nimmer,
nimmerme(r),
nim,
nummer,
Adv.;
zur (hohen) Formenvarianz und ihrer geschichtlichen Herleitung s. ;
; . – Bei der Gliederung des Bedeutungsfeldes war die Unterscheidung von ,punktuell
nimmer
‘ und ,zeiterstreckend
nimmer
‘ nur teilweise sinnvoll anwendbar; die doppelte Verneinung wurde nicht in einem eigenen Bedeutungsansatz behandelt, da sie bei
nimmer
relativ selten begegnet und den üblichen Regeln der Semantisierung doppelter Negationsträger unterliegt: Einer der beiden wird positiviert.
1.
negativiert (mit einem Vergangenheitstempus, meist mit Prät.) einen Sachverhalt der Vergangenheit:
a) eher zeitpunktuell gesehen: ›kein einziges Mal, niemals; ˹noch nie, nie zuvor, nie vor einem textlichen Bezugszeitpunkt˺‹;
b) eher in der Zeiterstreckung gesehen: ›nie, niemals, zu keiner Zeit‹.
Bedeutungsverwandte:
.
Gegensätze:
 2.

Belegblock:

Zu a):

Stoltzius, Chym. Lustg., Vorr. (
Frankf./M.
1624
):
nimmermehr hetten wir der Sachen Gebaͤhrung vnd verwandlung erkant.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. (
osächs.
,
1343
):
sô grôz betrûpnisse di nie mêr was von dem beginne der werlde biz nuͦ, noch nummer
[dies zu 3]
wirt.
Bachmann u. a., Volksb. (
alem.
,
15. Jh.
):
Er [brunne] lechot nit; er ward ouch nieman vor beschlossen.
Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Garriel von Parlantt | Nie me sinen gelichen vand.
Agmonen der schwertt tegen | Nieme so rechte traurig wartt.
Skála, Egerer Urgichtenb.
85, 9
.

Zu b):

Perez, Dietzin
1, 128, 9
(
Frankf.
1626
):
sie selbst war nim͂er ohne tieffe Gedancken.
Mönch v. Heilsbronn. Fronl.
8a, 28
(
nobd.
,
E. 14. Jh.
):
wann ir gar vil ist di im [got] nimmer / gedienten.
Moscouia
E 2r, 7
(
Wien
1557
):
Das hat der großfuͤrst Witold nim͂er gestatten wellen.
2.
negativiert (in der Regel mit Präsensform des Verbs) einen Sachverhalt, der in die Gegenwart oder (häufiger) in die Zeitenthobenheit, damit in allgemeine (überzeitliche, tendenziell übersoziale) Gültigkeit gestellt wird: ›niemals, nie‹; mit Tendenz zu: ›unter keinen Umständen, keineswegs, (gewiß) nicht‹; oft in Sentenzen, religiös bestimmten Lehrsätzen, Wahrheits-, Sach- und Erfahrungsaussagen sowie Handlungsaufforderungen gebraucht.
Bedeutungsverwandte:
 13.
Gegensätze:
 13.
Wortbildungen
(als Spontanbildung):
nimmertun
(subst.) ›das Unterlassen‹.

Belegblock:

