tilgen,
V.;
zu
mhd.
tîligen, tilgen
›tilgen, vertilgen‹
().
1.
›jn., Tiere physisch vernichten, töten, ausrotten; etw. (z. B. einen Ort, eine Institution) beseitigen, zerstören‹.
Bedeutungsverwandte:
(V.) 79, (V.) 3,  2, ; vgl.  12,  13.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
raupen
)
t., j
. (z. B.
der teufel, ein fürst
)
etw
. (z. B.
die kirchen, die stat
)
t., j. jn. t., etw
. (z. B.
vögel
)
etw
. (z. B.
mücken
)
t., j. alles t. lassen, etw
. (Subj.)
jn. nicht t. können, j
. (z. B.
keiser und concil
)
jm
. (z. B.
herzog Friedrich
)
leut und land t
.;
j
. (z. B.
das volk
›Heer‹)
gänzlich getilgt werden
.

Belegblock:

Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Wer die Raupen wil tilgen / der muß das Nest verbrennen.
Dünnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj.
9, 15
(
Frankf./M.
1626
):
Hierauff samblete zwar ein Bischoff [...] Ingleichen Graff Emich [...] wieder Volck zusammen / wurden aber [...] von den Saracenen [...] geschlagen: Hernacher [...] getrennt / vnd also von jhren Feinden gaͤntzlich getilget.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Sin tot einen vursten git | Vremde mit sime here, | Der in vil grozer vere | Tilget die stat grimmes vol.
Opitz. Poeterey
49, 10
(
Breslau
1624
):
vns das blutige beginnen | Der waffen nicht hat tilgen koͤnnen / Das thut die liebe nur allein.
Gille u. a., M. Beheim
99, 146
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
waz er vant | liess er auch prennen alles sant, | tilken, staren und trennen.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
197, 5
(
Nürnb.
1548
):
denn das ist sein
[des Teufels]
eyniges werck / vnd hoͤchstes fürnemen / wie er die kirchē tilgen koͤnne.
Ebd.
234, 27
;
Bernoulli, Basler Chron. ;
2.
›etw. (meist: Sünden) aufheben, durch etw. ausgleichen, wiedergutmachen; eine Schuld erlassen‹.
Texte der Sinnwelt ,Religion/Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1,  4,  5,  5,  3,  6,  35.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
Christus, der fuskus, die innere beichte
)
die sünde t., j. die sünde mit etw
. (z. B.
mit der busse / gnade / reue
)
t., der her jm. etw
. (z. B.
eine missetat
)
t., j. jm. etw
. (z. B. [einen Betrag]
aus einem hof
)
tilgen
.
Wortbildungen:
tilgung
.

Belegblock:

Luther, WA (
1544
):
Aber Christus hat [...] es uns zum Furbilde, [...] gemacht, das es heisset Meine und aller Menschen suͤnde an sein Creutz geopffert und durch seinen tod getilget.
Ebd. (
1544
):
das durch jn [bund der gnaden Christi] sol gegeben werden alles, was die gnade Gottes gibt und mitbringet, vergebung und tilgung der Suͤnde, erloͤsung vom Tod.
Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Sich, herre, uf sine ruwe, | Und durch din selbe truwe | So tilie im sine missetat, | Die er gein dir begangen hat.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
wip sich, | der geloube hat gereineget dich. | daz der vuzkus tilge jegeliche sunde, | des irzeige ich sus orkunde.
Stambaugh, Milichius. Zaubert.
8, 13
(
Frankf./M.
1563
):
Dieweil aber Gnaͤdiger Fuͤrst unnd Herr die Oberkeyt ein Dienerinn Gottes ist / zur straff und tilgung der lastern.
Palm, Veter Buoch (
schles.
, Hs.
E. 14.
/
A. 15. Jh.
):
Keine sunde sint vber gotes gute, ob man sie tiliet mit der ruwe.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
9, 58
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
Die sund, die mit der puße nicht getylgt wirt, alczuhant mit ir swer und purde czeucht sye den menschen in ein ander sund.
Thiele, Minner. II,
21, 247
(Hs. ˹
wobd.
,
15. Jh.
˺):
ob sye ye súnd begangen hät | die schedlich múg der sele sin, | die tilck mit den genaden din.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
147, 29
(
els.
,
1362
):
Do sant Basilie sin gebet gesprach vnd die frowe den brief uf getet, do worent die súnden alle gediliget denne alleine die grose súnde.
Froning, Alsf. Passionssp.
494
;
Steer, Schol. Gnadenl.
5, 203
;
Vgl. ferner s. v. .
3.
›etw. (Geschriebenes) entfernen, löschen; etw. (z. B. eine Lehre, die Inhalte einer Regel o. ä.) unterdrücken, ausrotten‹.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion/Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
,  2,  2,  1,  2; vgl.  2,  6.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
den drek, js. namen
)
t., etw. aus etw. t., der herre jn. ab / aus e. S
. (z. B.
aus dem buch der lebenden
)
t., j. in einem buch nichts t
.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
Wol dan, wir wollin abeschern | und tilgin christinlîchin nam.
Luther, WA (
1539
):
Wir sind ein besuddelt, zerklickt pappir oder ein zerrissen Mackelthur, dorinnen der bepstisch Dreck eingewurtzelt ist und mit grosser muhe und arbeit schwerlich kan ausgefeget und getilget werden.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Moyses sprach: ,herre, tilge mich ab dem lebenden buoche oder vertrage dem volke!‘
ders., Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
wil ich wol schrîben, sô muoz ich allez daz tilgen und tœten, daz an der taveln stât.
Pyritz, Minneburg
1950
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Ir
[der angebeteten Frau]
liechte varb kridenwis | Die ist so gar durch ziret, | [...] | Daz irer rot brisiligen | Dar uz kan nieman tilgen, | Daz uz irem velle flußet.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
herre, tilgge mich us dem lebenden buͦche, das si behalten werdent.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
416, 4
;
Vgl. ferner s. v. .