morgengabe,
die
;
-Ø/–
;
sing. t.
1.
›Morgengabe, Zuwendung, die anläßlich der Eheschließung (am Morgen nach der Hochzeitsnacht) von einem Partner an den anderen übereignet wird‹; die
morgengabe
unterliegt der Vorstellung, daß die Braut dem Bräutigam in der Hochzeitsnacht ihre Schönheit darbietet bzw. ihre Jungfräulichkeit preisgibt und dafür als Zeichen der Liebe (in signum honoris) oder in honore pulchritatis vom Bräutigam eine Ehrung bzw. eine Entschädigung (pretium virginitatis) erhält; die
morgengabe
ist insofern ideell und in der Mehrzahl der Belege tatsächlich vom Mann auf die Frau gerichtet, kann je nach persönlichem Stand und rechtlicher Gegebenheit aber auch von der Frau ausgehen. Materiell kann die
morgengabe
aus einem Geldbetrag, Naturalien, fahrender oder liegender Habe, einträglichen Rechten bestehen. Das Kompositum
morgengabe
oszilliert zwischen der Liebesgabe anläßlich der Hochzeit, einer vertraglich festgelegten Absicherung des einen Ehepartners durch den anderen, einem je nach Stand unterschiedlichen rechtlichen Verständnis und dessen Festlegung bis hin zu einer Unterstützung von und durch Familienangehörige. Zu diesem Spektrum und zu seinen rechtlichen Vollzugsformen vgl. das mit reichhaltiger Belegung und rechtspragmatischer Dokumentation;
zu (
der
1,  1.
Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte.
Phraseme:
die morgengabe auf die erde legen
›als liegendes Gut geben‹;
jm. eine gute morgengabe geben
›jm. eine Abreibung erteilen‹.
Syntagmen:
die / eine m. bereden / geloben / machen / fordern / empfangen / nemen / haben / behalten / meren / verbriefen / vergaben
(z. B.
die gotteshausfrau dem man
)
/ verlieren / verpfänden / verwarlosen, etw
. (Subj.)
die m. angehen / berüren
›betreffen‹,
die m
. beim Aufstehen,
nach dem beischlaf, an dem bette, auf dem tisch
›bei Tische‹
geben, jm. die m. auszeigen / setzen / zueignen / entwenden, jm. eine m. geben
(z. B.
der man dem weibe,
so mehrfach; auch:
der man den eltern des weibes
),
die wittib dem gesellen eine m. schuldig sein, die ehebrecherin / übeltäterin die m. gegen jn
. (den Eheman)
verwirken
;
die m
. (Subj.)
jm. folgen, ein geschenk, eine belonung des magdtums sein, der frauen halb
(bei dem Tod des Mannes innerhalb eines Jahres)
werden, nicht in das gefrönte gut gehören, nicht von wegen des heiratgutes aufgesezt / erfunden sein
;
sich der m. verzeihen
;
im namen einer m. jm. etw. nemen, mit der m. tun / schaffen (wie j. wil), jn. mit einer halben m. ˹abweisen, scheiden˺
›abfinden‹ (z. B. bei vorzeitigem Tod des Mannes)
/ versorgen, gut über die m. haben, um die m. einen entscheid tun, nicht von einer m. wissen, keinerlei ansprache von einer m. haben, etw. zur m. gehören, jm. etw
. (Subj., ein Geldbetrag)
von m. wegen ankommen, jm. etw
. (Akk.obj., z. B. einen Geldbetrag,
ein par schue
)
zu m. geben
;
die m. der frau
;
die freie / rechte m
.;
die entschlagung der m
.;
ein gut zu m
.
Wortbildungen:
morgengabebrief
›Urkunde über eine
morgengabe
‹,
morgengaben
1 ›jm. eine
morgengabe
zukommen lassen‹,
morgengaberecht
,
morgengablich
von Personen gesagt, die ein Kind als Morgengabe in eine neue Ehe aufnehmen,
morgengabskind
›Kind, das als
morgengabe
in eine neue Ehe aufgenommen wird‹.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
horet, waz eyn ielich man von ritterlicher ard zuͦ rechte zuͦ morgengaue mach geben sime viue, des morgens an dem bette, oder so her mit ir zuͦ tische gat, oder vf dem tische, so mach her an siner erben orloup zuͦ morgengauͦe geuen.
Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
lysse eyn man nicht me gutis noch syme tode. wenne also vil das her syme wybe in gehegetem dynge hette gegeben tzu morgengobe. So nympt dy vrouwe das selbe gut myt merem rechte.
Schwartzenbach (
Frankf.
1564
):
Mitgabe/ So das Weib jrem Ehelichen Mann zubringt. Dagegen heist es Widerlegu͂g / daß ein Mañ gegen deß weibs zugebrachten Heurathgut gegeben [...] hat / [...]. Aber Morgengabe / Jst das ein Mann seinem Weib gibt.
Behrend, Magd. Fragen (
omd.
,
um 1400
):
nu des mannis kinder also sprechende sind, sy enwusten nicht von der morgengobe, ab ir icht gemorgengobit sey adir nicht adir wy vil dez sey.
Goerlitz u. a., Magd. Schöff./Schweidnitz
80, 20
(
omd.
,
um 1365
):
In dem aldin rechte waz recht, waz eyn man morgengabete syme wybe, starp darnach der man, eer jar vnde tag vzghing, so wart der vrowen dyͤ morgengabe halb.
Ebd.
182, 27
(
omd.
,
1454
):
der morgengobenbriff, den die obgenanten Bertilsdorffer gefurt haben.
Ders. u. a., Rechtsd. Schweidnitz
115, 20
(
omd.
,
1365
):
In dem aldin rechte was recht, waz eyn man morgengabete syme wybe, starp darnach der man, eer jar vnde tag vzghing, so wart der vrowen dyͤ morgengabe halb. Quam abir jar vnd tag vs, so waz ir gut eyn gut worden vnd, wan der man stirbe darnach, [...], so volgete der vrowen vs allem gute daz dritte teil.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
110, 12
(
thür.
,
1474
):
Waz auch der frouwen zcu lipgute gelegen ist, daz volget ir zcu yrem liebe met andern stügken allen, zcu gerade, morgengabe unde musteyl gehorende.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
17, 14
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
Eyn iclichir mak habin also vil wip als her wil. Dy man gebin morgin gobe den eldirn irer wibe.
Kisch, Leipz. Schöffenspr. (
osächs.
,
1523
/
4
):
Das weib hat ir leibgut, noch gerade, morgengabe und mußtel mit dem, das sie von irem manne geschieden ist, nicht verwarlost noch verlorn.
Was nach landrecht zu gerade, mußtel, morgengab gehort. [...], das der frauen aus ires herren gutern pillichen volgen die gerade. Darzu gehoren alle schafe ires mannes, gense, enten, kisten, kasten, truhn, darinnen die frau ire geschmeide, [...] behelt, lein, flachs, alle leingewant [...], alle betten, kussen, pfule, leinlachen, tischlachen.
Ebd.  f.:
Nachdem euer schwager auf sein gelassen wittibe, [...], ire gepurliche morgengabe, gefellet hat, was zu morgengabe gehort; sprechen wir obgenanten schöpfen vor recht: Also euer schwester nach tode ires mannes aus seinen gelassen gutern auch pillich volgt ire morgengabe, so gehort darzu alles feldgenge viech, als kue, kelber [...].
König-Beyer, Reichenb. Stadtb.
104, 3
(
nböhm.
,
1562
):
es hat auch die Anthoni Pliskenn vorwilligett, ire 2 kinder mit morgen gaben [...] zuvorsorgenn.
Fastnachtsp. (
nürnb.
,
v. 1494
):
Er sol ir geben ein gute morgengabe, | Hundert schleg alle tage.
Ebd. (
15. Jh.
):
Auch wil ich ir zu morgengab geben | Pleuenstain und Greineneck und Knütelbert.
Kohler u. a., Bamb. Halsger. (
Bamb.
1507
):
die Eebrecherin hat jr heyratgut vnd morgengab gegen jrem Eeman verwuͤrckt, sol auch zu ewiger buss vnd straff verspert [...] werden.
Sachs (
Nürnb.
1559
):
schem dich auch vorab, | Das erb oder die morgengab | Dem rechten erben zu entwenden.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
Mert die morgengab
.
eischt die gaben: ich gib gern was dings ir eischt: allein gebt mir diese dirnen zuͦ eim weyp.