Luther. Hl. Schrifft.
Pred. 1, 8
(
Wittenb.
1545
):
Das Auge sihet sich nimmer sat / vnd das Ohr höret sich nimmer sat.
Jostes, Eckhart
34, 10
(
14. Jh.
):
daz si [sel] sich nimmer uf minner ding neig dan got.
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
116, 1
(
Frankf.
1535
):
blei ist nümmer on gifft.
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
242a, 31
(
Frankf./M.
1649
):
so sein deren etliche die nimmermehr [...] zu Kirchen kommen.
Ebd.
246b, 19
:
daß wirstu ja nimmermehr thun / der du die gantze Welt richtest.
Strauch, Par. anime int.
14, 25
(
thür.
,
14. Jh.
):
da numme zit inist, da ist fullide der zit.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Joh. (
osächs.
,
1343
):
wer in mich gloubit, den sal nimmer
[
Luther
1545:
nymer mehr
]
duͦrsten.
Schönbach, Adt. Pred. (
osächs.
,
1. H. 14. Jh.
):
der trunkenbolt der wirt nimmer rich an libe noch an sele.
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
176v, 40
(
Leipzig
1588
):
Denn Christus vnd Belial stehen nimmermehr in einem Stalle.
Stackmann u. a., Frauenlob
14, 8, 2
(Hs. ˹
nobd.
,
3. V. 15. Jh.
˺):
Minne, kannst du freude borgen? | des gihe ich dir niemer tac.
Sachs (
Nürnb.
1554
):
wan nimerthwn ist die peste pues.
Wickram
4, 9, 15
(
Straßb.
1556
):
Die [muͦsfründ] selbigen sind nimer liebere freund dann wann man schwein unnd kaͤlber metzget.
Fuchs, Murner. Geuchmat
717
(
Basel
1519
):
Was boͤß man vns von wyben seyt, | Das wir das nümmer glouben wellen.
Enders, Eberlin (
Basel
1521
):
rechter geloub kan nümmer on guͦte waͤrck sein.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
189, 5
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
ouch en hat nieman dekainen gedinge dar zuo, daz er niemer gewinnen mag.
Morrall, Mandev. Reiseb.
11, 11
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
Da [uff den berg] ist númer wind noch regen noch nebel.
Dreckmann, H. Mair. Troja
18, 8
(
oschwäb.
,
1393
):
ez kan kein tötlich mensch nimmer erfehten, wann ez ist behüt mit den göttern.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 8, 4
([
Augsb.
]
1548
):
und ist kain ding nimmermehr so guͦt / man kans mißbrauchen.
Ebd.
255, 6
:
kindshand ist bald gefüllt / Aber ains alten schalcks aug nimmermer.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
21, 14
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
Seind nu got ynwandelbertig ist vnd allew czeit bestendigk so vellet er nymmer in chainen presten.
Bauer, Imitatio Haller
45, 31
(
tir.
,
1466
):
Der inwenndig mensch der hat sich pald pesamt, wand er ist sich nimmer gancz geben auf die auswenndigen ding.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
85, 1322
;
134, 2828
;
513, 199
;
Sievers, Oxf. Benedictinerr. ;
Gilman, a. a. O.
1, 288, 13
;
2, 252, 32
;
Enders, a. a. O. ;
Dreckmann, a. a. O.
16, 4
;
Sappler, H. Kaufringer
29, 48
.
Vgl. ferner s. v.  1,  1,  1, .
3.
negativiert (mit einer Futurform oder mittels funktional ähnlicher Ausdrücke) einen Sachverhalt, der in die Zukunft verlegt wird: ›niemals, nie, nicht‹; oft in Verheißungen, Drohungen, damit in (implizierten) Handlungsvorgaben gebraucht.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Gegensätze:
(Adv.) 1.
Wortbildungen:
nimmerstag
.

Belegblock:

Thiele, Minner. II,
27, 522
(Hs. ˹
md.
/
rhein.
,
1. V. 15. Jh.
˺):
Sinte Jannes sy ur behoeter, | daz ir nemmer moeßen sterben.
Sermon Thauleri
5vb, 2
(
Leipzig
1498
):
Wann were das war. ßo wurde dy sele nymmer selick.
Anderson u. a., Flugschrr.
1, 11, 35
(
Leipzig
1520
):
Bruder Martinus wirdt auch das gegenspil / mith keiner schriftt [...] nummermer beweyszen.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
101
(
Nürnb.
1517
):
So das zugelasen, wirdet die andechtig seel nimer nit gerugigt.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
79, 22
(
Nürnb.
1548
):
wer da lebt / vnd glaubet an mich / der wirt nim̄mermehr sterben.
Roloff, Brant. Tsp.
362
(
Straßb.
1554
):
Ich foͤrcht ich überkumm es nymmer me.
Lemmer, Brant. Narrensch.
31, 21
(
Basel
1494
):
Das selb morn / kumbt dan̄ nyemer me | Es flüht vnd smyltzt glich wie der schne | Biß das die sel nym blibē mag.
Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag
14, 4
(
Zürich
1521
):
die begird so niemar erfült würt / zücht sy.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
345, 18
(
Genf
1636
):
nimmer / nimmermehr / nimmerstag / zu keiner zeit.
Ebd.
21
:
Biß (nimmerstag) will ich dich bezahlen.
Bauer, Geiler. Pred.
319, 7
(
Augsb.
1508
):
Der [schad] ist. daz sy nymermer kommen tzu goͤttlichem trost / so lang [...].
Rueff, Rhein. Ostersp.
182
;
Strauch, Par. anime int.
80, 29
;
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
341a, 30
;
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. ;
Goldammer, Paracelsus
3, 291, 15
;
Haas u. a., a. a. O.
11r, 14
;
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
353, 19
;
Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio
191, 153
;
205, 32
;
Piirainen, Stadtr. Sillein
130a, 9
.
Vgl. ferner s. v.  3, .
4.
charakterisiert (teils mit Präsens- oder Futurform des Verbs, in letzterem Falle mittels
wellen, werden, wollen
) ein Sein, einen Handlungsverlauf, ein Geschehen als von einem textlichen Bezugszeitpunkt an abgebrochen, sich nicht wiederholend, nicht länger bestehend, sich nicht fortsetzend: ›(von nun an) nicht / nie / niemals mehr / wieder, nicht länger‹; teils zeitpunktuell, teils zeiterstreckend gesehen; mehrfach auf sich nicht wiederholende Glaubensinhalte oder auf untersagte juristische Wiederaufnahmen bezogen, in beiden Fällen mit verhaltens- oder handlungssteuernder Funktion.
Phraseme
(als Fluch):
das es dir nimmer wol erschiesse
o.ä.

