1
gewenen,
gewänen,
gewonen
I,
V.,
Fortsetzung von
mhd.
gewenen
›jn. gewöhnen‹
und ablautendem
gewonen
›verweilen‹
(), hier semantische Spaltung von
gewonen
angenommen.
1.
›jn. / sich durch Wiederholung einer Tätigkeit oder durch mehr oder weniger gezielte Anstrengung an etw. (meist) / jn. (seltener) gewöhnen, jn. / sich mit etw. / jm. vertraut machen‹; auch: ›(einem Amt) nachgehen‹; ›mit jm. umgehen als [...]‹.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
 14,  2,  14,  2.
Gegensätze:
 3.
Syntagmen:
j. etw
. (Akk.obj., z. B.
das betteln, den fisch
)
g
. ›sich an etw. gewöhnen‹,
j. den leib unkeuschlich g., j. g
. + Infinitivergänzung ohne oder mit
zu
(z. B.
sünde meiden
;
auf jn. zu trauen
),
j. js
. (z. B.
Christi
)
g., j. e. S
. (z. B.
des wollustes, der arbeit / innigkeit / hertigkeit / pfafheit / reise / narheit / not / schrift / zucht / tugend, der lügen, eines sitten, der französischen wörter
)
g., j. die vernunft gotte
(Dat.obj.; ›an Gott‹)
g., j. jn. e. S
. (z. B.
des leides
)
g., j. jn
. (z. B.
die kinder
)
dahin g., das [...], j. jn. etw
. (Akk.obj.)
g., j. jn. zu etw
. (z. B.
zum wein, zur tugend / arbeit
)
g., j. die zunge zu fremder sprache g., j. den mund zum schweren g
., refl.:
sich
[wie]
g., sich g., zu [...]
(z. B.
die leute zu fressen
),
sich g., das [...], sich an etw
. (z. B.
an das gebet, an das schlafen
)
/ auf etw
. (z. B.
auf den sitten
)
/ in etw. / nach etw
. (z. B.
nach den gesazten
) /
zu etw
. (z. B.
zu dem schlemmen, zum glauben, zur tugend / frömmigkeit
)
/ jm
. (z. B.
zu der singerin
)
g
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
manne und wip, | Di unkuslich iren lib | Uben und gewenen.
Luther, WA (
1530
):
mit zittern und ehrerbietung wird sie yhn [Christus] gelegt haben ehe sie seiner gewhonet.
Ebd. (
1534
):
das man lerne Gott loben [...], ob er gleich nicht so bald da ist, wenn wirs gerne hetten, sondern seiner weise gewonen und gedultig sein, ob er etwas verzeucht.
Ebd. (
1547
):
Ein iung Mensch sol sich gewhenen und lernen auff Gott zu trawen.
Ders., Hl. Schrifft.
Sir. 9, 4
(
Wittenb.
1545
):
Gewene dich
[
Dietenberger
1534 /
Eck
1537:
gemeinsam haben
]
nicht zu der Singerin / das sie dich nicht fahe mit jrem reitzen.
Ebd.
Hes. 19, 3
:
der [Lew] gewehnete sich
[
Cranc
, M. 14. Jh.:
lernete
;
Froschauer
1530:
hat gelernet
;
Eck
1537:
lernet
]
die Leute zureissen vnd fressen.
Boon, St. Prätorius
79, 18
(
Ülzen
1579
):
gewehne deinen mund nicht zum schweren / vnd Gottes namen zu fuͤren.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Dis ist vor allen dingen nôt: daz der mensche sîne vernunft wol und zemâle gote gewene und üebe, sô wirt im alle zît innen götlich.
Perez, Dietzin
1, 320, 24
(
Frankf.
1626
):
weyß ich mich einer jungen Tochter zuerinnern / welche gleich nach der Milch zum Wein gewohnet wardt.
Ebd.
321, 2
:
wer seine Kinder zur solchen Tugend gewoͤhnen will / der gestatte jhnen in ihrer zarten jugent keinen Wein.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
13, 3
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Liebes entspent, leides gewent habet ir mich.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
116, 5
(
Nürnb.
1548
):
