erdenken,
V.,
unr.
1.
›etw. (ein mentales Konzept, eine Idee) durch Denken hervorbringen‹; ›auf etw. kommen, sich etw. einfallen lassen‹; ›sich etw. überlegen, ausdenken (und in die Tat umsetzen)‹; absolut auch: ›nachdenken‹; in Verbindung mit Modalverben: ›etw. ermessen, sich etw. vorstellen, ausmalen (können)‹; häufig mit negativer Konnotation: ›etw. (frei, ohne Wahrheitsgehalt) erfinden, erdichten‹; ›etw. (in betrügerischer Absicht) ersinnen, aushecken‹; meist mit effiziertem Objekt;
vgl.  6,  6.
Gewisse Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Phraseme:
etw. auf jn. erdenken
›jn. e. S. fälschlich beschuldigen‹.
Bedeutungsverwandte:
 10,  1,  5, , , ,
1
 6.
Gegensätze:
.
Syntagmen:
j. e
. (absolut; vereinzelt);
etw. e
. (z. B.
den ablas / behelf / betrug / beschis / contract / rat / spot, die ablegung / auslegung / baumeisterei / büberei / heiligenerhebung / ketzerei / kurzweil / partiererei / strengigkeit / torheit / ursache / wiederrede, das feuerwerk / landrecht / laster / morden / rauben / spiel, etw. falsches / närrisches / unwarhaftes, instrumente / lieder / lügen / ränke / reden / suppositiones / walfarten / worte, leichtfertige / nütze / tolle / unsinnige / ware dinge, den ersten abgot, einen gemeinen nutzen, einen häslichen menschen, eine neue gewonheit / pein, das goldene kalb, unchristliche lieder, neue arten zu reden, die kunst, schriften zu drucken
),
j
. (z. B.
Augustinus, der ratgebe, menschen, die geistlichen
)
etw. e
.,
etw
. (Subj., z. B.
die liebe, das herz
)
etw. e
.,
etw
. [wie] (z. B.
inniglich / kundlich, mit sinnen, in im
›in sich‹
selber, über kurz oder lang
)
e
.,
j. e., das [...] / wie [...] / ob [...]
,
etw. aus dem kopf, von e. S. e
.,
sich etw. e
.
Wortbildungen
erdenkung
›Lüge, Täuschung‹ (dazu bdv.: ).

Belegblock:

