ausfaren,
V., unr. abl.
1.
›hinausziehen, sich zu Fuß, mit dem Wagen, mit dem Schiff hinausbegeben, auf die Reise begeben, eine Reise unternehmen (teils mit Angabe des Zweckes), aufbrechen, abreisen, ausgehen, einen Ort verlassen; (aus dem Grab) heraussteigen‹; ütr.: ›sich hinausbegeben, hinauswagen (in besondere Bereiche religiöser Erfahrung)‹; offen zu den Spezialisierungen 2-6.
Bedeutungsverwandte:
vgl. ,  6,
1
,  9.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Der sun vur uz noch steinen | Vil edelen unde reinen.
Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
Veret eyn man vs vnde wil rouben.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
ein edel mensche vuor ûz in ein verrez lant enpfâhen im ein rîche.
Allg. Schau-Buͤhne (
Frankf.
1699
):
Denn er aus dem rothen Meer ausgefahren / und durch das Mittellaͤndische in Ægypten wieder zuruͤck kommen.
Sermon Thauleri
10va, 15
(
Leipzig
1498
):
in disem grad ist d’ mẽsch noch iũck. vñ sal noch nicht freilichẽ außfaren in das lant d’ beschauũge.
Luther. Hl. Schrifft.
1. Mose 41, 45
(
Wittenb.
1545
):
Also zog Joseph aus / das land Egypten zu besehen / [...] / Vnd fuhr aus von Pharao / vnd zoch durch gantz Egyptenland.
Ebd.
2. Kor. 2, 13
:
ich macht meinen abschied mit jnen vnd fuhr aus in Macedoniam.
Gille u. a., M. Beheim
42, 2
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
die gleichsner us | furn mit Herodis, | Des chungs dienern.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Belib in dinem kloster und var nit vil usz, wann da von ist menger grosser schad komen.
Geier, Stadtr. Überl. (
nalem.
,
um 1400
):
wenne wir ußvarend, es sie raisen oder fúr vestinen, ze lanttagen, ze tagen, oder ze pfenden, oder welcherlaig weg wir ußvarend, wer denn die satzungen brichet.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Nu varent balde hinnan us.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
ir sont us varen mit froͤden und sont hin komen mit fride.
Sappler, H. Kaufringer
12, 117
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
der paur beraitet sich darzuo, | das er fuor gen acker auß.
Bastian, Runtingerb.
2, 72, 25
(
oobd.
,
1384
):
ez fur Ulr. Fuͤrttaͤr hie auz dez samptztagz in den 4 tagen in der vasten.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1512
):
der mag ôn irrung ander vischer ausgeforn mit zwain segen.
Geier, a. a. O. ;
Koller, Ref. Siegmunds ;
Bastian, a. a. O.
2, 46, 7
;
87, 2
;
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. ;
2.
›eine räumliche oder soziale Bindung verlassen‹; im einzelnen z. B.: ›(aus einem Territorium, einer Stadt o. ä.) wegziehen, auswandern; (aus einem Kloster) austreten, (das Kloster) verlassen; (von einem Hof) abziehen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  12,
2
 2,  5,  15,  4.
Syntagmen:
wohl hierher
ausfarender zins.

Belegblock:

Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
Monchet ouch eyn man eyn kynt das vndir seben iaren ist. vnd veret is vndir syben iaren vs is behelt an lantrechte allis das is erben sal.
Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. (
mosfrk.
,
1476
):
Were sach, [...] dat einich man in vurg. hoef auch ausfaren wurde, der sal des sontags in der kirchen roefen, he wil aus dem hoef faren.
Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
um 1400
):
den sol der schultheis, der gros weibel [...] by iren geswornen eyden sy vertigen vsszeuarenne [...], oder aber sich entschlachen der gezigde.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1397
):
wär sache daz er weib und kind hett die sullen us faren und fürbazer ewiclich in disen stat nymmermer chomen.
3.
›sich nach Beendigung der Schicht aus der Grube herausbegeben, ausfahren; die Hütte verlassen‹; als Synekdoche in der Wendung:
das geding a.
›die übernommene Arbeit ausführen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  13.
Gegensätze:
 4.
Syntagmen:
häuer
(mehrfach) /
arbeiter / hüttenman / steiger a.
;
zu den stollen a.
; in der Regel aber ohne Ortsangabe.

Belegblock:

Ermisch, Sächs. Bergr. (
osächs.
,
1499
/
1500
):
so sall kein hewer ausfarnn, es sey dan der ander wider am ort ader der steyger ausklopt.
Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. (
schles.
,
1528
):
dass sich der steiger [...] dieser unser ordnung mit aus- und anfaren und allen andern treulich halte.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
67, 7
(
omd.
,
1544
/
5
):
ym somer [...] zu vier oren eyn- und zu einer or außfaren.
Ebd.
72, 16
(
1563
):
inmaßen alle steiger und arbeiter zu rechter zeit ein- und außfahren sollen und ahn der arbeit nicht faullenzen.
Ebd.
139, 23
;
Ermisch, a. a. O. ;
Patocka, Salzwesen.
1987, 122
;
Piirainen, Stadtr. Kremnitz
111
;
Wolf, Mathesius.
1969, 293
;
Ders. Bergmannsspr.
1958, 180
.
4.
›ins Feld, zur Heerfahrt ausziehen‹.

Belegblock:

Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. (
mosfrk.
,
1385
):
den besten [...] von unsern ingeseßenen burgern zu Wesel, den uzzufaren geburet mit irem harnesche und gereitschaft zu furen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1379
):
darnach fuͦrn die von Venedig uz mit gantzer macht fur Glötz.
5.
›mit dem Vieh zur Weide hinausziehen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
1
 2.