Belegblock:

Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. vngerat. Sohn (
Wolfenb.
1594
):
Gott wird dich straffen, Vnd wird dir nimmermehr wolgehen.
Luther, WA (
1518
):
Nymmer thun ist die hochste puße, und das ist war vor gotte, der nit mehr furdert, dan die hochste puß, das ist nymer thun.
Wie wol Christus das brod nam unnd segenet, doch ists nymer brodt, ßondern alleyn der leyb nach dem segen.
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
2066
(
rib.
,
1444
):
As dat geschuyt off is geschiet, | Des en dorft ir uch ummer tzornen nyet.
Dat nuwe Boych (
rib.
,
1396
):
dat der vurss. her heinrich syn leuen lanck nummerme ze Coelne komen en sculden.
Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
vnd wenne sy [vrouwe] nymme were. das sy gyft sulde vallen an yre kyndes kynt.
wirt dy sache vfgeschoben. der vorspreche mag myt rechte vmme dy sache nymmer wedir gesprechen.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
5, 6
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
zu raste ist gegangen meines heiles sunne: auf geet sie nimmermer!
Strauch, Par. anime int.
26, 16
(
thür.
,
14. Jh.
):
di zitliche geburt di ist eines gewest und insal nummirme werdin.
Keil, Peter v. Ulm
82
(
nobd.
,
1453
/
4
):
vnd ist ein edle salb, der du nymmer on scholt sein.
Trunz, Meyfart. Tub. Nov. Vorr.
1, 8
(
Coburg
1626
):
Was du thust / so bedencke das Ende / so wirstu nimmermehr Vbels thun.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
131, 29
(
Nürnb.
1548
):
vergib mirs / ich wils nimmer thun.
Michels, Murner. Badenf.
3, 25
(
Straßb.
1514
):
Enzundt in [schweiß] also gar in im | Das er von got sich wincket nym.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 74, 21
(
Hagenau
1534
):
als wenn Gott will / daß er diß gescheffts sorge und muehe nymmer treiben solle / so sey ers zufriden.
Merk, Stadtr. Neuenb. (
nalem.
,
1491
):
was sich der sachen halb verloufen hat, sol [...] tod und ab sin und derohalb kein teil den andern [...] niemermer ersuͦchen.
Bachmann, Morgant (
halem.
,
1530
):
do empfieng ich so grossen schräcken, daz ich nǔmmen frölich was, untz ich [...].
Maaler (
Zürich
1561
):
Das es dir Niemer wol erschiesse od’ außschlahe. Quæ res ribi uertat male. [...]. So helff mir gott Niemer. [...]. Peream.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
in dem smake loffet si untz daz si nimme fúrbaz komen mag.
Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
1525
):
„Christus ist ain mal gestorben fur unser sund“. Volgt daraus, er stirbt hinfur nymer fur unsere sund.
Klein, Oswald
39, 5
(
oobd.
,
um 1426
?):
Und hab ain fürsatz, nimmer mer | mit vleiss zu sünden, wo ich ker.
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. ;
Peil, Rollenhagen. Froschm.
223, 5520
;
563, 1817
;
Quint, Eckharts Pred. ;
Karnein, Salm. u. Morolf
88, 3
;
260, 5
;
Thür. Chron.
2r, 4
;
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
57, 42
;
64, 3
;
Jungbluth, a. a. O.
11, 7
;
Henschel u. a., Heidin
951
;
Lemmer, Brant. Narrensch.
5, 17
;
Roloff, Brant. Tsp.
224
;
Rennefahrt, Statut. Saanen ;
Brandstetter, Wigoleis
194, 4
;
Kohler, Ickelsamer. Gram. ;
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. ;
Moscouia
E 1v, 37
.
Vgl. ferner s. v.  1, (Präp.) 1,
1
 3,  4,  2.