Nun ist allda [...] ein armer man, [...], dem soll ich zuͦhilffe kommen, das hat mir Got gepoten, aber das ander haben menschen erdacht unnd auffgesetzt.
Ebd. (
1522
/
3
):
dießen grieff kan keyn mensch [...] mit synnen erdencken, drumb thuts Christus alleyn.
das het Abraham nit koͤnnen erdencken, das es got also solt machen, er het in
[Isaak]
schon getoͤdt im hertzen.
Ebd. (
1523
/
4
):
Diese ausslegung ist recht, denn des sind wyr gewis, das es nicht vom menschen erdacht ist, sonder aus Gottes wort gezogen.
Ebd. (
1524
/
7
):
umb geitz willen bestetigen sie [prediger] es und erdencken teglich nur mehr walfarten, heiligen erhebung und ander solch Teuͤffels gespenst.
Alberus, Barf. Vorr. Alb. (
Wittenb.
1542
):
hatten auch nicht gedacht / das jemand solch toll vnsinnig / vnd Leichtfertig ding erdencken noch gleuben solt
(Luther über das Schrifttum der Franziskaner).
Helbig, Qu. Wirtsch.
2, 78, 4
(
md.
,
1583
):
Daß auch daher allerley Räncke, vortheilhafftige Contracte und Parthirerey erdacht werden, dadurch man den Wucher zu beschönen [...] vermeynet.
Thiele, Minner. II,
27, 194
(Hs. ˹
md.
/
rhein.
,
1. V. 15. Jh.
˺):
so lidich pyn, de ist so groiß | daz ich altzyt irtenken moeß | mit groeßer smertzen also | wie ich ir
[der
vrouwe
]
weter kome tzoe.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
kein herze kan ez erdenken, wie grôze vröude sie dâ von hânt.
Ders., Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Ich [got] mac aller menschen arbeit tragen und alle armen spîsen und aller menschen werk würken und swaz dû erdenken maht.
Bömer, Pilgerf. träum. Mönch (
rhfrk.
,
um 1405
):
Durch erdenckonge und lugenheit, | Is sij recht odir unrecht, lieb odir leit, | Mag ich nit laßen.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
120, 1
(
rhfrk.
,
um 1435
):
Man mochte keyn heßlicher mensch erdacht han.
Froning, Alsf. Passionssp.
665
(
ohess.
,
1501ff.
):
hilff mer bestellen, | das der zu dem tode werde bracht, | der solche thorheyt het herdocht, | das hye myn hersschaff wyl krencken!
Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
11, 13
(
Frankf./M.
1568
):
Darumb hat [...] ein Mann von Ritterlichen Ehren [...] dise Kunst / Schrifften zu trucken / erdacht.
Thür. Chron.
5r, 19
(
Mühlh.
1599
):
Von diesem [Tarquinius] sind alle Jnstrumenta erdacht / damit man die Leute Peiniget.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Bautzen
1567
):
hat Paulus Samozatenus [...] an stat derselben
[traditionellen Psalmenlieder]
, Zu forderung seines vnmenschlichen hochmuts vnd Ketzereyen, andere eigensinnige vnchristliche lieder erdacht.
Ebd. (
Nürnb.
1631
):
Sich was die Lieb erdencket.
M. Cunitia. Ur. Prop. (
Öls
1650
):
es macht dieser Planet [...] seltzame spruͤnge / welche zu salviren, die Astronomi unterschiedene suppositiones erdacht.
Bernoulli, Basler Chron. (
alem.
,
1446
):
Also das nun wert untz uf die vesper, do erdochtent die heren und brochent zuͦ siten loͤcher in die mur.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
verre úber das das ein ieklich mensche erdenken oder bekennen mag.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
664, 2
(
els.
,
1362
):
[Ebronius] leite in [Leodegarius] do noch in die gefengnicz vncze er eine núwe pin erdohte.
Anderson u. a., Flugschrr.
7, 6, 7
(
Straßb.
1524
):
die geystlichen erdencke͂ al buͤberey.
Lemmer, Brant. Narrensch.
61, 9
(
Basel
1494
):
Do er [der tüfel] das gulden kalb erdaht | Vnd schuͦff das got wart gantz veraht.
Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
waz man erdenken kan | Von purper, samett, paldegin, | Das lüchtett und gab da wider schin.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Von disen mægten man uns sait | Das ain núwe gewonhait | Die juden hettind erdacht.
Und
[die Juden]
sache uf in erdæchtint | An den er
[Jesus]
schuldig soͤlte sin.
hail. altvaͤter (
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
das ich nit kund erdenken wie wir die fluht kúndent an gelegen.
Martin, H. v. Sachsenh. Tempel
987
(
schwäb.
,
1453
):
Lüg ich, das ist mir leid. | Ich hon es nit erdaucht.
Guth, Gr. Alex. (Hs. ˹
oobd.
,
E. 14. Jh.
˺):
Der het im
[›sich‹]
erdaht | Ob daz land moht gebröht | Werden under sein gewalt.
Klein, Oswald
112, 231
(
oobd.
,
1438
):
und mag kain landsrecht sein erdacht | an kaiserliche recht verbracht, | es muss ain züsatz da von haben.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
109, 39
(
tir.
,
1464
):
er [...] gedacht im in im sëlbs, wie er möcht ein rechten sin
[›einen plausiblen Grund‹]
erdenkhen vnd erfinden, das er möcht zue ir chömen.
Ebd.
116, 2
:
darnach da [...] chëstiget [der münch] seinen leib mit sölicher [...] strengikhait des hërtten lebens, das der mensch grössere strengikhait chaum erdenkchen mag.
Wackernell, Adt. Passionssp. Br. II,
3243
(
tir.
,
1551
):
Pillich sollen im die augen werden nas, | Der innigclich erdenckht und Betracht, | Wie es [...] Umb Jhesu, unsern hern, ain gestalt gehabt.
ders., WA Tr. ;
Thür. Chron.
3r, 22
;
9r, 15
;
Küther, UB Frauensee
224, 27
;
v. Tscharner, Md. Marco Polo
6, 19
;
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
17
;
192
;
Franck, Decl.
339, 41
;
Lindqvist, K. v. Helmsd.
4297
;
Päpke, a. a. O. ;
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
83, 9
;
Rot
309
;
Vgl. ferner s. v.  4,  3,  2.
2.
als part. Adj.
erdacht
in Ansätzen lexikalisiert: ›unwahr, betrügerisch‹; ›auf falschen Voraussetzungen basierend‹; ›eitel, leer‹.
Bedeutungsverwandte:
, , , .

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Vnwaar gelogen falsch / erdacht erdichtet.
Luther, WA (
1520
/
1
):
ir hapt nach eüwerm tollen kopff, aigen willen und erdachten wercken gelebt.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Köln
1582
):
daß ihr [gotlosen] anschleg, lose tuͤck, | Jhr list erdachter buͦbenstuͤck | Sie selbs einmal befangen.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
174, 31
(
thür.
,
1474
):
darumbe so endorffin sy yme uff sollich erdacht orteyl keyne antwert thun.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
und wie sichs befand, so kamend dise grusen warnungen [...] uss erdachter pratick.
Anderson u. a., Flugschrr.
2, 9, 20
([
Augsb.
]
1523
):
so wirt [...] võ im selbs abfalle͂ alle erdachte͂ menschñ werck / alß ablaß beüchtbrief kauffen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Erdacht. Fictus, Adulterinus. Ein Erdacht vnd erlogen ding.