Belegblock:

Dinklage, Frk. Bauernweist.
99, 44
(
nobd.
,
um 1509
):
wann der hirt zum dorfe einferet, so sal man das gericht anheben; wann er wider außferet, so sal man berechen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Mit den seüwen Außfaren.
Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. (
schwäb.
,
1586
/
91
):
wenn der hiert am abend einfert und am morgen so der hiert ausfert.
6.
›ausfahren, den Menschen verlassen (von bösen Geistern)‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  6.

Belegblock:

Luther. Hl. Schrifft.
2. Kön. 19, 35
(
Wittenb.
1545
):
in der selben nacht / fuhr aus der Engel des HERRN / vnd schlug im Lager von Assyrien / hundert vnd fünff vnd achzig tausent Man.
Ebd.
Mt. 17, 18
:
Jhesus bedrawete jn / Vnd der Teufel fur aus von jm / vnd der Knabe ward gesund.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
541, 25
(
els.
,
1362
):
Do rief der túfel: ‘O wie gerne fure ich us, liesse mich der grosse herre.’
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
Wie dan mit einem großen brausen der Böse außfuhr.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Ihesus swigen in [túvel] gebot | Und von dem menschen varen us.
Sappler, H. Kaufringer
18, 104
(
schwäb.
, Hs.
1472
):
das ich [teufel] schier wider außfar | von der jungfrawen.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
5, 29
(
tir.
,
1464
):
Wir lësen auch mër in seinen wunder zaichen, das die pösen geist aus musten faren von den pehafften menschen.
Williams u. a., a. a. O.
507, 18
;
Sappler, a. a. O.
18, 139
;
Eschenloher. Medicus ;
Dietz, Wb. Luther .
7.
›verscheiden, sterben‹, auch von der Seele gesagt; Euphemismus zu 1.

Belegblock:

Lemmer, Brant. Narrensch.
26, 16
(
Basel
1494
):
Vil wünschen das sie leben lang | Vnd duͦnt der sel doch also trang | Mit schlẽmen / prassen im wynhuß | Das sie vor zyt muͦß faren vß.
Ebd.
29, 20
:
das er [narr] sterben muͦß | Wo / wenn / vnd wie / ist jm nit kundt | Biß das die sel fert vß dem mundt.
Dietz, Wb. Luther .
8.
›ausfallen, herausfallen (vom Auge)‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Stirbet dir dîn vriunt – in gotes namen! Vert dir ein ouge ûz – in gotes namen!
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
nu daz [oͧge] var mir uz und werde blint oder toͮp, daz het der himelsche vatter ewicliche angesehen.
9.
›etw. in Erfahrung bringen, genau erkunden‹.

Belegblock:

Schweiz. Id. (a.
1576
).
10.
›losgehen (z. B. von Pfeilen)‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  7,  13.

Belegblock:

Luther. Hl. Schrifft.
Sach. 9, 14
(
Wittenb.
1545
):
der HERR wird vber jnen erscheinen / vnd seine Pfeile werden ausfaren / wie der Blitz.
11.
›ausbrechen, zum Vorschein kommen (z. B. vom Aussatz)‹; mit verschobener Bezugsgröße: ›von etw. befallen werden (z. B. von einer Rötung)‹; subst. und mit hinzukommender Metonymie: ›Hautausschlag‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  10.
Syntagmen:
aussaz a.
;
leib jm. ausgefaren sein
;
brennendes / scharfes a.
(subst.).

Belegblock:

Luther. Hl. Schrifft.
2. Chr. 26, 19
(
Wittenb.
1545
):
da er mit den Priestern murret / fuhr der Aussatz aus an seiner stirn fur den Priestern.
12.
›plötzlich aus jm. (in allen Belegen: Gott) hervorbrechen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  5.

Belegblock:

Luther. Hl. Schrifft.
3. Mose 10, 2
(
Wittenb.
1545
):
Da fuhr ein fewr aus von dem HERRN / vnd verzehret sie.
Ebd.
4. Mose 11, 31
:
DA fuhr aus der wind von dem HERRN / vnd lies Wachteln komen vom Meer.
Ebd.
Jer. 4, 4
:
Auff das nicht mein [HERR] grim ausfare / wie fewr / vnd brenne.
13.
gegen jn. ausfaren
›ausfällig gegen jn. werden‹;
oben ausfaren
›sich hoffärtig verhalten‹.

Belegblock:

Luther. Hl. Schrifft. 1. Joh.
2, 16
Marg. (
Wittenb.
1545
):
Hoffertig leben / ist ehrgirigkeit / gewalt / lob vnd oben aus faren.
Schweiz. Id. (a.
1691
).
14.
“›zum Zweck der Herstellung eines in mehr oder weniger horizontaler Richtung geführten Grubenbaues das Gestein auf eine gewisse Länge aushauen, herausschlagen; einen derartigen Grubenbau herstellen und forttreiben‹“ (so
Piirainen, Recht Schemnitz.
1986, 279
).
Bedeutungsverwandte:
vgl.  12,  12,  3.

Belegblock:

Piirainen, Recht Schemnitz.
1986, 279
:
wo tzween erbstolln zuehawff kömen mit durchschlegen vnd der, der den durchschlag, in den andern stolln gemacht hat, fund nyemant in der zech oder stolln vnnd fur zue dem stollen aus, so bleybt im der stolln mit recht.
Veith, Bwb. .
15.
›jm. mit dem Wagen ausweichen, beim Fahren den Vortritt lassen‹.

Belegblock:

Siegel u. a., Salzb. Taid. (
m/soobd.
,
1637
/ Hs.
E. 17. Jh.
):
gebüret deme, welcher die besser abfahrt hat, dem anderen auszufahren.
16.
›sich rechtfertigen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl. (V.) 23,
1
 9.

Belegblock: