greuel,
der
;
-s/-Ø
.
1.
allg.: ›dasjenige, was den Menschen in Angst und Schrecken versetzt, Ursache für Not und Leid‹; speziell: ›Verbrechen, Untat, Schandtat, Mißbrauch (als rechtswidrige Handlung, z. B. Mord, Lüge usw.)‹; ›Gotteslästerung, Sünde, Ketzerei (als existenzbedrohliches falsches religiöses Handeln)‹, in dieser Variante auch bezogen auf nichtchristliche Religionen, vor allem das Judentum, sowie auf den Islam, besonders in letzterem Falle dann: ›falsche Religion, falscher Glaube, Irrglaube‹; hinsichtlich anderer Konfessionen zur Abwertung von deren Kulten und Bräuchen verwendet; ›individuelle Bosheit, andere mit ins Unglück ziehende Sündhaftigkeit (als Haltung und Eigenschaft)‹; ›Unheil, Übel, Schande (als existenzbedrohender Zustand)‹; häufig für Personen (z. B. den Papst) und personifiziert (auch im Sinne von: ›Teufel‹) gebraucht.
Syntagmen:
g. lesen / offenbaren / vorkommen / vermeiden, den g. in die welt bringen, recht erkennen; g.
(Subj.)
aufkommen; des g. los werden; sich vor g. hüten; g. der papisten; der erschrockenliche / grausame / schändliche / unchristliche / ungeheure / verderbliche / verfluchte g.; grundsuppe der g
.
Wortbildungen:
greuelexempel
,
greuelhaftig
›schreckhaft‹ (dazu bdv.: ; a. 1537),
greuelgötze
als Tautologie ›ketzerischer Anbetungsgegenstand‹,
greuelsuppe
.

Belegblock:

Luther, WA (
1521
):
Kompt hertzu, yhr ungeheure grewle der wellt, und tzeygt uns ursach an, warumb yhr euch last Bisschoffe heyssen!
wie hatt der teuffell mit solcher grosser list unter dem scheyn und namen des priesterthumß [...] solchen grewel, ungotliche stende und opffer ynn die wellt ßo fein gebracht!
O grewell uber alle grewell!
Ebd. (
1522
):
Was sagen sie nu hie tzu yhrem abgot und grewel gotzen, der nichts thut.
Ebd. (
1523
):
Es gehet noch ymmerdar das Salve regina, sehlmesßen und vigilien und solcher grewel.
Ebd. (
1524
):
gerade als das gesetz nichts were, das ich sie lies essen und mit esse, das den Juden verpoten und ein greuel ist.
wenn der grewel, das ist der Abgot, ynn dem tempel stehen wird, so wird das reich endlich verwustet.
ob nicht der Bapst der hohiste ertzgrewel aller grewel ist.
Ach ist das nit der groͤst grewel und lesterung und verlaugnung Gotts.
Ebd. (
1527
):
das alle Heiden ein grewelexempel, ja einen fluch und sprichwort von yhn machen.
die Sophisten mit allem vleis jhr luͤgenpredigt, schande und grewel, da mit sie die Christenheit verderbt haben.
Aber die starcken rechten grewel und Teuffels koͤpffe und gifftigen geistlichen Drachen schwentze, nämlich Unglauben, murren wider Gott, Gottes hass [...] kenneten sie nicht.
Ebd. (
1545
):
Troll dich aus, du verdamter son, | Du rote braut von Babylon, | Du bist der greul und Antichrist.
Ders. Hl. Schrifft.
Jes. 65, 4
(
Wittenb.
1545
):
Fressen schweine Fleisch / vnd haben grewel Suppen
[
Cranc
:
vorbannene (juche)
;
Froschauer
1530,
Wormser Proph.
1527,
Dietenberger
1534:
unreine (suppen)
]
in jren toͤpffen.
Ebd.
Jer. 13, 27
:
ich habe gesehen deinne Ehebrecherey / deine Geilheit / dein vreche Hurerey / ja deine Grewel
[
Wormser Proph.
1527:
unvur
].
Alberus, Barf. Vorr. Alb. (
Wittenb.
,
1542
):
wenn ein einfeltiger Papist diese grewel lesen wird / er werde nicht lang Papistisch [...] bleiben.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
494, 4
(
Magdeb.
1608
):
Gott wird an jenem Gerichtstage noch mehr grewel offenbahren.
Gropper. Gegenw. (
Köln
1556
):
Vß dem folgendts der Machumetisch vñ Türkisch greüwel entstanden ist.
Stambaugh, Milichius. Zaubert.
20, 28
(
Frankf./M.
1563
):
Wenn du in das land kompst / das dir der Herr dein Gott geben wird / so soltu nicht lehrnen thuͤn die grewel dieser voͤlcker.
Mathesius, Passionale (
Leipzig
1587
):
[eine] Ruͤstung vnd Gewehr / wider allerley Abgoͤtterey vnd Grewel der Juͤden / Mahometisten / vnd andern Vnchristen.
Jm 22. Psalm [...] werden auch solche grewel / entsetzung / hohn vnd bittere Spotwort oder Sarcasmi verkuͤndiget.
Franck, Decl.
346, 7
(
Nürnb.
1531
):
so gar ist allen menschen eingepflantzt der grewl dises lasters.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
in dem grúwele der neiglicher gesichte do heilt mich angst und bibunge.
Anderson u. a., Flugschrr.
19, 7, 13
([
Eilenb.
]
1524
):
Hir ist der vrsprunck widder alle außerwelte / also gantz vorfurisch / entsprossenn / mit allen andern heidenischen Ceremonien oder geperde͂ des gantzen grewels / in der heiligen stat / do man vnmundige kinder zu Christen machte.
Schib, H. Stockar
174, 31
(
halem.
,
1520
/
9
):
es wer ketzerwerk und wer ain grosen grüwel vor gott.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
v. 1536
):
hat auch wider das hochwirdig sacrament und die meß prediget. es sei ain greichel und ketzerei.
Ebd. (
1544
/
5
):
daß sie [...] von dem greuel aller greuel, dem waren Antichristo, dem babst, geregieret [worden].
Andreae. Ber. Nachtmal
32r, 18
([
Augsb.
]
1557
):
Will hiemit noch nichts von dem grewel der Opffermessz geredt haben.
Alberus, a. a. O. ;
Peil, a. a. O.
516, 292
;
598, 1948
;
Beckers, Spinnr. Ev.
191
;
Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm.
13, 59
;
Kottinger, Ruffs Etter Heini ;
Meisen u. a., J. Eck
58, 21
;
Dietz, Wb. Luther ;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß ;
2.
›Angst, Entsetzen (als psychische Reaktion auf Notsituationen)‹.