Roder, Stadtr. Villingen (
önalem.
,
1582
):
Stirbt aber ein mann vor seiner ehfrawen und verlasset allein kinder, [...], so soll alsdan alles ir beider guth in drei theil getheilt, den kindern die zwen theil und der frawen der drittheil werden sambt ir morgengaab, cleider und kleinater.
Köbler, Stattr. Fryburg (
Basel
1520
):
Hyratguͦt / morgengab vnd verfangenschafft gehoͤrent nit in das gefroͤnt guͦt.
Eelüt pflegen zuͦzyten ire kind einandern zuͦ morgengab zuͦgeben / Darumb so setzen vnd ordnen wir / [...] / das dañ solichs mit bysin der nehsten fründ [...] beschehen [...] / daßselb morgengabs kind sol ouch macht vnd recht haben / nach tod der morgengablichen vatter oder muͦtter mit den rechten naturlichen kinden zuͦglichem teil zuͦ erben.
Rennefahrt, Zivilr. Bern (
halem.
,
1495
):
Ich Jacob Rudella sol und wil ouch miner gemachel des ersten morgens, so si eelichen vor mir uffstaͧt, zuͦ rechter morgengsaͧb geben 300 ℔.
Ders., Staat/Kirche Bern (
halem.
,
1529
):
So aber einer ein dochter, magt oder junckfrouwen [...] geschwecht haͤtte, die noch nitt vermaͤchlet waͤre, der soll iren ein morgengaͧb gaͤben und sy zuͦ der ee haben.
Wiessner, Wittenw. Ring
7136
(
ohalem.
,
1400
/
08
):
Dar umb so gib ich ir vil drat | Ein par schuoch ze morgengab.
Müller, Stadtr. Ravensb.
130, 26
(
oschwäb.
,
um 1413
):
Es ist gesetzt, mag die frow geschweren, als denn morgengabe recht ist, das si sovil guͦtz uff ainem huse oder uff ainem andern guͦt habe, das ir ir man gebe zuͦ morgengabe, das si denn billich dabi belibe.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
1365
):
Ez mag aber ein frawͤ, die einen wirt hat, an iren lesten zeiten wol hinschaffen durch got, [...], oder wem sy wil, ir morgengab, ir praͤwthlainot, ir gewant, daz ir ir vater und ir muͦter oder ander ir frewnt geben habent von aigem willen, und bedarf irs wirtz willen darzuͦ nicht.
Auer, Stadtr. München (
moobd.
,
n. 1347
):
Ez mag chain man seinem weib auf seinem lehen chain morgengab geben ân seines lehenheren hant.
Hör, Urk. St. Veit
90, 23
(
moobd.
,
1368
):
Ich vorgenante Elspet [...] vergich, daz ich mich verzeich meiner morigengab auf den obgenanten guͦt.
Vogel, Urk. Heiliggeistsp.
1, 150, 44
(
moobd.
,
1367
):
ich [...] han mich verzigen, [...], auf dem vorgenanten ewigen gelt aller rechten, voderung, ansprach, ez sei morgengab, widerleg.
Ebd.
158, 13
(
1369
):
daz mein genantew hausfrawe vollen gewalt hæt mit irer vorgenanten morgengab ze tuͦn, ze schaffen vnd ze geben, wem sie wil, alz morgengab recht ist.
Ebd.
371, 15
(
1419
):
Ich [...] vergich [...], daz der kauf geschehen ist mit meinem guͤtleichen wissen vnd willen, vnd sol auch ich fuͤrbas dhainerlay ansprach darnach mer haben, [...], ez waͤr von margengab, haimstewr, widerlegung.
UB ob der Enns (
moobd.
,
1376
):
aus den selben dreÿn Tawsent phuͤnten geben wir ir Tawsent phunt wienner phenning zw rechter Morgengab nach Lancz recht vnd die mag sy wol schaffen vnd geben, wem sy wil.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
der kunig von Franckreich sol das jungfrewlein [...] haimantwurtten und ir darzu zu morgengab geben zwaymalhundertausent und 40 tausend kron.
Bischoff, Steir. Landr. (
m/soobd.
, Hs. 
v. 1425
):
Morgengab. Ain man, der ain witiben nympt, der mag er nicht gemorgengaben.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
1625
):
wo ain freie morgengab [...] verbrieft würdet und so es zwischen eheleiten zu fällen kombt, wann si beederseits künder mit einander verlassen und so dieselben auch mit todt absterben, alsdann so gehet solche morgengab halbe dem mann und seiner freundschaft und der ander halb thail der frauen und ihrer freundschaft.
Ebd. (
1624
):
die morgengab ist nit von wëgen der grossen heiratguet erfunden.
Rössler, Stadtr. Brünn (
mähr. inseldt.
,
1. H. 14. Jh.
):
erwen, di er [man] vor seinem tot mit morgengab hat von im geschaiden, wellent di mit den andern erwen tail haben, di schullen als vil in die tailung legen, sam in czu morgengab ist gegeben.
Ziesemer, Proph. Cranc
81, 12
;
Goerlitz u. a., Rechtsd. Schweidnitz
60, 28
;
116, 1
;
ders. u. a., Magd. Schöff./Schweidnitz
196, 19/29
;
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
10, 269, 14
;
Kisch, a. a. O. ; ;
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
177r, 22
;
Kohler u. a., a. a. O. ;
Roder, a. a. O. ;
Merz, Urk. Lenzb.
28, 7
;
Welti, Stadtr. Bern ;
Kläui, Urk. Hermetschwil
79, 56
;
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen ;
UB Zug
1447, 11
;
Rennefahrt, Zivilr. Bern ;
Schib, H. Stockar
137, 16
;
Glitsch u. a., Hofger. Rottw.
85, 19
;
Dirr, a. a. O. ;
Uhlirz, Qu. Wien ;
Staub, Qu. Wien ;
Bastian, Runtingerb.
2, 19, 2
;
Hör, a. a. O.
229, 20
;
Siegel u. a., a. a. O. ;
Zingerle, Inventare ;
Voc. Ex quo D
556
;
Schmitt, Ordo rerum
118, 30
;
Öst. Wb.
3, 942
.
Vgl. ferner s. v.  3,  3.
2.
›Gabe, Geschenk Gottes an den Menschen, die Seele‹; im Hintergrund steht die als Analogie zu 1 zu verstehende Vorstellung, daß der (mystische) Mensch, die Seele ihrem Bräutigam Christus den
eigenen willen
, die
lust und ere der welt aufgelassen
hat und gleichsam im Gegenzug die
morgengabe
von Seiten Christi erhält, bestehend z. B. in
liecht
, in
schauen
, im
lob gottes
(gen. objectivus).
14. Jh.; Texte der Mystik.
Bedeutungsverwandte:
.
Wortbildungen:
morgengaben
2 ›jm. eine Gnadengabe zukommen lassen‹.

Belegblock:

Strauch, Par. anime int.
109, 5
(
thür.
,
14. Jh.
):
darumme inmac di sele uber sich selbin nicht gewirkin wan mit dem lichte das ir Got gegebin hait. wan [...] ez ir Got gegebin hait zu einir morgingabe in di ubersten craft der sele.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Sihe, in dis vatterlant vuͤre ich [ewige wisheit] ze huse min lieben gemahel under minen armen von dem ellende mit der hohen richeit irre rilichen morgengabe.
Ebd.  f.:
Zarter herre, waz ist dú morgengabe, [...]? Entwúrt der Ewigen Wisheit: Dú morgengabe ist ein offenbares schoͮwen des, daz du hie allein gloͮbest.
Strauch, Schürebrand (
els.
,
E. 14. Jh.
):
dem [Jhesus] ir vertruwet und gemehelt sind zuͦ der heiligen e und ir ime zuͦ widemen und zuͦ estúre gegeben und ufgelossen hant uweren eigenen willen und alle froͤde, trost, lust und ere der welte [...]: der selbe aller edelste jungherre, uwer geminter brútegoum Jhesus Christus gebe úch widerumbe zuͦ morgengobe, zuͦ widemen und zuͦ estúre einen munt voul götteliches lobes.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Sin [brútegom / Gott / herre
]
edel machelvingerlin | Trag ich in dem herczen min, | Und sin morgengabe rich | Hab ich enpfangen eigenlich.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst., S. 
239
.