das [...] die kinder [...] dahin gewehnen / das sie ein lieb zu Gottes wort gewunnen.
Ebd.
147, 9
:
Das gewohne du / vnnd lasse das Creutz dich nicht schrecken.
Sachs (
Nürnb.
1562
):
Der [sathan] in würfft in deß wollusts fewer | [...] | Und ander sünd, neid, haß und zoren | Und was er ist gewehnet woren.
Bell, G. Hager
360, 1, 16
(
nobd.
,
1611
):
Ge wen dich nicht zu dem schlemen.
Ebd.
581, 3, 10
(
1598
):
wer sich vil lügens nimet an | vnd gwent sich dar zu [...].
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
als sich der mensche drin [war nemen sin selbes] gewent, so ist es im gar licht.
Ein mensche solte sich an getrúwunge gewennen als an ander tugende.
Strauch, Schürebrand (
els.
,
E. 14. Jh.
):
ir muͤssent [...] den friden ervolgen durch den unfriden und der tugende gewonen durch vil anevehtunge der untugende.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
es wart gethan do zacharias gewont
[Var. 1475
2
–1618:
brauchet
;
Luther
1545, Lk. 1, 8:
pfleget
]
der pfaffheit in dem orden seins ampts vor gott.
Soll wir denn gewonen vnser schwester als ein gemeine
[
Luther
1545, 1. Mose 34, 31:
als mit einer Huren handeln
].
Schorer, Sprachposaun
6, 16
(o. O.
1648
):
daß er lieber die Zunge hat ruhen lassen / als dieselbe zu frembder Sprach gewehnet.
Maaler (
Zürich
1561
):
Gewennen / das ist / Jn ein gewonheit bringen. [...]. Sich nach den Gesatzten Gewennen.
Bauer, Geiler. Pred.
79, 12
(
Augsb.
1508
):
nit gewen dich an das gebeet. das du fiertzig oder fünfftzig Pater noster sprechest.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
graf Albrecht lag [...] am hof still, biss der selbig widerumb erstarket und des lufts gewonnet.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Schmids Kinder seindt der Funken gewohnt. [...]. Gantz vnd gar gewohnt / oder dargegen verhartet. [...]. Einer der das bettlen gewohnt / der hoͤret nicht auff zu betlen. Der Hund / so der Kuchen gewohnt / ist boͤß wider herauß zu bringen.
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
So gewant er aines sitten, | Er reit also verre, | Daz man in nimmer haisset herre, | So eylt er wider haim.
Nün gwant vil manger pei dem tisch | Wilpret, pheffer, gŭter visch.
Schülke, Geistl. Gemahelsch.
1436
(
moobd.
, Hs.
15. Jh.
):
daz er gewan sünd meiden, | geistleicher arbait joch leiden.
Turmair (
Nürnb.
1541
):
Si zogens [kinder] von kindheit auf hert und arbeitsam, auf das sie der nôt gewoneten und wol erstarkten.
Ebd. (
moobd.
,
1522
/
33
):
Also gewonten die kinder von jugent auf der rais krieg arbait und aller hertikait.
Schorer, Sprach-Verd.
3, 5
;
Mieder, Lehmann. Flor. ;
Knape, Messerschmidt. Bris.
1, 45
;
v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe ;
Reichmann, a. a. O.
117, 14
;
Bell, a. a. O.
479, 3, 13
;
Bihlmeyer, Seuse ;
Strauch, a. a. O. ;
Menge, Laufenb. Reg.
3122
;
Sappler, H. Kaufringer
16, 49
;
223
;
Barack, Zim. Chron. ;
Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio
189, 123
;
Tpma
5, 3
;
Dietz, Wb. Luther f.;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß ;
Vgl. ferner s. v.  2.
2.
im Part. Prät. mit
haben
oder
sein
(letzteres etw. seltener): ›sich an etw. gewohnt haben, (an) etw. gewohnt sein; etw. pflegen zu [...]‹; auch: ›sich eingelebt haben‹.

