
7
):
Horeb ist gewesen ein duͤrre rauch hoch Gebirge, ein kaler Berg, da gar nichts gewachssen ist.
Beckers, Bauernpr.
57, 25
(
Köln
1515
/
8
):
du salt dem vee zo kerßmis die drey rouchnacht dat is am kerßauent. am neuwen jairs auent vñ der heilliger dreyer koninck auẽt die krybbe gair reyn machen.
v. Keller, Amadis (
Frankf.
1571
):
vnd mit den Schilten vnnd Leib so rauch wierdereinander stiessen, daß deß Galaors Pferdt [...] schwecher ward.
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. (
Frankf./M.
1649
):
Ob auch etwan dieselbige [Gefaͤngnussen] rauher vnnd aͤrger seyen / alß sichs gebuͤhret?
Hoffmeister, Kuffstein. Gef.
A iiijr, 13
(
Leipzig
1625
):
solcher gestalt giengen wir alle drey durch rauhe vnd vnbewohnte örter.
Opitz. Poeterey
14, 30
(
Breslau
1624
):
sollen wir nicht vermeinen / das vnser Land vnter so einer rawen vnd vngeschlachten Lufft liege / das es nicht eben dergleichen zue der Poesie tuͤchtige ingenia koͤnne tragen.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1450
):
[wir] ruckten mit dem raysigen zeug in rawhen walt.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
230, 12
(
Nürnb.
1548
):
es mag leicht ein rauhes windlein her wehen.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
Die Jsraelischen Scharen, | Da sie all in der Wuͤsten rauch, | Lebten in theuren Jaren.
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst (
Straßb.
1522
):
der ein Weg war luͦstig und eben, der ander steinecht und ruch.
Ebd. (
1533
):
und was Winter und der Weg ûber die Berg rauch und weit.
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
Rauch wetter.
Wickram
4, 14, 3
(
Straßb.
1556
):
Der guͤt herr dem diss gar ein rauhe sach war
(der Vorwurf eines Nachbarn, ihn und seine Kinder aus Dünkelhaftigkeit zu schneiden).
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
Diss jars [...] kam [...] uf ein stat Bern ein so grosser, ruher hagel, dass desse glichen nie gedacht.
Maaler (
Zürich
1561
):
Der Rauch vnnd streng Wolffmonat der einen zitteren macht von kelte. [...]. Hert / Rauch / Arbeitsam streng laͤben.
Saurer vnd Raucher weyn.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
Das
[Reiten, statt im Wagen zu fahren]
schlug ir herr Walther ab, von wegen das der weg ganz rauch und sorgclich zu reiten.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
die früht sind alle schad, wan si pringent rôch fäuht und fäul in den âdern und grôz siehtum dar nâch.
4.
›behaart, haarig‹ (von Menschen und Tieren); dies ütr. auch: ›hässlich (anzusehen)‹; speziell mit Bezug auf die (in den Texten überwiegend als Handelsware fokussierte) Haut von Pelztieren: ›pelzig, Pelz-‹; von Kleidung: ›(mit Pelz) gefüttert‹; bezogen auf die Beschaffenheit menschlicher und tierischer Körperbehaarung: ›struppig, zottig, borstig‹.
Phraseme:
rau wie ein bär, wie eine bärenhaut
›extrem behaart, struppig‹.
Bedeutungsverwandte:
, ,  5, (Adj.) 8, , ; vgl. (Adj.), .
Gegensätze:
 4,  1,  1.
Syntagmen:
j., der löwe r. von har sein, der mensch r. an den brüsten / am bauch sein
;
der raue bart / bärting / mantel / mensch / nagel / sterz, die kappe / ware, das raue antliz / har, die rauen kleider / zotten
.
Wortbildungen
räuen
2 ›sich, das Gefieder sträuben; struppig aufragen (von Federn)‹ (dazu bdv.: ).

Belegblock:

Luther, WA (
1544
):
Diabolum mit seinen rauchen zoten, fewrigen augen und hornern.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
266, 190
(
Magdeb.
1608
):
An Fuͤssn vnd Beinen rauche Haar.
Frantzen u. a., Kölner Schwankb. (
Köln
um 1490
):
unde hadde corte dicke ronde bene, ruch alse eyn bere.
Thiele, Chron. Stolle (
thür.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
unnd was ouch ummer dar fele regens, winde unnd kalt, das dy lute ummer dar gingen in ruchen kleydern.
Gille u. a., M. Beheim
331, 72
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Sein vedern waren gancz, | daz sie sich nirgen rauchten.
Ebd.
90
:
Da sich die selbig eul | nun wart streuben und reuhen, | da wart der valk erscheühen.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
mein bruͦder ist ein raucher
[Äquivalent zu lat.
pilosus
›behaart‹;
Luther
1545, 1. Mose 27, 11: sic!]
mensche: vnd ich bin sleht.
Menge, Laufenb. Reg.
2180
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1470
˺):
Bleichuar ist er alsust | Vnd ruhe von hore vmb die brust.
Maaler (
Zürich
1561
):
Mit meinen Rauchen neglen hab ich das angesicht zerkratzt.
Morrall, Mandev. Reiseb.
169, 19
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
da ist ain ander ynsel, da sind lút die sind aller ding ruch
[›überall behaart‹]
wann under den o
v
gen und in den henden.
Müller, Nördl. Stadtr. (
schwäb.
,
1495
):
Es sollen ach die lederer hie in unser stat zu dhainer zeit von raucher waar, füchs, merder, küllin, aichharm, fechs, iltis noch anderm wiltfang nichtz koufen, sonder den kürsner in irem hantwerk zuͦsteen.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
daz tierl hât ainen grôzen praiten rauhen sterz.
Niewöhner, Teichner
334, 22
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
rauhew chlaider fuͤr den frost.
Drescher, Hartlieb. Caes. (
moobd.
,
1456
/
67
):
Der ritter schickt im sein underzogen rawhe chappen, das er die scholt anziehen, bis das er pas erwarmt.
Kummer, Erlauer Sp. (
m/soobd.
,
1400
/
40
):
si hies Maͤtzel oder Trugart, | ich var ıͤr in ıͤrn rauhen part
(vgl.
bart
3).
Toeppen, Ständetage Preußen
1, 99, 4
;
Gerhard, Hist. alde e
1524
;
Karnein, Salm. u. Morolf
666, 2
;
Jahr, H. v. Mügeln
2389
;
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
54, 26
;
Gille u. a., a. a. O.
246, 70
;
Vgl. ferner s. v.  1,  1.
5.
›dornig, stachelig‹; ›buschig, blättrig‹; ›knorrig‹; ›von Gestrüpp überwuchert‹ (von Pflanzen verschiedener Art); bezogen auf die Beschaffenheit von Dornen, Stacheln: ›spitz, scharf‹.
Bedeutungsverwandte:
 2; vgl. , , , ,  1,  2, .
Syntagmen:
der raue baum, die raue artischocke / bramberstaude / distel / rinde, die rauen dornen
.
Wortbildungen:
räuen
3 ›herausschießen, entsprießen (von Blättern, Knospen, Dornen)‹ (dazu bdv.: vgl.  2,  1,  1),
rauweide
›Weide mit Gebüsch‹ (a. 1480).

Belegblock:

Valli, Baldemann
59
(
rhfrk.
/
nobd.
,
um 1350
):
Den hecken dorne ruchten.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
wenn er [Baum] wird alt, | So gwint er gar ain ander gstalt: | Denn wird er rauch, bewaͤchßt mit maß.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
10, 10
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
her [boum] ist ouch genust und ru sam eyn castanea.
Strauch, Schürebrand (
els.
,
E. 14. Jh.
):
dar gegene dise materie glichet alse eine grobe ruhe tistele gegen allen den edeln liligen und rosen.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
A. 15. Jh.
/
1566
):
da die weingarten rauch werdent
[hier: ›Knospen bekommen‹]
, und wellich dann geent und schneident den leuten ir stöck ab, der ist darumb sechzig pfening zu wandl.
Gille u. a., M. Beheim
245, 18
;
Klein, Oswald
42, 10
;
6.
›grob, hart‹ (bezogen auf mangelnde soziale und / oder sittlich-moralische Kompetenzen und Handlungsweisen des Menschen); im Einzelnen: ›schroff, unhöflich (in Ausdrucksweise und Verhalten)‹; ›grausam, ruchlos‹; ›wild, unbeherrscht‹; ›gleichgültig, abgestumpft, unsensibel‹; ›derb, ungeschlacht, unkultiviert‹; dies auch ütr. auf abstrakte, insbesondere sprachliche Bezugsgrößen.
Phraseme:
rau zugehen
›hart, heftig zur Sache gehen‹;
das raue herfürkeren / herauswenden
›sich von der harten Seite zeigen‹ sowie ›zum Angriff bereit sein, angreifen‹.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  12, ,  3,  1, (Adj.) 2,  68,  3,  13, (Adj.) 2, ,  2, , , , , , , , , .
Gegensätze:
, , (Adj.) 1,  57, (Adj.) 6.
Syntagmen:
j
. /
etw
. (z. B.
der arzt, die faust / rede, das wort
)
r. sein, j. jn. r. anfaren, r. gegen jn. / etw. sein, r. mit jm. umgehen, jm. r. entgegengehen, sich r. stellen, die liebe
(Subj.)
die sitten r. machen
;
der raue geselle / man / mensch / mut, die raue anfarung / antwort / bescheltung / gebärde / handlung / manheit / rede / regierung, das raue gemüt / reimen / volk, die rauen behemer
.
Wortbildungen
rauigkeit
›Grobheit, Unzivilisiertheit‹ (dazu bdv.: ; vgl. ).

