nie,
Adv.
(1-6),
Konj.
(7).
1.
›nie, niemals, nicht während der vollen Länge der textlich vorausgesetzten Zeitstrecke‹; offen zu 2.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2, .
Syntagmen:
mit Verb im Prät., Perf. oder Plusquamperf.

Belegblock:

Thür. Chron.
2r, 7
(
Mühlh.
1599
):
gieng Noah uffs Feld [...] vnd Ass der Beer / die vor der zeit nie gesehen waren.
Sermon Thauleri
2vb, 33
(
Leipzig
1498
):
Alßo ist yr inwendiger grundt recht alß ein eysener berg. do nye keinn liecht erschein.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
7, 55
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
sunn, der glenst und nie derlast, | ist / der maide käwsche pluem, | Prunstleich prunst, der nie enbrast | untodleiche lieb in ruem.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. Vorr.
24
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
Nu ist daz yewar daz ich hincz auf den tag [...] sünde nie verlassen hab.
Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
324
.
2.
›nie, noch nie, bisher nie, zu keinem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt‹.
Bedeutungsverwandte:
 2.
Syntagmen:
mit Verb im Prät. oder Perf.

Belegblock:

Beckers, Bauernpr.
60, 7
(
Köln
1515
/
8
):
Dañ es in hundert jaren nie | Soe seltzam stundt vp erden ye.
Karnein, Salm. u. Morolf
381, 3
(
srhfrk.
, Hs.
um 1470
):
Kunig, ich horen sagen ie, | du pflegest guter sinne, | der wart dir nie als not als hie.
Sievers, Oxf. Benedictinerr. (
hess.
,
14. Jh.
):
herre, myn herze inwart nie irhoet, noch myn augen inworden nie irhaben.
Rupprich, Dürer (
nobd.
,
1520
):
ein solch herlich hauß, dergleichen jch in allen teutschen landen nie gesehen hab.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 6, 17
(
Hagenau
1534
):
Schnel radt nie gut ward / Zuvil zereißt den sack.
Maaler (
Zürich
1561
):
Nie / Niemer. Nunquam. Den menschen hab ich vor mals Nie gehoͤrt. [...]. Er ist Nie von mir kommen.
Sappler, H. Kaufringer
5, 683
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
ich haun den gast all mein tag | nie gesehen dann allhie.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
170, 7
;
Froning, Alsf. Passionssp.
3544
;
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
402a, 18
;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
v. Keller, Ayrer. Dramen ;
Barack, Zim. Chron. ; ;
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
29
;
Klein, Oswald
1, 24
;
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. ; .
3.
›jemals, zu irgendeinem in der Vergangenheit oder (seltener:) Zukunft liegenden Zeitpunkt‹.

Belegblock:

Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
also das her sal sweren das her ny also in dy ochte qweme. daz her dorch recht dorynne blyben sulle.
Dubizmay, kurß zu Teutze
13, 9
(
hess.
,
1463
):
der sein sele nicht vppiglichen empfing nach der seynnen nesten nye felschlichen beswüre.
Reichert, Gesamtausl. Messe
30, 36
(
Nürnb.
um 1480
):
Wir finden in keiner geschrift, das der Herre nye also zornig gewesen sey und in seiner menscheyt kein suend so hartt gestrafft hat, als [...].
Bernoulli, Basler Chron. (
alem.
,
1380
):
Anno 1380 was die groͤsten Einsidelfart, die nie ward, und komen me lút dar dann zechenhunderttusent menschen.
4.
›nie nach einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt, nie danach, seither nie; zukünftig nie‹.

Belegblock:

Gropper. Gegenw. (
Köln
1556
):
das was die Gotheit einmal angnõme͂ / das habe sei folgendts nie widder verlassen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Nie darnach / Sidhar nie. Nunquã post.
Sappler, H. Kaufringer
14, 328
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
was die fraw gepatt ie | den knecht, des wolt er tuon nie.
5.
dichte Belegung in Ausdrücken mit doppelter Verneinung nach dem Muster
nie kein
(-) + Subst. oder (seltener:) Pronomen; dabei kann
nie
nach dem nominalen Ausdruck stehen, z. B.
kein mensch nie, niemand nie
, und es kann vor dem nominalen Ausdruck stehen, z. B.
nie kein königreich, nie kein gedancke, nie kein heide, nie nicht
. Im Falle der Nachstellung des
nie
legen sich zwei Übersetzungsmöglichkeiten nahe: z. B. ›kein Mensch‹ [...] oder
ein mensch
+ adverbiales
jemals
[...]; in diesem Falle steht
nie
in semantischer Nähe zu Ansatz 3; im Falle der Voranstellung empfiehlt sich eher die Übersetzung mit ›kein Mensch‹ (als Beispiel) [...]. Das zugehörige Verb steht in der Regel im Prät. oder Perf., in einzelnen Fällen im Präs.