Belegblock:

Luther, WA (
1530
):
es sind yhe wenig die es recht gleuben, die andern sind der historien sonst also gewohnt und durchgangen wie ein alt hause des rauchs.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
35, 14
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
das die Tartirn nicht woren gewonit stritin mit den elephantin.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
13, 20
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
fluchens seit ir gewont, genadenlos seit ir an allen orten !
Bell, G. Hager
613, 2, 3
(
nobd.
,
1610
):
balt der jung knecht ge wanet Het, | scherczt die fraw mit jm früe vnd spate.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
wanne ir [menschen] grunt ist gewennet und wissenliche verstricket mit creatúrlicheit.
Menge, Laufenb. Reg.
2345
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1470
˺):
in andern sachen | Der vil lúte gewonet hend | Sol man endern nit behend.
Lemmer, Brant. Narrensch.
5, 34
(
Basel
1494
):
Swaͤr jst recht thuͦn / ders nit hat gewont.
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst (
Straßb.
1522
):
so woͤllen wir unsern eignen Willen haben und thuͦn, wie wir gewont haben.
Weißbrot gehoͤrt unß nit zuͦ; wir haben sein nit gewont.
Tobler, Schilling. Bern. Chron. (
whalem.
,
1484
):
wie dann die fromen Eidgnossen iewelten gein einandern ze tünde gewont hand.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Die Baiern lagen ob, [...], hetten nun mêr des fliehens dan des stêns und fechtens gewont.
Kummer, Erlauer Sp. (
m/soobd.
,
1400
/
40
):
wir sein des gewent, | das wıͤr chain christen | nicht lenger wellen fristen.
Luther, a. a. O. ;
Reichmann, Dietrich. Schrr.
129, 1
;
Fuchs, Murner. 4 Ketzer
2605
;
Bolte, a. a. O. ;
Guth, Gr. Alex. ;
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
34, 7
;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß .
Vgl. ferner s. v.  1, .
3.
›(Tiere) entwöhnen; sich / etw. (seine Sinne) von etw. abziehen, einer Neigung entwöhnen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl. , ,  13.

Belegblock:

Ziesemer, Gr. Ämterb.
165, 14
(
preuß.
,
1432
):
In den hoffen: 322 czihender pherde und cobelen, [...], item 8 schok 23 houbt rintfie, item 2½ schog gewenete kelbir.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
von den înwonenden gote sô werdent sie
[Sinne]
inwendic gewenet und gespenet von lîplîchen hindernissen der zîtlîchen dinge.
Stammler, Berner Weltger.
888
(
ohalem.
,
1465
):
Do kond ich [Lucifer] mich nit gewennen | Noch min mu̇twillen gezemen, | Daz ich wolt alleine sin glich | Jn dem vil schoͤnen hymelrich.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
16. Jh.
):
da migen si das gewehnet viech unden umbhin dreiben und die fertigen fül an halftern weisen.
4.
›etw. (z. B. eine Sprache) / jn. (z. B. einen Apostel) zu verstehen lernen, sich in etw. einarbeiten, einüben‹.
Bedeutungsverwandte:
 2.
Syntagmen:
mit Gen.- oder Akk.obj.

Belegblock:

Luther, WA (
1522
):
Hie mussen wyr aber des Apostells gewonen, das er durch die Element der wellt nit vorstehet die naturlichen vier Element.
hie muͤssen wir Ebreisch lernen und der sprachen gewonen.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Daz sich ein ungewenet und ungeüebeter mensche alsô wölte halten [...] als ein gewenter mensche.
ûz dem sol man lernen würken alsô, daz man die innicheit breche in die würklicheit und die würklicheit înleite in die innicheit und daz man alsô gewone lediclîche zu würkenne.
Chron. Köln (
Köln
1499
):
ein dochter, die hei, so balde als si sprechen kunden, geweint und leirde latinsche spraeche.
5.
›etw. (meist: ein Tier; auch: den Magen) auf eine bestimmte Tätigkeit, Funktion hin abrichten, dressieren‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  10,  15, ,  3,
1
 6,  4, .

Belegblock:

Goedeke, Fischart Amadis
22
(
Frankf.
1572
):
Mit solchem kraut, giftwend genent, | Hat der könig also gewent | Sein derm, und so gebeizt den magen | Das er kein gift nicht mocht ertragen.
Thür. Chron.
24v, 8
(
Mühlh.
1599
):
[der Prophet Mohammed]
hatte eine weisse Tauben / welche er gewehnet / das sie jhm Korn vnnd Linsen auß den Ohren laß.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
23, 19
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
so vurt man dar eynen lewin, der do czu gewenit ist, der [...] anebetit den grozen chaam.
Ebd.
38, 19
:
des sint di hunde gewent das sy sich also bewarn das sy den lewin vorsern, und blibin selbin unvorserit von dem lewin.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
171, 15
(
osächs.
,
1570
/
7
):
Die knechte auch ihr eigen vieh nicht zum auslauf gewehnen.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
und [die heiligen] hettent in [lichamen] ouch also gewenet: wenne der geist wolte, so sprang der lichame fúr.
Bernoulli, Basler Chron. (
alem.
,
um 1454
):
welicher do das beste tuͦt, den kusset do die schoͤnisti frowe an sinen munt und git im zuͦ einer obenture ein gewenten sittekust.
v. Tscharner, a. a. O.
75, 4
.
6.
›e. S. (z. B. dem Meer) Grenzen setzen, sie seinem Willen unterwerfen‹.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Dem mer hastu [Gott] ein zil gewenet, | Den himmel dorumme gedenet.