trutzen,
tratzen,
trotzen,
V.;
auch mit Uml.; in 1 vorwiegend
tratzen
.
– Gehäuft literarische und religiöse Texte.
1.
›jn. (mit Absicht, durch entsprechende Verhaltensweisen) ärgern, herausfordern, provozieren; sich (jm. gegenüber) spöttisch, boshaft, feindselig verhalten‹; speziell: ›jn. (in Schriften u. dgl.) beleidigen, schmähen‹; jeweils als Verhalten / Handeln, das sich gegen andere richtet und als den sozialen Frieden störend beurteilt wird; auch verstärkend
trutzen und tratzen
;
offen zu 2; zu (
der
1.
Phraseme:
trutzen und tratzen
(formelhaft).
Gegensätze:
 1,  2.
Syntagmen:
j. t
. (absolut);
jn
. (z. B.
den herren, die biederleute / altgläubigen, die Römer
)
/ etw
. (z. B.
alle tiere
)
t., jn. mit dichten / stichworten, mit hurerei t
. ›jn. des Ehebruchs bezichtigen‹; subst.:
j. von dem trutzen lassen
›ablassen‹,
sich js. trutzens nicht annemen, jn. mit trutzen fatzen
;
das trutzen der mäuse
.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Fräflen mutwillen tratzen.
Luther. Hl. Schrifft.
1. Kor. 10, 22
(
Wittenb.
1545
):
wollen wir den HErrn trotzen?
[
Mentel
1466:
neide
]
Sind wir stercker denn er?
Ebd.
2. Kor. 11, 20
:
Jr vertraget [...] So euch jemand schindet / So euch jemand nimpt / So jemand euch trotzet
[
Mentel
1466:
erhebt
;
Luther
1527:
sich [...] vber euch hebt
]
/ So euch jemand in das angesichte streicht.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
514, 252
(
Magdeb.
1608
):
Baußback mit rath / | Die Froͤsch zu sich beruffen hat / | Auß allen Seen / Teichen / Pfuͤtzen / | Zuerwarten der Meuse trutzen.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Nach dem jetzt die grimmigen Lawen | All Thier fast trutzen vnd bedrawen.
Goedeke u. a., Liederb. (o. O.
1546
):
Bitt in, daß er wöll geben mer, | die also tun beschützen | sein heiligs wort und göttlich ler, | und sie nit laßen trutzen.
Sachs (
Nürnb.
1539
):
Du kanst deim feindt nit würser than, | Denn: nimb seins trätzens dich nit an!
Ebd. (
1563
):
So er die leut thuet trutzn und tratzen, | So thut man in her-wider fatzen.
Ebd. (
1556
):
sie hat mich gar lang thun fatzen | Mit stichworten, hönen und tratzen.
Matthaei, Minner. I, (Hs. ˹
nalem.
,
1459
˺):
tetten es die fuͤrsten unerlich schetzen, | so ließ manger von soͤlichem tretzem [wuͦchern, röben und falscher köff, | spilen, schelten und schweren, | höchfart triben und unerlich zeren].
Bächtold, H. Salat (
halem.
,
1536
):
[...] daß si so hoch und on end die altglöubigen [...] verschmächtend, tratztend, spätzletend, ranztend und verachtend.
Tittmann, Schausp. 16. Jh. Funk.
183, 298
(
Bern
1551
):
Es tratzt mich einer diser orten | mit fräflen, lichtfertigen worten.
Maaler (
Zürich
1561
):
Tratzen / Zuͦ zorn reitzen. [...]. Biderbleüt Tratzen vnd beleydigen. [...]. Einen Tratzen vnd verspotten.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
wie die Römer und ir kaiser [...] von [...] den Teutschen, angegriffen, umbgetriben, gezeckt und geträtzt sein worden.
die Teutschen, ruckten täglich an die römisch wagenburg [...] und trätzten vodreten die Römer heraus.
2.
›sich (jm.) widersetzen, (jm. gegenüber) widerspenstig verhalten; selbstherrlich, anmaßend, überheblich auftreten‹, dann oft in der präpositionalen Fügung
auf etw. trutzen
›auf etw. bestehen, beharren, pochen; sich hochmütig (mit übertriebener Selbsteinschätzung) auf etw. stützen; auf etw. bestehen‹ gebraucht; jeweils negativ bewertetes, kooperationsstörendes Verhalten charakterisierend;
zu (
der
2.
Phraseme:
trutzen und pochen
(formelhaft).
Bedeutungsverwandte:
 56,  2,
2
 1, (V.) 2, .
Syntagmen:
j. t
. (absolut);
jn. / jm
.? (im Beleg
got
)
t
.;
sich e. S
. (Gen.obj.:
des
)
t
.;
j. stolz, mit seinem reichtum, auf seinen reichtum, mit seiner macht t., der widder auf seine stärke t
.