Belegblock:

Luther, WA (
1529
):
nie kein koͤnigreich also getobet hat mit morden und wuͤeten, als er thut.
Dauon ich doch nie keine gedancken gehabt habe.
sie kuͤndte hernach zeugen bringen, das sie nie nicht bewilligt hette.
Lappenberg, Fleming. Ged. (
1631
):
Du zeigest mir den Weg, der zu der Weisheit führt, | der auch sonst heimlich ist, den nie kein Heide spürt.
J. W. von Cube. Hortus
85, 30
(
Mainz
1485
):
welcher du͂ckel augen hette [...] der strich diß dar inne keyn artzneȳ wart nye so gut.
Rohland, Schäden
355
(
nalem.
/
schwäb.
,
1400
/
33
):
[die Salbe]
hat gar vil luten geholffen den nie kein arcznÿ wolt helffen.
Sappler, H. Kaufringer
2, 200
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
ir kainer gedorst da nie | zuo dem gast komen also nahen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1523
/
7
):
da was ain warmer und feuchter winter, als kain mensch nie gedacht.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
er hab ir in achzehen jaren kain bess wort niehe geben.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
wann vor der zeit niemant nie geirritzt ward.
Munz, Füetrer. Persibein
497, 4
(
moobd.
,
1478
/
84
):
der durch sein ritterscheffte | kain frayse durch sein zaghait nye verlag.
Bauer, Imitatio Haller
58, 12
(
tir.
,
1466
):
Ich han kchainen geistleichen oder andechtigen menschen nie funden, der da nicht gehabt hat truebsal.
Lappenberg, a. a. O. ;
Wiessner, Wittenw. Ring
284
;
3721
;
8216
;
Goldammer, Paracelsus
5, 181, 5
.
Vgl. ferner s. v.  1.
6.
›nicht‹; dient der Negation eines vom Autorstandpunkt aus gesehen vergangenen Satzinhaltes.
Bedeutungsverwandte:
 1.

Belegblock:

Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
499
(
mrhein.
,
um 1335
):
Herre, weres duͦ gewesen hie, | so were min bruder dot noch nie.
Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
Hette abir der cleger yn vor gerichte ny brocht vnd yn sust vor gerichte ny beschuldiget, so [...].
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
82, 3
(
omd.
,
1487
):
dÿe weil ÿn gott grosse wúnder irzceigte, sÿe mit trewgem fusße über das roth mehr furende [...] wolden sÿe gott nÿe irkennen.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. (
osächs.
,
1343
):
Denne sage ich en: wan ich habe ûch nie
[
Luther
1545:
noch nie
]
bekant, wîchet von mir hin.
Bauer, Geiler. Pred.
94, 20
(
Augsb.
1508
):
der spricht von im selber. Das er sich nye genuͦg künd verwunderen in dem werck unnser erloͤsung.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
Da ich mich ains ieden mans erwert, do kund ich mich des küemauls hie erwern.
Moscouia
E 1v, 18
(
Wien
1557
):
Sein tod hat grosse beschwaͤrde vnd bekhuͤm͂ernuß nie allain dem Hunger Lannd / Sunder allen anrainenden [...] pracht.
Bechstein, a. a. O. Mt. ; .
7.
steht konjunktional in der Formel
nie [...] noch
für ›weder [...] noch‹.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Dâ der engel genant ist, dâ enkam nie meister noch sin zuo, vil lîhte ist er namelôs.
Meisen u. a., J. Eck
40, 29
(
Ingolst.
1526
):
Das ist kuͤrtzlich mit warhait die handlung, welche kainer der gelerten, so darbey sind gesin, nie annders gesagt noch verkert habent.