Belegblock:

v. Ingen, Zesen. Ros.
95, 6
(
Hamb.
1646
):
ich aber wil hingegen ihn | aus jenem spiel⸗kristal der schoͤnen augen | den allerschoͤnsten Schoͤnen zuͤhn / | und durch ein rauhes reimen | einschneiden diesen baͤumen.
Luther, WA (
1532
):
Hie jst es wol recht das man [...] zornige zeichen und geperd furen mus, da beide word und faust rauch und scharff seind.
Ebd. (
1542
/
3
):
Solchs sey gesagt vom stumpffen und rauchen antwort, so man sol den halsstarrigen Juͤden geben auff jre stachlige gifftige frage.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
550, 1366
(
Magdeb.
1608
):
[der Hund] Fiel mich an mit rauhen geberden.
Buch Weinsb. (
rib.
,
1587
):
Disse Longbroder sin seltsame rauwe gesellen.
Opitz. Poeterey
29, 6
(
Breslau
1624
):
das nicht die rede dadurch gar zue raw oder zue linde werde.
Franck, Decl.
337, 24
(
Nürnb.
1531
):
Die lieb macht die sitten der menschen verkert / rauch / berdloß.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
130, 7
(
Nürnb.
1548
):
Solchs sol ein man̄ merckē / nit dagegē raw sein / bißweilen vbersehen vn̄ vberhoͤrē / mit ein gutē wort helffen.
Sachs (
Nürnb.
1550
):
Ich bin gewesen stoltz und üppich, | Hochmütig, rauch und gar auff-schüppich.
Ebd. (
1554
):
Du dörffst dich mein allein nit wehrn, | Wenn ich das rhaw herfür thet kehrn.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
8
):
Ja, sie stellen sich rauch vnd wilt, | Also daß euch in diser Noth | Niemand baß helffen kan denn Gott.
Wir ligen hie wol vor der Statt | Mit grosem Volck vnd eim vorrath | Vnd haben das rauch rauß gewend.
Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr.
6, 63, 19
(
Straßb.
1520
):
O was vnbehobletter vnnd ruher reden.
Kurz, Murner. Luth. Narr (
Straßb.
1522
):
Jch find kein weißheit oder rat, | Waruff sich der boͤßwicht verlat, | [...] | Das er so ruch entgegen gat
(auf Luthers Kommunikationsverhalten bezogen).
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst (
Straßb.
1522
):
Her, ir haben unß huͤt herte Ding gesagt, es wuͤrt dort gar ruch zuͦgon.
Goedeke, Fischart. Flöh Haz
730
(
Straßb.
1594
):
Die köchin und kindsmaidlin auch, | Waren nicht gegen uns vil rauch.
Goldammer, Paracelsus
2, 138, 13
(
1530
/
5
):
gott hat anfenglich den guten gewalt darumb geben, von wegen des volks rauhigkeit und unverstand, und daß man grob, ohne zucht, furcht und weisheit erzogen wird.
Tobler, Schilling. Bern. Chron. (
whalem.
,
1484
):
Man hort im pfiffen und trummen, | ruch sach man sin muͦt.
Fischer, Brun v. Schoneb. ;
Adomatis u. a., J. Murer. Nab.
1499
;
Reichmann, a. a. O.
145, 23
;
Roder, Hugs Vill. Chron. ;
Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag
11, 18
;
Ukena, Luz. Sp.
2820
;
Barack, Zim. Chron. ;
Maaler  f.;
Rot
321
.
Vgl. ferner s. v.  1, ,  3, .
7.
›(einer Situation, einem Umstand angemessene) Härte, Strenge zeigend‹; auch: ›ohne Wohlwollen, Milde‹.
Bedeutungsverwandte:
(Adj.) 6; vgl.  16.

Belegblock:

Luther, WA (
1528
):
das [gesetz Mose] was grob, rauch und hart, man kund seiner nicht wol geniessen.
Bell, G. Hager
72, 3, 55
(
nobd.
,
1594
):
straf solche thiranen gar hart vnde rauch.
Rennefahrt, Gebiet Bern (
halem.
,
1566
):
diejhenigen [...] nach gstalt der sach und der begangnen fräflen wichtigkeyt nach irem verdienen rücher dann sonst [...] ze strafen.
Kottinger, Ruffs Etter Heini (
ohalem.
,
1538
):
ler das volch verstan, | das bapstum syg dʼreligion, | sin römische kilchen und irn bruch, | die dʼsünd verzicht, doch nit straft ruch.