Belegblock:

Chron. Magdeb. (
nrddt.
, Hs.
1601
):
Die gantze Gemeine [...] haben [...] das gemeine Weidegeldt S.f. g. zu geben geweigert und sich des getrotzet, daß [...].
Luther, WA (
1531
):
Wie gar ist doch das uber aus Gott gepocht und getrotzt!
Ebd. (
1530
):
die itzt also scharren, bochen und trotzen, die waren jnn der Beurisschen auffrhur so verzagt, das sie [...].
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Derhalben sich [der Wider] gar hoch auffmutzt, | Zu sehr auff seine stercke trutzt.
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
178v, 44
(
Leipzig
1588
):
Lass einen andern mit grossem Reichthumb pralhen vnd prangen / trotzen vnd pochen.
Bell, G. Hager
226, 1, 13
(
nobd.
,
1600
):
Die sich ver lasen in der Sume | auff ir groses gut früe vnd spate | vnd druczen auf iren reich thume?
Reichmann, Dietrich. Schrr.
228, 28
(
Nürnb.
1548
):
Der Tiran̄ feret hin in Gottes zorn vnd vngnad / vnd alles was er hat / war auff er trotzet / vnd bochet / bleibt hinder jm.
v. d. Broek, a. a. O.
293v, 32
;
Reichmann, a. a. O.
211, 13
;
3.
›sich entschlossen, unnachgiebig verhalten; jm., einer Bedrohung, Versuchung u. dgl. widerstehen, jm. mutig, selbstsicher (auch: im Vertrauen auf Gott) entgegentreten‹; ›etw. abwehren, sich vor etw. schützen‹; im Unterschied zu 2 als ordnungsbewahrend beurteilt und positiv konnotiert; in der präpositionalen Fügung
auf etw. trutzen
›zuversichtlich auf etwas vertrauen, sich auf etwas stützen‹; vereinzelt in poetischen Texten: ›einer Sache (in einer bestimmten Qualität) ebenbürtig bzw. nahezu überlegen sein‹.
Bedeutungsverwandte:
 1, ,  4, (V.) 2, , .
Syntagmen:
die feinde, den teufel, den / dem tod, den tyrannen t., js. augen den rubin, die tulipan den türkenbund t
.;
auf etw
. (z. B.
auf eine verheissung
)
t., sich auf den herren, vor der untreue t., j. wieder den tod t
.; subst.:
js. trutzen (ein) köstlich ding sein
.

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged. (
1638
):
Nur unsre schönen Bücher | sind für dem Untergang’ am allerbesten sicher | und trutzen ieden Tod.
Luther, WA (
1535
):
das man widder den tod und helle rhuͤmen und trotzen sol: ,Tod, wo ist dein stachel [...]?‘
Ebd. (
1547
):
AVff nichts sollen wir vns verlassen noch trotzen on auff den HERRN.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
217, 5320
(
Magdeb.
1608
):
Jch ward fuͤr alle Pferd erwehlt / | Vnd dem Marstaller vntergeben / | [...] | Das ich lernt traben / wenden / stutzen / | Springen / lauffen / die feinde trutzen.
Opitz. Poeterey
41, 30
(
Breslau
1624
):
Dein’ augen trutzen wol den edelsten Rubin / | Vnd fuͤr den Lippen muß ein Tuͤrckiß auch verbleichen.
Gajek, Köler. Maÿen-Lust
66, 5
(
Breslau
1642
):
Nun kompt die Tulipan / | Die einen Tuͤrckenbund an Farben trotzen kan.
Sachs (
Nürnb.
1564
):
lobt ob allen dingen | [...] ein gottförchtigen mann, | Der trewlich lehrn und rhaten kan, | Sich selb kann hüten und beschützen | Fürsichtig vor der untrew trützen.
Trunz, Meyfart. Tub. Nov.
9, 1
(
Coburg
1626
):
Dargegen gehet es den Verfolgern des Worts wol / sie stehen fest wie ein Pallast [...] vnd darumb muß jhr trotzen koͤstlich Ding seyn.
Jörg, Salat. Reformationschr.
48, 14
(
halem.
,
1534
/
5
):
wie uns [alle fromenn allten cristen] gott ouch durch die natur und creaturen warnen laat / trutzet / weert / und mant / alls ein barmmhertziger trüwer vatter.
Lappenberg, a. a. O. ;
Harms u. a., Alberus. Fabeln
168, 34
.