Belegblock:

Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
so kompt der rewel, | Beißt sie vnd macht in solchen grewel, | Das sie schreien awe vnd ach.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1551
):
und [ist] also nichts dann eitel greuel, not, angst, kommernus und trübsal vorhanden.
3.
›dasjenige (sehr unterschiedliche Bezugsgrößen, Konkretes und Abstraktes, auch Personen), was den Menschen / Gott anekelt, mit Widerwillen oder Abscheu erfüllt; dasjenige, das jm. ein Ärgernis ist‹; speziell: ›Dreck, Abfall, Kehrricht (von Gegenständen und Sachverhalten); Abschaum (in Bezug auf Menschen)‹; anschließbar an 1.
Phraseme:
jm. ein greuel sein
.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Abiectus. Schabab grewel fußtuch hinwurff genist abschnitzel außgespuͤle.
er hat ein grewel darvor und wil jr nicht.
Denn es taug doch gar nichts, das man das wort Gottis ßo unvleyssig und ungeschickt auß lesst gehen, das wyr nur spott unnd grewel dran haben.
Ebd. (
1524
):
Denn die schrifft heisset die Abgotter eigentlich ein grewel, darumb das Gotte dar fur eckelt und grawet.
Ebd. (
1544
):
So sie doch fur Gott vol unflats und grewel sind.
Ders. Hl. Schrifft.
2. Mose 1, 12
(
Wittenb.
1545
):
Vnd sie [Egypter] hielten die kinder Jsrael wie ein Grewel.
Ebd.
5. Mose 14, 3
:
DV solt keinen Grewel
[
Dietenberger
1534:
vnreinß
]
essen. Dis ist aber das Thier das jr essen solt / Ochsen / Schaf / Zigen.
Ebd.
5. Mose 23, 7
:
DJe Edomiter soltu nicht fur Grewel halten
[
Mentel
: Var. 1475:
fur verbann halten
; um 1475
2
:
fur veracht halten
;
Eck
1537:
soltu nit scheühen
]
/ er ist dein bruder.
Müller, Faustb.
838, 30
(
Frankf.
1587
):
Denn wer solches thut / der ist dem HERRN ein Grewel / vnd vmb solcher Greuwel willen vertreibet sie der HERR.
Schwartzenbach
A Vv
(
Frankf.
1564
):
Abscheuwung. Grauw. Greuwel. Vnlust. Vnwille. Verdruß. Mißgefallen. Erleydung. Maßleidigkeit. Verachtung. Ein ding darab einer ein abscheuwe mag haben.
Ulner (
Frankf.
1577
):
Hassen. Zu wider seyn / feindt seyn / [...] einen Grewel an etwas haben.
Mathesius, Passionale (
Leipzig
1587
):
einen grewel an einem haben / oder einen anpfeitzen / oder daruͤber ausspruͤtzen / vnd blasen vnd spruͤen / wie die Juͤden theten / da Christus am Creútze hieng.
Volkmar (
Danzig
1596
):
ich hab ein abschew / grewel.
Anderson u. a., Flugschrr.
8, 6, 10
([
Nürnb.
]
1524
):
Menner [...] welche got heßlich oder ein grawel sein.
Franck, Klagbr.
219, 34
(˹wohl
Nürnb.
˺
1529
):
Sihe die blutgirigen vnd schalckhafftigen / an denen der Herr ein grewel hat.
Ebd.
221, 11
:
diser arm vnselig hauff / der welt grewel vnd eckel.
Ebd.
227, 9
:
die / welche den Eelichen standt / als etwas vnreins / verklemen vnd verspuhen / Den natuͤrlichen samen verbannen vnd fuͤr ein grewel achten.
Franck, Decl.
350, 9
(
Nürnb.
1531
):
das die fuͤllerey alweg den alten sey ein grewel gewesen vnd zerrisser vnflat.
Luther. Hl. Schrifft.
Hiob 15, 16
; 5
Mose 17, 1
;
18, 12
;
Franck, Decl.
351, 2
;
Trunz, Meyfart. Tub. Nov.
28, 7
;
Bihlmeyer, Seuse ;
Dietz, Wb. Luther f.;
Vgl. ferner s. v. (
der/die
1,  2,  3.
4.
›Vogelscheuche‹.

Belegblock:

Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
8366
(
rib.
,
1444
):
de vogel wilt verraden, | De en sal den gruwel noch ouch de netzen | In yre nist noch vur yre ougen neit setzen | [...] | As du yeman woult bedreigen, | So en saltu durch eynche sachen | Mit dyme flabis yn gruwel machen, | Off dat dyn angesicht contrefeit.